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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 2. Freiburg im Breisgau, 1854.

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im Innern spaltete die Reformation das deutsche Volk in 2 Lager und die Fürsten (nur Haus Habsburg und Haus Wittelsbach blieben kathol.) benutzten die Reformation doppelt: durch die Säcularisation vermehrten sie ihre Macht, durch die Stachelung des Glaubenseifers des prot. Volkes gegen den kath. Kaiser ertödteten sie allmälig jenen Instinct des Volkes, der in dem Kaiser den Hort der deutschen Einheit und Wohlfahrt festhalten wollte. Es gelang Karln durch die Schlacht von Mühlberg 1547 den Schmalkaldischen Bund zu zertrümmern und dadurch dem Eroberungsgang der Reformation Einhalt zu thun, mehr aber nicht; denn als ihn Kurfürst Moritz von Sachsen verrätherisch überfiel u. dem Könige von Frankreich Metz, Toul und Verdun überlieferte, erhob sich für den Kaiser auch nicht ein kath. Herr, weil die kath. wie die protest. Fürsten Wiederherstellung der Kaisermacht mehr als alles andere fürchteten. Unter Ferdinand I., Max II., Rudolf II. hielt Habsburg mühsam seinen Länderbesitz aufrecht, welchen nationale Antipathien, durch religiösen Zwiespalt unterstützt, sowie Türken u. Venetianer gefährdeten. Unter Mathias I. (1618) empörten sich die Böhmen (Ausbruch des 30jährigen Kriegs) und der Kurfürst Friedrich von der Pfalz nahm von ihnen die Königskrone an; zum Glück für Habsburg befreundeten sich Böhmen und Sachsen nicht. Die theuer erkaufte Unterstützung Bayerns gewann Ferdinand II. (1619-37) Böhmen wieder, Wallenstein schuf ein kaiserl. Heer, der Kaiser opferte ihn aber dem Andrängen der Fürsten, besonders Maximilians von Bayern. Durch das Restitutionsedict sahen sich die prot. Fürsten in dem Besitze der gegen die Bestimmungen des Passauer und Augsburger Religionsfriedens säcularisirten Kirchengüter schwer bedroht; der prot. Glaube wäre bei dem Volke in Folge des unglücklichen, angeblich für den Glauben geführten Krieges um alles Vertrauen gekommen und hätte menschlicher Berechnung nach dem kath. im Laufe der Zeit unterliegen müssen. Da warf sich Gustav Adolf von Schweden zu seinem Vertheidiger auf, verband sich mit Frankreich und eroberte mit franz. Gelde und deutschen prot. Soldaten den reichsten Theil D.s, fiel aber bei Lützen, ehe er seine fürstlichen Glaubensbrüder ihrer Kur- und Herzogshüte berauben und sich zum deutschen prot. Kaiser machen konnte. Nach seinem Tode spielte Frankreich mit D. wie einst die Römer mit den Gladiatoren; es besoldete die Schweden, kaufte arme deutsche Fürsten, daß sie ihm deutsche Soldaten warben und den Kaiser bekriegten, vereitelte den Prager Frieden, welchen Sachsen in einer ebenso patriotischen als klugen Regung vermittelt hatte, und als D. bis in das Mark hinein abgeschwächt war, gönnte es ihm endlich 1648 den westfälischen Frieden, der D. aus der Reihe der geltenden Nationen strich. Ludwig XIV. mißhandelte es hierauf fast ein halbes Jahrh. lang, und selbst der span. Erbfolgekrieg (1705-11) gab D. die Vogesengränze nicht zurück. Als mit Karl VI. der habsburg. Mannsstamm 1740 erlosch, vereinigten sich Frankreich, Spanien, Savoyen, Preußen, Bayern u. Sachsen zur Zertrümmerung des österr. Staates, aber Maria Theresia behauptete mit Ausnahme Neapels und Schlesiens ihr Erbe und trotz des erfolglosen 7jährigen Kriegs zur Wiedereroberung Schlesiens gewann die österr. Monarchie unter ihr unschätzbar viel durch die Benutzung vieler sonst brach gelegener Hilfsquellen. Joseph II. sah alle seine Plane scheitern, theils durch Preußen, theils durch den Widerstand der unzufriedenen Belgier und Ungarn, und selbst der Türkenkrieg brachte keinen Gewinn. Doch stand Oesterreich, für das Prinz Eugen Ungarn, Belgien und die Lombardei gewonnen hatte, mächtig da, als die franz. Revolution alle europ. Staaten aus den Angeln zu heben drohte. Es führte den Kampf mit Frankreich unermüdet und ehrenhaft, nur Napoleons kriegerisches Genie entriß ihm den schon gewonnenen Sieg, nachdem es 1795 von Preußen im Stiche gelassen war. 1806 gelangten die deutschen Fürsten endlich zu dem lange angestrebten Ziele: sie wurden souverän, säcularisirten die noch übrigen kath. Stifte, unterwarfen die

im Innern spaltete die Reformation das deutsche Volk in 2 Lager und die Fürsten (nur Haus Habsburg und Haus Wittelsbach blieben kathol.) benutzten die Reformation doppelt: durch die Säcularisation vermehrten sie ihre Macht, durch die Stachelung des Glaubenseifers des prot. Volkes gegen den kath. Kaiser ertödteten sie allmälig jenen Instinct des Volkes, der in dem Kaiser den Hort der deutschen Einheit und Wohlfahrt festhalten wollte. Es gelang Karln durch die Schlacht von Mühlberg 1547 den Schmalkaldischen Bund zu zertrümmern und dadurch dem Eroberungsgang der Reformation Einhalt zu thun, mehr aber nicht; denn als ihn Kurfürst Moritz von Sachsen verrätherisch überfiel u. dem Könige von Frankreich Metz, Toul und Verdun überlieferte, erhob sich für den Kaiser auch nicht ein kath. Herr, weil die kath. wie die protest. Fürsten Wiederherstellung der Kaisermacht mehr als alles andere fürchteten. Unter Ferdinand I., Max II., Rudolf II. hielt Habsburg mühsam seinen Länderbesitz aufrecht, welchen nationale Antipathien, durch religiösen Zwiespalt unterstützt, sowie Türken u. Venetianer gefährdeten. Unter Mathias I. (1618) empörten sich die Böhmen (Ausbruch des 30jährigen Kriegs) und der Kurfürst Friedrich von der Pfalz nahm von ihnen die Königskrone an; zum Glück für Habsburg befreundeten sich Böhmen und Sachsen nicht. Die theuer erkaufte Unterstützung Bayerns gewann Ferdinand II. (1619–37) Böhmen wieder, Wallenstein schuf ein kaiserl. Heer, der Kaiser opferte ihn aber dem Andrängen der Fürsten, besonders Maximilians von Bayern. Durch das Restitutionsedict sahen sich die prot. Fürsten in dem Besitze der gegen die Bestimmungen des Passauer und Augsburger Religionsfriedens säcularisirten Kirchengüter schwer bedroht; der prot. Glaube wäre bei dem Volke in Folge des unglücklichen, angeblich für den Glauben geführten Krieges um alles Vertrauen gekommen und hätte menschlicher Berechnung nach dem kath. im Laufe der Zeit unterliegen müssen. Da warf sich Gustav Adolf von Schweden zu seinem Vertheidiger auf, verband sich mit Frankreich und eroberte mit franz. Gelde und deutschen prot. Soldaten den reichsten Theil D.s, fiel aber bei Lützen, ehe er seine fürstlichen Glaubensbrüder ihrer Kur- und Herzogshüte berauben und sich zum deutschen prot. Kaiser machen konnte. Nach seinem Tode spielte Frankreich mit D. wie einst die Römer mit den Gladiatoren; es besoldete die Schweden, kaufte arme deutsche Fürsten, daß sie ihm deutsche Soldaten warben und den Kaiser bekriegten, vereitelte den Prager Frieden, welchen Sachsen in einer ebenso patriotischen als klugen Regung vermittelt hatte, und als D. bis in das Mark hinein abgeschwächt war, gönnte es ihm endlich 1648 den westfälischen Frieden, der D. aus der Reihe der geltenden Nationen strich. Ludwig XIV. mißhandelte es hierauf fast ein halbes Jahrh. lang, und selbst der span. Erbfolgekrieg (1705–11) gab D. die Vogesengränze nicht zurück. Als mit Karl VI. der habsburg. Mannsstamm 1740 erlosch, vereinigten sich Frankreich, Spanien, Savoyen, Preußen, Bayern u. Sachsen zur Zertrümmerung des österr. Staates, aber Maria Theresia behauptete mit Ausnahme Neapels und Schlesiens ihr Erbe und trotz des erfolglosen 7jährigen Kriegs zur Wiedereroberung Schlesiens gewann die österr. Monarchie unter ihr unschätzbar viel durch die Benutzung vieler sonst brach gelegener Hilfsquellen. Joseph II. sah alle seine Plane scheitern, theils durch Preußen, theils durch den Widerstand der unzufriedenen Belgier und Ungarn, und selbst der Türkenkrieg brachte keinen Gewinn. Doch stand Oesterreich, für das Prinz Eugen Ungarn, Belgien und die Lombardei gewonnen hatte, mächtig da, als die franz. Revolution alle europ. Staaten aus den Angeln zu heben drohte. Es führte den Kampf mit Frankreich unermüdet und ehrenhaft, nur Napoleons kriegerisches Genie entriß ihm den schon gewonnenen Sieg, nachdem es 1795 von Preußen im Stiche gelassen war. 1806 gelangten die deutschen Fürsten endlich zu dem lange angestrebten Ziele: sie wurden souverän, säcularisirten die noch übrigen kath. Stifte, unterwarfen die

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[363/0364] im Innern spaltete die Reformation das deutsche Volk in 2 Lager und die Fürsten (nur Haus Habsburg und Haus Wittelsbach blieben kathol.) benutzten die Reformation doppelt: durch die Säcularisation vermehrten sie ihre Macht, durch die Stachelung des Glaubenseifers des prot. Volkes gegen den kath. Kaiser ertödteten sie allmälig jenen Instinct des Volkes, der in dem Kaiser den Hort der deutschen Einheit und Wohlfahrt festhalten wollte. Es gelang Karln durch die Schlacht von Mühlberg 1547 den Schmalkaldischen Bund zu zertrümmern und dadurch dem Eroberungsgang der Reformation Einhalt zu thun, mehr aber nicht; denn als ihn Kurfürst Moritz von Sachsen verrätherisch überfiel u. dem Könige von Frankreich Metz, Toul und Verdun überlieferte, erhob sich für den Kaiser auch nicht ein kath. Herr, weil die kath. wie die protest. Fürsten Wiederherstellung der Kaisermacht mehr als alles andere fürchteten. Unter Ferdinand I., Max II., Rudolf II. hielt Habsburg mühsam seinen Länderbesitz aufrecht, welchen nationale Antipathien, durch religiösen Zwiespalt unterstützt, sowie Türken u. Venetianer gefährdeten. Unter Mathias I. (1618) empörten sich die Böhmen (Ausbruch des 30jährigen Kriegs) und der Kurfürst Friedrich von der Pfalz nahm von ihnen die Königskrone an; zum Glück für Habsburg befreundeten sich Böhmen und Sachsen nicht. Die theuer erkaufte Unterstützung Bayerns gewann Ferdinand II. (1619–37) Böhmen wieder, Wallenstein schuf ein kaiserl. Heer, der Kaiser opferte ihn aber dem Andrängen der Fürsten, besonders Maximilians von Bayern. Durch das Restitutionsedict sahen sich die prot. Fürsten in dem Besitze der gegen die Bestimmungen des Passauer und Augsburger Religionsfriedens säcularisirten Kirchengüter schwer bedroht; der prot. Glaube wäre bei dem Volke in Folge des unglücklichen, angeblich für den Glauben geführten Krieges um alles Vertrauen gekommen und hätte menschlicher Berechnung nach dem kath. im Laufe der Zeit unterliegen müssen. Da warf sich Gustav Adolf von Schweden zu seinem Vertheidiger auf, verband sich mit Frankreich und eroberte mit franz. Gelde und deutschen prot. Soldaten den reichsten Theil D.s, fiel aber bei Lützen, ehe er seine fürstlichen Glaubensbrüder ihrer Kur- und Herzogshüte berauben und sich zum deutschen prot. Kaiser machen konnte. Nach seinem Tode spielte Frankreich mit D. wie einst die Römer mit den Gladiatoren; es besoldete die Schweden, kaufte arme deutsche Fürsten, daß sie ihm deutsche Soldaten warben und den Kaiser bekriegten, vereitelte den Prager Frieden, welchen Sachsen in einer ebenso patriotischen als klugen Regung vermittelt hatte, und als D. bis in das Mark hinein abgeschwächt war, gönnte es ihm endlich 1648 den westfälischen Frieden, der D. aus der Reihe der geltenden Nationen strich. Ludwig XIV. mißhandelte es hierauf fast ein halbes Jahrh. lang, und selbst der span. Erbfolgekrieg (1705–11) gab D. die Vogesengränze nicht zurück. Als mit Karl VI. der habsburg. Mannsstamm 1740 erlosch, vereinigten sich Frankreich, Spanien, Savoyen, Preußen, Bayern u. Sachsen zur Zertrümmerung des österr. Staates, aber Maria Theresia behauptete mit Ausnahme Neapels und Schlesiens ihr Erbe und trotz des erfolglosen 7jährigen Kriegs zur Wiedereroberung Schlesiens gewann die österr. Monarchie unter ihr unschätzbar viel durch die Benutzung vieler sonst brach gelegener Hilfsquellen. Joseph II. sah alle seine Plane scheitern, theils durch Preußen, theils durch den Widerstand der unzufriedenen Belgier und Ungarn, und selbst der Türkenkrieg brachte keinen Gewinn. Doch stand Oesterreich, für das Prinz Eugen Ungarn, Belgien und die Lombardei gewonnen hatte, mächtig da, als die franz. Revolution alle europ. Staaten aus den Angeln zu heben drohte. Es führte den Kampf mit Frankreich unermüdet und ehrenhaft, nur Napoleons kriegerisches Genie entriß ihm den schon gewonnenen Sieg, nachdem es 1795 von Preußen im Stiche gelassen war. 1806 gelangten die deutschen Fürsten endlich zu dem lange angestrebten Ziele: sie wurden souverän, säcularisirten die noch übrigen kath. Stifte, unterwarfen die

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 2. Freiburg im Breisgau, 1854, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon02_1854/364>, abgerufen am 25.11.2024.