Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 8. Burg/Berlin, 1836.117 Conversations=Blatt. 118 [Beginn Spaltensatz]
jetzt fort, Gott und die heilige Jungfrau seien miteuch - betet für mich - lebt wohl!" (Fortsetzung folgt.) Wolf Wolfrath's Begebenhei- ten und Beschreibung des Tur- niers zu Wien im Jahre 1565. (Treu nach einer alten Urkunde.) Jch war siebenzehn und ein halbes Jahr alt, Sprach meine Mutter: Thut, edler Herr, was Es war aber mein Vater gewesen Wappner und Da sprach der Herr von Neydeck: Jch bin Meine Mutter sprach: Wie es euch gefällt. Jhr Zn mir aber sprach meine Mutter: Wenn du Meine Schwester aber weinte und schenkte mir Es kamen aber allerhand Hindernisse darein, daß Da rüsteten wir uns zu, zu der Reise, und Also an des Herrn Uffahrtstage (Himmelfahrts- Da kam zu uns des Herzogs Ehrenhold, klopfte Das freute mich gar sehr, und ich gab ihm die Danach ließ mir mein Herr einen Becher ge- Des Herzogs Gemahl wendete sich freundlich zu Da rief der Herzog aus: Sei ohne Aengstlich- 117 Conversations=Blatt. 118 [Beginn Spaltensatz]
jetzt fort, Gott und die heilige Jungfrau seien miteuch – betet für mich – lebt wohl!“ (Fortsetzung folgt.) Wolf Wolfrath's Begebenhei- ten und Beschreibung des Tur- niers zu Wien im Jahre 1565. (Treu nach einer alten Urkunde.) Jch war siebenzehn und ein halbes Jahr alt, Sprach meine Mutter: Thut, edler Herr, was Es war aber mein Vater gewesen Wappner und Da sprach der Herr von Neydeck: Jch bin Meine Mutter sprach: Wie es euch gefällt. Jhr Zn mir aber sprach meine Mutter: Wenn du Meine Schwester aber weinte und schenkte mir Es kamen aber allerhand Hindernisse darein, daß Da rüsteten wir uns zu, zu der Reise, und Also an des Herrn Uffahrtstage (Himmelfahrts- Da kam zu uns des Herzogs Ehrenhold, klopfte Das freute mich gar sehr, und ich gab ihm die Danach ließ mir mein Herr einen Becher ge- Des Herzogs Gemahl wendete sich freundlich zu Da rief der Herzog aus: Sei ohne Aengstlich- <TEI> <text> <body> <div xml:id="Span4" type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0003"/><fw type="header" place="top">117 <hi rendition="#c">Conversations=Blatt.</hi> <hi rendition="#right">118</hi></fw><cb type="start" n="117"/> jetzt fort, Gott und die heilige Jungfrau seien mit<lb/> euch – betet für mich – lebt wohl!“</p><lb/> <p><space dim="horizontal"/> (Fortsetzung folgt.) <note type="editorial">Ausgabe 9, die die unmittelbar folgende Fortsetzung enthält, fehlt. <ref target="nn_conversationsblatt10_1836#Span5">Ausgabe 10, die den Schlussteil enthält, ist vorhanden.</ref></note></p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div xml:id="Wolf1" type="jArticle" n="1"> <head><hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Wolf Wolfrath's</hi> Begebenhei-<lb/> ten und Beschreibung des Tur-<lb/> niers zu Wien im Jahre</hi> 1565.</head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#c">(Treu nach einer alten Urkunde.)</hi> </p> </argument><lb/> <p>Jch war siebenzehn und ein halbes Jahr alt,<lb/> als mein gestrenger Herr <hi rendition="#g">Jost von Neydeck</hi> zu<lb/> meiner Mutter sprach: Frau <hi rendition="#g">Elsbeth,</hi> es ist euer<lb/> Sohn nun herangewachsen und hat mancherlei Dinge<lb/> gelernt, die ihn wohl in der Welt fortbringen werden.<lb/> Er kann leidlich schreiben, ein wenig Latein, kann<lb/> singen und die Harfe spielen, und ich meine daher, es<lb/> sei wohlgethan, ihn an einen Hof zu bringen. Denn<lb/> was soll er länger hier thun? Auch werde ich älter<lb/> und weiß nicht, wie's meine Nachkommen mit ihm<lb/> halten wollen.</p><lb/> <p>Sprach meine Mutter: Thut, edler Herr, was<lb/> euch wohl dünkt. Sein Vater ist auch früh in die<lb/> Welt kommen, und hat ihm das nicht geschadet.</p><lb/> <p>Es war aber mein Vater gewesen Wappner und<lb/> Rüstmeister meines gestrengen Herrn <hi rendition="#g">von Neydeck,</hi><lb/> und war gestorben, da ich kaum 6 Jahr alt war,<lb/> und mein Schwesterlein deren 3. Da hatte sich un-<lb/> ser Herr <hi rendition="#g">Neydeck</hi> unserer erbarmt und uns bei sich<lb/> behalten auf seinem Schlosse. Als ich aber 10 Jahr<lb/> alt war, kam ich zu dem Abte zu St. Luthart, der<lb/> im Kloster mich unterweisen ließ im Schreiben und<lb/> Rechnen, im Singen und Saitenspiel und in der la-<lb/> teinischen Sprache, dieweil ich nicht Stärke genug und<lb/> keine Lust hatte, die Waffen zu tragen und zu lernen,<lb/> was mein Vater gelernt hatte.</p><lb/> <p>Da sprach der Herr <hi rendition="#g">von Neydeck:</hi> Jch bin<lb/> gesonnen, auf Kerzweihe (Mariä Reinigung, den 2.<lb/> Februar) gen Jngolstadt zu reisen, und will <hi rendition="#g">Wol-<lb/> fen</hi> mit mir nehmen und zusehen, ob er vielleicht<lb/> Dienste finden kann am Hofe meines Herrn, des Her-<lb/> zogs <hi rendition="#g">Albrecht von Baiern,</hi> der die Musika gar<lb/> sehr liebt und schätzt; wie er denn auch selbst ein gu-<lb/> ter Musikus ist und bei sich hat den berühmten Musik-<lb/> meister <hi rendition="#g">Lassus,</hi> dessen wunderschöne Weisen so be-<lb/> kannt sind.</p><lb/> <p>Meine Mutter sprach: Wie es euch gefällt. 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Es geht bei uns gar<lb/> fröhlich her und wird dir wohlgefallen.</p><lb/> <p>Danach ließ mir mein Herr einen Becher ge-<lb/> ben mit Wein, den ich frisch leerte, damit ich Muth<lb/> bekäm, mich dem Herzoge zu zeigen, was auch ge-<lb/> schah. Und da neigte ich mich tief, als ich eintrat<lb/> in den Saal. Da saßen an einem Tische der Herzog<lb/> und sein Gemahl (war Kaiser Ferdinands Tochter) ,<lb/> sein Ohm der Bischof, sein Truchseß, zwei fremde<lb/> Edelleute und mein Herr <hi rendition="#g">von Neydeck,</hi> die speisten,<lb/> und standen schöne Kannen und Becher zwischen den<lb/> Schüsseln. Jch aber hatt' mein Baretlein unterm<lb/> Arme und meine Harfe in der linken Hand, wie mir<lb/> das gelehrt war. Und da kam des Herzogs Narr<lb/> mit seinem Schellengeklapper auf mich zu, sah mir<lb/> ins Gesicht und rief aus: Federn, eitel Federn!<lb/> Sprach der Herzog: Schweig, Narr! Da setzte der<lb/> Narr sich bei ihm nieder an den Boden, und trieb<lb/> lächerliches Gespiel und Zeug.</p><lb/> <p>Des Herzogs Gemahl wendete sich freundlich zu<lb/> mir und sagte: Wohlan, junger Spielmann, singe<lb/> uns etwas. Da ließ ich mein Baretlein fallen und<lb/> griff rasch in die Saiten. Aber es trat ein Diener<lb/> herbei und brachte mir ein Bänklein, darauf setzte ich<lb/> mich. Es kam auch ein Mann in den Saal, der<lb/> trat entfernt, hatte ein schwarzes Wams an und einen<lb/> kurzen Mantel um. Er trug eine goldene Kette und<lb/> war, wie ich nachher erfuhr, Meister <hi rendition="#g">Wohlgemuth,</hi><lb/> des Herzogs Hofsänger.</p><lb/> <p>Da rief der Herzog aus: Sei ohne Aengstlich-<lb/> keit, lieber <hi rendition="#g">Wolf!</hi> und laß uns hören, was du<lb/> kannst. Der Narr aber sprach: Jhr werdet auch hö-<lb/> ren, was er <hi rendition="#g">nicht</hi> kann. Der Herzog sprach:</p><lb/> <cb type="end"/> </div> </body> </text> </TEI> [0003]
117 Conversations=Blatt. 118
jetzt fort, Gott und die heilige Jungfrau seien mit
euch – betet für mich – lebt wohl!“
(Fortsetzung folgt.)
Wolf Wolfrath's Begebenhei-
ten und Beschreibung des Tur-
niers zu Wien im Jahre 1565.
(Treu nach einer alten Urkunde.)
Jch war siebenzehn und ein halbes Jahr alt,
als mein gestrenger Herr Jost von Neydeck zu
meiner Mutter sprach: Frau Elsbeth, es ist euer
Sohn nun herangewachsen und hat mancherlei Dinge
gelernt, die ihn wohl in der Welt fortbringen werden.
Er kann leidlich schreiben, ein wenig Latein, kann
singen und die Harfe spielen, und ich meine daher, es
sei wohlgethan, ihn an einen Hof zu bringen. Denn
was soll er länger hier thun? Auch werde ich älter
und weiß nicht, wie's meine Nachkommen mit ihm
halten wollen.
Sprach meine Mutter: Thut, edler Herr, was
euch wohl dünkt. Sein Vater ist auch früh in die
Welt kommen, und hat ihm das nicht geschadet.
Es war aber mein Vater gewesen Wappner und
Rüstmeister meines gestrengen Herrn von Neydeck,
und war gestorben, da ich kaum 6 Jahr alt war,
und mein Schwesterlein deren 3. Da hatte sich un-
ser Herr Neydeck unserer erbarmt und uns bei sich
behalten auf seinem Schlosse. Als ich aber 10 Jahr
alt war, kam ich zu dem Abte zu St. Luthart, der
im Kloster mich unterweisen ließ im Schreiben und
Rechnen, im Singen und Saitenspiel und in der la-
teinischen Sprache, dieweil ich nicht Stärke genug und
keine Lust hatte, die Waffen zu tragen und zu lernen,
was mein Vater gelernt hatte.
Da sprach der Herr von Neydeck: Jch bin
gesonnen, auf Kerzweihe (Mariä Reinigung, den 2.
Februar) gen Jngolstadt zu reisen, und will Wol-
fen mit mir nehmen und zusehen, ob er vielleicht
Dienste finden kann am Hofe meines Herrn, des Her-
zogs Albrecht von Baiern, der die Musika gar
sehr liebt und schätzt; wie er denn auch selbst ein gu-
ter Musikus ist und bei sich hat den berühmten Musik-
meister Lassus, dessen wunderschöne Weisen so be-
kannt sind.
Meine Mutter sprach: Wie es euch gefällt. Jhr
seid des Buben Wohlthäter und Herr.
Zn mir aber sprach meine Mutter: Wenn du
hinaus kömmst in die Fremde, so halte dich nur all-
zeit redlich und ehrlich, und es wird dir nicht fehlen;
vertraue Gott und handle recht, und nichts kann dir
Schaden bringen.
Meine Schwester aber weinte und schenkte mir
zum Angedenken ein Tüchlein mit fein genähten Zipfeln
und Troddeln dran, was sie selbst gemacht hatte.
Es kamen aber allerhand Hindernisse darein, daß
wir nicht konnten reisen bis zum schwarzen Sonntage
(Judika) , aber da wollte mein Herr nicht gehen,
und feierten wir erst daheim das Osterfest. Da kam
eine Antwort auf den Brief, den mein Herr von
Neydeck gesandt hatte an Herzog Albrechten, des
Jnhalts, er solle nur kommen und mich mitbringen.
Aber wir wurden beschieden nach München.
Da rüsteten wir uns zu, zu der Reise, und
ging es daheim an ein großes Weinen von Mutter
und Schwester, das kaum zu sagen ist. Gott tröstete
uns aber endlich alle, und meine Mutter gab mir
ihren Segen und einen goldenen Fingerreif von meinem
lieben Vater, dem Gott eine fröhliche Urständ (Auf-
erstehung) verleihen wolle, wie uns allen nach unserm
Tode.
Also an des Herrn Uffahrtstage (Himmelfahrts-
tag) des Jahrs 1565 machten wir uns auf den
Weg, und kamen in der Pfingstzeit zu München an,
wo eben Herzog Albrecht Hoflager hielt.
Da kam zu uns des Herzogs Ehrenhold, klopfte
auf meine Achsel ganz freundlich und sagte: Willkom-
men, Gesell, in München! Du bist deines Vaters
leibliches Ebenbild. Der war mein guter Freund und
ich der seinige.
Das freute mich gar sehr, und ich gab ihm die
Hand, doch etwas ängstlich und furchtsam. Und er
sprach: Sei gutes Muths. Es geht bei uns gar
fröhlich her und wird dir wohlgefallen.
Danach ließ mir mein Herr einen Becher ge-
ben mit Wein, den ich frisch leerte, damit ich Muth
bekäm, mich dem Herzoge zu zeigen, was auch ge-
schah. Und da neigte ich mich tief, als ich eintrat
in den Saal. Da saßen an einem Tische der Herzog
und sein Gemahl (war Kaiser Ferdinands Tochter) ,
sein Ohm der Bischof, sein Truchseß, zwei fremde
Edelleute und mein Herr von Neydeck, die speisten,
und standen schöne Kannen und Becher zwischen den
Schüsseln. Jch aber hatt' mein Baretlein unterm
Arme und meine Harfe in der linken Hand, wie mir
das gelehrt war. Und da kam des Herzogs Narr
mit seinem Schellengeklapper auf mich zu, sah mir
ins Gesicht und rief aus: Federn, eitel Federn!
Sprach der Herzog: Schweig, Narr! Da setzte der
Narr sich bei ihm nieder an den Boden, und trieb
lächerliches Gespiel und Zeug.
Des Herzogs Gemahl wendete sich freundlich zu
mir und sagte: Wohlan, junger Spielmann, singe
uns etwas. Da ließ ich mein Baretlein fallen und
griff rasch in die Saiten. Aber es trat ein Diener
herbei und brachte mir ein Bänklein, darauf setzte ich
mich. Es kam auch ein Mann in den Saal, der
trat entfernt, hatte ein schwarzes Wams an und einen
kurzen Mantel um. Er trug eine goldene Kette und
war, wie ich nachher erfuhr, Meister Wohlgemuth,
des Herzogs Hofsänger.
Da rief der Herzog aus: Sei ohne Aengstlich-
keit, lieber Wolf! und laß uns hören, was du
kannst. Der Narr aber sprach: Jhr werdet auch hö-
ren, was er nicht kann. Der Herzog sprach:
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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
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