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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 3. Freiburg im Breisgau, 1855.

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als durch die charakteristische u. kräftige Porträtirung. - In der Musik haben die Engländer keinen einzigen großen Componisten, auch sehr wenige musikal. Virtuosen; das engl. Gold jedoch hat seit Karl II. immer genug von Euterpens und Polyhymnias Jüngern über den brit. Kanal hinübergeführt.


Großbritanniens (engl.) Literatur. Aus der eigentlichen brit. Zeit (der celtischen) ist nichts erhalten, da die Gesänge Ossians erwiesen theils Macphersons Erzeugniß, theils Nachbildungen irischer Poesien sind. Ueber angelsächs. Literatur s. Angelsachsen, Alfred, Beda. Nach der Eroberung Englands durch die franz. Normannen war die Bildung der herrschenden Klasse französ., daher war die Poesie dieselbe, wie die der eigentl. franz. Trouveres, während die Volkspoesie sich in der Ballade erhielt, die histor., theolog. u. philosoph. Schriftsteller lateinisch schrieben und zu der europ. mittelalterl. Literatur einen bedeutenden Beitrag lieferten. Die eigentl. nationale engl. Literatur beginnt, seitdem Normannen u. Angelsachsen zu einer Nation verschmolzen u. die engl. Sprache sich ausgebildet hatte. Ihre erste Periode eröffnen Gower und besonders Chaucer (s. d.) als Dichter, dem die Schotten William Dunbar (gest. 1530) u. Gawin Douglas (gest. 1522) ebenbürtig nachfolgten. Die vorherrschend prakt. Richtung des engl. Volksgeistes offenbarte sich bereits in den Schriften Fortescues über den Staat, Lyttletons über das engl. Recht. Die Zeit vor der Reformation, wo die class. Studien u. die ital. Poesie die Literaturen aller gebildeten europ. Völker umschufen, ist ziemlich reich an Dichtern (Skelton, Henry Howard Graf v. Surrey, Wyat etc.), von denen jedoch keiner ersten Ranges ist. Einen hohen Aufschwung nahm die gesammte engl. Literatur ungefähr zur Zeit der Königin Elisabeth, namentlich in der Poesie; Spencer gab dem romant. Epos seine Vollendung, in Shakespeare aber erreichte das Drama eine weder vorher noch seitdem übertroffene Höhe. Auch seine unmittelbaren Vorgänger u. Nachfolger, z. B. Marlowe, Green, Beaumont, Fletcher, Massinger etc. stehen keineswegs niedrig, wenn sie auch ihn nicht erreichen. Baco von Verulam eröffnete für die Philosophie ein neues Zeitalter, Harvey entdeckte den Blutumlauf und damit die Grundlage der Physiologie, Nepper fand die Logarithmen, Coke, Selden, Hale etc. bildeten das Privatrecht aus u. verarbeiteten die vorhandene Masse des Einzelnen zu einer geordneten Uebersicht. Die bürgerl. Streitigkeiten, die bereits in den letzten Jahren der Königin Elisabeth aufkeimten und sich unter Jakob I. weiter entwickelten, riefen einen principiellen Kampf über den Ursprung der königl. Würde ins Leben und gaben einer polit., jetzt vergessenen Literatur den Ursprung. Sie hatte ihren bedeutendsten Schriftsteller während der Revolution gegen Karl I. in Milton, welcher puritanischrepublikan. Doctrinär durch sein "Verlornes Paradies" sich den Rang eines der ersten Dichter gesichert hat. Die folgende Periode, der Milton noch theilweise angehört, beginnt mit der Restauration und dauert bis zu Anfang des vor. Jahrh. Der Einfluß des Hofes u. der ihm ergebenen Partei führte dem Puritanismus des Mittelstandes gegenüber den Geschmack an Pomp, Glanz und Genuß, dazu sittliche Frivolität ein, wie sie in Frankreich unter Ludwig XIV. herrschten. Das Epos u. das shakespearsche Drama konnten dieser Richtung nicht gefallen, außer Otway hat sich auch kein Tragiker aus dieser Zeit bei der Nation erhalten, dagegen hatte sie treffliche Lyriker in Dryden, Cowley, Waller etc., ausgezeichnete Lustspieldichter in Wicherley, Congreve, Vanburg, u. am Schlusse der Periode in die folgende hineinbrechend, in Foote, Colman, Cumberland, Sheridan etc., in Butler den Dichter des komischen Nationalepos "Hudibras". Die engl. Wissenschaft übte damals bereits einen Einfluß auf Europa aus. I. Locke verfolgte Bacons Weg in der wissenschaftl. Methode, bildete sie aber zum einseitigen Empirismus aus und wurde dadurch der Vater des modernen Scepticismus; in polit. Beziehung vertrat er die Revolutionsgrundsätze, wogegen Hobbes in seinem "Leviathan" u. "Secive" die unumschränkte Monarchie

als durch die charakteristische u. kräftige Porträtirung. – In der Musik haben die Engländer keinen einzigen großen Componisten, auch sehr wenige musikal. Virtuosen; das engl. Gold jedoch hat seit Karl II. immer genug von Euterpens und Polyhymnias Jüngern über den brit. Kanal hinübergeführt.


Großbritanniens (engl.) Literatur. Aus der eigentlichen brit. Zeit (der celtischen) ist nichts erhalten, da die Gesänge Ossians erwiesen theils Macphersons Erzeugniß, theils Nachbildungen irischer Poesien sind. Ueber angelsächs. Literatur s. Angelsachsen, Alfred, Beda. Nach der Eroberung Englands durch die franz. Normannen war die Bildung der herrschenden Klasse französ., daher war die Poesie dieselbe, wie die der eigentl. franz. Trouvères, während die Volkspoesie sich in der Ballade erhielt, die histor., theolog. u. philosoph. Schriftsteller lateinisch schrieben und zu der europ. mittelalterl. Literatur einen bedeutenden Beitrag lieferten. Die eigentl. nationale engl. Literatur beginnt, seitdem Normannen u. Angelsachsen zu einer Nation verschmolzen u. die engl. Sprache sich ausgebildet hatte. Ihre erste Periode eröffnen Gower und besonders Chaucer (s. d.) als Dichter, dem die Schotten William Dunbar (gest. 1530) u. Gawin Douglas (gest. 1522) ebenbürtig nachfolgten. Die vorherrschend prakt. Richtung des engl. Volksgeistes offenbarte sich bereits in den Schriften Fortescues über den Staat, Lyttletons über das engl. Recht. Die Zeit vor der Reformation, wo die class. Studien u. die ital. Poesie die Literaturen aller gebildeten europ. Völker umschufen, ist ziemlich reich an Dichtern (Skelton, Henry Howard Graf v. Surrey, Wyat etc.), von denen jedoch keiner ersten Ranges ist. Einen hohen Aufschwung nahm die gesammte engl. Literatur ungefähr zur Zeit der Königin Elisabeth, namentlich in der Poesie; Spencer gab dem romant. Epos seine Vollendung, in Shakespeare aber erreichte das Drama eine weder vorher noch seitdem übertroffene Höhe. Auch seine unmittelbaren Vorgänger u. Nachfolger, z. B. Marlowe, Green, Beaumont, Fletcher, Massinger etc. stehen keineswegs niedrig, wenn sie auch ihn nicht erreichen. Baco von Verulam eröffnete für die Philosophie ein neues Zeitalter, Harvey entdeckte den Blutumlauf und damit die Grundlage der Physiologie, Nepper fand die Logarithmen, Coke, Selden, Hale etc. bildeten das Privatrecht aus u. verarbeiteten die vorhandene Masse des Einzelnen zu einer geordneten Uebersicht. Die bürgerl. Streitigkeiten, die bereits in den letzten Jahren der Königin Elisabeth aufkeimten und sich unter Jakob I. weiter entwickelten, riefen einen principiellen Kampf über den Ursprung der königl. Würde ins Leben und gaben einer polit., jetzt vergessenen Literatur den Ursprung. Sie hatte ihren bedeutendsten Schriftsteller während der Revolution gegen Karl I. in Milton, welcher puritanischrepublikan. Doctrinär durch sein „Verlornes Paradies“ sich den Rang eines der ersten Dichter gesichert hat. Die folgende Periode, der Milton noch theilweise angehört, beginnt mit der Restauration und dauert bis zu Anfang des vor. Jahrh. Der Einfluß des Hofes u. der ihm ergebenen Partei führte dem Puritanismus des Mittelstandes gegenüber den Geschmack an Pomp, Glanz und Genuß, dazu sittliche Frivolität ein, wie sie in Frankreich unter Ludwig XIV. herrschten. Das Epos u. das shakespearsche Drama konnten dieser Richtung nicht gefallen, außer Otway hat sich auch kein Tragiker aus dieser Zeit bei der Nation erhalten, dagegen hatte sie treffliche Lyriker in Dryden, Cowley, Waller etc., ausgezeichnete Lustspieldichter in Wicherley, Congrève, Vanburg, u. am Schlusse der Periode in die folgende hineinbrechend, in Foote, Colman, Cumberland, Sheridan etc., in Butler den Dichter des komischen Nationalepos „Hudibras“. Die engl. Wissenschaft übte damals bereits einen Einfluß auf Europa aus. I. Locke verfolgte Bacons Weg in der wissenschaftl. Methode, bildete sie aber zum einseitigen Empirismus aus und wurde dadurch der Vater des modernen Scepticismus; in polit. Beziehung vertrat er die Revolutionsgrundsätze, wogegen Hobbes in seinem „Leviathan“ u. „Secive“ die unumschränkte Monarchie

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[169/0170] als durch die charakteristische u. kräftige Porträtirung. – In der Musik haben die Engländer keinen einzigen großen Componisten, auch sehr wenige musikal. Virtuosen; das engl. Gold jedoch hat seit Karl II. immer genug von Euterpens und Polyhymnias Jüngern über den brit. Kanal hinübergeführt. Großbritanniens (engl.) Literatur. Aus der eigentlichen brit. Zeit (der celtischen) ist nichts erhalten, da die Gesänge Ossians erwiesen theils Macphersons Erzeugniß, theils Nachbildungen irischer Poesien sind. Ueber angelsächs. Literatur s. Angelsachsen, Alfred, Beda. Nach der Eroberung Englands durch die franz. Normannen war die Bildung der herrschenden Klasse französ., daher war die Poesie dieselbe, wie die der eigentl. franz. Trouvères, während die Volkspoesie sich in der Ballade erhielt, die histor., theolog. u. philosoph. Schriftsteller lateinisch schrieben und zu der europ. mittelalterl. Literatur einen bedeutenden Beitrag lieferten. Die eigentl. nationale engl. Literatur beginnt, seitdem Normannen u. Angelsachsen zu einer Nation verschmolzen u. die engl. Sprache sich ausgebildet hatte. Ihre erste Periode eröffnen Gower und besonders Chaucer (s. d.) als Dichter, dem die Schotten William Dunbar (gest. 1530) u. Gawin Douglas (gest. 1522) ebenbürtig nachfolgten. Die vorherrschend prakt. Richtung des engl. Volksgeistes offenbarte sich bereits in den Schriften Fortescues über den Staat, Lyttletons über das engl. Recht. Die Zeit vor der Reformation, wo die class. Studien u. die ital. Poesie die Literaturen aller gebildeten europ. Völker umschufen, ist ziemlich reich an Dichtern (Skelton, Henry Howard Graf v. Surrey, Wyat etc.), von denen jedoch keiner ersten Ranges ist. Einen hohen Aufschwung nahm die gesammte engl. Literatur ungefähr zur Zeit der Königin Elisabeth, namentlich in der Poesie; Spencer gab dem romant. Epos seine Vollendung, in Shakespeare aber erreichte das Drama eine weder vorher noch seitdem übertroffene Höhe. Auch seine unmittelbaren Vorgänger u. Nachfolger, z. B. Marlowe, Green, Beaumont, Fletcher, Massinger etc. stehen keineswegs niedrig, wenn sie auch ihn nicht erreichen. Baco von Verulam eröffnete für die Philosophie ein neues Zeitalter, Harvey entdeckte den Blutumlauf und damit die Grundlage der Physiologie, Nepper fand die Logarithmen, Coke, Selden, Hale etc. bildeten das Privatrecht aus u. verarbeiteten die vorhandene Masse des Einzelnen zu einer geordneten Uebersicht. Die bürgerl. Streitigkeiten, die bereits in den letzten Jahren der Königin Elisabeth aufkeimten und sich unter Jakob I. weiter entwickelten, riefen einen principiellen Kampf über den Ursprung der königl. Würde ins Leben und gaben einer polit., jetzt vergessenen Literatur den Ursprung. Sie hatte ihren bedeutendsten Schriftsteller während der Revolution gegen Karl I. in Milton, welcher puritanischrepublikan. Doctrinär durch sein „Verlornes Paradies“ sich den Rang eines der ersten Dichter gesichert hat. Die folgende Periode, der Milton noch theilweise angehört, beginnt mit der Restauration und dauert bis zu Anfang des vor. Jahrh. Der Einfluß des Hofes u. der ihm ergebenen Partei führte dem Puritanismus des Mittelstandes gegenüber den Geschmack an Pomp, Glanz und Genuß, dazu sittliche Frivolität ein, wie sie in Frankreich unter Ludwig XIV. herrschten. Das Epos u. das shakespearsche Drama konnten dieser Richtung nicht gefallen, außer Otway hat sich auch kein Tragiker aus dieser Zeit bei der Nation erhalten, dagegen hatte sie treffliche Lyriker in Dryden, Cowley, Waller etc., ausgezeichnete Lustspieldichter in Wicherley, Congrève, Vanburg, u. am Schlusse der Periode in die folgende hineinbrechend, in Foote, Colman, Cumberland, Sheridan etc., in Butler den Dichter des komischen Nationalepos „Hudibras“. Die engl. Wissenschaft übte damals bereits einen Einfluß auf Europa aus. I. Locke verfolgte Bacons Weg in der wissenschaftl. Methode, bildete sie aber zum einseitigen Empirismus aus und wurde dadurch der Vater des modernen Scepticismus; in polit. Beziehung vertrat er die Revolutionsgrundsätze, wogegen Hobbes in seinem „Leviathan“ u. „Secive“ die unumschränkte Monarchie

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 3. Freiburg im Breisgau, 1855, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon03_1855/170>, abgerufen am 23.11.2024.