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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 10. Burg/Berlin, 1836.

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155 Conversations=Blatt. 156
[Beginn Spaltensatz] hehlen, daß solch ein Pfad zu einer Wohnung führen
sollte; wirklich verschwand auch nach einigen Minuten
des Weiterschreitens der Nebenweg am Fuße einer
senkrechten Klippe, deren Höhe und abgebrochene Vor-
derseite durch eine Art von Esplanade, die nur einige
Faden breit war, von einem Abgrund geschieden wur-
de, an dessen finsterem Fuße der Strom fürchterlich
tosend floß. Hier hielt sein Führer, stieg ab, und
ersuchte den Doktor, seinem Beispiele zu folgen. Den
noch übrigen Theil des Weges, sagte er, können wir
nun zu Fuß machen.

Der Doktor warf einen mißtrauischen und un-
muthigen Blick um sich her. Die Sonne war unter
den sichtbaren Horizont gesunken, allein bei dem
schwachen Licht der Dämmerung ward er in der Ent-
fernung einiger Schritte den Eingang zu einer niedri-
gen Höhle gewahr.

Während sein Auge auf dieselbe gerichtet war,
traten zwei Männer aus derselben, und fingen an,
sich schweigend mit den Pferden zu beschäftigen, deren
Zäume sie an dem vorn vom Felsen herabhängenden
Gesträuch befestigten. Jhre ledernen Kamaschen und
aus Bärenfell gemachten Mützen gaben ihnen das Aus-
sehen von Bergleuten; außerdem hatten sie über die
Schultern noch einen Mantel von Bärenfell geworfen,
der bis zum Unterleib herabhing.

Während er sich dies schnell angesehen, hatte
sein Führer ein Licht angezündet, und als die aus
der Höhle gekommenen Männer zwei Fackeln angebrannt
hatten, gab er Belgarbo durch einen Wink mit dem
Finger zu erkennen, in den unterirdischen Gang zu
treten. Der Doktor war ein entschlossener Mann, und
ohne unnöthiger Besorgniß bei der etwas seltsamen
Lage, worin er sich befand, Raum zu geben, be-
schloß er, sich Auskunft über das Geheimniß zu ver-
schaffen. Er wendete sich an seinen Führer und redete
ihn in einem festen Tone entschlossen folgendermaßen
an:

"Jch kam hirher, um eine kranke Frau in einer
Ritterburg zu besuchen," sagte er, "und nicht dun-
kele Höhlen mit unbekannten Gesellen zu durchkriechen.
Wenn mir nicht die Ursache, warum ich hieher gebracht
ward, der Ort, wohin man mich führen will, und
der Name derjenigen, die meiner Hülfe benöthigt sind,
bestimmt genannt werden, gehe ich schlechterdings nicht
weiter, und werde suchen, wieder auf dem Wege
zurückzukehren, auf dem ich in diese Wildniß geführt
ward."

"Jhr habt Unrecht," sagte sein Führer in ru-
higem Tone zu ihm, "uns nicht zu trauen. Es er-
wartet Euch keine Gefahr. Der Herr, dem ich diene,
hat sich in der That in Eure Gewalt gegeben, weil
ich Euch ohne irgend eine Vorsicht zur Geheimhaltung
zu nehmen, an einen Platz geführt habe, den für
Fremde geheim zu halten, ihm von der äußersten
Wichtigkeit ist. Mein Befehl ging dahin, Euch zu
ihm zu führen; es ist mir aber verboten, gewaltsame
Mittel dazu anzuwenden. Beharret Jhr daher in Eu-
rer Weigerung, uns zu folgen, so wird es meine
[Spaltenumbruch] Pflicht, Euch ohne eine andere Bedingung als die,
Euch Euer Ehrenwort abzunehmen, daß Jhr keinem
Menschen den Ort, wo Jhr jetzt seid, entdecken wollt,
nach Görz zurückzuführen. Verlaßt Euch aber darauf,
daß es Euch nicht gereuen wird, wenn Jhr die Reise
fortsetzen wollt. Mein Herr ist freigebig, und wird
die Dienste, die er von Euch verlangt, reichlich be-
lohnen - das dringende Gesuch nicht zu erwähnen,
mit der man Eure Menschenfreundlichkeit in Anspruch
nimmt, die Größe Eurer Kunst an einer sehr schönen
und unglücklichen Frau zu erweisen, deren wirkliche
Lebensgefahr Alle beunruhigt, die sie lieben, und Alle
schmerzt, die ihr dienen."

    (Fortsetzung folgt.)



Die Auswanderer.

Eins der reichsten Handlungshäuser in Bremen
war das von Haesloop und Komp., der Chef einer
der geachtetsten Bürger der Stadt, seine Familie blü-
hend, seine Schiffe segelten auf allen Meeren. Es
war besonders der Tabackshandel, welchem das Hand-
lungshaus seine Blüthe verdankte, und eben jetzt
waren wieder sieben seiner Fahrzeuge mit reicher Fracht
aus Amerika unterweges. Handelsstaffetten brachten
die Nachricht, daß sie glücklich in den Kanal gesteuert.

Der große Gewinn, welcher bevorstand, regte
zu eben so großer Freude an; Herr Haesloop veran-
staltete ein glänzendes Fest, zu welchem auch eine
Wasserpartie, die Weser hinab, gehören sollte. Es
war die Möglichkeit vorhanden, daß man in Bremer-
haven schon eins der heimkehrenden Schiffe begrüßte.

Mit klingendem Spiel schiffte das Barkschiff,
welches die frohe Gesellschaft trug, die Weser hinun-
ter. Der Himmel war heiter, die Luft unbegrenzt.
Mit Musik und Gesang segelte man an den grünen
Deichen, an den Wiesen und Landhäusern vorüber.
Auch für ein köstliches Mahl war gesorgt, und eben
wurde dies auf dem Verdeck angerichtet, als im We-
sten sich Wolken zeigten und ein Gewitter aufzusteigen
schien. Man kümmerte sich wenig um ein so gewöhn-
liches Ereigniß, indeß das Wetter zog schnell herauf,
und schon zerrte der Sturm an dem Zeltdach über der
glänzenden Tafel.

Man mußte sich beeilen, von dem Verdeck zu
kommen, denn das Fahrzeug wurde ein Spiel der
Winde und Wellen. Die Gesellschaft drängte sich in
der Kajütte zusammen, nur Haesloop blieb bei den
Schiffern oben und starrte in den schwarzen Sturm-
himmel hinein. Er dachte an seine Flotte auf der
See, welche in diesem Augenblick gerade die gefähr-
lichen holländischen Küsten passiren mußte.

Jmmer heftiger ward der Sturm, ein Anlegen
verhinderte der hohe Wellenschlag, und da der Wind
gegen NW. und N. umschlug, so hielt Haesloop
die Heimkehr für das Gerathenste. Pfeilschnell flog
das Schiff die Weser wieder hinauf und unter dem
furchtbarsten Wetter landete Abends die Gesellschaft an
der Brücke in Bremen. Der Sturm dauerte mit
[Ende Spaltensatz]

155 Conversations=Blatt. 156
[Beginn Spaltensatz] hehlen, daß solch ein Pfad zu einer Wohnung führen
sollte; wirklich verschwand auch nach einigen Minuten
des Weiterschreitens der Nebenweg am Fuße einer
senkrechten Klippe, deren Höhe und abgebrochene Vor-
derseite durch eine Art von Esplanade, die nur einige
Faden breit war, von einem Abgrund geschieden wur-
de, an dessen finsterem Fuße der Strom fürchterlich
tosend floß. Hier hielt sein Führer, stieg ab, und
ersuchte den Doktor, seinem Beispiele zu folgen. Den
noch übrigen Theil des Weges, sagte er, können wir
nun zu Fuß machen.

Der Doktor warf einen mißtrauischen und un-
muthigen Blick um sich her. Die Sonne war unter
den sichtbaren Horizont gesunken, allein bei dem
schwachen Licht der Dämmerung ward er in der Ent-
fernung einiger Schritte den Eingang zu einer niedri-
gen Höhle gewahr.

Während sein Auge auf dieselbe gerichtet war,
traten zwei Männer aus derselben, und fingen an,
sich schweigend mit den Pferden zu beschäftigen, deren
Zäume sie an dem vorn vom Felsen herabhängenden
Gesträuch befestigten. Jhre ledernen Kamaschen und
aus Bärenfell gemachten Mützen gaben ihnen das Aus-
sehen von Bergleuten; außerdem hatten sie über die
Schultern noch einen Mantel von Bärenfell geworfen,
der bis zum Unterleib herabhing.

Während er sich dies schnell angesehen, hatte
sein Führer ein Licht angezündet, und als die aus
der Höhle gekommenen Männer zwei Fackeln angebrannt
hatten, gab er Belgarbo durch einen Wink mit dem
Finger zu erkennen, in den unterirdischen Gang zu
treten. Der Doktor war ein entschlossener Mann, und
ohne unnöthiger Besorgniß bei der etwas seltsamen
Lage, worin er sich befand, Raum zu geben, be-
schloß er, sich Auskunft über das Geheimniß zu ver-
schaffen. Er wendete sich an seinen Führer und redete
ihn in einem festen Tone entschlossen folgendermaßen
an:

„Jch kam hirher, um eine kranke Frau in einer
Ritterburg zu besuchen,“ sagte er, „und nicht dun-
kele Höhlen mit unbekannten Gesellen zu durchkriechen.
Wenn mir nicht die Ursache, warum ich hieher gebracht
ward, der Ort, wohin man mich führen will, und
der Name derjenigen, die meiner Hülfe benöthigt sind,
bestimmt genannt werden, gehe ich schlechterdings nicht
weiter, und werde suchen, wieder auf dem Wege
zurückzukehren, auf dem ich in diese Wildniß geführt
ward.“

„Jhr habt Unrecht,“ sagte sein Führer in ru-
higem Tone zu ihm, „uns nicht zu trauen. Es er-
wartet Euch keine Gefahr. Der Herr, dem ich diene,
hat sich in der That in Eure Gewalt gegeben, weil
ich Euch ohne irgend eine Vorsicht zur Geheimhaltung
zu nehmen, an einen Platz geführt habe, den für
Fremde geheim zu halten, ihm von der äußersten
Wichtigkeit ist. Mein Befehl ging dahin, Euch zu
ihm zu führen; es ist mir aber verboten, gewaltsame
Mittel dazu anzuwenden. Beharret Jhr daher in Eu-
rer Weigerung, uns zu folgen, so wird es meine
[Spaltenumbruch] Pflicht, Euch ohne eine andere Bedingung als die,
Euch Euer Ehrenwort abzunehmen, daß Jhr keinem
Menschen den Ort, wo Jhr jetzt seid, entdecken wollt,
nach Görz zurückzuführen. Verlaßt Euch aber darauf,
daß es Euch nicht gereuen wird, wenn Jhr die Reise
fortsetzen wollt. Mein Herr ist freigebig, und wird
die Dienste, die er von Euch verlangt, reichlich be-
lohnen – das dringende Gesuch nicht zu erwähnen,
mit der man Eure Menschenfreundlichkeit in Anspruch
nimmt, die Größe Eurer Kunst an einer sehr schönen
und unglücklichen Frau zu erweisen, deren wirkliche
Lebensgefahr Alle beunruhigt, die sie lieben, und Alle
schmerzt, die ihr dienen.“

    (Fortsetzung folgt.)



Die Auswanderer.

Eins der reichsten Handlungshäuser in Bremen
war das von Haesloop und Komp., der Chef einer
der geachtetsten Bürger der Stadt, seine Familie blü-
hend, seine Schiffe segelten auf allen Meeren. Es
war besonders der Tabackshandel, welchem das Hand-
lungshaus seine Blüthe verdankte, und eben jetzt
waren wieder sieben seiner Fahrzeuge mit reicher Fracht
aus Amerika unterweges. Handelsstaffetten brachten
die Nachricht, daß sie glücklich in den Kanal gesteuert.

Der große Gewinn, welcher bevorstand, regte
zu eben so großer Freude an; Herr Haesloop veran-
staltete ein glänzendes Fest, zu welchem auch eine
Wasserpartie, die Weser hinab, gehören sollte. Es
war die Möglichkeit vorhanden, daß man in Bremer-
haven schon eins der heimkehrenden Schiffe begrüßte.

Mit klingendem Spiel schiffte das Barkschiff,
welches die frohe Gesellschaft trug, die Weser hinun-
ter. Der Himmel war heiter, die Luft unbegrenzt.
Mit Musik und Gesang segelte man an den grünen
Deichen, an den Wiesen und Landhäusern vorüber.
Auch für ein köstliches Mahl war gesorgt, und eben
wurde dies auf dem Verdeck angerichtet, als im We-
sten sich Wolken zeigten und ein Gewitter aufzusteigen
schien. Man kümmerte sich wenig um ein so gewöhn-
liches Ereigniß, indeß das Wetter zog schnell herauf,
und schon zerrte der Sturm an dem Zeltdach über der
glänzenden Tafel.

Man mußte sich beeilen, von dem Verdeck zu
kommen, denn das Fahrzeug wurde ein Spiel der
Winde und Wellen. Die Gesellschaft drängte sich in
der Kajütte zusammen, nur Haesloop blieb bei den
Schiffern oben und starrte in den schwarzen Sturm-
himmel hinein. Er dachte an seine Flotte auf der
See, welche in diesem Augenblick gerade die gefähr-
lichen holländischen Küsten passiren mußte.

Jmmer heftiger ward der Sturm, ein Anlegen
verhinderte der hohe Wellenschlag, und da der Wind
gegen NW. und N. umschlug, so hielt Haesloop
die Heimkehr für das Gerathenste. Pfeilschnell flog
das Schiff die Weser wieder hinauf und unter dem
furchtbarsten Wetter landete Abends die Gesellschaft an
der Brücke in Bremen. Der Sturm dauerte mit
[Ende Spaltensatz]

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Pfeilschnell flog das Schiff die Weser wieder hinauf und unter dem furchtbarsten Wetter landete Abends die Gesellschaft an der Brücke in Bremen. Der Sturm dauerte mit

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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 10. Burg/Berlin, 1836, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt10_1836/6>, abgerufen am 23.11.2024.