N. N.: Öffentliche Charaktere I: Robert Blum. In: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester, III. Band, S. 366-386.
Soweit der befreundete Biograph. Wir setzen nun aus eigner Anschauung Die Wirksamkeit eines Volksmanns wird stets unter localen Bedingungen Leipzig geht den übrigen sächsischen Städten in der politischen Betriebsamkeit
Soweit der befreundete Biograph. Wir setzen nun aus eigner Anschauung Die Wirksamkeit eines Volksmanns wird stets unter localen Bedingungen Leipzig geht den übrigen sächsischen Städten in der politischen Betriebsamkeit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p> <cit> <quote><pb facs="#f0003" n="368"/> floh den strafenden Händen und schnitt sich damit die Rückkehr zu seiner kirchlichen<lb/> Stellung ab. Blum mußte sich nun zu einem Handwerk entschließen; er versuchte<lb/> es mit der Goldschmiedekunst, zeigte aber dafür so wenig Sinn, daß er sie bald<lb/> aufgab, zu einem Gürtler in die Lehre trat und es bei diesem, trotz der entsetz¬<lb/> lichsten Behandlung, aushielt. Nach überstandener Lehrzeit, während welcher er<lb/> wenig gelernt hatte, ging er auf die Wanderschaft, erfuhr aber an verschiedenen<lb/> Plätzen, wo er in Arbeit trat, auf bittere Weise, daß er, um ein tüchtiger Gürt¬<lb/> ler zu sein, noch manche Lücke auszufüllen habe. Er kehrte nach Köln zurück und<lb/> fand endlich hier in der Laternenfabrik von F. W. Schmitz eine Stellung, in der<lb/> er zum ersten Male die ihm verliehenen geistigen Gaben mit Erfolg zur Anwen-<lb/> dung bringen konnte. Der Besitzer der Fabrik erkannte sehr bald Blum's Fähig¬<lb/> keiten; er schenkte ihm sein volles Vertrauen und nahm ihn mit auf Reisen durch<lb/> einzelne Staaten des südlichen Deutschlands. Während dieser Reisen verweilte<lb/> Blum ein halbes Jahr in München und zum ersten Male erkannte er, daß das<lb/> Leben, das für ihn bisher ein Dornenpfad gewesen, auch Freuden biete. (?) Der<lb/> Fabrikant Schmitz ging nach Berlin, Blum folgte ihm dorthin und war hier be¬<lb/> müht, durch unablässiges Selbststudium den bis dahin noch dürftigen Schatz sei¬<lb/> nes Wissens zu vermehren. Die Erfüllung der Militärpflicht, dann die Reise<lb/> des Schmitz nach Belgien und Frankreich, störten Blum's Verhältnisse; er ging<lb/> im August 1830 mit einem dürftigen Reisegeld nach Köln, und mußte hier, um<lb/> seine, mit dem bittersten Mangel kämpfenden Eltern unterstützen zu können, die<lb/> untergeordnete Stelle eines Theaterdieners bei dem Direktor Ringelhardt anneh¬<lb/> men, der ihn jedoch ein Jahr später, nachdem er die Direktion des Leipziger<lb/> Theaters übernommen, dorthin berief und ihn als Theatersekretär, Bibliothekar<lb/> und Hilfskassirer anstellte. Von diesem Augenblicke an widmete sich Blum der<lb/> schriftstellerischen Thätigkeit durch Mitwirkung an verschiedenen Zeitschriften und<lb/> größeren Werken, und seit dem Jahre 1837 betrat er auch das politische Feld,<lb/> zunächst als Sprecher derjenigen Deputation Leipziger Bürger, welche den sächsi¬<lb/> schen Abgeordneten Todt und Dieskau einen Ehrenbecher zu überreichen hatte.“</quote> </cit> </p><lb/> <p>Soweit der befreundete Biograph. Wir setzen nun aus eigner Anschauung<lb/> weiter fort.</p><lb/> <p>Die Wirksamkeit eines Volksmanns wird stets unter localen Bedingungen<lb/> stehen. Die eigenthümliche Stellung, welche Leipzig in der Politik einnimmt, gab<lb/> der Thätigkeit des angehenden Demagogen Stoff und Richtung.</p><lb/> <p>Leipzig geht den übrigen sächsischen Städten in der politischen Betriebsamkeit<lb/> voran. Dresden lebt zum großen Theil vom Hof und von den Fremden, es läßt<lb/> sich durch die schöne Natur seiner Umgebungen, seine Kunstschätze und Kuriositäten<lb/> erhalten. Leipzig, als bedeutende Handelsstadt, hat ein autonomes Leben; es ist<lb/> zwar auch eine bewegliche Kolonie von Fremden, aber die Meßjuden wie die Li-<lb/> teraten, Gesellen und Studenten werden genöthigt, in nähere Beziehungen zu<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [368/0003]
floh den strafenden Händen und schnitt sich damit die Rückkehr zu seiner kirchlichen
Stellung ab. Blum mußte sich nun zu einem Handwerk entschließen; er versuchte
es mit der Goldschmiedekunst, zeigte aber dafür so wenig Sinn, daß er sie bald
aufgab, zu einem Gürtler in die Lehre trat und es bei diesem, trotz der entsetz¬
lichsten Behandlung, aushielt. Nach überstandener Lehrzeit, während welcher er
wenig gelernt hatte, ging er auf die Wanderschaft, erfuhr aber an verschiedenen
Plätzen, wo er in Arbeit trat, auf bittere Weise, daß er, um ein tüchtiger Gürt¬
ler zu sein, noch manche Lücke auszufüllen habe. Er kehrte nach Köln zurück und
fand endlich hier in der Laternenfabrik von F. W. Schmitz eine Stellung, in der
er zum ersten Male die ihm verliehenen geistigen Gaben mit Erfolg zur Anwen-
dung bringen konnte. Der Besitzer der Fabrik erkannte sehr bald Blum's Fähig¬
keiten; er schenkte ihm sein volles Vertrauen und nahm ihn mit auf Reisen durch
einzelne Staaten des südlichen Deutschlands. Während dieser Reisen verweilte
Blum ein halbes Jahr in München und zum ersten Male erkannte er, daß das
Leben, das für ihn bisher ein Dornenpfad gewesen, auch Freuden biete. (?) Der
Fabrikant Schmitz ging nach Berlin, Blum folgte ihm dorthin und war hier be¬
müht, durch unablässiges Selbststudium den bis dahin noch dürftigen Schatz sei¬
nes Wissens zu vermehren. Die Erfüllung der Militärpflicht, dann die Reise
des Schmitz nach Belgien und Frankreich, störten Blum's Verhältnisse; er ging
im August 1830 mit einem dürftigen Reisegeld nach Köln, und mußte hier, um
seine, mit dem bittersten Mangel kämpfenden Eltern unterstützen zu können, die
untergeordnete Stelle eines Theaterdieners bei dem Direktor Ringelhardt anneh¬
men, der ihn jedoch ein Jahr später, nachdem er die Direktion des Leipziger
Theaters übernommen, dorthin berief und ihn als Theatersekretär, Bibliothekar
und Hilfskassirer anstellte. Von diesem Augenblicke an widmete sich Blum der
schriftstellerischen Thätigkeit durch Mitwirkung an verschiedenen Zeitschriften und
größeren Werken, und seit dem Jahre 1837 betrat er auch das politische Feld,
zunächst als Sprecher derjenigen Deputation Leipziger Bürger, welche den sächsi¬
schen Abgeordneten Todt und Dieskau einen Ehrenbecher zu überreichen hatte.“
Soweit der befreundete Biograph. Wir setzen nun aus eigner Anschauung
weiter fort.
Die Wirksamkeit eines Volksmanns wird stets unter localen Bedingungen
stehen. Die eigenthümliche Stellung, welche Leipzig in der Politik einnimmt, gab
der Thätigkeit des angehenden Demagogen Stoff und Richtung.
Leipzig geht den übrigen sächsischen Städten in der politischen Betriebsamkeit
voran. Dresden lebt zum großen Theil vom Hof und von den Fremden, es läßt
sich durch die schöne Natur seiner Umgebungen, seine Kunstschätze und Kuriositäten
erhalten. Leipzig, als bedeutende Handelsstadt, hat ein autonomes Leben; es ist
zwar auch eine bewegliche Kolonie von Fremden, aber die Meßjuden wie die Li-
teraten, Gesellen und Studenten werden genöthigt, in nähere Beziehungen zu
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