Herders Conversations-Lexikon. Bd. 1. Freiburg im Breisgau, 1857.Geschichte ihres Reiches und manche auch die röm, von Augustus an und damit werthvolle Ergänzungen der eigentlichen röm. Historiker. Die bedeutendsten Byzantiner sind außer dem Kirchenvater Eusebius: Procopius, Zosimus, Agathias, Zonaras, Nicephorus, Gregoras, Phraates, Ducas, Chalcondylas, Anna Komnena, Kantukazenus. - Die Sammler erhielten uns zwar kein einziges ganzes Werk aus der klass. Zeit, dagegen eine Masse von Bruchstücken aus verlorenen Schriftstellern; hieher gehören die Anthologie, Stobäus, Constantin Porphyrogeneta, Eudoxia, Photius etc. Mit der Philologie beschäftigten sich in den ersten Jahrhunderten die meisten byzant. Gelehrten; aus ihrer Reihe sind daher fast alle Scholiasten der altgriech. Classiker, ohne die wir dieselben nicht verstehen und aus dem Alterthum manches nicht begreifen würden, z. B. Eusthatius, Fizeiges, viele Ungenannte; aus dieser Zeit sind die Lexicographen Harpokrates, Hesychius etc., die Grammatiker Apollonius Dyscotlus, Herodianus, Moschopulus etc. Ohne sie wäre das volle Verständniß der altgriech. Sprache unmöglich, daher die noch vorhandene alte Literatur von geringerer Bedeutung. - Die Beredtsamkeit beschränkt sich auf die geistliche, ebenso die Poesie, die jedoch bald gänzlich versiegte; nur im Romane wird sie eigenthümlicher und liefert den religiösen Roman Barlaam und Josaphat; erotische dagegen schrieben im 4. Jahrh. Heliodor, Longus, Chariton, Achilles Tatius, Xenophon Ephesius; versificirte Liebesgeschichten, in viel späterer Zeit Theodor Prodromus, Constantin Manasse, Nicetas Eugenianus u. dergl. Byzantinisches Reich, oström. Reich, griech. Reich, entstand 395 nach Chr., als Kaiser Theodosius das röm. Reich unter seine 2 Söhne theilte und dem jüngeren, Arcadius, Kleinasien, Syrien, Pontus, Aegypten, Thracien, Mösien, Macedonien, Griechenland und Kreta gab mit der Hauptstadt Konstantinopel. Die Geschichte desselben beginnt aber eigentlich mit Kaiser Constantin d. Gr.; denn er gab demselben die Einrichtung, welche sich bis zum Untergange desselben erhielt u. durch welche der Untergang so lange abgewehrt wurde. Diese Einrichtung bestand in der einheitlichen monarchischen Gewalt. die unumschränkt über das ganze Reich gebot; ihren Damm fand diese Autokratie nur in den Palast- und Militärrevolutionen. Der kaiserl. Thron war von religiöser Weihe umflossen, der Kaiser eine wirklich geheiligte Person, und dieses hl. Gepräge wurde auch jeder Regierungshandlung ertheilt. Eben deßwegen nahmen die Revolutionen gegen den Kaiser regelmäßig einen religiösen Grund zum Vorwande und wurden die theolog. Streitigkeiten zu polit. und umgekehrt. Die kaiserliche Allgewalt stützte sich sodann auf das Uebergewicht der Militärmacht im Staate, welches dieselbe schon durch die röm. Cäsaren erlangt hatte und das in Konstantinopel um so tiefer wurzelte, als in der neuen Stadt kein Senat und keine alte Aristokratie mit ihrem althergebrachten Ansehen entgegentreten konnte. Dem Militär stand ein Beamtenheer zur Seite, ebenso disciplinirt und abgestuft wie jenes, sich gegenseitig controlirend, aber unbeschränkt das ganze Land verwaltend, in welchem die Autonomie der Provinzen, Gaue, Städte, Corporationen u. dergl. in langwierigen äußeren und inneren Kriegen untergegangen war. Als röm. Erbtheil besaß das byzant. Reich alle Künste der vielerprobten alten herkömmlichen Politik, die Organisation des Militärwesens, welche allen Barbaren durch Tactik, Bewaffnung, Kriegsmaschinen, Verpflegung etc. unendlich überlegen war. Die polit. Einheit des Reiches war von einer kirchlichen begleitet, beide vielmehr in der Person des Kaisers die eine und dieselbe; außerdem waren die Byzantiner die Erben der röm. Civilisation in Kunst, Wissenschaft, Gewerbe, Handel, was ihnen im Verein mit den oben angeführten Elementen eine solche Ueberlegenheit verschaffte, daß sie noch in später Zeit im Stande waren eingedrungene und niedergelassene Slavenstämme zu gräcisiren. Nur der Fanatismus der Jünger Mohammeds vermochte den byzantin. Bau zu überwältigen, und dies Geschichte ihres Reiches und manche auch die röm, von Augustus an und damit werthvolle Ergänzungen der eigentlichen röm. Historiker. Die bedeutendsten Byzantiner sind außer dem Kirchenvater Eusebius: Procopius, Zosimus, Agathias, Zonaras, Nicephorus, Gregoras, Phraates, Ducas, Chalcondylas, Anna Komnena, Kantukazenus. – Die Sammler erhielten uns zwar kein einziges ganzes Werk aus der klass. Zeit, dagegen eine Masse von Bruchstücken aus verlorenen Schriftstellern; hieher gehören die Anthologie, Stobäus, Constantin Porphyrogeneta, Eudoxia, Photius etc. Mit der Philologie beschäftigten sich in den ersten Jahrhunderten die meisten byzant. Gelehrten; aus ihrer Reihe sind daher fast alle Scholiasten der altgriech. Classiker, ohne die wir dieselben nicht verstehen und aus dem Alterthum manches nicht begreifen würden, z. B. Eusthatius, Fizeiges, viele Ungenannte; aus dieser Zeit sind die Lexicographen Harpokrates, Hesychius etc., die Grammatiker Apollonius Dyscotlus, Herodianus, Moschopulus etc. Ohne sie wäre das volle Verständniß der altgriech. Sprache unmöglich, daher die noch vorhandene alte Literatur von geringerer Bedeutung. – Die Beredtsamkeit beschränkt sich auf die geistliche, ebenso die Poesie, die jedoch bald gänzlich versiegte; nur im Romane wird sie eigenthümlicher und liefert den religiösen Roman Barlaam und Josaphat; erotische dagegen schrieben im 4. Jahrh. Heliodor, Longus, Chariton, Achilles Tatius, Xenophon Ephesius; versificirte Liebesgeschichten, in viel späterer Zeit Theodor Prodromus, Constantin Manasse, Nicetas Eugenianus u. dergl. Byzantinisches Reich, oström. Reich, griech. Reich, entstand 395 nach Chr., als Kaiser Theodosius das röm. Reich unter seine 2 Söhne theilte und dem jüngeren, Arcadius, Kleinasien, Syrien, Pontus, Aegypten, Thracien, Mösien, Macedonien, Griechenland und Kreta gab mit der Hauptstadt Konstantinopel. Die Geschichte desselben beginnt aber eigentlich mit Kaiser Constantin d. Gr.; denn er gab demselben die Einrichtung, welche sich bis zum Untergange desselben erhielt u. durch welche der Untergang so lange abgewehrt wurde. Diese Einrichtung bestand in der einheitlichen monarchischen Gewalt. die unumschränkt über das ganze Reich gebot; ihren Damm fand diese Autokratie nur in den Palast- und Militärrevolutionen. Der kaiserl. Thron war von religiöser Weihe umflossen, der Kaiser eine wirklich geheiligte Person, und dieses hl. Gepräge wurde auch jeder Regierungshandlung ertheilt. Eben deßwegen nahmen die Revolutionen gegen den Kaiser regelmäßig einen religiösen Grund zum Vorwande und wurden die theolog. Streitigkeiten zu polit. und umgekehrt. Die kaiserliche Allgewalt stützte sich sodann auf das Uebergewicht der Militärmacht im Staate, welches dieselbe schon durch die röm. Cäsaren erlangt hatte und das in Konstantinopel um so tiefer wurzelte, als in der neuen Stadt kein Senat und keine alte Aristokratie mit ihrem althergebrachten Ansehen entgegentreten konnte. Dem Militär stand ein Beamtenheer zur Seite, ebenso disciplinirt und abgestuft wie jenes, sich gegenseitig controlirend, aber unbeschränkt das ganze Land verwaltend, in welchem die Autonomie der Provinzen, Gaue, Städte, Corporationen u. dergl. in langwierigen äußeren und inneren Kriegen untergegangen war. Als röm. Erbtheil besaß das byzant. Reich alle Künste der vielerprobten alten herkömmlichen Politik, die Organisation des Militärwesens, welche allen Barbaren durch Tactik, Bewaffnung, Kriegsmaschinen, Verpflegung etc. unendlich überlegen war. Die polit. Einheit des Reiches war von einer kirchlichen begleitet, beide vielmehr in der Person des Kaisers die eine und dieselbe; außerdem waren die Byzantiner die Erben der röm. Civilisation in Kunst, Wissenschaft, Gewerbe, Handel, was ihnen im Verein mit den oben angeführten Elementen eine solche Ueberlegenheit verschaffte, daß sie noch in später Zeit im Stande waren eingedrungene und niedergelassene Slavenstämme zu gräcisiren. Nur der Fanatismus der Jünger Mohammeds vermochte den byzantin. Bau zu überwältigen, und dies <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="lexiconEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0739" n="738"/> Geschichte ihres Reiches und manche auch die röm, von Augustus an und damit werthvolle Ergänzungen der eigentlichen röm. Historiker. 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Sprache unmöglich, daher die noch vorhandene alte Literatur von geringerer Bedeutung. – Die Beredtsamkeit beschränkt sich auf die geistliche, ebenso die Poesie, die jedoch bald gänzlich versiegte; nur im Romane wird sie eigenthümlicher und liefert den religiösen Roman Barlaam und Josaphat; erotische dagegen schrieben im 4. Jahrh. Heliodor, Longus, Chariton, Achilles Tatius, Xenophon Ephesius; versificirte Liebesgeschichten, in viel späterer Zeit Theodor Prodromus, Constantin Manasse, Nicetas Eugenianus u. dergl.</p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <p><hi rendition="#b">Byzantinisches Reich</hi>, oström. Reich, griech. Reich, entstand 395 nach Chr., als Kaiser Theodosius das röm. Reich unter seine 2 Söhne theilte und dem jüngeren, Arcadius, Kleinasien, Syrien, Pontus, Aegypten, Thracien, Mösien, Macedonien, Griechenland und Kreta gab mit der Hauptstadt Konstantinopel. Die Geschichte desselben beginnt aber eigentlich mit Kaiser Constantin d. Gr.; denn er gab demselben die Einrichtung, welche sich bis zum Untergange desselben erhielt u. durch welche der Untergang so lange abgewehrt wurde. Diese Einrichtung bestand in der einheitlichen monarchischen Gewalt. die unumschränkt über das ganze Reich gebot; ihren Damm fand diese Autokratie nur in den Palast- und Militärrevolutionen. Der kaiserl. Thron war von religiöser Weihe umflossen, der Kaiser eine wirklich geheiligte Person, und dieses hl. Gepräge wurde auch jeder Regierungshandlung ertheilt. Eben deßwegen nahmen die Revolutionen gegen den Kaiser regelmäßig einen religiösen Grund zum Vorwande und wurden die theolog. Streitigkeiten zu polit. und umgekehrt. Die kaiserliche Allgewalt stützte sich sodann auf das Uebergewicht der Militärmacht im Staate, welches dieselbe schon durch die röm. Cäsaren erlangt hatte und das in Konstantinopel um so tiefer wurzelte, als in der neuen Stadt kein Senat und keine alte Aristokratie mit ihrem althergebrachten Ansehen entgegentreten konnte. Dem Militär stand ein Beamtenheer zur Seite, ebenso disciplinirt und abgestuft wie jenes, sich gegenseitig controlirend, aber unbeschränkt das ganze Land verwaltend, in welchem die Autonomie der Provinzen, Gaue, Städte, Corporationen u. dergl. in langwierigen äußeren und inneren Kriegen untergegangen war. Als röm. Erbtheil besaß das byzant. Reich alle Künste der vielerprobten alten herkömmlichen Politik, die Organisation des Militärwesens, welche allen Barbaren durch Tactik, Bewaffnung, Kriegsmaschinen, Verpflegung etc. unendlich überlegen war. Die polit. Einheit des Reiches war von einer kirchlichen begleitet, beide vielmehr in der Person des Kaisers die eine und dieselbe; außerdem waren die Byzantiner die Erben der röm. Civilisation in Kunst, Wissenschaft, Gewerbe, Handel, was ihnen im Verein mit den oben angeführten Elementen eine solche Ueberlegenheit verschaffte, daß sie noch in später Zeit im Stande waren eingedrungene und niedergelassene Slavenstämme zu gräcisiren. 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Geschichte ihres Reiches und manche auch die röm, von Augustus an und damit werthvolle Ergänzungen der eigentlichen röm. Historiker. Die bedeutendsten Byzantiner sind außer dem Kirchenvater Eusebius: Procopius, Zosimus, Agathias, Zonaras, Nicephorus, Gregoras, Phraates, Ducas, Chalcondylas, Anna Komnena, Kantukazenus. – Die Sammler erhielten uns zwar kein einziges ganzes Werk aus der klass. Zeit, dagegen eine Masse von Bruchstücken aus verlorenen Schriftstellern; hieher gehören die Anthologie, Stobäus, Constantin Porphyrogeneta, Eudoxia, Photius etc. Mit der Philologie beschäftigten sich in den ersten Jahrhunderten die meisten byzant. Gelehrten; aus ihrer Reihe sind daher fast alle Scholiasten der altgriech. Classiker, ohne die wir dieselben nicht verstehen und aus dem Alterthum manches nicht begreifen würden, z. B. Eusthatius, Fizeiges, viele Ungenannte; aus dieser Zeit sind die Lexicographen Harpokrates, Hesychius etc., die Grammatiker Apollonius Dyscotlus, Herodianus, Moschopulus etc. Ohne sie wäre das volle Verständniß der altgriech. Sprache unmöglich, daher die noch vorhandene alte Literatur von geringerer Bedeutung. – Die Beredtsamkeit beschränkt sich auf die geistliche, ebenso die Poesie, die jedoch bald gänzlich versiegte; nur im Romane wird sie eigenthümlicher und liefert den religiösen Roman Barlaam und Josaphat; erotische dagegen schrieben im 4. Jahrh. Heliodor, Longus, Chariton, Achilles Tatius, Xenophon Ephesius; versificirte Liebesgeschichten, in viel späterer Zeit Theodor Prodromus, Constantin Manasse, Nicetas Eugenianus u. dergl.
Byzantinisches Reich, oström. Reich, griech. Reich, entstand 395 nach Chr., als Kaiser Theodosius das röm. Reich unter seine 2 Söhne theilte und dem jüngeren, Arcadius, Kleinasien, Syrien, Pontus, Aegypten, Thracien, Mösien, Macedonien, Griechenland und Kreta gab mit der Hauptstadt Konstantinopel. Die Geschichte desselben beginnt aber eigentlich mit Kaiser Constantin d. Gr.; denn er gab demselben die Einrichtung, welche sich bis zum Untergange desselben erhielt u. durch welche der Untergang so lange abgewehrt wurde. Diese Einrichtung bestand in der einheitlichen monarchischen Gewalt. die unumschränkt über das ganze Reich gebot; ihren Damm fand diese Autokratie nur in den Palast- und Militärrevolutionen. Der kaiserl. Thron war von religiöser Weihe umflossen, der Kaiser eine wirklich geheiligte Person, und dieses hl. Gepräge wurde auch jeder Regierungshandlung ertheilt. Eben deßwegen nahmen die Revolutionen gegen den Kaiser regelmäßig einen religiösen Grund zum Vorwande und wurden die theolog. Streitigkeiten zu polit. und umgekehrt. Die kaiserliche Allgewalt stützte sich sodann auf das Uebergewicht der Militärmacht im Staate, welches dieselbe schon durch die röm. Cäsaren erlangt hatte und das in Konstantinopel um so tiefer wurzelte, als in der neuen Stadt kein Senat und keine alte Aristokratie mit ihrem althergebrachten Ansehen entgegentreten konnte. Dem Militär stand ein Beamtenheer zur Seite, ebenso disciplinirt und abgestuft wie jenes, sich gegenseitig controlirend, aber unbeschränkt das ganze Land verwaltend, in welchem die Autonomie der Provinzen, Gaue, Städte, Corporationen u. dergl. in langwierigen äußeren und inneren Kriegen untergegangen war. Als röm. Erbtheil besaß das byzant. Reich alle Künste der vielerprobten alten herkömmlichen Politik, die Organisation des Militärwesens, welche allen Barbaren durch Tactik, Bewaffnung, Kriegsmaschinen, Verpflegung etc. unendlich überlegen war. Die polit. Einheit des Reiches war von einer kirchlichen begleitet, beide vielmehr in der Person des Kaisers die eine und dieselbe; außerdem waren die Byzantiner die Erben der röm. Civilisation in Kunst, Wissenschaft, Gewerbe, Handel, was ihnen im Verein mit den oben angeführten Elementen eine solche Ueberlegenheit verschaffte, daß sie noch in später Zeit im Stande waren eingedrungene und niedergelassene Slavenstämme zu gräcisiren. Nur der Fanatismus der Jünger Mohammeds vermochte den byzantin. Bau zu überwältigen, und dies
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Zitationshilfe: | Herders Conversations-Lexikon. Bd. 1. Freiburg im Breisgau, 1857, S. 738. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon01_1857/739>, abgerufen am 25.06.2024. |