Herders Conversations-Lexikon. Bd. 3. Freiburg im Breisgau, 1855.welcher er mit andern protestantisirenden Doctrinärs jene Art von Constitutionalismus docirte, durch welchen Preußen sich die Hegemonie über Deutschland erwerben sollte. Das Auftreten Ronges feierte er 1845 mit der "Mission der Deutschkatholiken", worin er zeigen wollte, daß durch den sog. Deutschkatholicismus in dem gemeinen Volke die Erkenntniß Leben und Form gewinne, die bei den Gebildeten als Rationalismus seit einem Jahrh. herrsche, aber wegen dieser Beschränkung auf die zerstreuten Höherstehenden unmöglich etwas wie eine kirchliche Genossenschaft habe gründen können. Wenige Jahre reichten hin um G. thatsächlich zu widerlegen, nichts desto weniger nahm er in seiner "Einleitung in die Geschichte des 19. Jahrh.", Leipz. 1853, abermals histor. Prophetengabe in Anspruch; der gleiche Mann, der 1847 und 48 das Heil in dem Constitutionalismus angeschaut u. verkündet hatte, bekannte, als das Wunderkind in Frankfurt u. Erfurt sich nicht als polit. Messias qualificirte, daß er sich geirrt habe, die Zeit gehe jetzt mit der Demokratie schwanger und werde nach Ablauf der Frist die Republik gebären, d. h. G. fand 1853, daß Hecker und nicht Dahlmann, Gagern etc. 1848 auf der rechten Fährte gewesen seien. Die stümperhafte aber marktschreierische Schrift ist bereits vergessen, obwohl deutsche Regierungen ihr so viel Aufmerksamkeit schenkten, daß sie dieselbe confisciren ließen. G. gab, auf das ästhetische Gebiet zurücktretend, Leipzig 1849-50 seine Studien über "Shakespeare" heraus; das Buch wurde von seinen Gesinnungsgenossen mit Zuruf empfangen, wir zweifeln aber sehr, ob es in 5 Jahren noch die gleichen Ansprüche geltend machen könne. Geryon, nach der griech. Mythe ein dreiköpfiger Riese in Spanien, dessen Heerden Herkules raubte und den verfolgenden G. erschlug. Gesättigt, heißt in der Chemie eine Lösung, wenn dieselbe keine weiteren Bestandtheile mehr aufnimmt; g. e Farbe, wenn dieselbe ihre volle Stärke zeigt. Gesammte Hand, Gesammtlehen, Lehen, welches Mehren ertheilt wird. Gesammteigenthum, deutschrechtlich unterschieden vom Miteigenthum u. von der universitas. Herrschaft in Gemeinschaft, vornämlich bei der neuern Markgenossenschaft am gemeinen Gut, ehelichen Gütergemeinschaft, bei Erbverbrüderungen, Familienstiftungen, Deichverband, Bergrechten der Gewerkschaften u. beim Vermögen der Actiengesellschaften. Gesammtforderungen, Gesammtschulden, unter mehren Personen in der Weise, daß jeder Antheiler zunächst nur mit einem Theile betheiligt ist, alle zusammen aber für das Ganze, jeder für den andern subsidiär verbunden bleibt. Gesammtstimme, Curiatstimme, Stimme einer Curie, im Gegensatz zur Virilstimme, einzelnen Stimme. Gesandar-Aga, der türk. Großschatzmeister. Gesandte, die Vertreter eines Staates bei einem fremden. Man unterscheidet gegenwärtig 4 Klassen: 1) den Großbotschafter (Ambassadeur, Nuntius, legatus a latere des Papstes), welcher als Repräsentant seines Souveräns behandelt wird; 2) die G.n (envoyes, internuntii, ministres plenipotentiaires, bevollmächtigte Minister), gewöhnlich außerordentliche G. genannt, sind durch ihren Souverän beglaubigt, vertreten aber nicht dessen Person, sondern ihren Staat in Geschäften; 3) die Residenten, Minister-Geschäftsträger, Ministerresidenten (Ministres charges d'affaires, Ministres residens), repräsentiren die Minister ihres Staats, treten deßwegen einfacher auf; 4) Geschäftsträger (Charges d'affaires), Legationssecretäre, diplomatische Agenten, welche von ihrem Ministerium oder G.n bei dem fremden Ministerium beglaubigt sind. Der G. beglaubigt sich durch Ueberreichung seines Creditivs bei dem Minister des Auswärtigen, worauf er in der Regel eine Audienz bei dem Souverän erhält. Sein Verfahren wird ihm durch Instructionen vorgeschrieben, in besonderen Fällen durch Depeschen. Zu dem Gesandtschaftsrechte gehören Unverletzlichkeit, Freiheit von Hausdurchsuchungen, Abgaben und Zöllen, Exterritorialität, welche Rechte sich auf ihr unmittelbares Gefolge erstrecken. Ihre Gewalt hört auf durch Rückberufung, welcher er mit andern protestantisirenden Doctrinärs jene Art von Constitutionalismus docirte, durch welchen Preußen sich die Hegemonie über Deutschland erwerben sollte. Das Auftreten Ronges feierte er 1845 mit der „Mission der Deutschkatholiken“, worin er zeigen wollte, daß durch den sog. Deutschkatholicismus in dem gemeinen Volke die Erkenntniß Leben und Form gewinne, die bei den Gebildeten als Rationalismus seit einem Jahrh. herrsche, aber wegen dieser Beschränkung auf die zerstreuten Höherstehenden unmöglich etwas wie eine kirchliche Genossenschaft habe gründen können. Wenige Jahre reichten hin um G. thatsächlich zu widerlegen, nichts desto weniger nahm er in seiner „Einleitung in die Geschichte des 19. Jahrh.“, Leipz. 1853, abermals histor. Prophetengabe in Anspruch; der gleiche Mann, der 1847 und 48 das Heil in dem Constitutionalismus angeschaut u. verkündet hatte, bekannte, als das Wunderkind in Frankfurt u. Erfurt sich nicht als polit. Messias qualificirte, daß er sich geirrt habe, die Zeit gehe jetzt mit der Demokratie schwanger und werde nach Ablauf der Frist die Republik gebären, d. h. G. fand 1853, daß Hecker und nicht Dahlmann, Gagern etc. 1848 auf der rechten Fährte gewesen seien. Die stümperhafte aber marktschreierische Schrift ist bereits vergessen, obwohl deutsche Regierungen ihr so viel Aufmerksamkeit schenkten, daß sie dieselbe confisciren ließen. G. gab, auf das ästhetische Gebiet zurücktretend, Leipzig 1849–50 seine Studien über „Shakespeare“ heraus; das Buch wurde von seinen Gesinnungsgenossen mit Zuruf empfangen, wir zweifeln aber sehr, ob es in 5 Jahren noch die gleichen Ansprüche geltend machen könne. Geryon, nach der griech. Mythe ein dreiköpfiger Riese in Spanien, dessen Heerden Herkules raubte und den verfolgenden G. erschlug. Gesättigt, heißt in der Chemie eine Lösung, wenn dieselbe keine weiteren Bestandtheile mehr aufnimmt; g. e Farbe, wenn dieselbe ihre volle Stärke zeigt. Gesammte Hand, Gesammtlehen, Lehen, welches Mehren ertheilt wird. Gesammteigenthum, deutschrechtlich unterschieden vom Miteigenthum u. von der universitas. Herrschaft in Gemeinschaft, vornämlich bei der neuern Markgenossenschaft am gemeinen Gut, ehelichen Gütergemeinschaft, bei Erbverbrüderungen, Familienstiftungen, Deichverband, Bergrechten der Gewerkschaften u. beim Vermögen der Actiengesellschaften. Gesammtforderungen, Gesammtschulden, unter mehren Personen in der Weise, daß jeder Antheiler zunächst nur mit einem Theile betheiligt ist, alle zusammen aber für das Ganze, jeder für den andern subsidiär verbunden bleibt. Gesammtstimme, Curiatstimme, Stimme einer Curie, im Gegensatz zur Virilstimme, einzelnen Stimme. Gesandar-Aga, der türk. Großschatzmeister. Gesandte, die Vertreter eines Staates bei einem fremden. Man unterscheidet gegenwärtig 4 Klassen: 1) den Großbotschafter (Ambassadeur, Nuntius, legatus a latere des Papstes), welcher als Repräsentant seines Souveräns behandelt wird; 2) die G.n (envoyés, internuntii, ministres plénipotentiaires, bevollmächtigte Minister), gewöhnlich außerordentliche G. genannt, sind durch ihren Souverän beglaubigt, vertreten aber nicht dessen Person, sondern ihren Staat in Geschäften; 3) die Residenten, Minister-Geschäftsträger, Ministerresidenten (Ministres chargés dʼaffaires, Ministres résidens), repräsentiren die Minister ihres Staats, treten deßwegen einfacher auf; 4) Geschäftsträger (Chargés dʼaffaires), Legationssecretäre, diplomatische Agenten, welche von ihrem Ministerium oder G.n bei dem fremden Ministerium beglaubigt sind. Der G. beglaubigt sich durch Ueberreichung seines Creditivs bei dem Minister des Auswärtigen, worauf er in der Regel eine Audienz bei dem Souverän erhält. Sein Verfahren wird ihm durch Instructionen vorgeschrieben, in besonderen Fällen durch Depeschen. Zu dem Gesandtschaftsrechte gehören Unverletzlichkeit, Freiheit von Hausdurchsuchungen, Abgaben und Zöllen, Exterritorialität, welche Rechte sich auf ihr unmittelbares Gefolge erstrecken. Ihre Gewalt hört auf durch Rückberufung, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="lexiconEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0069" n="68"/> welcher er mit andern protestantisirenden Doctrinärs jene Art von Constitutionalismus docirte, durch welchen Preußen sich die Hegemonie über Deutschland erwerben sollte. Das Auftreten Ronges feierte er 1845 mit der „Mission der Deutschkatholiken“, worin er zeigen wollte, daß durch den sog. Deutschkatholicismus in dem gemeinen Volke die Erkenntniß Leben und Form gewinne, die bei den Gebildeten als Rationalismus seit einem Jahrh. herrsche, aber wegen dieser Beschränkung auf die zerstreuten Höherstehenden unmöglich etwas wie eine kirchliche Genossenschaft habe gründen können. Wenige Jahre reichten hin um G. thatsächlich zu widerlegen, nichts desto weniger nahm er in seiner „Einleitung in die Geschichte des 19. Jahrh.“, Leipz. 1853, abermals histor. Prophetengabe in Anspruch; der gleiche Mann, der 1847 und 48 das Heil in dem Constitutionalismus angeschaut u. verkündet hatte, bekannte, als das Wunderkind in Frankfurt u. Erfurt sich nicht als polit. Messias qualificirte, daß er sich geirrt habe, die Zeit gehe jetzt mit der Demokratie schwanger und werde nach Ablauf der Frist die Republik gebären, d. h. G. fand 1853, daß Hecker und nicht Dahlmann, Gagern etc. 1848 auf der rechten Fährte gewesen seien. Die stümperhafte aber marktschreierische Schrift ist bereits vergessen, obwohl deutsche Regierungen ihr so viel Aufmerksamkeit schenkten, daß sie dieselbe confisciren ließen. G. gab, auf das ästhetische Gebiet zurücktretend, Leipzig 1849–50 seine Studien über „Shakespeare“ heraus; das Buch wurde von seinen Gesinnungsgenossen mit Zuruf empfangen, wir zweifeln aber sehr, ob es in 5 Jahren noch die gleichen Ansprüche geltend machen könne.</p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <p><hi rendition="#b">Geryon</hi>, nach der griech. 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Geryon, nach der griech. Mythe ein dreiköpfiger Riese in Spanien, dessen Heerden Herkules raubte und den verfolgenden G. erschlug.
Gesättigt, heißt in der Chemie eine Lösung, wenn dieselbe keine weiteren Bestandtheile mehr aufnimmt; g. e Farbe, wenn dieselbe ihre volle Stärke zeigt.
Gesammte Hand, Gesammtlehen, Lehen, welches Mehren ertheilt wird.
Gesammteigenthum, deutschrechtlich unterschieden vom Miteigenthum u. von der universitas. Herrschaft in Gemeinschaft, vornämlich bei der neuern Markgenossenschaft am gemeinen Gut, ehelichen Gütergemeinschaft, bei Erbverbrüderungen, Familienstiftungen, Deichverband, Bergrechten der Gewerkschaften u. beim Vermögen der Actiengesellschaften.
Gesammtforderungen, Gesammtschulden, unter mehren Personen in der Weise, daß jeder Antheiler zunächst nur mit einem Theile betheiligt ist, alle zusammen aber für das Ganze, jeder für den andern subsidiär verbunden bleibt.
Gesammtstimme, Curiatstimme, Stimme einer Curie, im Gegensatz zur Virilstimme, einzelnen Stimme.
Gesandar-Aga, der türk. Großschatzmeister.
Gesandte, die Vertreter eines Staates bei einem fremden. Man unterscheidet gegenwärtig 4 Klassen: 1) den Großbotschafter (Ambassadeur, Nuntius, legatus a latere des Papstes), welcher als Repräsentant seines Souveräns behandelt wird; 2) die G.n (envoyés, internuntii, ministres plénipotentiaires, bevollmächtigte Minister), gewöhnlich außerordentliche G. genannt, sind durch ihren Souverän beglaubigt, vertreten aber nicht dessen Person, sondern ihren Staat in Geschäften; 3) die Residenten, Minister-Geschäftsträger, Ministerresidenten (Ministres chargés dʼaffaires, Ministres résidens), repräsentiren die Minister ihres Staats, treten deßwegen einfacher auf; 4) Geschäftsträger (Chargés dʼaffaires), Legationssecretäre, diplomatische Agenten, welche von ihrem Ministerium oder G.n bei dem fremden Ministerium beglaubigt sind. Der G. beglaubigt sich durch Ueberreichung seines Creditivs bei dem Minister des Auswärtigen, worauf er in der Regel eine Audienz bei dem Souverän erhält. Sein Verfahren wird ihm durch Instructionen vorgeschrieben, in besonderen Fällen durch Depeschen. Zu dem Gesandtschaftsrechte gehören Unverletzlichkeit, Freiheit von Hausdurchsuchungen, Abgaben und Zöllen, Exterritorialität, welche Rechte sich auf ihr unmittelbares Gefolge erstrecken. Ihre Gewalt hört auf durch Rückberufung,
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Zitationshilfe: | Herders Conversations-Lexikon. Bd. 3. Freiburg im Breisgau, 1855, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon03_1855/69>, abgerufen am 27.07.2024. |