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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 4. Burg/Berlin, 1838.

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53 Conversations=Blatt. 54
[Beginn Spaltensatz]

Ob der alte Husar vom 8. Regiment mit seinem
Weibe, ob einer jener befreiten Gefangenen nach Frank-
reich wiederkehrten, weiß Niemand. Der tapfere Alsu-
fiew aber fiel am 10. Februar 1814 bei Champeau-
bert und der edle St. Priest, am 13. März bei Rheims.

Ein Viertel Jahrhundert ist vorüber gegangen,
seit jener kriegsbewegten, großen Zeit. Aber an den
russischen Ufern der Wilia leben noch die Mahnen je-
nes Tages, jener Stunden die der Weltgeschichte gehören.
Die Erinnerungen erben auf die jüngern Geschlechter der
Bewohner Niemenszins fort. Noch jetzt zeigt man dem
Fremdling das Feld, nun vom friedlichen Pfluge des
Ackermanns durchfurcht, wo einst die französischen Husa-
ren vem 8. Regiment geblutet, noch zeigt man das
zum Baum emporgewachsene Büschchen, unter dem der
gefallene Segür auf den Mantel seines Kaisers, sein
Bett der Ehre fand; noch zeigt man die Stelle, wo
das furchtbare Hazardspiel gespielt wurde, und die bei-
den denkwürdigen Hügel auf welchen sie sich einst ge-
genüberhielten, sie, die beiden großen Männer ihrer Zeit,
die beiden Kaiser.



Bilder aus dem Orient.

Gesammelt
von
Freimund Ohnesorgen.
(Fortsetzung.)

Der Sultan (Padischah oder Großherr.*)

Schon der Ausspruch des Korans oder Alkorans:
"Seid Gott unterthan, seid dem Propheten unterthan
und dem unter Euch, welcher den obersten Besehl hat,"
begründete gesetzlich die unumschränkteste Monarchie in
den Personen der ersten Kalifen, wie noch heute in den
Sultan der Türkei, dergestallt, daß wenigstens dessen
geistliche Macht, von allen Muhamedanern, vom Kaiser
von Marokko, den Deys der Barbaresken, den Fürsten
Arabiens und Jndiens, als Stellvertreter des Prophe-
ten und somit als geistliches Oberhaupt anerkannt wird,
während seine weltliche Macht so weit reicht, als die
eines jeden andern Fürsten. Diese doppelte Höhe in
der Vereinigung des Jmamats mit der Souveränität
giebt ihm eine vereinte Kraft, die um so mächtiger ist,
als der Moslemin mit der blindesten Orthodoxie an sei-
nen Jslam hängt. Selim I. brachte 1517 diese geist-
liche Gewalt des Jmamats vom Kalifen Muhamed XII.
den er besiegte, vom Stamm der Koreischiten auf sein
Geschlecht der Osmanbays, so daß der Sultan der Tür-
ken zugleich Jmam aller Muhamedaner war.

Schon seit Osman I. von 1300 bis Selim I.
1517 waren die Sultane vom Vater auf den Sohn
mit weltlicher Macht gefolgt und folgten nun bis 1671
bis Achmed 1. (den 24sten Nachkommen) auch mit der
geistlichen ausgestattet. Bei seinem Tode waren seine
Söhne noch ganz jung, und da das Gesetz keinen un-
mündigen Jmam duldete, rief der Divan durch ein förm-
liches Fetwa dessen Bruder und ältesten der eingesper-
ten Prinzen des Serai, Mustafa I., zum Großherrn
aus. Damals wurde die Thronfolge in eine Art Se-
niorat umgeändert, und dadurch der barbarische Gebrauch
[Spaltenumbruch] des Serai, nach welchem man alle verwandten Prin-
zen auf Lebenszeit in die Kafis einsperrte, und alle Kin-
der die ihnen geboren wurden, tödtete, noch mehr be-
festigt. Man gestattete nämlich den eingesperrten Prin-
zen einen Harem von 7 bis 8 Sklavinnen, machte diese
aber vorher durch die bekannten Getränke unfruchtbar,
und wenn dennoch eine Unglückliche gebar, so mußte die
Hebamme, bei Verlust ihres Kopfes, die Verbindung
des Nabelschnures unterlassen, um damit dem armen
Kinde das Leben, zu dem es die Natur berufen, zu ver-
wehren. Diese vorsichtige Grausamkeit dehnte sich sogar
auf diejenigen Großen des Reichs aus, welche an Sulta-
ninnen verheirathet waren. Ebenso wurden nach dem
Ableben eines Sultans alle von ihm schwangeren Oda-
lisken in's Meer geworfen, damit kein throngefährliches
Embrio existire. Sonach waren bisher in der osmani-
schen Herrscherfamilie die Freuden eines Großvaters un-
bekannt, wie die Mutterfreuden einer Prinzessin bloß
auf Töchter beschränkt. Diese entsetzliche Politik hatte
die Sicherung der Throne und Ersparniß der Apanage
zum Grunde. So folgte die Linie, nicht selten auf ei-
nen Stammhalter beschränkt, oft ein Bruder den andern
auf den Thron, wie auch jetzt Mahmud II. seinem Onkel
Selim III. und Bruder Mustafa IV. Der außerordentli-
che Mann, der aufgeklärteste Moslemin seiner Zeit, hat
erst vor wenig Jahren, bei der Verheirathung seiner
ältesten Tochter an einen Großen, *) das furchtbare Gesetz
aufgehoben. Er schenkte dem neu vermählten Paare
die Gerechtsame des Lebens ihrer Kinder mit dem Aus-
spruch: "Die Zeit der Barbarei ist für die Türkin vor-
über." Zu bewundern ist übrigens, wie bei der ver-
weichlichten Erziehung eines gefangenen Prinzen, dem
nichts als der Koran und Weiber gegeben werden, sich
ein so kräftiger, staatskluger Regent entwickeln konnte,
wie Mahmud ist und auch schon viele seiner kriegerischen
Vorfahren waren. Aber der schöne kaukasische Men-
schenschlag, zu dem die Türken gehören, hat sich auch
in ihrem Herrscherstamm erhalten, und hat darin wohl
seinen Grund, daß der im Serai sorgsam auferzogene
zukünftige Großherr aus der Hand seiner Mutter nur
junge, gesunde und schöne Sklavinnen zum Beischlaf,
wie zur Ehe erhält.

Von dem Familienleben des Sultans, und seinem
Thun und Treiben im Harem, ist früher nicht viel be-
kannt geworden; doch nach und nach, nachdem es man-
chen neugierigen Frankenkopf gekostet und besonders
durch die Liberalität Mahmuds, sind die Geheimnisse
wie die freieren Weiber mehr entschleiert, wenn gleich
sonst noch versteckt genug.



Der kaiserliche Harem.

Die früheren osmanischen Sultane waren häufig
mit christlichen und muhamedanischen Prinzessinnen ver-
mählt. Z. B.: Orchans, mit der Enkelin des griechi-
schen Kaisers Jahann Kantakuzen, und wurde die Lo-
tosblume genannt. Murad I. heitathete die Tochter des
byzantinischen Kaisers Emanuel II. und Bajasid hatte drei
[Ende Spaltensatz]

*) Wendi Pascha, der ganz kürzlich in Ungnade gefallen, sich nach
Scutari zurückzog.
53 Conversations=Blatt. 54
[Beginn Spaltensatz]

Ob der alte Husar vom 8. Regiment mit seinem
Weibe, ob einer jener befreiten Gefangenen nach Frank-
reich wiederkehrten, weiß Niemand. Der tapfere Alsu-
fiew aber fiel am 10. Februar 1814 bei Champeau-
bert und der edle St. Priest, am 13. März bei Rheims.

Ein Viertel Jahrhundert ist vorüber gegangen,
seit jener kriegsbewegten, großen Zeit. Aber an den
russischen Ufern der Wilia leben noch die Mahnen je-
nes Tages, jener Stunden die der Weltgeschichte gehören.
Die Erinnerungen erben auf die jüngern Geschlechter der
Bewohner Niemenszins fort. Noch jetzt zeigt man dem
Fremdling das Feld, nun vom friedlichen Pfluge des
Ackermanns durchfurcht, wo einst die französischen Husa-
ren vem 8. Regiment geblutet, noch zeigt man das
zum Baum emporgewachsene Büschchen, unter dem der
gefallene Segür auf den Mantel seines Kaisers, sein
Bett der Ehre fand; noch zeigt man die Stelle, wo
das furchtbare Hazardspiel gespielt wurde, und die bei-
den denkwürdigen Hügel auf welchen sie sich einst ge-
genüberhielten, sie, die beiden großen Männer ihrer Zeit,
die beiden Kaiser.



Bilder aus dem Orient.

Gesammelt
von
Freimund Ohnesorgen.
(Fortsetzung.)

Der Sultan (Padischah oder Großherr.*)

Schon der Ausspruch des Korans oder Alkorans:
„Seid Gott unterthan, seid dem Propheten unterthan
und dem unter Euch, welcher den obersten Besehl hat,“
begründete gesetzlich die unumschränkteste Monarchie in
den Personen der ersten Kalifen, wie noch heute in den
Sultan der Türkei, dergestallt, daß wenigstens dessen
geistliche Macht, von allen Muhamedanern, vom Kaiser
von Marokko, den Deys der Barbaresken, den Fürsten
Arabiens und Jndiens, als Stellvertreter des Prophe-
ten und somit als geistliches Oberhaupt anerkannt wird,
während seine weltliche Macht so weit reicht, als die
eines jeden andern Fürsten. Diese doppelte Höhe in
der Vereinigung des Jmamats mit der Souveränität
giebt ihm eine vereinte Kraft, die um so mächtiger ist,
als der Moslemin mit der blindesten Orthodoxie an sei-
nen Jslam hängt. Selim I. brachte 1517 diese geist-
liche Gewalt des Jmamats vom Kalifen Muhamed XII.
den er besiegte, vom Stamm der Koreischiten auf sein
Geschlecht der Osmanbays, so daß der Sultan der Tür-
ken zugleich Jmam aller Muhamedaner war.

Schon seit Osman I. von 1300 bis Selim I.
1517 waren die Sultane vom Vater auf den Sohn
mit weltlicher Macht gefolgt und folgten nun bis 1671
bis Achmed 1. (den 24sten Nachkommen) auch mit der
geistlichen ausgestattet. Bei seinem Tode waren seine
Söhne noch ganz jung, und da das Gesetz keinen un-
mündigen Jmam duldete, rief der Divan durch ein förm-
liches Fetwa dessen Bruder und ältesten der eingesper-
ten Prinzen des Serai, Mustafa I., zum Großherrn
aus. Damals wurde die Thronfolge in eine Art Se-
niorat umgeändert, und dadurch der barbarische Gebrauch
[Spaltenumbruch] des Serai, nach welchem man alle verwandten Prin-
zen auf Lebenszeit in die Kafis einsperrte, und alle Kin-
der die ihnen geboren wurden, tödtete, noch mehr be-
festigt. Man gestattete nämlich den eingesperrten Prin-
zen einen Harem von 7 bis 8 Sklavinnen, machte diese
aber vorher durch die bekannten Getränke unfruchtbar,
und wenn dennoch eine Unglückliche gebar, so mußte die
Hebamme, bei Verlust ihres Kopfes, die Verbindung
des Nabelschnures unterlassen, um damit dem armen
Kinde das Leben, zu dem es die Natur berufen, zu ver-
wehren. Diese vorsichtige Grausamkeit dehnte sich sogar
auf diejenigen Großen des Reichs aus, welche an Sulta-
ninnen verheirathet waren. Ebenso wurden nach dem
Ableben eines Sultans alle von ihm schwangeren Oda-
lisken in's Meer geworfen, damit kein throngefährliches
Embrio existire. Sonach waren bisher in der osmani-
schen Herrscherfamilie die Freuden eines Großvaters un-
bekannt, wie die Mutterfreuden einer Prinzessin bloß
auf Töchter beschränkt. Diese entsetzliche Politik hatte
die Sicherung der Throne und Ersparniß der Apanage
zum Grunde. So folgte die Linie, nicht selten auf ei-
nen Stammhalter beschränkt, oft ein Bruder den andern
auf den Thron, wie auch jetzt Mahmud II. seinem Onkel
Selim III. und Bruder Mustafa IV. Der außerordentli-
che Mann, der aufgeklärteste Moslemin seiner Zeit, hat
erst vor wenig Jahren, bei der Verheirathung seiner
ältesten Tochter an einen Großen, *) das furchtbare Gesetz
aufgehoben. Er schenkte dem neu vermählten Paare
die Gerechtsame des Lebens ihrer Kinder mit dem Aus-
spruch: „Die Zeit der Barbarei ist für die Türkin vor-
über.“ Zu bewundern ist übrigens, wie bei der ver-
weichlichten Erziehung eines gefangenen Prinzen, dem
nichts als der Koran und Weiber gegeben werden, sich
ein so kräftiger, staatskluger Regent entwickeln konnte,
wie Mahmud ist und auch schon viele seiner kriegerischen
Vorfahren waren. Aber der schöne kaukasische Men-
schenschlag, zu dem die Türken gehören, hat sich auch
in ihrem Herrscherstamm erhalten, und hat darin wohl
seinen Grund, daß der im Serai sorgsam auferzogene
zukünftige Großherr aus der Hand seiner Mutter nur
junge, gesunde und schöne Sklavinnen zum Beischlaf,
wie zur Ehe erhält.

Von dem Familienleben des Sultans, und seinem
Thun und Treiben im Harem, ist früher nicht viel be-
kannt geworden; doch nach und nach, nachdem es man-
chen neugierigen Frankenkopf gekostet und besonders
durch die Liberalität Mahmuds, sind die Geheimnisse
wie die freieren Weiber mehr entschleiert, wenn gleich
sonst noch versteckt genug.



Der kaiserliche Harem.

Die früheren osmanischen Sultane waren häufig
mit christlichen und muhamedanischen Prinzessinnen ver-
mählt. Z. B.: Orchans, mit der Enkelin des griechi-
schen Kaisers Jahann Kantakuzen, und wurde die Lo-
tosblume genannt. Murad I. heitathete die Tochter des
byzantinischen Kaisers Emanuel II. und Bajasid hatte drei
[Ende Spaltensatz]

*) Wendi Pascha, der ganz kürzlich in Ungnade gefallen, sich nach
Scutari zurückzog.
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Der Sultan (Padischah oder Großherr. *) Schon der Ausspruch des Korans oder Alkorans: „Seid Gott unterthan, seid dem Propheten unterthan und dem unter Euch, welcher den obersten Besehl hat,“ begründete gesetzlich die unumschränkteste Monarchie in den Personen der ersten Kalifen, wie noch heute in den Sultan der Türkei, dergestallt, daß wenigstens dessen geistliche Macht, von allen Muhamedanern, vom Kaiser von Marokko, den Deys der Barbaresken, den Fürsten Arabiens und Jndiens, als Stellvertreter des Prophe- ten und somit als geistliches Oberhaupt anerkannt wird, während seine weltliche Macht so weit reicht, als die eines jeden andern Fürsten. Diese doppelte Höhe in der Vereinigung des Jmamats mit der Souveränität giebt ihm eine vereinte Kraft, die um so mächtiger ist, als der Moslemin mit der blindesten Orthodoxie an sei- nen Jslam hängt. 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Man gestattete nämlich den eingesperrten Prin- zen einen Harem von 7 bis 8 Sklavinnen, machte diese aber vorher durch die bekannten Getränke unfruchtbar, und wenn dennoch eine Unglückliche gebar, so mußte die Hebamme, bei Verlust ihres Kopfes, die Verbindung des Nabelschnures unterlassen, um damit dem armen Kinde das Leben, zu dem es die Natur berufen, zu ver- wehren. Diese vorsichtige Grausamkeit dehnte sich sogar auf diejenigen Großen des Reichs aus, welche an Sulta- ninnen verheirathet waren. Ebenso wurden nach dem Ableben eines Sultans alle von ihm schwangeren Oda- lisken in's Meer geworfen, damit kein throngefährliches Embrio existire. Sonach waren bisher in der osmani- schen Herrscherfamilie die Freuden eines Großvaters un- bekannt, wie die Mutterfreuden einer Prinzessin bloß auf Töchter beschränkt. Diese entsetzliche Politik hatte die Sicherung der Throne und Ersparniß der Apanage zum Grunde. 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Murad I. heitathete die Tochter des byzantinischen Kaisers Emanuel II. und Bajasid hatte drei *) Wendi Pascha, der ganz kürzlich in Ungnade gefallen, sich nach Scutari zurückzog.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 4. Burg/Berlin, 1838, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt04_1838/3>, abgerufen am 03.12.2024.