Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 5. Burg/Berlin, 1838.79 Conversations=Blatt. 80 [Abbildung]
[Beginn Spaltensatz]
Dein letzter Segen! - nicht Dein letzter! Mein "Sei ruhig, mein Kind, sei ruhig," erwiederte Vaterlos wollte er sagen, doch das Wort er- "Drei Tage!" wiederholte sie und richtete ihr "Und doch soll mein Vater - doch soll er nicht "Was meint meine Tochter?" fragte er und "Frage jetzt nicht," versetzte sie, "lieber Vater, (Fortsetzung folgt.) Miscellen. Catharina II. Ein Offizier von der Armee hatte sich sehr brav Ein Amerikaner heirathete kürzlich nacheinander 79 Conversations=Blatt. 80 [Abbildung]
[Beginn Spaltensatz]
Dein letzter Segen! – nicht Dein letzter! Mein „Sei ruhig, mein Kind, sei ruhig,“ erwiederte Vaterlos wollte er sagen, doch das Wort er- „Drei Tage!“ wiederholte sie und richtete ihr „Und doch soll mein Vater – doch soll er nicht „Was meint meine Tochter?“ fragte er und „Frage jetzt nicht,“ versetzte sie, „lieber Vater, (Fortsetzung folgt.) Miscellen. Catharina II. Ein Offizier von der Armee hatte sich sehr brav Ein Amerikaner heirathete kürzlich nacheinander <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <pb facs="#f0008"/> <fw type="header" place="top">79 <hi rendition="#c">Conversations=Blatt.</hi> <hi rendition="#right">80</hi></fw><lb/> <figure/><lb/> <cb type="start" n="79"/> <p>Dein <hi rendition="#g">letzter</hi> Segen! – nicht Dein <hi rendition="#g">letzter!</hi> Mein<lb/> Vater wird, darf nicht sterben!“</p><lb/> <p>„Sei ruhig, mein Kind, sei ruhig,“ erwiederte<lb/> er. „Wollte der Himmel, ich könnte Dir Trost geben!<lb/> Du liebe, liebe Tochter! – Allein es ist keine Hoff-<lb/> nung mehr; drei kurze Tage noch, – und Du und<lb/> alle meine Kleinen sind –“</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Vaterlos</hi> wollte er sagen, doch das Wort er-<lb/> starb ihm auf der Zunge.</p><lb/> <p>„Drei Tage!“ wiederholte sie und richtete ihr<lb/> Harpt von seiner Brust empor und drückte ihm zugleich<lb/> innig und fest die Hand; „drei Tage! – dann ist<lb/> noch Hoffnung – mein Urtheil ist bereits fest entschie-<lb/> den – schon hat der König den Befehl zu meiner Hin-<lb/> richtung besiegelt, und der Todesbote ist jetzt unterwegs.“</p><lb/> <p>„Und doch soll mein Vater – doch soll er nicht<lb/> sterben!“ wiederholte sie mit flammender Bestimmtheit,<lb/> und die Hände fest ineinander faltend rief sie: „Gott,<lb/> leihe Du Deinen Arm dem Entschlusse eines liebenden<lb/> Kindes!“ darauf wandte sie sich zu ihrem Vater und<lb/> sagte gefaßt: „wir scheiden jetzt, aber wir sehen uns wieder.“</p><lb/> <p>„Was meint meine Tochter?“ fragte er und<lb/> schauete ihr ängstlich forschend in das leuchtende Antlitz.</p><lb/> <p>„Frage jetzt nicht,“ versetzte sie, „lieber Vater,<lb/> frage jetzt nicht, aber bete für mich, und segne mich<lb/> – doch nicht mit deinem <hi rendition="#g">letzten</hi> Segen.“ Und er<lb/> drückte sie aufs Neue an sein Herz und weinte an ih-<lb/> rem Halse. Wenige Sekunden darauf trat der Gefan-<lb/> genwärter herein und riß die Umschlungenen von einander.</p><lb/> <p><space dim="horizontal"/> (Fortsetzung folgt.) </p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Miscellen</hi>.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>Catharina <hi rendition="#aq">II.</hi></head><lb/> <p>Ein Offizier von der Armee hatte sich sehr brav<lb/> gehalten. Der Fürst Repnin schickte ihn mit einer<lb/><cb n="80"/> Empfehlung nach Hofe. Catharina gab ihm zur Be-<lb/> lohnung seiner Dienste selbst den kleinen Georgen=Orden,<lb/> der in das Knopfloch gebunden wird. Der Militair<lb/> glaubte Anspruch auf die große Klasse des Ordens zu<lb/> haben, die man um den Hals trägt. Er war ein sehr<lb/> freimüthiger, kühner Mann, nahm also das kleine Band<lb/> und versuchte in der Monarchin Gegenwart es um den<lb/><hi rendition="#g">Hals</hi> zu binden, aber es blieb natürlich zu klein. –<lb/> Die Kaiserin sah es und sagte mit Güte: „Nur Geduld,<lb/> lieber Obrist! dieser wird auch kommen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Ein Amerikaner heirathete kürzlich nacheinander<lb/> dreizehn Frauen, man kam aber endlich seinen Aus-<lb/> schweifungen auf die Spur, verhaftete ihn und sperrte<lb/> ihn in das Penitentiary ein, von wo er aber zu ent-<lb/> kommen Gelegenheit fand. Ein Mann aus einem Dorfe<lb/> in der Nähe von Philadelphia sah ihn auf der Straße,<lb/> erkannte ihn trotz seiner geschickten Vermummung, und<lb/> ließ sich durch den Reiz einer starken Belohnung, die<lb/> man demjenigen versprochen hatte, der ihn der Gerech-<lb/> tigkeit ausliefern würde, verlocken, ihn gefangen neh-<lb/> men zu wollen. Er lud den neuen Don Juan zum<lb/> Essen ein, entfernte sich während der Mahlzeit unter<lb/> irgend einen Vorwand, um die Constables herbei zu<lb/> rufen; bei seiner Rückkehr aber war er nicht wenig er-<lb/> staunt, das Nest leer zu finden, denn der Schlaukopf<lb/> war mit seiner eigenen Frau davon gegangen. Der<lb/> amerikanische Puritanismus, verbunden mit der Leich-<lb/> tigkeit, sich allenthalben ohne weitere Erlaubniß und<lb/> Ausweis nieder zu lassen, muß wohl solche Erscheinun-<lb/> gen als Gegensatz und Folge erzeugen.</p> </div> </div><lb/> <cb type="end"/> <trailer> <ref>Zur vorigen, vierten Nummer erfolgte die Extra=Beilage Nro. 1 „ <hi rendition="#g">Das Abendmahl</hi>.“</ref> </trailer> </body> </text> </TEI> [0008]
79 Conversations=Blatt. 80
[Abbildung]
Dein letzter Segen! – nicht Dein letzter! Mein
Vater wird, darf nicht sterben!“
„Sei ruhig, mein Kind, sei ruhig,“ erwiederte
er. „Wollte der Himmel, ich könnte Dir Trost geben!
Du liebe, liebe Tochter! – Allein es ist keine Hoff-
nung mehr; drei kurze Tage noch, – und Du und
alle meine Kleinen sind –“
Vaterlos wollte er sagen, doch das Wort er-
starb ihm auf der Zunge.
„Drei Tage!“ wiederholte sie und richtete ihr
Harpt von seiner Brust empor und drückte ihm zugleich
innig und fest die Hand; „drei Tage! – dann ist
noch Hoffnung – mein Urtheil ist bereits fest entschie-
den – schon hat der König den Befehl zu meiner Hin-
richtung besiegelt, und der Todesbote ist jetzt unterwegs.“
„Und doch soll mein Vater – doch soll er nicht
sterben!“ wiederholte sie mit flammender Bestimmtheit,
und die Hände fest ineinander faltend rief sie: „Gott,
leihe Du Deinen Arm dem Entschlusse eines liebenden
Kindes!“ darauf wandte sie sich zu ihrem Vater und
sagte gefaßt: „wir scheiden jetzt, aber wir sehen uns wieder.“
„Was meint meine Tochter?“ fragte er und
schauete ihr ängstlich forschend in das leuchtende Antlitz.
„Frage jetzt nicht,“ versetzte sie, „lieber Vater,
frage jetzt nicht, aber bete für mich, und segne mich
– doch nicht mit deinem letzten Segen.“ Und er
drückte sie aufs Neue an sein Herz und weinte an ih-
rem Halse. Wenige Sekunden darauf trat der Gefan-
genwärter herein und riß die Umschlungenen von einander.
(Fortsetzung folgt.)
Miscellen.
Catharina II.
Ein Offizier von der Armee hatte sich sehr brav
gehalten. Der Fürst Repnin schickte ihn mit einer
Empfehlung nach Hofe. Catharina gab ihm zur Be-
lohnung seiner Dienste selbst den kleinen Georgen=Orden,
der in das Knopfloch gebunden wird. Der Militair
glaubte Anspruch auf die große Klasse des Ordens zu
haben, die man um den Hals trägt. Er war ein sehr
freimüthiger, kühner Mann, nahm also das kleine Band
und versuchte in der Monarchin Gegenwart es um den
Hals zu binden, aber es blieb natürlich zu klein. –
Die Kaiserin sah es und sagte mit Güte: „Nur Geduld,
lieber Obrist! dieser wird auch kommen.
Ein Amerikaner heirathete kürzlich nacheinander
dreizehn Frauen, man kam aber endlich seinen Aus-
schweifungen auf die Spur, verhaftete ihn und sperrte
ihn in das Penitentiary ein, von wo er aber zu ent-
kommen Gelegenheit fand. Ein Mann aus einem Dorfe
in der Nähe von Philadelphia sah ihn auf der Straße,
erkannte ihn trotz seiner geschickten Vermummung, und
ließ sich durch den Reiz einer starken Belohnung, die
man demjenigen versprochen hatte, der ihn der Gerech-
tigkeit ausliefern würde, verlocken, ihn gefangen neh-
men zu wollen. Er lud den neuen Don Juan zum
Essen ein, entfernte sich während der Mahlzeit unter
irgend einen Vorwand, um die Constables herbei zu
rufen; bei seiner Rückkehr aber war er nicht wenig er-
staunt, das Nest leer zu finden, denn der Schlaukopf
war mit seiner eigenen Frau davon gegangen. Der
amerikanische Puritanismus, verbunden mit der Leich-
tigkeit, sich allenthalben ohne weitere Erlaubniß und
Ausweis nieder zu lassen, muß wohl solche Erscheinun-
gen als Gegensatz und Folge erzeugen.
Zur vorigen, vierten Nummer erfolgte die Extra=Beilage Nro. 1 „ Das Abendmahl.“
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