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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 13. Burg/Berlin, 1836.

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205 Conversations=Blatt. 206
[Beginn Spaltensatz] die er später mit Bewunderung und Schrecken erfüllte,
rückte heran. Der Jntendant von Palencia, einer spa-
nischen Stadt, die sich mit zahlreichen Thürmen, schönen
Gebäuden und lachenden Gärten zwischen Burgos und
Valladolid, nicht weit von der Mündung des Carrion er-
hebt, konnte, wollte er sich als eifriger Beamter zeigen,
den Geburtstag des Bruders seines aufgedrungenen Königs
nicht ungefeiert hingehen lassen.

Der Jntendant gehörte zu jenen vornehmen Spa-
niern, die, als Ferdinand VII. vom Throne gestoßen,
und die siegreichen Franzosen alle Provinzen der Halbinsel
sich unterworfen, dem König Joseph gehuldigt hatten. Er
hatte sich dem neuen Herrscherstamm zu eng angeschlossen,
als daß er jetzt, wo die Macht der Franzosen überall
wankte, sich noch hätte zurückziehen können. Er ver-
wünschte die Politik, die ihn so weit fortgerissen, daß
an kein Umkehren mehr zu denken war. Abhängig von dem
Kriegsglück der Franzosen, blieb ihm keine andere Wahl,
als sich denselben ganz zu weihen. So kam es, daß sein
Haus der Sammelplatz der französischen Offiziere war.
Ohne sie zu lieben, mußte er es gut mit den Feinden sei-
nes Vaterlandes meinen. Seine Tochter, eine echt spa-
nische Schönheit, zeigte sich öffentlich in französischer Tracht.
Jhr Huldigen der fremden Sitte gab dem Haß, den die
Patrioten auf ihren Vater geworfen, neue Nahrung.

Vor dem Hause des Jntendanten erhob sich ein Ge-
rüste. Ein Diener war darauf beschäftigt, die Lampen
zur Jllumination in Ordnung zu bringen. Da näherte sich
ihm geheimnißvoll eine hohe und starke Frau. Jhr Gesicht
war von der Sonne gebräunt, ihr Wesen kriegerisch und
gebietend. Man hätte sie für einen Mann, für einen
Helden in Frauenkleidern halten können.

- Freund, was machst du da? redete sie den Die-
ner an.

... Jch richte das Haus zu einem Feste ein.

- Ein Fest? Hat denn König Ferdinand VII. den
rechtmäßigen Thron wieder bestiegen? Schändet kein Fuß
eines Franzosen mehr den spanischen Boden?

Der Diener gerieth in Verlegenheit. Die in einem ein-
fachen und edlen Tone ausgesprochenen Fragen hatten die
Wirkung auf sein nationelles Gefühl nicht verfehlt.

... Jch bin ein Diener des Jntendanten, stammelte
er, als ob darin seine Vertheidigung liege.

- Jntendant, sagst du? Wer hat ihn dazu ernannt?

... Der König, erwiederte jener, immer verwirrter.

- Verblendeter! Sieh gen Himmel! Leuchten da
zwei Sonnen?

... Nur eine.

- Eben so wenig regieren zwei Könige in Spanien.
Nur einer ist von Gottes Gnaden, und der hat deinen
Gebieter nicht zum Jntendanten machen können; denn er
ist Gefangener in der Fremde. Er seufzt, er beweint sein
Vaterland, dein Vaterland. Und du Spanier, du gibst
dich her, ein Fest zu bereiten? Wozu diese Zurüstungen?
Wozu diese sündhafte Freude mitten im trauernden Spanien?

... Zum Feste des heiligen Napoleon's.

- Des heiligen Teufels, sage lieber! Deine Heiligen
stehen wohl im Kalender der Hölle geschrieben? - Dein
Name, Spanier?

[Spaltenumbruch]

Der Diener stockte; aber das seltsame Weib übte eine
unabweisbare Gewalt über ihn aus.

... Jch heiße Juan Pinedo, sprach er.

- Wie, du ein Pinedo? Und du dienst einem Feinde
Ferdinands? Einer deiner Brüder ist für ihn gestorben, ein
anderer sicht tapfer in den Reihen der Vaterlandsvertheidi-
ger. Und du, Verblendeter, du bietest die Hand den Ker-
kermeistern deines Königs, hältst es mit den Tyrannen dei-
nes Vaterlandes? Du feierst das Napoleonsfest? Gewiß,
deine Mutter weiß nichts davon, sie würde vor Schaam
sterben.

Der Spanier war wie vernichtet. Er wagte nicht,
der Frau in's Gesicht zu sehen, und ließ mit einer Art von
Schauder ab von seiner Arbeit, die ihm auf einmal peinlich
geworden war.

- Diener eines [unleserliches Material - 10 Zeichen fehlen]Verräthers, fuhr das Weib fort.
Noch rollt etwas von kastilianischem Blut in deinen Adern,
und ich danke Gott dafür. Unglücklicher, was beugt deinen
Nacken unter dieses erniedrigende Joch? Eigennutz? Nein,
du weinst ja bei dem Andenken an deinen König. Noth?
Ja, du verlangst dein tägliches Brodt. Wohlan, auch bei
uns ißt man Brodt, und wir brauchen keinem Thronräu-
ber dafür zu danken; es ist nicht die Gabe eines Königs,
den die Hölle ausgespien hat, nein, Gott und das dank-
bare Vaterland sorgen, daß keines ihrer Kinder verhun-
gere. Begreifst du mich?

... Ja, ich verstehe Euch. Jhr wollt, daß ich thun
soll, wie meine Brüder. Sie lieben den Krieg; ich aber
bin in Dienstbarkeit erzogen und tauge wenig zu einem
Soldaten.

- Sieh mich an. Jch bin ohne Zweifel groß und
stark für mein Geschlecht; aber ich bin doch immer nur ein
Weib. Noch vor zwei Jahren hatte ich das Benehmen
und die Schüchternheit eines Weibes. Dazumal würde
ich den Anblick eines Feuergewehrs geflohen haben, jetzt
trage ich es beständig bei mir. Sieh her!

Ein Pistol, das sie aus dem Gürtel unter ihrem
Mantel hervorgezogen, drohte in ihrer Hand. Der Spa-
nier fuhr einen Schritt zurück.

- Fürchte nichts, sprach sie. Die Kugel in diesem
Laufe ist nicht für dich bestimmt. Jch habe in deinem
Herzen gelesen. Du liebst deinen König; aber das ist nicht
genug, man muß ihm auch dienen.

... Jch werde ihm dienen.

- Der Jntendant giebt einen Ball?

... Ja.

- Wann?

... Jn acht Tagen.

- Jch werde mich einstellen.

... Jhr?

- Allerdings, und du sollst mich einführen. Die
Nachrichten von den ersten Siegen ihres After=Kaisers
in Rußland machen die Franzosen übermüthig. Wir
wollen ein Tänzchen mit ihnen aufführen. Lebe wohl
unterdessen!

    (Fortsetzung folgt.)



[Ende Spaltensatz]

205 Conversations=Blatt. 206
[Beginn Spaltensatz] die er später mit Bewunderung und Schrecken erfüllte,
rückte heran. Der Jntendant von Palencia, einer spa-
nischen Stadt, die sich mit zahlreichen Thürmen, schönen
Gebäuden und lachenden Gärten zwischen Burgos und
Valladolid, nicht weit von der Mündung des Carrion er-
hebt, konnte, wollte er sich als eifriger Beamter zeigen,
den Geburtstag des Bruders seines aufgedrungenen Königs
nicht ungefeiert hingehen lassen.

Der Jntendant gehörte zu jenen vornehmen Spa-
niern, die, als Ferdinand VII. vom Throne gestoßen,
und die siegreichen Franzosen alle Provinzen der Halbinsel
sich unterworfen, dem König Joseph gehuldigt hatten. Er
hatte sich dem neuen Herrscherstamm zu eng angeschlossen,
als daß er jetzt, wo die Macht der Franzosen überall
wankte, sich noch hätte zurückziehen können. Er ver-
wünschte die Politik, die ihn so weit fortgerissen, daß
an kein Umkehren mehr zu denken war. Abhängig von dem
Kriegsglück der Franzosen, blieb ihm keine andere Wahl,
als sich denselben ganz zu weihen. So kam es, daß sein
Haus der Sammelplatz der französischen Offiziere war.
Ohne sie zu lieben, mußte er es gut mit den Feinden sei-
nes Vaterlandes meinen. Seine Tochter, eine echt spa-
nische Schönheit, zeigte sich öffentlich in französischer Tracht.
Jhr Huldigen der fremden Sitte gab dem Haß, den die
Patrioten auf ihren Vater geworfen, neue Nahrung.

Vor dem Hause des Jntendanten erhob sich ein Ge-
rüste. Ein Diener war darauf beschäftigt, die Lampen
zur Jllumination in Ordnung zu bringen. Da näherte sich
ihm geheimnißvoll eine hohe und starke Frau. Jhr Gesicht
war von der Sonne gebräunt, ihr Wesen kriegerisch und
gebietend. Man hätte sie für einen Mann, für einen
Helden in Frauenkleidern halten können.

– Freund, was machst du da? redete sie den Die-
ner an.

... Jch richte das Haus zu einem Feste ein.

– Ein Fest? Hat denn König Ferdinand VII. den
rechtmäßigen Thron wieder bestiegen? Schändet kein Fuß
eines Franzosen mehr den spanischen Boden?

Der Diener gerieth in Verlegenheit. Die in einem ein-
fachen und edlen Tone ausgesprochenen Fragen hatten die
Wirkung auf sein nationelles Gefühl nicht verfehlt.

... Jch bin ein Diener des Jntendanten, stammelte
er, als ob darin seine Vertheidigung liege.

– Jntendant, sagst du? Wer hat ihn dazu ernannt?

... Der König, erwiederte jener, immer verwirrter.

– Verblendeter! Sieh gen Himmel! Leuchten da
zwei Sonnen?

... Nur eine.

– Eben so wenig regieren zwei Könige in Spanien.
Nur einer ist von Gottes Gnaden, und der hat deinen
Gebieter nicht zum Jntendanten machen können; denn er
ist Gefangener in der Fremde. Er seufzt, er beweint sein
Vaterland, dein Vaterland. Und du Spanier, du gibst
dich her, ein Fest zu bereiten? Wozu diese Zurüstungen?
Wozu diese sündhafte Freude mitten im trauernden Spanien?

... Zum Feste des heiligen Napoleon's.

– Des heiligen Teufels, sage lieber! Deine Heiligen
stehen wohl im Kalender der Hölle geschrieben? – Dein
Name, Spanier?

[Spaltenumbruch]

Der Diener stockte; aber das seltsame Weib übte eine
unabweisbare Gewalt über ihn aus.

... Jch heiße Juan Pinedo, sprach er.

– Wie, du ein Pinedo? Und du dienst einem Feinde
Ferdinands? Einer deiner Brüder ist für ihn gestorben, ein
anderer sicht tapfer in den Reihen der Vaterlandsvertheidi-
ger. Und du, Verblendeter, du bietest die Hand den Ker-
kermeistern deines Königs, hältst es mit den Tyrannen dei-
nes Vaterlandes? Du feierst das Napoleonsfest? Gewiß,
deine Mutter weiß nichts davon, sie würde vor Schaam
sterben.

Der Spanier war wie vernichtet. Er wagte nicht,
der Frau in's Gesicht zu sehen, und ließ mit einer Art von
Schauder ab von seiner Arbeit, die ihm auf einmal peinlich
geworden war.

– Diener eines [unleserliches Material – 10 Zeichen fehlen]Verräthers, fuhr das Weib fort.
Noch rollt etwas von kastilianischem Blut in deinen Adern,
und ich danke Gott dafür. Unglücklicher, was beugt deinen
Nacken unter dieses erniedrigende Joch? Eigennutz? Nein,
du weinst ja bei dem Andenken an deinen König. Noth?
Ja, du verlangst dein tägliches Brodt. Wohlan, auch bei
uns ißt man Brodt, und wir brauchen keinem Thronräu-
ber dafür zu danken; es ist nicht die Gabe eines Königs,
den die Hölle ausgespien hat, nein, Gott und das dank-
bare Vaterland sorgen, daß keines ihrer Kinder verhun-
gere. Begreifst du mich?

... Ja, ich verstehe Euch. Jhr wollt, daß ich thun
soll, wie meine Brüder. Sie lieben den Krieg; ich aber
bin in Dienstbarkeit erzogen und tauge wenig zu einem
Soldaten.

– Sieh mich an. Jch bin ohne Zweifel groß und
stark für mein Geschlecht; aber ich bin doch immer nur ein
Weib. Noch vor zwei Jahren hatte ich das Benehmen
und die Schüchternheit eines Weibes. Dazumal würde
ich den Anblick eines Feuergewehrs geflohen haben, jetzt
trage ich es beständig bei mir. Sieh her!

Ein Pistol, das sie aus dem Gürtel unter ihrem
Mantel hervorgezogen, drohte in ihrer Hand. Der Spa-
nier fuhr einen Schritt zurück.

– Fürchte nichts, sprach sie. Die Kugel in diesem
Laufe ist nicht für dich bestimmt. Jch habe in deinem
Herzen gelesen. Du liebst deinen König; aber das ist nicht
genug, man muß ihm auch dienen.

... Jch werde ihm dienen.

– Der Jntendant giebt einen Ball?

... Ja.

– Wann?

... Jn acht Tagen.

– Jch werde mich einstellen.

... Jhr?

– Allerdings, und du sollst mich einführen. Die
Nachrichten von den ersten Siegen ihres After=Kaisers
in Rußland machen die Franzosen übermüthig. Wir
wollen ein Tänzchen mit ihnen aufführen. Lebe wohl
unterdessen!

    (Fortsetzung folgt.)



[Ende Spaltensatz]
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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 13. Burg/Berlin, 1836, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt13_1836/7>, abgerufen am 11.06.2024.