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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 28. Burg/Berlin, 1837.

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[Beginn Spaltensatz] sich die Pescherähs, namentlich die Weiber, bei jedem
kleinen Schrecken ängstlich und unruhig, ja sogar em-
pfindlich. Jhre Sprache ist hart und schwer nachzu-
sprechen, dagegen sprechen sie selbst andere Sprachen leicht
nach. Jnsbesondere hört man das Wort Pescheräh
am häufigsten, und jeden Fremden bewillkommen sie mit
diesem Wort, was vermuthlich so viel als Freund be-
deuten soll. Von diesem Wort wurden sie denn auch
bekanntlich Pescheräh genannt.

Die Abstammung dieses Volkes ist zweifelhaft. We-
gen der Verwandschaft und Aehnlichkeit desselben in Kör-
perbildung, Sprache, Sitten und Lebensweise mit den
Patagoniern könnte man sie, obgleich sie diesen an Kör-
pergröße nachstehen, nicht mit Unrecht für Zweige eines
gemeinschaftlichen Völkerstammes halten, und nach eini-
gen Nachrichten sollen sie auch von der Westküste von
Patagonien verdrängt und durch Gewalt in dieses un-
wirthbare Land gebracht worden sein, welches besser das
Land des Elendes, anstatt das Feuerland, genannt wer-
den könnte.

    Das Ausland.



Eine Bauernmahlzeit in Jrland.

Der Weg von Tuam nach Galway führt meistens
über kahle unwirthliche Moore, wo oft weit und breit
weder Haus noch Strauch zu sehen ist. Der Dörfer
an der Straße sind nur wenige, und die Wohnungen
in denselben, so wie die hier und da einsam gelegenen
Hütten, größtentheils aus Lehm aufgebaut und mit Bin-
sen oder Haidekraut gedeckt, flößen dem Reisenden eben
keinen hohen Begriff von dem irdischen Glück ihrer Be-
wohner ein. Der vierfüßige Theil der letztern scheint
nicht selten noch besser daran zu sein, als die Menschen,
mit denen die Schweine in der Regel den Besitz der
Küche uud das kärgliche Mahl theilen. Wer so glück-
lich ist, eine Kuh oder einen Esel oder gar einen Gaul
zu besitzen, bringt auch diese zuweilen an demselben gast-
lichen Heerde unter und scheidet dann nur seine Schlaf-
stätte auf irgend eine Weise von dem Vieh ab. Jch
hatte meinen Sitz vorn bei dem Kutscher der Lohnkutsche
genommen, und da ein naßkalter Westwind (es war im
Januar) über die Moore daherpfiff, mich außer meinem
Mantel noch in eine große wollene Decke, die mir der
gesprächige Pferdelenker anbot, so fest eingewickelt, daß
es einige Schwierigkeiten hatte, meine Füße wieder ans
Tageslicht zu bringen. Weil indessen das Umspannen
bei weitem nicht so schnell vor sich geht, als in Eng-
land, so ließ ich mich nicht abhalten, während des Pfer-
dewechsels in eine der ärmlichsten Wohnungen zu treten.
Der innere Raum derselben entsprach völlig dem äußern
Ansehen und glich eher einem Stalle, als einer Behau-
sung für Menschen; nicht einmal für die beiden elenden
Betten fand sich die geringste Absonderung von dem
übrigen Raume. Eine Ecke war hoch auf mit Torf ge-
füllt, und in einer andern bemerkte ich einen Spaten,
[Spaltenumbruch] eine Mistgabel, eine Sichel und ein Paar hohe Trage-
körbe, aller Wahrscheinlichkeit nach das ganze landwirth-
schaftliche Geräth der Leute. Es war gerade Mittagszeit
und die ganze Familie befand sich eben beim Essen.
Nicht weit von der Feuerstätte, wo ein tüchtiger Hau-
fen Torf brannte, hatte man einen hölzernen Schemel
so umgestürzt, daß die Rücklehne wagerecht oben lag und
die Stelle eines Tisches vertrat, da ein solcher sich nicht
unter dem Hausgeräth vorfand. Darauf stand ein sehr
flacher Korb, etwa zwei Fuß lang und anderthalb Fuß
breit, der aufgehäuft mit dampfenden Kartoffeln gefüllt
war, unten aber noch vom Wasser tropfte, so daß der
ganze Jnhalt des Kochtopfes, Wasser und Alles, ver-
muthlich über dem Schweinetrog, darin ausgeleert zu
sein schien. Rund herum hatte die Familie Platz ge-
nommen, Mann und Frau hatten jedes einen Schemel
für sich, ein dritter Sitz dieser Art aber diente zwei
Burschen von 14 bis 17 Jahren gemeinschaftlich. Drei
kleinere Kinder, übrigens pausbäckig genug aussehend,
verrichteten ihre Mahlzeit stehend. Jeder langte sich eine
Kartoffel nach der andern aus dem Korbe, zog mit den
Fingern (denn Messer und Gabeln fehlten) die Schale
ab und speiste mit bestem Appetite aus freier Hand,
während er die Frucht in eine kleine Schüssel mit Salz
eintauchte, die auf dem Gipfel des Kartoffelberges stand.
Ein Paar Trinkgeschirre von Steingut mit Wasser gin-
gen von Hand zu Hand, oder lieber von Mund zu Mund.
Nur das kleinste Kind, ein Mädchen von drei Jahren,
hatte ein Töpfchen mit Ziegenmilch, wozu ihm die Mut-
ter besalzte Stückchen Kartoffeln reichte, die trefflich zu
munden schienen.

    (Beschluß folgt.)



Miscellen.
Wiederbelebung der Bäume.

Es ist nicht selten der Fall, daß im Absterben begrif-
fene Bäume von Neuem sich zu verjüngen scheinen und
wieder zu grünen und zu blühen anfangen. Bei Durham
in England stand eine alte Eiche, welche durch den gan-
zen Stamm hohl und im Zustande der völligen Auflösung
begriffen war. Die Höhlung fing aber an, sich zu ver-
engen, ein neuer gesunder Kern wuchs in ihr auf und der
Baum ward wieder frisch und dicht belaubt, wie zur Zeit
seiner schönsten Kraft.

Ein Aehnliches trug sich mit einer alten nicht weit
davon stehenden Erle zu. Aus den obersten Aesten sproß-
ten neue Zweige hervor, die Wurzeln zogen sich in der Höh-
lung des alten Stammes herunter, bis sie den Boden be-
rührten, wurden größer und größer, füllten endlich die
Höhlung des alten Stammes aus, verwuchsen mit den ge-
sunden Theilen desselben, und es bildete sich ein ganz neuer
gesunder Stamm, der die schönsten Zweige und Blätter
trieb.

Ohne Zweifel hatte in diesen beiden Fällen ein Saa-
menkorn in der aus der Auflösung der alten Stämme ent-
standenen Erde Platz gefunden und Wurzel geschlagen.



[Ende Spaltensatz]

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[Beginn Spaltensatz] sich die Pescherähs, namentlich die Weiber, bei jedem
kleinen Schrecken ängstlich und unruhig, ja sogar em-
pfindlich. Jhre Sprache ist hart und schwer nachzu-
sprechen, dagegen sprechen sie selbst andere Sprachen leicht
nach. Jnsbesondere hört man das Wort Pescheräh
am häufigsten, und jeden Fremden bewillkommen sie mit
diesem Wort, was vermuthlich so viel als Freund be-
deuten soll. Von diesem Wort wurden sie denn auch
bekanntlich Pescheräh genannt.

Die Abstammung dieses Volkes ist zweifelhaft. We-
gen der Verwandschaft und Aehnlichkeit desselben in Kör-
perbildung, Sprache, Sitten und Lebensweise mit den
Patagoniern könnte man sie, obgleich sie diesen an Kör-
pergröße nachstehen, nicht mit Unrecht für Zweige eines
gemeinschaftlichen Völkerstammes halten, und nach eini-
gen Nachrichten sollen sie auch von der Westküste von
Patagonien verdrängt und durch Gewalt in dieses un-
wirthbare Land gebracht worden sein, welches besser das
Land des Elendes, anstatt das Feuerland, genannt wer-
den könnte.

    Das Ausland.



Eine Bauernmahlzeit in Jrland.

Der Weg von Tuam nach Galway führt meistens
über kahle unwirthliche Moore, wo oft weit und breit
weder Haus noch Strauch zu sehen ist. Der Dörfer
an der Straße sind nur wenige, und die Wohnungen
in denselben, so wie die hier und da einsam gelegenen
Hütten, größtentheils aus Lehm aufgebaut und mit Bin-
sen oder Haidekraut gedeckt, flößen dem Reisenden eben
keinen hohen Begriff von dem irdischen Glück ihrer Be-
wohner ein. Der vierfüßige Theil der letztern scheint
nicht selten noch besser daran zu sein, als die Menschen,
mit denen die Schweine in der Regel den Besitz der
Küche uud das kärgliche Mahl theilen. Wer so glück-
lich ist, eine Kuh oder einen Esel oder gar einen Gaul
zu besitzen, bringt auch diese zuweilen an demselben gast-
lichen Heerde unter und scheidet dann nur seine Schlaf-
stätte auf irgend eine Weise von dem Vieh ab. Jch
hatte meinen Sitz vorn bei dem Kutscher der Lohnkutsche
genommen, und da ein naßkalter Westwind (es war im
Januar) über die Moore daherpfiff, mich außer meinem
Mantel noch in eine große wollene Decke, die mir der
gesprächige Pferdelenker anbot, so fest eingewickelt, daß
es einige Schwierigkeiten hatte, meine Füße wieder ans
Tageslicht zu bringen. Weil indessen das Umspannen
bei weitem nicht so schnell vor sich geht, als in Eng-
land, so ließ ich mich nicht abhalten, während des Pfer-
dewechsels in eine der ärmlichsten Wohnungen zu treten.
Der innere Raum derselben entsprach völlig dem äußern
Ansehen und glich eher einem Stalle, als einer Behau-
sung für Menschen; nicht einmal für die beiden elenden
Betten fand sich die geringste Absonderung von dem
übrigen Raume. Eine Ecke war hoch auf mit Torf ge-
füllt, und in einer andern bemerkte ich einen Spaten,
[Spaltenumbruch] eine Mistgabel, eine Sichel und ein Paar hohe Trage-
körbe, aller Wahrscheinlichkeit nach das ganze landwirth-
schaftliche Geräth der Leute. Es war gerade Mittagszeit
und die ganze Familie befand sich eben beim Essen.
Nicht weit von der Feuerstätte, wo ein tüchtiger Hau-
fen Torf brannte, hatte man einen hölzernen Schemel
so umgestürzt, daß die Rücklehne wagerecht oben lag und
die Stelle eines Tisches vertrat, da ein solcher sich nicht
unter dem Hausgeräth vorfand. Darauf stand ein sehr
flacher Korb, etwa zwei Fuß lang und anderthalb Fuß
breit, der aufgehäuft mit dampfenden Kartoffeln gefüllt
war, unten aber noch vom Wasser tropfte, so daß der
ganze Jnhalt des Kochtopfes, Wasser und Alles, ver-
muthlich über dem Schweinetrog, darin ausgeleert zu
sein schien. Rund herum hatte die Familie Platz ge-
nommen, Mann und Frau hatten jedes einen Schemel
für sich, ein dritter Sitz dieser Art aber diente zwei
Burschen von 14 bis 17 Jahren gemeinschaftlich. Drei
kleinere Kinder, übrigens pausbäckig genug aussehend,
verrichteten ihre Mahlzeit stehend. Jeder langte sich eine
Kartoffel nach der andern aus dem Korbe, zog mit den
Fingern (denn Messer und Gabeln fehlten) die Schale
ab und speiste mit bestem Appetite aus freier Hand,
während er die Frucht in eine kleine Schüssel mit Salz
eintauchte, die auf dem Gipfel des Kartoffelberges stand.
Ein Paar Trinkgeschirre von Steingut mit Wasser gin-
gen von Hand zu Hand, oder lieber von Mund zu Mund.
Nur das kleinste Kind, ein Mädchen von drei Jahren,
hatte ein Töpfchen mit Ziegenmilch, wozu ihm die Mut-
ter besalzte Stückchen Kartoffeln reichte, die trefflich zu
munden schienen.

    (Beschluß folgt.)



Miscellen.
Wiederbelebung der Bäume.

Es ist nicht selten der Fall, daß im Absterben begrif-
fene Bäume von Neuem sich zu verjüngen scheinen und
wieder zu grünen und zu blühen anfangen. Bei Durham
in England stand eine alte Eiche, welche durch den gan-
zen Stamm hohl und im Zustande der völligen Auflösung
begriffen war. Die Höhlung fing aber an, sich zu ver-
engen, ein neuer gesunder Kern wuchs in ihr auf und der
Baum ward wieder frisch und dicht belaubt, wie zur Zeit
seiner schönsten Kraft.

Ein Aehnliches trug sich mit einer alten nicht weit
davon stehenden Erle zu. Aus den obersten Aesten sproß-
ten neue Zweige hervor, die Wurzeln zogen sich in der Höh-
lung des alten Stammes herunter, bis sie den Boden be-
rührten, wurden größer und größer, füllten endlich die
Höhlung des alten Stammes aus, verwuchsen mit den ge-
sunden Theilen desselben, und es bildete sich ein ganz neuer
gesunder Stamm, der die schönsten Zweige und Blätter
trieb.

Ohne Zweifel hatte in diesen beiden Fällen ein Saa-
menkorn in der aus der Auflösung der alten Stämme ent-
standenen Erde Platz gefunden und Wurzel geschlagen.



[Ende Spaltensatz]
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We- gen der Verwandschaft und Aehnlichkeit desselben in Kör- perbildung, Sprache, Sitten und Lebensweise mit den Patagoniern könnte man sie, obgleich sie diesen an Kör- pergröße nachstehen, nicht mit Unrecht für Zweige eines gemeinschaftlichen Völkerstammes halten, und nach eini- gen Nachrichten sollen sie auch von der Westküste von Patagonien verdrängt und durch Gewalt in dieses un- wirthbare Land gebracht worden sein, welches besser das Land des Elendes, anstatt das Feuerland, genannt wer- den könnte. Das Ausland. Eine Bauernmahlzeit in Jrland. Der Weg von Tuam nach Galway führt meistens über kahle unwirthliche Moore, wo oft weit und breit weder Haus noch Strauch zu sehen ist. Der Dörfer an der Straße sind nur wenige, und die Wohnungen in denselben, so wie die hier und da einsam gelegenen Hütten, größtentheils aus Lehm aufgebaut und mit Bin- sen oder Haidekraut gedeckt, flößen dem Reisenden eben keinen hohen Begriff von dem irdischen Glück ihrer Be- wohner ein. Der vierfüßige Theil der letztern scheint nicht selten noch besser daran zu sein, als die Menschen, mit denen die Schweine in der Regel den Besitz der Küche uud das kärgliche Mahl theilen. Wer so glück- lich ist, eine Kuh oder einen Esel oder gar einen Gaul zu besitzen, bringt auch diese zuweilen an demselben gast- lichen Heerde unter und scheidet dann nur seine Schlaf- stätte auf irgend eine Weise von dem Vieh ab. Jch hatte meinen Sitz vorn bei dem Kutscher der Lohnkutsche genommen, und da ein naßkalter Westwind (es war im Januar) über die Moore daherpfiff, mich außer meinem Mantel noch in eine große wollene Decke, die mir der gesprächige Pferdelenker anbot, so fest eingewickelt, daß es einige Schwierigkeiten hatte, meine Füße wieder ans Tageslicht zu bringen. Weil indessen das Umspannen bei weitem nicht so schnell vor sich geht, als in Eng- land, so ließ ich mich nicht abhalten, während des Pfer- dewechsels in eine der ärmlichsten Wohnungen zu treten. Der innere Raum derselben entsprach völlig dem äußern Ansehen und glich eher einem Stalle, als einer Behau- sung für Menschen; nicht einmal für die beiden elenden Betten fand sich die geringste Absonderung von dem übrigen Raume. Eine Ecke war hoch auf mit Torf ge- füllt, und in einer andern bemerkte ich einen Spaten, eine Mistgabel, eine Sichel und ein Paar hohe Trage- körbe, aller Wahrscheinlichkeit nach das ganze landwirth- schaftliche Geräth der Leute. Es war gerade Mittagszeit und die ganze Familie befand sich eben beim Essen. Nicht weit von der Feuerstätte, wo ein tüchtiger Hau- fen Torf brannte, hatte man einen hölzernen Schemel so umgestürzt, daß die Rücklehne wagerecht oben lag und die Stelle eines Tisches vertrat, da ein solcher sich nicht unter dem Hausgeräth vorfand. Darauf stand ein sehr flacher Korb, etwa zwei Fuß lang und anderthalb Fuß breit, der aufgehäuft mit dampfenden Kartoffeln gefüllt war, unten aber noch vom Wasser tropfte, so daß der ganze Jnhalt des Kochtopfes, Wasser und Alles, ver- muthlich über dem Schweinetrog, darin ausgeleert zu sein schien. Rund herum hatte die Familie Platz ge- nommen, Mann und Frau hatten jedes einen Schemel für sich, ein dritter Sitz dieser Art aber diente zwei Burschen von 14 bis 17 Jahren gemeinschaftlich. Drei kleinere Kinder, übrigens pausbäckig genug aussehend, verrichteten ihre Mahlzeit stehend. Jeder langte sich eine Kartoffel nach der andern aus dem Korbe, zog mit den Fingern (denn Messer und Gabeln fehlten) die Schale ab und speiste mit bestem Appetite aus freier Hand, während er die Frucht in eine kleine Schüssel mit Salz eintauchte, die auf dem Gipfel des Kartoffelberges stand. Ein Paar Trinkgeschirre von Steingut mit Wasser gin- gen von Hand zu Hand, oder lieber von Mund zu Mund. Nur das kleinste Kind, ein Mädchen von drei Jahren, hatte ein Töpfchen mit Ziegenmilch, wozu ihm die Mut- ter besalzte Stückchen Kartoffeln reichte, die trefflich zu munden schienen. (Beschluß folgt.) Miscellen. Wiederbelebung der Bäume. Es ist nicht selten der Fall, daß im Absterben begrif- fene Bäume von Neuem sich zu verjüngen scheinen und wieder zu grünen und zu blühen anfangen. Bei Durham in England stand eine alte Eiche, welche durch den gan- zen Stamm hohl und im Zustande der völligen Auflösung begriffen war. Die Höhlung fing aber an, sich zu ver- engen, ein neuer gesunder Kern wuchs in ihr auf und der Baum ward wieder frisch und dicht belaubt, wie zur Zeit seiner schönsten Kraft. Ein Aehnliches trug sich mit einer alten nicht weit davon stehenden Erle zu. Aus den obersten Aesten sproß- ten neue Zweige hervor, die Wurzeln zogen sich in der Höh- lung des alten Stammes herunter, bis sie den Boden be- rührten, wurden größer und größer, füllten endlich die Höhlung des alten Stammes aus, verwuchsen mit den ge- sunden Theilen desselben, und es bildete sich ein ganz neuer gesunder Stamm, der die schönsten Zweige und Blätter trieb. Ohne Zweifel hatte in diesen beiden Fällen ein Saa- menkorn in der aus der Auflösung der alten Stämme ent- standenen Erde Platz gefunden und Wurzel geschlagen.

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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 28. Burg/Berlin, 1837, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt28_1837/7>, abgerufen am 03.12.2024.