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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 4. Burg/Berlin, 1838.

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55 Conversations=Blatt. 56
[Beginn Spaltensatz] Weiber von fürstlichem Geblüt, die Tochter des Herr-
schers von Kermejan, die byzantinische Prinzessin Maria
und eine Prinzessin von Servien; Mohamed I. heira-
thete eine Fürstin von Elbestan, Murad II. eine Prin-
zessin von Caramanien und zugleich Jrene, die Tochter
des serbischen Despoten; Mahomed II. war mit einer
Fürstin von Caramanien und Fürsten von Elbestan ver-
bunden. Ferner giebt die Geschichte drei Beispiele daß
Sultane mit Unterthaninnen ehelich verbunden waren,
und endlich feierte Jbrahim I. 1647 mit einer Sklavin
Telli Khassehi, welche den Namen Schah=Sultane er-
hielt, seine Verbindung. Seit dieser Zeit hat kein Sul-
tan sich mehr wirklich ehelich verheirathet, wiewohl sie
eine Art Verbindung zur Beruhigung ihres Gewissens
eingegangen sind. Die kaiserlichen Harems bestanden aus
lauter Sklavinnen, von denen die mehrsten auf Rech-
nung des Großherren gekauft wurden; viele waren aber
auch Geschenke der Großen des Reichs, die sich beei-
ferten ihre Gebieter durch reizende Opfer zu erfreuen.
Sie ließen diese Sklavinnen von zartester Kindheit an
erziehen und mit dem 10ten und 12ten Jahre, wo im
Morgenlande sich schon die weiblichen Reize entwickeln,
reich geschmückt zum Serai absenden. Den kaiserlichen
Einkauf besorgte der Ober=Mauthner von Constantino-
pel auf dem Sklavinnenmarkt, welche zwar nur für die
untersten Stellen im Harem bestimmt waren, aber doch
vorher von einer dazu angestellten Frau sorgfältig un-
tersucht und bei Entdeckung des geringsten körperlichen
Makels, ausgeschlossen wurden. Jm Serai wurden den
Angenommenen von Lehrerinnen Unterricht in der muha-
medanischen Religion, im Lesen und Schreiben, Nähen
und Sticken und bei vorhandenen Anlagen in Musik und
Tanz gegeben. Geistig und körperlich reif, endeten sie ihr
Roviziat und begannen nun den Dienst im Harem, wo
sie dann in fünf Classen in: 1. Cadinen, 2. Gedeklis,
3. Usta's, 4. Schahgirden und 5. Diarijes eingetheilt
wurden.


1. Die Cadinen (eigentlich Khatoun d. h. Da-
me.) Dies sind die eigentlichen Geliebten, oder regel-
mäßigen Beischläferinnen des Sultans, welche zwar die
nämlichen Auszeichnungen wie die sonstigen angeheira-
theten Sultaninnen emfpangen, aber doch keine eigent-
liche Eheweiber sind. Gewöhnlich ist ihre Zahl auf vier
festgesetzt, weil der Koran nur so viel Weiber zu ha-
ben erlaubt. Diese heißen nach ihrer Aufnahmezeit, die
1ste, 2te, 3te und 4te und erhielten vor Ahmed I. Re-
gierung, wenn sie einen Prinzen geboren, den Namen
Chaszeki=Sultane, bei einer Prinzessin, Chaszeki=Cadine.
Wird eine Sklavin vom Sultan zur Cadine erhoben,
so führt die Oberhofmeisterin sie, mit einem Zobelpelz
bekleidet, in die Gemächer des Sultans, wo die neue
Favorite dann das Kleid ihres Gebieters küßt, der sie
dann neben sich nieder setzen heißt, und ihr eine be-
sondere Wohnung und Dienerschaft anweißt. Sie ha-
ben die Kleidung der Prinzessinnen von Geblüt, Dia-
manten=Agraffen, Ermel von Pelzwerk bis an den Ell-
bogen reichend, und schöne echte Kaschmir=Shawls,
welche sie in Kleidern und Gürtel und Binde um Kopf
und Schultern und Leib winden.

[Spaltenumbruch]

2. Die Gedeklis sind diejenigen Sklavinnen,
welche um die Person des Sultans im Harem beschäf-
tigt sind, also seine Kammermädchen. Die zwölf Schön-
sten haben ihre besondern Verrichtungen und besondern
Titel, z. B.: Tschamaschir=Usta, Garderoben=Aufseherin,
Tschaschneyir=Usta, Tafel=Aufseherin. Aus diesen Ge-
deklis werden die Cadinen neugewählt, wenn eine Ab-
gesetzte ins alte Serail verwiesen ist; aber auch schon
vorher findet der Sultan in den Gedeklis die Gegen-
stände seiner erlaubten Untreue an den Cadinen. Die
von ihm ausgezeichneten erhalten den Titel Jkbale,
d. h.: Favoritin, oder Chasz=Odalik, d. h.: Kammer-
mädchen des Sultans. Einige Sultane hatten deren
an 300. Die Jkbalen tragen reiche Stoffe, und im
Winter mit Pelz verbrämte Oberkleider, während die
Gedeklis nur Kleider ohne Pelze tragen; doch umgür-
ten sie sich mit Jonen oder Binden voll Edelsteinen,
und schmücken sich mit Shawls aller Art in jeder Weise.

3. Die Usta's (auch Chalfas genannt) , sind
zur Bedienung der Sultanin=Mutter, der Cadinen und
deren Kinder bestimmt und in Takini oder Compagnien
zu 20 bis 30 eingetheilt. Sie tragen die Namen der
Personen welche sie bedienen.

4. Die Schahgirden sind Novizen welche in
die erledigten Stellen einrangirt werden.

5. Die Djarye's oder Sklavinnen. So werden
alle übrigen Mädchen schlechthin genannt, welche die nie-
drigsten Arbeiten verrichten, und selten diese Klasse
verlassen.

Auf diese Weise zählt der Harem des Großtürken
5 bis 600 Sklavinnen, von verschiedenen Nationen Eu-
ropa 's, Asien's und Afrika's, welche als Kinder ihrer
Freiheit beraubt ihre Abkunft nicht wissen, und Namen
bekommen, wie die freien Muhamedanerinnen sie nicht
zu führen pflegen, z. B. Safayi oder Freudengeberin,
Hayati oder Lebensgeberin, Dilbeste oder Herzensbinde-
rin, Nourihabe oder Morgenroth, Gülbahar oder Früh-
lingsrose, Gülbeyaz oder weiße Rose u. s. w.

Die Mädchen stehen alle zunächst unter der Ke-
haga=Cadine
der Aga des Harems oder Oberhof-
meisterin, welche der Sultan gewöhnlich aus den Ael-
testen der Gedekli's wählt, und große Achtung selbst
von den Cadinen genießt. Jhr zur Hülfe steht eine
Chasinedar=Usta oder Unterhofmeisterin, welche zugleich
Schatzmeisterin ist, und neben der Garderobe des Sul-
tans auch den Haushalt führt.

Die größte Achtung genießt die Sultanin Wa-
lideh oder Kaiserin = Mutter, doch wird sie eben so
strenge in der Abgeschiedenheit gehalten, wie alle Wei-
ber und Kebsweiber ihres Sohnes. Jst keine Walideh
mehr da, so führt die Oberhofmeisterin oft den Titel.



Einrichtungen im Winter=Harem.

Er heißt Bujuk=Harem oder auch der große Ha-
rem und ist der zur Wohnung der Frauen bestimmte
Theil des Serai. Kein europäischer Reisender hat ihn
gesehen, nur Muradja hat ihn beschrieben. Er ist von
einer hohen, dicken Mauer umgeben, deren einziger Ein-

[Ende Spaltensatz]
*) Wendi Pascha, der ganz kürzlich in Ungnade gefallen, sich nach
Scutari zurückzog.

55 Conversations=Blatt. 56
[Beginn Spaltensatz] Weiber von fürstlichem Geblüt, die Tochter des Herr-
schers von Kermejan, die byzantinische Prinzessin Maria
und eine Prinzessin von Servien; Mohamed I. heira-
thete eine Fürstin von Elbestan, Murad II. eine Prin-
zessin von Caramanien und zugleich Jrene, die Tochter
des serbischen Despoten; Mahomed II. war mit einer
Fürstin von Caramanien und Fürsten von Elbestan ver-
bunden. Ferner giebt die Geschichte drei Beispiele daß
Sultane mit Unterthaninnen ehelich verbunden waren,
und endlich feierte Jbrahim I. 1647 mit einer Sklavin
Telli Khassehi, welche den Namen Schah=Sultane er-
hielt, seine Verbindung. Seit dieser Zeit hat kein Sul-
tan sich mehr wirklich ehelich verheirathet, wiewohl sie
eine Art Verbindung zur Beruhigung ihres Gewissens
eingegangen sind. Die kaiserlichen Harems bestanden aus
lauter Sklavinnen, von denen die mehrsten auf Rech-
nung des Großherren gekauft wurden; viele waren aber
auch Geschenke der Großen des Reichs, die sich beei-
ferten ihre Gebieter durch reizende Opfer zu erfreuen.
Sie ließen diese Sklavinnen von zartester Kindheit an
erziehen und mit dem 10ten und 12ten Jahre, wo im
Morgenlande sich schon die weiblichen Reize entwickeln,
reich geschmückt zum Serai absenden. Den kaiserlichen
Einkauf besorgte der Ober=Mauthner von Constantino-
pel auf dem Sklavinnenmarkt, welche zwar nur für die
untersten Stellen im Harem bestimmt waren, aber doch
vorher von einer dazu angestellten Frau sorgfältig un-
tersucht und bei Entdeckung des geringsten körperlichen
Makels, ausgeschlossen wurden. Jm Serai wurden den
Angenommenen von Lehrerinnen Unterricht in der muha-
medanischen Religion, im Lesen und Schreiben, Nähen
und Sticken und bei vorhandenen Anlagen in Musik und
Tanz gegeben. Geistig und körperlich reif, endeten sie ihr
Roviziat und begannen nun den Dienst im Harem, wo
sie dann in fünf Classen in: 1. Cadinen, 2. Gedeklis,
3. Usta's, 4. Schahgirden und 5. Diarijes eingetheilt
wurden.


1. Die Cadinen (eigentlich Khatoun d. h. Da-
me.) Dies sind die eigentlichen Geliebten, oder regel-
mäßigen Beischläferinnen des Sultans, welche zwar die
nämlichen Auszeichnungen wie die sonstigen angeheira-
theten Sultaninnen emfpangen, aber doch keine eigent-
liche Eheweiber sind. Gewöhnlich ist ihre Zahl auf vier
festgesetzt, weil der Koran nur so viel Weiber zu ha-
ben erlaubt. Diese heißen nach ihrer Aufnahmezeit, die
1ste, 2te, 3te und 4te und erhielten vor Ahmed I. Re-
gierung, wenn sie einen Prinzen geboren, den Namen
Chaszeki=Sultane, bei einer Prinzessin, Chaszeki=Cadine.
Wird eine Sklavin vom Sultan zur Cadine erhoben,
so führt die Oberhofmeisterin sie, mit einem Zobelpelz
bekleidet, in die Gemächer des Sultans, wo die neue
Favorite dann das Kleid ihres Gebieters küßt, der sie
dann neben sich nieder setzen heißt, und ihr eine be-
sondere Wohnung und Dienerschaft anweißt. Sie ha-
ben die Kleidung der Prinzessinnen von Geblüt, Dia-
manten=Agraffen, Ermel von Pelzwerk bis an den Ell-
bogen reichend, und schöne echte Kaschmir=Shawls,
welche sie in Kleidern und Gürtel und Binde um Kopf
und Schultern und Leib winden.

[Spaltenumbruch]

2. Die Gedeklis sind diejenigen Sklavinnen,
welche um die Person des Sultans im Harem beschäf-
tigt sind, also seine Kammermädchen. Die zwölf Schön-
sten haben ihre besondern Verrichtungen und besondern
Titel, z. B.: Tschamaschir=Usta, Garderoben=Aufseherin,
Tschaschneyir=Usta, Tafel=Aufseherin. Aus diesen Ge-
deklis werden die Cadinen neugewählt, wenn eine Ab-
gesetzte ins alte Serail verwiesen ist; aber auch schon
vorher findet der Sultan in den Gedeklis die Gegen-
stände seiner erlaubten Untreue an den Cadinen. Die
von ihm ausgezeichneten erhalten den Titel Jkbale,
d. h.: Favoritin, oder Chasz=Odalik, d. h.: Kammer-
mädchen des Sultans. Einige Sultane hatten deren
an 300. Die Jkbalen tragen reiche Stoffe, und im
Winter mit Pelz verbrämte Oberkleider, während die
Gedeklis nur Kleider ohne Pelze tragen; doch umgür-
ten sie sich mit Jonen oder Binden voll Edelsteinen,
und schmücken sich mit Shawls aller Art in jeder Weise.

3. Die Usta's (auch Chalfas genannt) , sind
zur Bedienung der Sultanin=Mutter, der Cadinen und
deren Kinder bestimmt und in Takini oder Compagnien
zu 20 bis 30 eingetheilt. Sie tragen die Namen der
Personen welche sie bedienen.

4. Die Schahgirden sind Novizen welche in
die erledigten Stellen einrangirt werden.

5. Die Djarye's oder Sklavinnen. So werden
alle übrigen Mädchen schlechthin genannt, welche die nie-
drigsten Arbeiten verrichten, und selten diese Klasse
verlassen.

Auf diese Weise zählt der Harem des Großtürken
5 bis 600 Sklavinnen, von verschiedenen Nationen Eu-
ropa 's, Asien's und Afrika's, welche als Kinder ihrer
Freiheit beraubt ihre Abkunft nicht wissen, und Namen
bekommen, wie die freien Muhamedanerinnen sie nicht
zu führen pflegen, z. B. Safayi oder Freudengeberin,
Hayati oder Lebensgeberin, Dilbeste oder Herzensbinde-
rin, Nourihabe oder Morgenroth, Gülbahar oder Früh-
lingsrose, Gülbeyaz oder weiße Rose u. s. w.

Die Mädchen stehen alle zunächst unter der Ke-
haga=Cadine
der Aga des Harems oder Oberhof-
meisterin, welche der Sultan gewöhnlich aus den Ael-
testen der Gedekli's wählt, und große Achtung selbst
von den Cadinen genießt. Jhr zur Hülfe steht eine
Chasinedar=Usta oder Unterhofmeisterin, welche zugleich
Schatzmeisterin ist, und neben der Garderobe des Sul-
tans auch den Haushalt führt.

Die größte Achtung genießt die Sultanin Wa-
lideh oder Kaiserin = Mutter, doch wird sie eben so
strenge in der Abgeschiedenheit gehalten, wie alle Wei-
ber und Kebsweiber ihres Sohnes. Jst keine Walideh
mehr da, so führt die Oberhofmeisterin oft den Titel.



Einrichtungen im Winter=Harem.

Er heißt Bujuk=Harem oder auch der große Ha-
rem und ist der zur Wohnung der Frauen bestimmte
Theil des Serai. Kein europäischer Reisender hat ihn
gesehen, nur Muradja hat ihn beschrieben. Er ist von
einer hohen, dicken Mauer umgeben, deren einziger Ein-

[Ende Spaltensatz]
*) Wendi Pascha, der ganz kürzlich in Ungnade gefallen, sich nach
Scutari zurückzog.
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[0004] 55 Conversations=Blatt. 56 Weiber von fürstlichem Geblüt, die Tochter des Herr- schers von Kermejan, die byzantinische Prinzessin Maria und eine Prinzessin von Servien; Mohamed I. heira- thete eine Fürstin von Elbestan, Murad II. eine Prin- zessin von Caramanien und zugleich Jrene, die Tochter des serbischen Despoten; Mahomed II. war mit einer Fürstin von Caramanien und Fürsten von Elbestan ver- bunden. Ferner giebt die Geschichte drei Beispiele daß Sultane mit Unterthaninnen ehelich verbunden waren, und endlich feierte Jbrahim I. 1647 mit einer Sklavin Telli Khassehi, welche den Namen Schah=Sultane er- hielt, seine Verbindung. Seit dieser Zeit hat kein Sul- tan sich mehr wirklich ehelich verheirathet, wiewohl sie eine Art Verbindung zur Beruhigung ihres Gewissens eingegangen sind. 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Geistig und körperlich reif, endeten sie ihr Roviziat und begannen nun den Dienst im Harem, wo sie dann in fünf Classen in: 1. Cadinen, 2. Gedeklis, 3. Usta's, 4. Schahgirden und 5. Diarijes eingetheilt wurden. 1. Die Cadinen (eigentlich Khatoun d. h. Da- me.) Dies sind die eigentlichen Geliebten, oder regel- mäßigen Beischläferinnen des Sultans, welche zwar die nämlichen Auszeichnungen wie die sonstigen angeheira- theten Sultaninnen emfpangen, aber doch keine eigent- liche Eheweiber sind. Gewöhnlich ist ihre Zahl auf vier festgesetzt, weil der Koran nur so viel Weiber zu ha- ben erlaubt. Diese heißen nach ihrer Aufnahmezeit, die 1ste, 2te, 3te und 4te und erhielten vor Ahmed I. Re- gierung, wenn sie einen Prinzen geboren, den Namen Chaszeki=Sultane, bei einer Prinzessin, Chaszeki=Cadine. 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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 4. Burg/Berlin, 1838, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt04_1838/4>, abgerufen am 23.11.2024.