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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 13. Burg/Berlin, 1836.

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199 Conversations=Blatt. 200
[Beginn Spaltensatz] standen. Nicht einmal ein Aschenhäufchen war übrig ge-
blieben, seine geliebte Louise, ihr Bruder und Vater waren
in den Flammen umgekommen, welche auch die Leiche des
am Tage vorher verstorbenen Knaben noch mit verzehrt
hatten; selbst die längst entschlafene unglückliche Mutter
hatte das furchtbare Element unter ihrem stillen Rasen-
bette nicht verschont. Der Boden war geborsten und
Dampf wirbelte aus den Spalten hervor.

Mehr als wunderbar war die Rettung Eduards, des
Einzigen, welcher dieser furchtbaren Szene entkommen war,
aber den Kummer seiner Seele zu schildern, ist unmöglich.
Ein zweites Wunder war es, daß er nach dreitägiger Wan-
derung durch dieses schaurige Todtenfeld, auf welchem er
nichts als leicht aufwirbelnde Asche und gespenstisch ge-
staltete schwarze Baumstämme erblickte, kein grünes Blatt
und kein lebendes Wesen - als seine Kräfte bereits ganz
erschöpft waren, mit denselben Jndianern zusammen traf,
welche die ersten Boten des fürchterlichen Waldbrandes ge-
wesen waren. Sie erquickten ihn, und führten ihn dann
zu der Wohnung des nächsten Europäers am Missisippi, von
wo er sich den Strom hinabbettelte, an dessen breiten Ufern
erst der furchtbare Brand seine Grenzen gefunden.

Durch das Mitleid eines Landsmanns in New=Orleans
fand Eduard dort ein Unterkommen, und jetzt ist er sogar
der Chef eines bekannten Handelshauses in jener Stadt;
aber er ist unvermählt geblieben und ein freudiges Lächeln
hat man nie wieder auf seinem Gesicht gesehen. Die deut-
schen Auswanderer kennen ihn wohl, denn er macht durch
seinen Wohlthätigkeitssinn eine Ausnahme unter den nord-
amerikanischen Bürgern; seine Lebensgeschichte hat er uns
mitgetheilt, damit sie allen Auswanderungslustigen zur
Warnung diene.     J. C.



Das Schmuggeln an der franzö-
sisch=spanischen Grenze.

Nachdem ich - schreibt ein Engländer - theils
durch Vermittlung eines Freundes, theils durch baares
Geld und noch größere Versprechungen mit einem baski-
schen Schmuggler bekannt geworden war, machten wir uns
zu einem Ausfluge nach den Bergen auf. Mein Führer
war ein athletich gebauter Mann von 38 Jahren, von
männlich schönen Zügen, und eben so verständig als schön.
Er sprach das Französische, eine unter den baskischen
Bauern nicht gewöhnliche Kenntniß, vollkommen gut, und
schien in den Bergpässen, durch welche wir kamen, jeden
Stein zu kennen. Nachdem wir etwa eine halbe Stunde
über allgemeine Gegenstände geschwatzt hatten, brachte ich
allmälig das Gespräch auf den eigentlichen Zweck meines
Besuchs, wo es sich denn zu meiner großen Freude zeigte,
daß ich in keine besseren Hände hätte fallen können. Mochte
es nun sein, daß er mich für sehr freigebig ansah, oder er
glauben, daß er bei einem Engländer wenig zu riskiren
habe, genug, ehe drei Stunden vergingen, erfuhr ich Al-
les, was in dem Leben dieses Mannes nur irgend interes-
sant war, oder auf das Treiben der Schmuggler sich be-
zog. Er hatte im Betriebe dieses seines Gewerbes eine
vollkommene Kenntniß aller Bergpässe erlangt, denn schon
[Spaltenumbruch] in seinem achten Jahre hatte er es begonnen und somit
dreißig Jahre getrieben; er kannte dessen Geheimnisse voll-
kommen, und die meisten Gefahren, welche es bietet, hatte
er wiederholt bestanden. Jch will nun die erhaltenen Nach-
richten so treu und vollständig, als es in der Kürze ge-
schehen kann, wiedergeben.

Der Kontrebandehandel zwischen Frankreich und Spa-
nien ist schon alt und theils wegen der Eigenthümlichkeit
der französischen Grenzen, theils wegen des kühnen und
unabhängigen Geistes der Basken äußerst einträglich. Er
wird, wie es scheint, auf der ganzen Grenze von St.
Jean de Luz bis Bellegarde betrieben, doch waren die bas-
kischen Provinzen und namentlich der Distrikt von Bastan,
wie jetzt so auch früher, der Hauptschauplatz. Ungefähr
5000 Menschen nähren sich davon, und die Kinder wer-
den schon im frühen Alter dazu erzogen. Von Frankreich
nach Spanien wird wenig geschmuggelt, wohl aber von
Spanien nach Frankreich, denn da wegen der baskischen
Vorrechte alle Arten von Waaren in die baskischen Häfen
zollfrei eingeführt werden können, so sind die Vortheile da-
bei so groß, daß der Handel stets sehr thätig betrieben
wird, und wären auch die Vorsichtsmaßregeln der franzö-
sischen Behörden noch so groß, was sie jetzt namentlich gar
nicht sind, so wäre es doch kaum möglich, der Schmug-
gelei Einhalt zu thun. Der Schmuggelhandel mit Kriegs-
bedürfnissen scheint erst seit einigen Monaten begonnen zu
haben, zuerst in der Nachbarschaft von Pau, jetzt aber ist
er auf fünf Stationen in vollem Gange. An jedem dieser
Orte ist eine regelmäßige Spedition angeordnet, und nach
der gesellschaftlichen Stellung der leitenden Personen ist
anzunehmen, daß Handlungshäuser von Bedeutung dabei
betheiligt sein müssen. Hinsichtlich der Munition handeln
die Schmugglerbanden nicht für ihre eigene Rechnung, wie
in allen andern Fällen, sondern sie werden von den Spe-
ditionsbureaux gemiethet, und im Falle die Waaren wegge-
nommen werden, verlieren sie nur ihren Lohn. Sie gehen
gewöhnlich in Banden von 12 bis 20 Menschen wohlbe-
waffnet über die Grenze, und jeder trägt 40 bis 60 Pfund
Gewicht. Sehr wenig Pulver wird auf diese Art hinüber-
geschafft, da es, ohne die Aufmerksamkeit der Polizei zu
erregen, nicht leicht ist, viel Pulver sich zu verschaffen;
aber Salpeter und Schwefel gehen in Menge hinüber, und
jedem Speditionsbureau gegenüber ist auf der spanischen
Grenze eine Pulverfabrik angelegt, wo dann das Material
verarbeitet und das Pulver weiter ins Jnnere versendet
wird. Außer Schwefel und Salpeter werden Feuersteine,
Pistolen, Flintenläufe und bis vor Kurzem, wo eine Fa-
brik dafür in Jrun errichtet wurde, auch Kanonenkugeln
nach Spanien gebracht, so wie Knöpfe, Tuch und andere
Militäreffekten; auch Schuhe gehen manchmal hinüber,
aber nicht in großer Menge. Sobald sie auf dem bestimm-
ten Punkt der spanischen Grenze ankommen, werden die
geschmuggelten Waaren an die dazu aufgestellten Agenten
abgeliefert, welche jedem Mann einen Empfangsschein ge-
ben, gegen dessen Vorzeigung er in Frankreich im Verhält-
niß zu dem Gewicht der hinübergeschafften Waaren bezahlt
wird. Die Summe ist fünf Sous für das Pfund; der
Schmuggler ist aber zum Empfang derselben nur dann be-
rechtigt, wenn er seine Waaren binnen 24 Stunden abge-

[Ende Spaltensatz]

199 Conversations=Blatt. 200
[Beginn Spaltensatz] standen. Nicht einmal ein Aschenhäufchen war übrig ge-
blieben, seine geliebte Louise, ihr Bruder und Vater waren
in den Flammen umgekommen, welche auch die Leiche des
am Tage vorher verstorbenen Knaben noch mit verzehrt
hatten; selbst die längst entschlafene unglückliche Mutter
hatte das furchtbare Element unter ihrem stillen Rasen-
bette nicht verschont. Der Boden war geborsten und
Dampf wirbelte aus den Spalten hervor.

Mehr als wunderbar war die Rettung Eduards, des
Einzigen, welcher dieser furchtbaren Szene entkommen war,
aber den Kummer seiner Seele zu schildern, ist unmöglich.
Ein zweites Wunder war es, daß er nach dreitägiger Wan-
derung durch dieses schaurige Todtenfeld, auf welchem er
nichts als leicht aufwirbelnde Asche und gespenstisch ge-
staltete schwarze Baumstämme erblickte, kein grünes Blatt
und kein lebendes Wesen – als seine Kräfte bereits ganz
erschöpft waren, mit denselben Jndianern zusammen traf,
welche die ersten Boten des fürchterlichen Waldbrandes ge-
wesen waren. Sie erquickten ihn, und führten ihn dann
zu der Wohnung des nächsten Europäers am Missisippi, von
wo er sich den Strom hinabbettelte, an dessen breiten Ufern
erst der furchtbare Brand seine Grenzen gefunden.

Durch das Mitleid eines Landsmanns in New=Orleans
fand Eduard dort ein Unterkommen, und jetzt ist er sogar
der Chef eines bekannten Handelshauses in jener Stadt;
aber er ist unvermählt geblieben und ein freudiges Lächeln
hat man nie wieder auf seinem Gesicht gesehen. Die deut-
schen Auswanderer kennen ihn wohl, denn er macht durch
seinen Wohlthätigkeitssinn eine Ausnahme unter den nord-
amerikanischen Bürgern; seine Lebensgeschichte hat er uns
mitgetheilt, damit sie allen Auswanderungslustigen zur
Warnung diene.     J. C.



Das Schmuggeln an der franzö-
sisch=spanischen Grenze.

Nachdem ich – schreibt ein Engländer – theils
durch Vermittlung eines Freundes, theils durch baares
Geld und noch größere Versprechungen mit einem baski-
schen Schmuggler bekannt geworden war, machten wir uns
zu einem Ausfluge nach den Bergen auf. Mein Führer
war ein athletich gebauter Mann von 38 Jahren, von
männlich schönen Zügen, und eben so verständig als schön.
Er sprach das Französische, eine unter den baskischen
Bauern nicht gewöhnliche Kenntniß, vollkommen gut, und
schien in den Bergpässen, durch welche wir kamen, jeden
Stein zu kennen. Nachdem wir etwa eine halbe Stunde
über allgemeine Gegenstände geschwatzt hatten, brachte ich
allmälig das Gespräch auf den eigentlichen Zweck meines
Besuchs, wo es sich denn zu meiner großen Freude zeigte,
daß ich in keine besseren Hände hätte fallen können. Mochte
es nun sein, daß er mich für sehr freigebig ansah, oder er
glauben, daß er bei einem Engländer wenig zu riskiren
habe, genug, ehe drei Stunden vergingen, erfuhr ich Al-
les, was in dem Leben dieses Mannes nur irgend interes-
sant war, oder auf das Treiben der Schmuggler sich be-
zog. Er hatte im Betriebe dieses seines Gewerbes eine
vollkommene Kenntniß aller Bergpässe erlangt, denn schon
[Spaltenumbruch] in seinem achten Jahre hatte er es begonnen und somit
dreißig Jahre getrieben; er kannte dessen Geheimnisse voll-
kommen, und die meisten Gefahren, welche es bietet, hatte
er wiederholt bestanden. Jch will nun die erhaltenen Nach-
richten so treu und vollständig, als es in der Kürze ge-
schehen kann, wiedergeben.

Der Kontrebandehandel zwischen Frankreich und Spa-
nien ist schon alt und theils wegen der Eigenthümlichkeit
der französischen Grenzen, theils wegen des kühnen und
unabhängigen Geistes der Basken äußerst einträglich. Er
wird, wie es scheint, auf der ganzen Grenze von St.
Jean de Luz bis Bellegarde betrieben, doch waren die bas-
kischen Provinzen und namentlich der Distrikt von Bastan,
wie jetzt so auch früher, der Hauptschauplatz. Ungefähr
5000 Menschen nähren sich davon, und die Kinder wer-
den schon im frühen Alter dazu erzogen. Von Frankreich
nach Spanien wird wenig geschmuggelt, wohl aber von
Spanien nach Frankreich, denn da wegen der baskischen
Vorrechte alle Arten von Waaren in die baskischen Häfen
zollfrei eingeführt werden können, so sind die Vortheile da-
bei so groß, daß der Handel stets sehr thätig betrieben
wird, und wären auch die Vorsichtsmaßregeln der franzö-
sischen Behörden noch so groß, was sie jetzt namentlich gar
nicht sind, so wäre es doch kaum möglich, der Schmug-
gelei Einhalt zu thun. Der Schmuggelhandel mit Kriegs-
bedürfnissen scheint erst seit einigen Monaten begonnen zu
haben, zuerst in der Nachbarschaft von Pau, jetzt aber ist
er auf fünf Stationen in vollem Gange. An jedem dieser
Orte ist eine regelmäßige Spedition angeordnet, und nach
der gesellschaftlichen Stellung der leitenden Personen ist
anzunehmen, daß Handlungshäuser von Bedeutung dabei
betheiligt sein müssen. Hinsichtlich der Munition handeln
die Schmugglerbanden nicht für ihre eigene Rechnung, wie
in allen andern Fällen, sondern sie werden von den Spe-
ditionsbureaux gemiethet, und im Falle die Waaren wegge-
nommen werden, verlieren sie nur ihren Lohn. Sie gehen
gewöhnlich in Banden von 12 bis 20 Menschen wohlbe-
waffnet über die Grenze, und jeder trägt 40 bis 60 Pfund
Gewicht. Sehr wenig Pulver wird auf diese Art hinüber-
geschafft, da es, ohne die Aufmerksamkeit der Polizei zu
erregen, nicht leicht ist, viel Pulver sich zu verschaffen;
aber Salpeter und Schwefel gehen in Menge hinüber, und
jedem Speditionsbureau gegenüber ist auf der spanischen
Grenze eine Pulverfabrik angelegt, wo dann das Material
verarbeitet und das Pulver weiter ins Jnnere versendet
wird. Außer Schwefel und Salpeter werden Feuersteine,
Pistolen, Flintenläufe und bis vor Kurzem, wo eine Fa-
brik dafür in Jrun errichtet wurde, auch Kanonenkugeln
nach Spanien gebracht, so wie Knöpfe, Tuch und andere
Militäreffekten; auch Schuhe gehen manchmal hinüber,
aber nicht in großer Menge. Sobald sie auf dem bestimm-
ten Punkt der spanischen Grenze ankommen, werden die
geschmuggelten Waaren an die dazu aufgestellten Agenten
abgeliefert, welche jedem Mann einen Empfangsschein ge-
ben, gegen dessen Vorzeigung er in Frankreich im Verhält-
niß zu dem Gewicht der hinübergeschafften Waaren bezahlt
wird. Die Summe ist fünf Sous für das Pfund; der
Schmuggler ist aber zum Empfang derselben nur dann be-
rechtigt, wenn er seine Waaren binnen 24 Stunden abge-

[Ende Spaltensatz]
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Nachdem wir etwa eine halbe Stunde über allgemeine Gegenstände geschwatzt hatten, brachte ich allmälig das Gespräch auf den eigentlichen Zweck meines Besuchs, wo es sich denn zu meiner großen Freude zeigte, daß ich in keine besseren Hände hätte fallen können. Mochte es nun sein, daß er mich für sehr freigebig ansah, oder er glauben, daß er bei einem Engländer wenig zu riskiren habe, genug, ehe drei Stunden vergingen, erfuhr ich Al- les, was in dem Leben dieses Mannes nur irgend interes- sant war, oder auf das Treiben der Schmuggler sich be- zog. Er hatte im Betriebe dieses seines Gewerbes eine vollkommene Kenntniß aller Bergpässe erlangt, denn schon in seinem achten Jahre hatte er es begonnen und somit dreißig Jahre getrieben; er kannte dessen Geheimnisse voll- kommen, und die meisten Gefahren, welche es bietet, hatte er wiederholt bestanden. Jch will nun die erhaltenen Nach- richten so treu und vollständig, als es in der Kürze ge- schehen kann, wiedergeben. Der Kontrebandehandel zwischen Frankreich und Spa- nien ist schon alt und theils wegen der Eigenthümlichkeit der französischen Grenzen, theils wegen des kühnen und unabhängigen Geistes der Basken äußerst einträglich. Er wird, wie es scheint, auf der ganzen Grenze von St. Jean de Luz bis Bellegarde betrieben, doch waren die bas- kischen Provinzen und namentlich der Distrikt von Bastan, wie jetzt so auch früher, der Hauptschauplatz. Ungefähr 5000 Menschen nähren sich davon, und die Kinder wer- den schon im frühen Alter dazu erzogen. Von Frankreich nach Spanien wird wenig geschmuggelt, wohl aber von Spanien nach Frankreich, denn da wegen der baskischen Vorrechte alle Arten von Waaren in die baskischen Häfen zollfrei eingeführt werden können, so sind die Vortheile da- bei so groß, daß der Handel stets sehr thätig betrieben wird, und wären auch die Vorsichtsmaßregeln der franzö- sischen Behörden noch so groß, was sie jetzt namentlich gar nicht sind, so wäre es doch kaum möglich, der Schmug- gelei Einhalt zu thun. Der Schmuggelhandel mit Kriegs- bedürfnissen scheint erst seit einigen Monaten begonnen zu haben, zuerst in der Nachbarschaft von Pau, jetzt aber ist er auf fünf Stationen in vollem Gange. An jedem dieser Orte ist eine regelmäßige Spedition angeordnet, und nach der gesellschaftlichen Stellung der leitenden Personen ist anzunehmen, daß Handlungshäuser von Bedeutung dabei betheiligt sein müssen. 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Außer Schwefel und Salpeter werden Feuersteine, Pistolen, Flintenläufe und bis vor Kurzem, wo eine Fa- brik dafür in Jrun errichtet wurde, auch Kanonenkugeln nach Spanien gebracht, so wie Knöpfe, Tuch und andere Militäreffekten; auch Schuhe gehen manchmal hinüber, aber nicht in großer Menge. Sobald sie auf dem bestimm- ten Punkt der spanischen Grenze ankommen, werden die geschmuggelten Waaren an die dazu aufgestellten Agenten abgeliefert, welche jedem Mann einen Empfangsschein ge- ben, gegen dessen Vorzeigung er in Frankreich im Verhält- niß zu dem Gewicht der hinübergeschafften Waaren bezahlt wird. Die Summe ist fünf Sous für das Pfund; der Schmuggler ist aber zum Empfang derselben nur dann be- rechtigt, wenn er seine Waaren binnen 24 Stunden abge-

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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 13. Burg/Berlin, 1836, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt13_1836/4>, abgerufen am 29.05.2024.