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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 5. Burg/Berlin, 1838.

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77 Conversations=Blatt. 78
[Beginn Spaltensatz] baren Bürde beladen, reiste ich mit Musrum ab; wir
schlugen unsern Weg nach der Höhe Mustapha = Jblis
ein. - Frage Fazry, ob sie glücklich war!".... Bei
diesen letzten Worten zerfloß der Räuber in Thränen.

Frage: "Was thatest Du seitdem?" Antw.
"Die Krieger begegneten mir, und ich führte Krieg mit
Deinem Czar."

Frage: Du ermordestet drei Offiziere, zwei
Beamte und zehn Soldaten?" Antw. "Ja, Du
sagst die Wahrheit. Jch tödtete sie insgesammt mit
eigener Hand; Dein Czar bediente sich seiner Soldaten,
um die meinigen zu morden; jetzt triumphirt er, und
ich bin enthront!"

Kapitän: "Du plündertest," - "ja, ich be-
durfte Mundvorräthe, Kleider, Gold; sie hatten's, ich
hatte es nicht. Was die Diebstähle betrifft, so lügst Du,
Kara=Aly versteht nicht zu stehlen! er versteht zu tödten,
zu plündern, denn das ist das Geschäft eines Khans!"

Der Kapitän verlas nun den Kara=Aly Diebstähle,
die von seiner Bande begangen wurden, und aus de-
nen wir die Namen übergehen, da sie kein Jnteresse
bieten. Es sind Plünderungen von Häusern, Raub auf
offener Straße mit bewaffneter Hand u. s. w. Kara-
Aly gesteht Alles, und erklärt sich für den alleinigen
Urheber derselben. Als der Kapitän zu dem Berichte
Tiedor Trazofs kommt, lächelt Kara = Aly und sagt:
"Jch amüsirte mich vier Monate lang auf Unkosten
dieses Helden, der mich suchte. Jch befand mich mehr-
mals bei ihm; er ist es, der eines Tages in einer
Schenke erzählt hatte, er habe 17,000 Rubel; ich
spottete dieses Poltrons; allein ich erkenne jetzt die
Wahrheit des Sprichworts, das da sagt: "verachte
eine Raupe nicht, sie kann dir schaden." Trazof hat
jetzt seine Genugthuung, und wir sind quitt, ich hege
keinen Groll gegen ihn."

Kapitän: "Aus wie viel Mann bestand die
Bande?" Antw. "Aus fünf, die verhaftet wurden,
ich bin der sechste." Kapitän: "Hattest Du Ver-
bindungen mit den Bewohnern des Landes?" Antw.
"Nein!" Kapitän: "Wo verbargst Du Deine
Schätze?" Antw. "Jch werde es nicht sagen. Ei-
nes Tages wirst Du sehen, daß mein Erbe die Erb-
schaft, die ich ihm hinterlasse, gut anwenden wird."

Hier endigt sich das Verhör, und der Kapitän Js-
prawnik fügt als Note bei: "Weder Milde noch
Drohungen, noch Strafe konnten ihm andere Bekennt-
nisse entreißen."

    (Unterz.)     Joutkof, Secretär.
    (Beschluß folgt.)



Grizel Cochrane.

Nach dem Englischen des John Mackay Wilson.

Als des letzten Jakob's *) Eigenmacht und Glau-
benswuth seine Unterthanen die Waffen wider ihn zu
ergreifen trieb, zeigte sich als einer der furchtbarsten
[Spaltenumbruch] Feinde gegen seine Gewaltanmaßungen Sir John
Cochrane
*) , der seine Hauptrolle in Argyle's Em-
pörung spielte. Seit Jahrhunderten schon schien ein
dunkles Verhängniß über dem Hause Campbel gewaltet
zu haben, daß Alle, die ihr Schicksal an die Sache sei-
ner Häuptlinge knüpften, in einen gemeinsamen Un-
glückssturz hinabriß. Dasselbe Verhängniß traf auch
Sir John Cochrane. Er wurde von den königlichen
Völkern umringt, - leistete einen langen, verzweifelten
Widerstand, ward aber endlich, der Ueberzahl erliegend,
gefangen genommen, vor Gericht gestellt und zum Tode
auf dem Blutgerüste verurtheilt. Er hatte nur noch
wenige Tage zu leben, und sein Kerkermeister wartete
blos auf das Eintreffen des Hinrichtungsbefehls, um
ihn dem Henker zu überantworten. Seine Angehörigen
und Freunde hatten ihn im Kerker besucht und wech-
selten mit ihm das letzte, lange, herzzerschneidende Le-
bewohl. Eine aber war nicht mit den Uebrigen ge-
kommen, seinen Segen zu empfangen. - Sie, die der
Stolz war seiner Augen und seines Hauses - seine
Grizel, **) die Tochter seiner Liebe.

Das abendliche Zwielicht warf einen tiefen Schat-
ten über die Eisengitter seines Gefängnisses, und in
trauernder Sehnsucht nach einem letzten Blicke seines
Lieblingskindes preßte er eben sein Haupt wider die kal-
ten feuchten Mauern seiner Zelle, um die fiberischen
Pulsschläge, die es wie Feuerstacheln durchzuckten, zu
kühlen, als sich die Thür seines Gemachs langsam in
ihren schwerfälligen Angeln drehte und sein Kerkermei-
ster hereintrat, gefolgt von einer schönen, jungen Da-
me. Jhre Gestalt war hoch und befehlend; ihr Auge
schwarz, glänzend und thränenlos; allein dieser Glanz
eben zeugte von Leid - von einem Leid, das zu tief
war, als das Thränen es hätten wegweinen können -
und ihre Rabenlocken scheitelten sich auf einer offenen
Stirne, die so hell war und rein wie der geschliffene
Marmor. Der unglückliche Gefangene hob bei ihrem
Eintritt sein Haupt in die Höhe.

"Mein Kind! meine - meine Grizel!" rief er
aus und sie sank an seine Brust.

"Vater! lieber Vater!" schluchzte die beklagens-
werthe Jungfrau, und wischte rasch die Thräne weg,
die diese Worte begleitete.

"Jhr müßt es kurz machen - ganz kurz,"
sagte der Schließer, als er sich umdrehete und sie für
wenige Minuten allein beisammen ließ.

"Gott helfe Dir und tröste Dich, meine Toch-
ter!" setzte Sir John hinzu, während er sie an seiner
Brust hielt und einen Kuß auf ihre Stirne drückte;
"ich hatte schon befürchtet, ich würde sterben müssen,
ohne noch meine Hand segnend auf meines Kindes
Haupt legen zu können, und das that mir weher, denn
der Tod; doch Du bist ja gekommen! mein Töchter-
chen - bist gekommen! - und der letzte Segen Dei-
nes unglückseligen Vaters -"

"Nicht so! laß ab! laß ab!" rief sie aus; "nicht

[Ende Spaltensatz]
*) Jakob der Zweite, König von Großbritanien (1685-1688) ,
der Enkel Jakobs des Sechsten, von Schottland, der als Ja-
kob der Erste die Kronen von Schottland und England auf
seinem Haupte vereinigte.     D. R
*) Ein Ahn des jetzigen Carl von Dundonald     D. Verf.
**) Margaretha (Gretchen, Gretel)     D. R.

77 Conversations=Blatt. 78
[Beginn Spaltensatz] baren Bürde beladen, reiste ich mit Musrum ab; wir
schlugen unsern Weg nach der Höhe Mustapha = Jblis
ein. – Frage Fazry, ob sie glücklich war!“.... Bei
diesen letzten Worten zerfloß der Räuber in Thränen.

Frage: „Was thatest Du seitdem?“ Antw.
„Die Krieger begegneten mir, und ich führte Krieg mit
Deinem Czar.“

Frage: Du ermordestet drei Offiziere, zwei
Beamte und zehn Soldaten?“ Antw. „Ja, Du
sagst die Wahrheit. Jch tödtete sie insgesammt mit
eigener Hand; Dein Czar bediente sich seiner Soldaten,
um die meinigen zu morden; jetzt triumphirt er, und
ich bin enthront!“

Kapitän: „Du plündertest,“ – „ja, ich be-
durfte Mundvorräthe, Kleider, Gold; sie hatten's, ich
hatte es nicht. Was die Diebstähle betrifft, so lügst Du,
Kara=Aly versteht nicht zu stehlen! er versteht zu tödten,
zu plündern, denn das ist das Geschäft eines Khans!“

Der Kapitän verlas nun den Kara=Aly Diebstähle,
die von seiner Bande begangen wurden, und aus de-
nen wir die Namen übergehen, da sie kein Jnteresse
bieten. Es sind Plünderungen von Häusern, Raub auf
offener Straße mit bewaffneter Hand u. s. w. Kara-
Aly gesteht Alles, und erklärt sich für den alleinigen
Urheber derselben. Als der Kapitän zu dem Berichte
Tiédor Trazofs kommt, lächelt Kara = Aly und sagt:
„Jch amüsirte mich vier Monate lang auf Unkosten
dieses Helden, der mich suchte. Jch befand mich mehr-
mals bei ihm; er ist es, der eines Tages in einer
Schenke erzählt hatte, er habe 17,000 Rubel; ich
spottete dieses Poltrons; allein ich erkenne jetzt die
Wahrheit des Sprichworts, das da sagt: „verachte
eine Raupe nicht, sie kann dir schaden.“ Trazof hat
jetzt seine Genugthuung, und wir sind quitt, ich hege
keinen Groll gegen ihn.“

Kapitän: „Aus wie viel Mann bestand die
Bande?“ Antw. „Aus fünf, die verhaftet wurden,
ich bin der sechste.“ Kapitän: „Hattest Du Ver-
bindungen mit den Bewohnern des Landes?“ Antw.
„Nein!“ Kapitän: „Wo verbargst Du Deine
Schätze?“ Antw. „Jch werde es nicht sagen. Ei-
nes Tages wirst Du sehen, daß mein Erbe die Erb-
schaft, die ich ihm hinterlasse, gut anwenden wird.“

Hier endigt sich das Verhör, und der Kapitän Js-
prawnik fügt als Note bei: „Weder Milde noch
Drohungen, noch Strafe konnten ihm andere Bekennt-
nisse entreißen.“

    (Unterz.)     Joutkof, Secretär.
    (Beschluß folgt.)



Grizel Cochrane.

Nach dem Englischen des John Mackay Wilson.

Als des letzten Jakob's *) Eigenmacht und Glau-
benswuth seine Unterthanen die Waffen wider ihn zu
ergreifen trieb, zeigte sich als einer der furchtbarsten
[Spaltenumbruch] Feinde gegen seine Gewaltanmaßungen Sir John
Cochrane
*) , der seine Hauptrolle in Argyle's Em-
pörung spielte. Seit Jahrhunderten schon schien ein
dunkles Verhängniß über dem Hause Campbel gewaltet
zu haben, daß Alle, die ihr Schicksal an die Sache sei-
ner Häuptlinge knüpften, in einen gemeinsamen Un-
glückssturz hinabriß. Dasselbe Verhängniß traf auch
Sir John Cochrane. Er wurde von den königlichen
Völkern umringt, – leistete einen langen, verzweifelten
Widerstand, ward aber endlich, der Ueberzahl erliegend,
gefangen genommen, vor Gericht gestellt und zum Tode
auf dem Blutgerüste verurtheilt. Er hatte nur noch
wenige Tage zu leben, und sein Kerkermeister wartete
blos auf das Eintreffen des Hinrichtungsbefehls, um
ihn dem Henker zu überantworten. Seine Angehörigen
und Freunde hatten ihn im Kerker besucht und wech-
selten mit ihm das letzte, lange, herzzerschneidende Le-
bewohl. Eine aber war nicht mit den Uebrigen ge-
kommen, seinen Segen zu empfangen. – Sie, die der
Stolz war seiner Augen und seines Hauses – seine
Grizel, **) die Tochter seiner Liebe.

Das abendliche Zwielicht warf einen tiefen Schat-
ten über die Eisengitter seines Gefängnisses, und in
trauernder Sehnsucht nach einem letzten Blicke seines
Lieblingskindes preßte er eben sein Haupt wider die kal-
ten feuchten Mauern seiner Zelle, um die fiberischen
Pulsschläge, die es wie Feuerstacheln durchzuckten, zu
kühlen, als sich die Thür seines Gemachs langsam in
ihren schwerfälligen Angeln drehte und sein Kerkermei-
ster hereintrat, gefolgt von einer schönen, jungen Da-
me. Jhre Gestalt war hoch und befehlend; ihr Auge
schwarz, glänzend und thränenlos; allein dieser Glanz
eben zeugte von Leid – von einem Leid, das zu tief
war, als das Thränen es hätten wegweinen können –
und ihre Rabenlocken scheitelten sich auf einer offenen
Stirne, die so hell war und rein wie der geschliffene
Marmor. Der unglückliche Gefangene hob bei ihrem
Eintritt sein Haupt in die Höhe.

„Mein Kind! meine – meine Grizel!“ rief er
aus und sie sank an seine Brust.

„Vater! lieber Vater!“ schluchzte die beklagens-
werthe Jungfrau, und wischte rasch die Thräne weg,
die diese Worte begleitete.

„Jhr müßt es kurz machen – ganz kurz,“
sagte der Schließer, als er sich umdrehete und sie für
wenige Minuten allein beisammen ließ.

„Gott helfe Dir und tröste Dich, meine Toch-
ter!“ setzte Sir John hinzu, während er sie an seiner
Brust hielt und einen Kuß auf ihre Stirne drückte;
„ich hatte schon befürchtet, ich würde sterben müssen,
ohne noch meine Hand segnend auf meines Kindes
Haupt legen zu können, und das that mir weher, denn
der Tod; doch Du bist ja gekommen! mein Töchter-
chen – bist gekommen! – und der letzte Segen Dei-
nes unglückseligen Vaters –“

„Nicht so! laß ab! laß ab!“ rief sie aus; „nicht

[Ende Spaltensatz]
*) Jakob der Zweite, König von Großbritanien (1685–1688) ,
der Enkel Jakobs des Sechsten, von Schottland, der als Ja-
kob der Erste die Kronen von Schottland und England auf
seinem Haupte vereinigte.     D. R
*) Ein Ahn des jetzigen Carl von Dundonald     D. Verf.
**) Margaretha (Gretchen, Gretel)     D. R.
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Seine Angehörigen und Freunde hatten ihn im Kerker besucht und wech- selten mit ihm das letzte, lange, herzzerschneidende Le- bewohl. Eine aber war nicht mit den Uebrigen ge- kommen, seinen Segen zu empfangen. – Sie, die der Stolz war seiner Augen und seines Hauses – seine Grizel, **) die Tochter seiner Liebe. Das abendliche Zwielicht warf einen tiefen Schat- ten über die Eisengitter seines Gefängnisses, und in trauernder Sehnsucht nach einem letzten Blicke seines Lieblingskindes preßte er eben sein Haupt wider die kal- ten feuchten Mauern seiner Zelle, um die fiberischen Pulsschläge, die es wie Feuerstacheln durchzuckten, zu kühlen, als sich die Thür seines Gemachs langsam in ihren schwerfälligen Angeln drehte und sein Kerkermei- ster hereintrat, gefolgt von einer schönen, jungen Da- me. Jhre Gestalt war hoch und befehlend; ihr Auge schwarz, glänzend und thränenlos; allein dieser Glanz eben zeugte von Leid – von einem Leid, das zu tief war, als das Thränen es hätten wegweinen können – und ihre Rabenlocken scheitelten sich auf einer offenen Stirne, die so hell war und rein wie der geschliffene Marmor. Der unglückliche Gefangene hob bei ihrem Eintritt sein Haupt in die Höhe. „Mein Kind! meine – meine Grizel!“ rief er aus und sie sank an seine Brust. „Vater! lieber Vater!“ schluchzte die beklagens- werthe Jungfrau, und wischte rasch die Thräne weg, die diese Worte begleitete. „Jhr müßt es kurz machen – ganz kurz,“ sagte der Schließer, als er sich umdrehete und sie für wenige Minuten allein beisammen ließ. „Gott helfe Dir und tröste Dich, meine Toch- ter!“ setzte Sir John hinzu, während er sie an seiner Brust hielt und einen Kuß auf ihre Stirne drückte; „ich hatte schon befürchtet, ich würde sterben müssen, ohne noch meine Hand segnend auf meines Kindes Haupt legen zu können, und das that mir weher, denn der Tod; doch Du bist ja gekommen! mein Töchter- chen – bist gekommen! – und der letzte Segen Dei- nes unglückseligen Vaters –“ „Nicht so! laß ab! laß ab!“ rief sie aus; „nicht *) Jakob der Zweite, König von Großbritanien (1685–1688) , der Enkel Jakobs des Sechsten, von Schottland, der als Ja- kob der Erste die Kronen von Schottland und England auf seinem Haupte vereinigte. D. R *) Ein Ahn des jetzigen Carl von Dundonald D. Verf. **) Margaretha (Gretchen, Gretel) D. R.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 5. Burg/Berlin, 1838, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt05_1838/7>, abgerufen am 21.11.2024.