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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 1. Freiburg im Breisgau, 1857.

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Schnörkeln; ihre großartigsten Bauten indeß sind die massenhaften, in Felsen ein- und ausgehauenen Gebäude und Tempel. - Die höchste Vollendung u. freieste ästhetische Ausbildung erhielt der Säulenbau bei den Griechen, u. geschah in zwei selbstständigen Richtungen, der dorischen und jonischen. Bei den Dorern war Einfachheit, Ernst und Würde der Charakter ihres Baustyls, während bei den griechisch-jonischen Völkern das weichere asiat. Element, die anmuthigere Gestalt, vorherrschte. Den höchsten Grad von Schönheit und Vollendung erhielten aber beide Baustyle in Athen selber während seiner Blüthezeit unter Perikles. Zu den zwei genannten kam später noch die korinthische Bauweise, eine Modification des jonischen Styls, indem an die Stelle des jonischen Capitals ein höheres u. reicher geschmücktes trat, in Form eines Akanthuskelches. - Eine andere Gestaltung fand der Säulenbau in Oberitalien bei den Etruskern, bei denen auch schon das Gewölbe vorkommt; doch zu höherer Ausbildung gelangte ihre B. nicht. - Die Römer vermischten Säulenbau u. Gewölbe; sie hielten sich vorzüglich an die griech. Bauweise und die korinth. Säulenform, die jedoch ihrer Liebe zu Glanz und Pracht noch nicht genügte, weßhalb sie dieselbe noch reicher verzierten, und zuletzt mit dem korinthischen auch noch das jonische Capital verbanden. Die Blüthezeit röm. B. fällt in das 1. Jahrh. der Kaiserzeit und die noch vorhandenen vielen Denkmale derselben charakterisiren sich besonders durch Großartigkeit und Glanz. - Mit der Ausbreitung des Christenthums geht auch die B. einer gänzlichen Umgestaltung entgegen. Der Ernst und die Einfachheit der ersten christl. Zeiten konnte an der Pracht der spätröm. Bauweise nicht Gefallen finden u. suchte daher zunächst das Einfachere der alten B. wieder auf. Aber es mußten Jahrhunderte vergehen, bis die christl. Baukunst die ihrer würdige u. dem Christenglauben entsprechende Form u. Ausdrucksweise gefunden. Im Anfang war es der röm.-christl. Basilikastyl, eine Nachahmung der antiken Basilika, der von Italien aus auch zu allen anderen Völkern des Abendlandes drang und durch viele Jahrhunderte dauerte. Selbstständiger entwickelte sich die byzantinische B., die besonders die Formen des Gewölbes zur Geltung zu bringen suchte, im Einzelnen aber an orientalische Elemente sich haltend; das würdigste Monument aus ihrer Blüthezeit ist die Sophienkirche Konstantinopels, unter Justinian erbaut. Gleichzeitig mit der altchristl. bildete sich die maurisch-arabische B. aus, noch mehr hinneigend zu orientalischen Formen, mit Hufeisenbogen, Spitzbogen, leichten Säulen und Schlankheit der Thürme, mit phantastischer Ausschmückung und üppiger Pracht, aber ohne das Ganze durchdringenden Organismus. Spanien und Persien bieten die hieher gehörigen Monumente. - Aus der B. der Abendländer bildete sich im 10. Jahrh. ein neuer Baustyl, der romanische; mit der Grundform der Basilika nämlich wurde hier das Gewölbe verbunden, das jetzt erst und jedenfalls weit mehr als in der byzantinischen B., in seiner ganzen charakteristischen Eigenthümlichkeit auftrat, und auf dessen Durchführung schon in der ganzen Anlage des Baues Rücksicht genommen wurde. Dieser Styl dauerte bis zu Ende des 12. Jahrh. - Zu dieser Zeit hatte sich bereits eine neue Entwickelung der B. Bahn gebrochen, die germanische oder gothische. Mit dem Säulenbau der christl. Basilika nämlich und dem Gewölbe der roman. B. verband sich jetzt der arab. Spitzbogen; die Formen wurden nun leichter und aufstrebender, Säule und Gewölbe konnten in leichtere harmonische Verbindung treten, die Masse des Mauerwerks wurde verringert, u. die übrigen bildenden Künste vereinigten sich, den Bau zu schmücken und zu verherrlichen. So entstanden jene erhabenen Denkmale der B., die wundervolle Blüthe deutschen Sinnes und tiefer Glaubenskraft, hervorragend unter allen der Dom zu Cöln. Diese Denkmale der B. sind ein streng durchgeführter Organismus; überall Zusammenhang und Bezug, das Innere und Aeußere, das Größte und Kleinste daran beseelt von Einem Geiste, und das Ganze der Träger einer erhabenen

Schnörkeln; ihre großartigsten Bauten indeß sind die massenhaften, in Felsen ein- und ausgehauenen Gebäude und Tempel. – Die höchste Vollendung u. freieste ästhetische Ausbildung erhielt der Säulenbau bei den Griechen, u. geschah in zwei selbstständigen Richtungen, der dorischen und jonischen. Bei den Dorern war Einfachheit, Ernst und Würde der Charakter ihres Baustyls, während bei den griechisch-jonischen Völkern das weichere asiat. Element, die anmuthigere Gestalt, vorherrschte. Den höchsten Grad von Schönheit und Vollendung erhielten aber beide Baustyle in Athen selber während seiner Blüthezeit unter Perikles. Zu den zwei genannten kam später noch die korinthische Bauweise, eine Modification des jonischen Styls, indem an die Stelle des jonischen Capitals ein höheres u. reicher geschmücktes trat, in Form eines Akanthuskelches. – Eine andere Gestaltung fand der Säulenbau in Oberitalien bei den Etruskern, bei denen auch schon das Gewölbe vorkommt; doch zu höherer Ausbildung gelangte ihre B. nicht. – Die Römer vermischten Säulenbau u. Gewölbe; sie hielten sich vorzüglich an die griech. Bauweise und die korinth. Säulenform, die jedoch ihrer Liebe zu Glanz und Pracht noch nicht genügte, weßhalb sie dieselbe noch reicher verzierten, und zuletzt mit dem korinthischen auch noch das jonische Capital verbanden. Die Blüthezeit röm. B. fällt in das 1. Jahrh. der Kaiserzeit und die noch vorhandenen vielen Denkmale derselben charakterisiren sich besonders durch Großartigkeit und Glanz. – Mit der Ausbreitung des Christenthums geht auch die B. einer gänzlichen Umgestaltung entgegen. Der Ernst und die Einfachheit der ersten christl. Zeiten konnte an der Pracht der spätröm. Bauweise nicht Gefallen finden u. suchte daher zunächst das Einfachere der alten B. wieder auf. Aber es mußten Jahrhunderte vergehen, bis die christl. Baukunst die ihrer würdige u. dem Christenglauben entsprechende Form u. Ausdrucksweise gefunden. Im Anfang war es der röm.-christl. Basilikastyl, eine Nachahmung der antiken Basilika, der von Italien aus auch zu allen anderen Völkern des Abendlandes drang und durch viele Jahrhunderte dauerte. Selbstständiger entwickelte sich die byzantinische B., die besonders die Formen des Gewölbes zur Geltung zu bringen suchte, im Einzelnen aber an orientalische Elemente sich haltend; das würdigste Monument aus ihrer Blüthezeit ist die Sophienkirche Konstantinopels, unter Justinian erbaut. Gleichzeitig mit der altchristl. bildete sich die maurisch-arabische B. aus, noch mehr hinneigend zu orientalischen Formen, mit Hufeisenbogen, Spitzbogen, leichten Säulen und Schlankheit der Thürme, mit phantastischer Ausschmückung und üppiger Pracht, aber ohne das Ganze durchdringenden Organismus. Spanien und Persien bieten die hieher gehörigen Monumente. – Aus der B. der Abendländer bildete sich im 10. Jahrh. ein neuer Baustyl, der romanische; mit der Grundform der Basilika nämlich wurde hier das Gewölbe verbunden, das jetzt erst und jedenfalls weit mehr als in der byzantinischen B., in seiner ganzen charakteristischen Eigenthümlichkeit auftrat, und auf dessen Durchführung schon in der ganzen Anlage des Baues Rücksicht genommen wurde. Dieser Styl dauerte bis zu Ende des 12. Jahrh. – Zu dieser Zeit hatte sich bereits eine neue Entwickelung der B. Bahn gebrochen, die germanische oder gothische. Mit dem Säulenbau der christl. Basilika nämlich und dem Gewölbe der roman. B. verband sich jetzt der arab. Spitzbogen; die Formen wurden nun leichter und aufstrebender, Säule und Gewölbe konnten in leichtere harmonische Verbindung treten, die Masse des Mauerwerks wurde verringert, u. die übrigen bildenden Künste vereinigten sich, den Bau zu schmücken und zu verherrlichen. So entstanden jene erhabenen Denkmale der B., die wundervolle Blüthe deutschen Sinnes und tiefer Glaubenskraft, hervorragend unter allen der Dom zu Cöln. Diese Denkmale der B. sind ein streng durchgeführter Organismus; überall Zusammenhang und Bezug, das Innere und Aeußere, das Größte und Kleinste daran beseelt von Einem Geiste, und das Ganze der Träger einer erhabenen

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[434/0435] Schnörkeln; ihre großartigsten Bauten indeß sind die massenhaften, in Felsen ein- und ausgehauenen Gebäude und Tempel. – Die höchste Vollendung u. freieste ästhetische Ausbildung erhielt der Säulenbau bei den Griechen, u. geschah in zwei selbstständigen Richtungen, der dorischen und jonischen. Bei den Dorern war Einfachheit, Ernst und Würde der Charakter ihres Baustyls, während bei den griechisch-jonischen Völkern das weichere asiat. Element, die anmuthigere Gestalt, vorherrschte. Den höchsten Grad von Schönheit und Vollendung erhielten aber beide Baustyle in Athen selber während seiner Blüthezeit unter Perikles. Zu den zwei genannten kam später noch die korinthische Bauweise, eine Modification des jonischen Styls, indem an die Stelle des jonischen Capitals ein höheres u. reicher geschmücktes trat, in Form eines Akanthuskelches. – Eine andere Gestaltung fand der Säulenbau in Oberitalien bei den Etruskern, bei denen auch schon das Gewölbe vorkommt; doch zu höherer Ausbildung gelangte ihre B. nicht. – Die Römer vermischten Säulenbau u. Gewölbe; sie hielten sich vorzüglich an die griech. Bauweise und die korinth. Säulenform, die jedoch ihrer Liebe zu Glanz und Pracht noch nicht genügte, weßhalb sie dieselbe noch reicher verzierten, und zuletzt mit dem korinthischen auch noch das jonische Capital verbanden. Die Blüthezeit röm. B. fällt in das 1. Jahrh. der Kaiserzeit und die noch vorhandenen vielen Denkmale derselben charakterisiren sich besonders durch Großartigkeit und Glanz. – Mit der Ausbreitung des Christenthums geht auch die B. einer gänzlichen Umgestaltung entgegen. Der Ernst und die Einfachheit der ersten christl. Zeiten konnte an der Pracht der spätröm. Bauweise nicht Gefallen finden u. suchte daher zunächst das Einfachere der alten B. wieder auf. Aber es mußten Jahrhunderte vergehen, bis die christl. Baukunst die ihrer würdige u. dem Christenglauben entsprechende Form u. Ausdrucksweise gefunden. Im Anfang war es der röm.-christl. Basilikastyl, eine Nachahmung der antiken Basilika, der von Italien aus auch zu allen anderen Völkern des Abendlandes drang und durch viele Jahrhunderte dauerte. Selbstständiger entwickelte sich die byzantinische B., die besonders die Formen des Gewölbes zur Geltung zu bringen suchte, im Einzelnen aber an orientalische Elemente sich haltend; das würdigste Monument aus ihrer Blüthezeit ist die Sophienkirche Konstantinopels, unter Justinian erbaut. Gleichzeitig mit der altchristl. bildete sich die maurisch-arabische B. aus, noch mehr hinneigend zu orientalischen Formen, mit Hufeisenbogen, Spitzbogen, leichten Säulen und Schlankheit der Thürme, mit phantastischer Ausschmückung und üppiger Pracht, aber ohne das Ganze durchdringenden Organismus. Spanien und Persien bieten die hieher gehörigen Monumente. – Aus der B. der Abendländer bildete sich im 10. Jahrh. ein neuer Baustyl, der romanische; mit der Grundform der Basilika nämlich wurde hier das Gewölbe verbunden, das jetzt erst und jedenfalls weit mehr als in der byzantinischen B., in seiner ganzen charakteristischen Eigenthümlichkeit auftrat, und auf dessen Durchführung schon in der ganzen Anlage des Baues Rücksicht genommen wurde. Dieser Styl dauerte bis zu Ende des 12. Jahrh. – Zu dieser Zeit hatte sich bereits eine neue Entwickelung der B. Bahn gebrochen, die germanische oder gothische. Mit dem Säulenbau der christl. Basilika nämlich und dem Gewölbe der roman. B. verband sich jetzt der arab. Spitzbogen; die Formen wurden nun leichter und aufstrebender, Säule und Gewölbe konnten in leichtere harmonische Verbindung treten, die Masse des Mauerwerks wurde verringert, u. die übrigen bildenden Künste vereinigten sich, den Bau zu schmücken und zu verherrlichen. So entstanden jene erhabenen Denkmale der B., die wundervolle Blüthe deutschen Sinnes und tiefer Glaubenskraft, hervorragend unter allen der Dom zu Cöln. Diese Denkmale der B. sind ein streng durchgeführter Organismus; überall Zusammenhang und Bezug, das Innere und Aeußere, das Größte und Kleinste daran beseelt von Einem Geiste, und das Ganze der Träger einer erhabenen

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 1. Freiburg im Breisgau, 1857, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon01_1857/435>, abgerufen am 21.11.2024.