Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 5. Burg/Berlin, 1836.69 Conversations=Blatt. 70 [Beginn Spaltensatz]
Die Nachricht war für unsern nothgedrungen Heldeneben so traurig als erfreulich, denn wie sollte er in das feindliche Lager kommen. An eine Verabschiedung war nicht zu denken. Desertiren war das einzig Mög- liche, aber auch mit der größten Lebensgefahr ver- knüpft, indeß hatte sich Karl entschlossen das Aeußerste zu wagen. Jn einer finstern stürmischen Nacht hatte Karl Jetzt wurde er noch mehr als früher der Mittel- Mittlerweile dauerte der Kampf fort, die Kolonne Wilhelm leistete keinen Widerstand, er gab seine Das Schicksal der Gefangenen war der sichere Noch ist dem unglücklichen Vater keine sichere J. C. Der Bär von Krain. Von F. K. Herwey Esq. Eines Abends im Winter saß der Kaiser Maxi- "Wer ist der grobe Zudringliche?" rief der Mo- "Er weiß es," versetzte der Fremde ohne Um- Maximilian schoß rund umher auf seine Gesell- 69 Conversations=Blatt. 70 [Beginn Spaltensatz]
Die Nachricht war für unsern nothgedrungen Heldeneben so traurig als erfreulich, denn wie sollte er in das feindliche Lager kommen. An eine Verabschiedung war nicht zu denken. Desertiren war das einzig Mög- liche, aber auch mit der größten Lebensgefahr ver- knüpft, indeß hatte sich Karl entschlossen das Aeußerste zu wagen. Jn einer finstern stürmischen Nacht hatte Karl Jetzt wurde er noch mehr als früher der Mittel- Mittlerweile dauerte der Kampf fort, die Kolonne Wilhelm leistete keinen Widerstand, er gab seine Das Schicksal der Gefangenen war der sichere Noch ist dem unglücklichen Vater keine sichere J. C. Der Bär von Krain. Von F. K. Herwey Esq. Eines Abends im Winter saß der Kaiser Maxi- „Wer ist der grobe Zudringliche?“ rief der Mo- „Er weiß es,“ versetzte der Fremde ohne Um- Maximilian schoß rund umher auf seine Gesell- <TEI> <text> <body> <div xml:id="Zwilling2" type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0003"/><fw type="header" place="top">69 <hi rendition="#c">Conversations=Blatt.</hi> <hi rendition="#right">70</hi></fw><cb type="start" n="69"/> Die Nachricht war für unsern nothgedrungen Helden<lb/> eben so traurig als erfreulich, denn wie sollte er in<lb/> das feindliche Lager kommen. An eine Verabschiedung<lb/> war nicht zu denken. Desertiren war das einzig Mög-<lb/> liche, aber auch mit der größten Lebensgefahr ver-<lb/> knüpft, indeß hatte sich Karl entschlossen das Aeußerste<lb/> zu wagen.</p><lb/> <p>Jn einer finstern stürmischen Nacht hatte Karl<lb/> wieder den äußersten Wachtposten erhalten; ihm gegen-<lb/> über brannte ein feindliches Wachtfeuer. Eben war<lb/> die Patrouille vorübergezogen, da wagte er es leise an<lb/> dem Felshang etwa hundert Schritte vorzuschleichen.<lb/> Auf einmal löste sich ein Stein unter seinen Füßen<lb/> und stürzte donnernd in die Tiefe. Gleich darauf<lb/> folgte ein Schuß, ein zweiter, ein dritter, das Ge-<lb/> plänkel ward lebhaft und allgemein, während er in<lb/> der Mitte zwischen beiden Parteien die feindlichen<lb/> Kugeln von jeder Seite an sich vorüberpfeifen hörte.<lb/> Seine Lage war höchst gefährlich; trafen ihn die<lb/> Freunde, so wurde er als Deserteur angesehen und er-<lb/> schossen, wurde er von den Gegnern gefangen, so er-<lb/> wartete ihn kein besseres Loos. Jn diesem Augen-<lb/> blick erhielt er eine schmerzhafte Streifwunde; er zuckte<lb/> und sein Gewehr ging los.</p><lb/> <p>Jetzt wurde er noch mehr als früher der Mittel-<lb/> punkt, sogar der Zielpunkt des gegenseitigen Feuers,<lb/> welches sich bald über die ganze Linie ausdehnte. Als<lb/> der Morgen anbrach, war der Kampf allgemein. Die<lb/> feindlichen Massen rückten stürmend vor und er, wel-<lb/> cher viel Blut verloren und zu schwach war, sich zu<lb/> erheben, blieb der Mittelpnnkt des Schlachtfeldes.<lb/> Da strömte aber eine neue Kolonne christinischer Frei-<lb/> williger heran, um die von den Karlisten besetzte An-<lb/> höhe zu nehmen; an der Spitze stand sein Bruder<lb/> Wilhelm, er erkannte ihn mit seinen erlöschenden Au-<lb/> gen und rief laut seinen Namen. Wilhelm hielt an,<lb/> erblickte seinen Bruder und stürzte, verwundert und<lb/> erschreckt, vor ihm auf die Knie, um ihn zu um-<lb/> armen.</p><lb/> <p>Mittlerweile dauerte der Kampf fort, die Kolonne<lb/> welche Wilhelm angeführt, ward geschlagen und zurück-<lb/> gedrängt. Wilhelm hatte kein Auge für den Krieg,<lb/> er kniete vor seinem sterbenden Bruder und eben war<lb/> dieser in seinen Armen verschieden, als die Feinde,<lb/> das Terrain gewinnend, ihn zum Gefangenen machten.</p><lb/> <p>Wilhelm leistete keinen Widerstand, er gab seine<lb/> Waffen ruhig ab und bat nur, bei der Leiche seines<lb/> geliebten Bruders verweilen zu können, aber man<lb/> gönnte ihm kein Gehör; im wilden Getümmel ward er<lb/> mit fortgefchleppt und aus der Entfernung sah er nur<lb/> noch, wie Karls Leichnam geplündert ward. Er be-<lb/> deckte seine Augen mit den Händen, wurde aber bald<lb/> mit anderen Gefangenen zusammengebunden und nach<lb/> dem nächsten Dorfe transportirt.</p><lb/> <p>Das Schicksal der Gefangenen war der sichere<lb/> Tod; bei Jnländern wurde bisweilen eine Ausnahme<lb/> gestattet, für ihn konnte keine Begünstigung eintreten<lb/> und er wünschte sie auch nicht. Gefaßt stellte er sich<lb/> in die Reihe der zum Tode Verurtheilten und die Ku-<lb/><cb n="70"/> geln der Basken trafen gut! Ein Augenblick und er<lb/> stürzte zusammen; seine Seele eilte der seines verklär-<lb/> ten Bruders entgegen.</p><lb/> <p>Noch ist dem unglücklichen Vater keine sichere<lb/> Botschaft von dem Tode seiner Söhne geworden, noch<lb/> hofft Rosa, daß der Bericht eines Landsmanns über<lb/> das furchtbare Ende ihrer Geliebten ungegründet sei<lb/> und wenigstens einer der Brüder wiederkehren werde.<lb/> Aber schon ist ein Jahr verflossen und wir dürfen<lb/> wohl glauben, daß die Mittheilung gegründet war und<lb/> weder die Geliebte noch Vater Walter einen der un-<lb/> glücklichen Brüder je wieder umarmen werde.</p><lb/> <p><space dim="horizontal"/> J. 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Nachlässig in seinen mit gesticktem Leder<lb/> überzogenen Stuhl gelehnt, spielte die eine Hand des<lb/> Fürsten mit dem schön geringelten Haare eines neben<lb/> ihm stehenden Edelknaben, während er lächelnd die<lb/> Geschichte von einer schönen Freifrau von Ebersdorf<lb/> anhörte. Plötzlich vernahm man vor der Thüre des<lb/> Gemachs ein Geräusch. Die beiden bewaffneten, vor<lb/> dem Eingang stehenden Wächter taumelten, als wären<lb/> sie durch eine kräftige Hand bei Seite geschoben, und<lb/> ein Ritter von hohem Wuchs, über seinem Harnisch<lb/> ein großes Bärenfell tragend, schritt kühn in die Halle<lb/> herein und blieb drei Schritte vor dem Kaiser<lb/> stehen.</p><lb/> <p>„Wer ist der grobe Zudringliche?“ rief der Mo-<lb/> narch entrüstet, „der es wagt, hier einzudringen und<lb/> meine Wachen niederzuschlagen? Weiß er, vor wem er<lb/> steht?“</p><lb/> <p>„Er weiß es,“ versetzte der Fremde ohne Um-<lb/> stände. „Jhr seid der Kaiser; und wenn es meine<lb/> Pflicht ist, Euren Befehlen als Oberhaupt des Reichs<lb/> Gehorsam zu leisten, Euch in Euren Kriegen zu die-<lb/> nen, so ist es die Eurige gegen mich, Gerechtigkeit<lb/> zu üben, wenn ich solcher bedarf. Und kann ich zu<lb/> meinem Gesuch eine passendere Zeit finden, als eine<lb/> solche, wo Jhr ohne Geschäfte, ohne Sorgen seid und<lb/> keine dringendere Beschäftigung Euch in Anspruch nimmt,<lb/> als zu zechen und Euch zu vergnügen?“</p><lb/> <p>Maximilian schoß rund umher auf seine Gesell-<lb/> schafter erstaunt feurige Zornblicke. „Wird keiner von<lb/> Euch mir sagen, wer der fremde Rechtssucher ist,</p><lb/> <cb type="end"/> </div> </body> </text> </TEI> [0003]
69 Conversations=Blatt. 70
Die Nachricht war für unsern nothgedrungen Helden
eben so traurig als erfreulich, denn wie sollte er in
das feindliche Lager kommen. An eine Verabschiedung
war nicht zu denken. Desertiren war das einzig Mög-
liche, aber auch mit der größten Lebensgefahr ver-
knüpft, indeß hatte sich Karl entschlossen das Aeußerste
zu wagen.
Jn einer finstern stürmischen Nacht hatte Karl
wieder den äußersten Wachtposten erhalten; ihm gegen-
über brannte ein feindliches Wachtfeuer. Eben war
die Patrouille vorübergezogen, da wagte er es leise an
dem Felshang etwa hundert Schritte vorzuschleichen.
Auf einmal löste sich ein Stein unter seinen Füßen
und stürzte donnernd in die Tiefe. Gleich darauf
folgte ein Schuß, ein zweiter, ein dritter, das Ge-
plänkel ward lebhaft und allgemein, während er in
der Mitte zwischen beiden Parteien die feindlichen
Kugeln von jeder Seite an sich vorüberpfeifen hörte.
Seine Lage war höchst gefährlich; trafen ihn die
Freunde, so wurde er als Deserteur angesehen und er-
schossen, wurde er von den Gegnern gefangen, so er-
wartete ihn kein besseres Loos. Jn diesem Augen-
blick erhielt er eine schmerzhafte Streifwunde; er zuckte
und sein Gewehr ging los.
Jetzt wurde er noch mehr als früher der Mittel-
punkt, sogar der Zielpunkt des gegenseitigen Feuers,
welches sich bald über die ganze Linie ausdehnte. Als
der Morgen anbrach, war der Kampf allgemein. Die
feindlichen Massen rückten stürmend vor und er, wel-
cher viel Blut verloren und zu schwach war, sich zu
erheben, blieb der Mittelpnnkt des Schlachtfeldes.
Da strömte aber eine neue Kolonne christinischer Frei-
williger heran, um die von den Karlisten besetzte An-
höhe zu nehmen; an der Spitze stand sein Bruder
Wilhelm, er erkannte ihn mit seinen erlöschenden Au-
gen und rief laut seinen Namen. Wilhelm hielt an,
erblickte seinen Bruder und stürzte, verwundert und
erschreckt, vor ihm auf die Knie, um ihn zu um-
armen.
Mittlerweile dauerte der Kampf fort, die Kolonne
welche Wilhelm angeführt, ward geschlagen und zurück-
gedrängt. Wilhelm hatte kein Auge für den Krieg,
er kniete vor seinem sterbenden Bruder und eben war
dieser in seinen Armen verschieden, als die Feinde,
das Terrain gewinnend, ihn zum Gefangenen machten.
Wilhelm leistete keinen Widerstand, er gab seine
Waffen ruhig ab und bat nur, bei der Leiche seines
geliebten Bruders verweilen zu können, aber man
gönnte ihm kein Gehör; im wilden Getümmel ward er
mit fortgefchleppt und aus der Entfernung sah er nur
noch, wie Karls Leichnam geplündert ward. Er be-
deckte seine Augen mit den Händen, wurde aber bald
mit anderen Gefangenen zusammengebunden und nach
dem nächsten Dorfe transportirt.
Das Schicksal der Gefangenen war der sichere
Tod; bei Jnländern wurde bisweilen eine Ausnahme
gestattet, für ihn konnte keine Begünstigung eintreten
und er wünschte sie auch nicht. Gefaßt stellte er sich
in die Reihe der zum Tode Verurtheilten und die Ku-
geln der Basken trafen gut! Ein Augenblick und er
stürzte zusammen; seine Seele eilte der seines verklär-
ten Bruders entgegen.
Noch ist dem unglücklichen Vater keine sichere
Botschaft von dem Tode seiner Söhne geworden, noch
hofft Rosa, daß der Bericht eines Landsmanns über
das furchtbare Ende ihrer Geliebten ungegründet sei
und wenigstens einer der Brüder wiederkehren werde.
Aber schon ist ein Jahr verflossen und wir dürfen
wohl glauben, daß die Mittheilung gegründet war und
weder die Geliebte noch Vater Walter einen der un-
glücklichen Brüder je wieder umarmen werde.
J. C.
Der Bär von Krain.
Von F. K. Herwey Esq.
Eines Abends im Winter saß der Kaiser Maxi-
milian inmitten seiner vornehmsten Hofbeamten bei Ta-
fel. Die Nacht war bereits weit vorgerückt und viele
lustige Einfälle verdankten dem vollen Becher ihr Ent-
stehen. Einer nach dem Andern hatte die Gesundheit
auf die berühmten Schönheiten des Tages ausgebracht,
jeder Toast war durch die skandalöse Zeitchronik ge-
würzt worden und jede Anekdote hatte die Lust der
Gäste erhöhet. Selbst die Kaiserin, sagt man, sei
nicht geschont worden, so kühn hatte der edle Ungar-
wein die Zecher, und so duldsam den Monarchen ge-
macht. Nachlässig in seinen mit gesticktem Leder
überzogenen Stuhl gelehnt, spielte die eine Hand des
Fürsten mit dem schön geringelten Haare eines neben
ihm stehenden Edelknaben, während er lächelnd die
Geschichte von einer schönen Freifrau von Ebersdorf
anhörte. Plötzlich vernahm man vor der Thüre des
Gemachs ein Geräusch. Die beiden bewaffneten, vor
dem Eingang stehenden Wächter taumelten, als wären
sie durch eine kräftige Hand bei Seite geschoben, und
ein Ritter von hohem Wuchs, über seinem Harnisch
ein großes Bärenfell tragend, schritt kühn in die Halle
herein und blieb drei Schritte vor dem Kaiser
stehen.
„Wer ist der grobe Zudringliche?“ rief der Mo-
narch entrüstet, „der es wagt, hier einzudringen und
meine Wachen niederzuschlagen? Weiß er, vor wem er
steht?“
„Er weiß es,“ versetzte der Fremde ohne Um-
stände. „Jhr seid der Kaiser; und wenn es meine
Pflicht ist, Euren Befehlen als Oberhaupt des Reichs
Gehorsam zu leisten, Euch in Euren Kriegen zu die-
nen, so ist es die Eurige gegen mich, Gerechtigkeit
zu üben, wenn ich solcher bedarf. Und kann ich zu
meinem Gesuch eine passendere Zeit finden, als eine
solche, wo Jhr ohne Geschäfte, ohne Sorgen seid und
keine dringendere Beschäftigung Euch in Anspruch nimmt,
als zu zechen und Euch zu vergnügen?“
Maximilian schoß rund umher auf seine Gesell-
schafter erstaunt feurige Zornblicke. „Wird keiner von
Euch mir sagen, wer der fremde Rechtssucher ist,
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