Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 2. Burg/Berlin, 1838.31 Conversations=Blatt. 32 [Abbildung] [Beginn Spaltensatz] Miscellen. Ein armer Schuhmacher, Namens Samson, war "Behaltet Euern Sou," antwortete der brave Und er faßte den Arm des unglücklichen Schuh- Machtspruch eines Herrschers. Im Jahre 1471 schreib König Mathias von Un- Unter Ludwig X. König von Frankreich bestanden
[Ende Spaltensatz] 31 Conversations=Blatt. 32 [Abbildung] [Beginn Spaltensatz] Miscellen. Ein armer Schuhmacher, Namens Samson, war „Behaltet Euern Sou,“ antwortete der brave Und er faßte den Arm des unglücklichen Schuh- Machtspruch eines Herrschers. Im Jahre 1471 schreib König Mathias von Un- Unter Ludwig X. König von Frankreich bestanden
[Ende Spaltensatz] <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0008"/> <fw type="header" place="top">31 <hi rendition="#c">Conversations=Blatt. </hi><hi rendition="#right">32</hi></fw><lb/> <figure/> <cb type="start" n="31"/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Miscellen</hi>.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Ein armer Schuhmacher, Namens Samson, war<lb/> in das tiefste Elend gerathen; seit mehr als zwei Ta-<lb/> gen fehlte es ihm an Nahrung. Schon oft wollte er<lb/> durch Selbstmord seinem Elende ein Ziel setzen, aber<lb/> selbst der Aermste hängt oft noch so sehr am Leben.<lb/> Jch will betteln, sprach er zu sich; vielleicht komme ich<lb/> deshalb ins Gefängniß, aber dann bekomme ich doch<lb/> wenigstens Brodt und darf meine erstarrten Glieder am<lb/> Ofen wärmen. Er geht also durch einige Straßen,<lb/> spricht die Vorübergehenden an und geht von Haus zu<lb/> Haus, um sich Brodt zu erbetteln; überall weist man<lb/> ihn ab, und auch kein Stadtsergeant will sich zeigen,<lb/> um ihn auf frischer That zu ertappen. Endlich sieht<lb/> er einen vor einer Bude stehen; er tritt hinein und<lb/> bittet in kläglichem Tone um ein kleines Almosen. Jetzt<lb/> fand der arme Mann doppelt was er suchte; kaum<lb/> hatte ihm der mitleidige Krämer einen Sou geschenkt,<lb/> als der Polizeisergeant ihn festhält und auf die Wache<lb/> führen will. Samson, weit entfernt, die That zu leug-<lb/> nen, deren man ihn beschuldigt, erzählt dem Sergean-<lb/> ten sein Elend und seinen Hunger und bittet ihn, er<lb/> möge doch erlauben, daß er sich für den geschenkten<lb/> Sou Brodt kaufe.</p><lb/> <p>„Behaltet Euern Sou,“ antwortete der brave<lb/> Polizeisoldat, „Jhr habt Euch vergangen, und ich darf<lb/> Euch nicht wieder loslassen, aber meine Pflicht verbie-<lb/> tet mir nicht, Euch zu essen zu geben.“</p><lb/> <p>Und er faßte den Arm des unglücklichen Schuh-<lb/> machers, der vor Mattigkeit fast niederfiel, und führte<lb/> ihn zu einem Sveisewirthe, wo er ihm eine erquickende<lb/><cb n="32"/> Mahlzeit geben ließ. Dann erst führte er ihn vor den<lb/> Polizei = Commissarius des Quartiers.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#fr">Machtspruch eines Herrschers.</hi> </head><lb/> <p>Im Jahre <hi rendition="#g">1471</hi> schreib König Mathias von Un-<lb/> garn einen Brief an die Einwohner von Ofen folgen-<lb/> den Inhalts: Guten Morgen, Ihre Bürger! werdet ihr<lb/> nicht alle gleich nach Hofe kommen - so sollen Euch<lb/> sämmtlich die Köpfe anfangen zu wackeln!<lb/><space dim="horizontal"/>Gegeben zu Ofen.<lb/><hi rendition="#right">König <hi rendition="#g">Mathias</hi>.</hi></p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Unter Ludwig <hi rendition="#aq">X.</hi> König von Frankreich bestanden<lb/> folgende Geldbußen für Verletzungen an Leib und Leben:<lb/><table><row><cell>Für einen Faustschlag. . . . </cell><cell/><cell/><cell>1</cell><cell>Sou</cell></row><lb/><row><cell>= = Steinwurf. . . . </cell><cell/><cell/><cell>5</cell><cell>=</cell></row><lb/><row><cell>Wer einen mit einer Hand an die</cell><cell/><cell/><cell/><cell/></row><lb/><row><cell>Gurgel gefaßt hatte. . . . </cell><cell/><cell/><cell>5</cell><cell>=</cell></row><lb/><row><cell>Desgl. mit zwei Händen. . . . </cell><cell/><cell/><cell>14</cell><cell>=</cell></row><lb/><row><cell>Wer einen andern ins Gesicht gespieen.</cell><cell/><cell/><cell>6</cell><cell>=</cell></row><lb/><row><cell>Einen Schlag auf die Nase ohne Blut.</cell><cell/><cell/><cell>5</cell><cell>=</cell></row><lb/><row><cell>Dito mit Blut. . . . </cell><cell/><cell/><cell>10</cell><cell>=</cell></row><lb/><row><cell>Einen Fußtritt. . . . </cell><cell/><cell/><cell>10</cell><cell>=</cell></row><lb/><row><cell>Ein Degenhieb ohne Blut. . . . </cell><cell/><cell/><cell>10</cell><cell>=</cell></row><lb/><row><cell>Dito mit Blut. . . . </cell><cell/><cell/><cell>13</cell><cell>=</cell></row><lb/><row><cell>Eine blute Wunde oberhalb</cell><cell/><cell/><cell/><cell/></row><lb/><row><cell>der Zähne. . . . </cell><cell/><cell/><cell>36</cell><cell>=</cell></row><lb/><row><cell>Desgl. unterhalb der Zähne. . . </cell><cell/><cell/><cell>52</cell><cell>=</cell></row><lb/><row><cell>Für gebrochene Arme und Beine.</cell><cell>7</cell><cell>Fr.</cell><cell>4</cell><cell>=</cell></row><lb/><row><cell>= jeden ausgeschlagenen Zahn.</cell><cell>5</cell><cell>=</cell><cell>4</cell><cell>=</cell></row></table></p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb type="end"/> </body> </text> </TEI> [0008]
31 Conversations=Blatt. 32
[Abbildung]
Miscellen.
Ein armer Schuhmacher, Namens Samson, war
in das tiefste Elend gerathen; seit mehr als zwei Ta-
gen fehlte es ihm an Nahrung. Schon oft wollte er
durch Selbstmord seinem Elende ein Ziel setzen, aber
selbst der Aermste hängt oft noch so sehr am Leben.
Jch will betteln, sprach er zu sich; vielleicht komme ich
deshalb ins Gefängniß, aber dann bekomme ich doch
wenigstens Brodt und darf meine erstarrten Glieder am
Ofen wärmen. Er geht also durch einige Straßen,
spricht die Vorübergehenden an und geht von Haus zu
Haus, um sich Brodt zu erbetteln; überall weist man
ihn ab, und auch kein Stadtsergeant will sich zeigen,
um ihn auf frischer That zu ertappen. Endlich sieht
er einen vor einer Bude stehen; er tritt hinein und
bittet in kläglichem Tone um ein kleines Almosen. Jetzt
fand der arme Mann doppelt was er suchte; kaum
hatte ihm der mitleidige Krämer einen Sou geschenkt,
als der Polizeisergeant ihn festhält und auf die Wache
führen will. Samson, weit entfernt, die That zu leug-
nen, deren man ihn beschuldigt, erzählt dem Sergean-
ten sein Elend und seinen Hunger und bittet ihn, er
möge doch erlauben, daß er sich für den geschenkten
Sou Brodt kaufe.
„Behaltet Euern Sou,“ antwortete der brave
Polizeisoldat, „Jhr habt Euch vergangen, und ich darf
Euch nicht wieder loslassen, aber meine Pflicht verbie-
tet mir nicht, Euch zu essen zu geben.“
Und er faßte den Arm des unglücklichen Schuh-
machers, der vor Mattigkeit fast niederfiel, und führte
ihn zu einem Sveisewirthe, wo er ihm eine erquickende
Mahlzeit geben ließ. Dann erst führte er ihn vor den
Polizei = Commissarius des Quartiers.
Machtspruch eines Herrschers.
Im Jahre 1471 schreib König Mathias von Un-
garn einen Brief an die Einwohner von Ofen folgen-
den Inhalts: Guten Morgen, Ihre Bürger! werdet ihr
nicht alle gleich nach Hofe kommen - so sollen Euch
sämmtlich die Köpfe anfangen zu wackeln!
Gegeben zu Ofen.
König Mathias.
Unter Ludwig X. König von Frankreich bestanden
folgende Geldbußen für Verletzungen an Leib und Leben:
Für einen Faustschlag. . . . 1 Sou
= = Steinwurf. . . . 5 =
Wer einen mit einer Hand an die
Gurgel gefaßt hatte. . . . 5 =
Desgl. mit zwei Händen. . . . 14 =
Wer einen andern ins Gesicht gespieen. 6 =
Einen Schlag auf die Nase ohne Blut. 5 =
Dito mit Blut. . . . 10 =
Einen Fußtritt. . . . 10 =
Ein Degenhieb ohne Blut. . . . 10 =
Dito mit Blut. . . . 13 =
Eine blute Wunde oberhalb
der Zähne. . . . 36 =
Desgl. unterhalb der Zähne. . . 52 =
Für gebrochene Arme und Beine. 7 Fr. 4 =
= jeden ausgeschlagenen Zahn. 5 = 4 =
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