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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857.

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Jahrh. (früher bezeichnete universitas die einzelne Facultät oder die privilegirte Corporation von Lehrern u. Studierenden) eine solche höhere Bildungsanstalt, in welcher die Wissenschaft um ihrer selbst willen in ihrem organischen Zusammenhange vorgetragen werden soll. Sie soll das Gesammtwissen der Zeit in seinem wissenschaftlich en Zusammenhange repräsentiren u. auf das jüngere Geschlecht fortpflanzen, woraus folgt, daß die U. mit der modernen Akademie (s. Akademie) den Hauptzweck: Erweiterung des Gebietes der Wissenschaften und Eröffnung neuer Bahnen für dieselbe, gemeinsam hat, u. daß die sog. Brotstudien nur ein Nebenzweck der U. sein sollen. Im grauen Alterthum war höhere Geistesbildung das Eigenthum besonderer Genossenschaften (Kasten der Inder, Aegypter, Chaldäer u. s. f.), bei den Hellenen dagegen wurde sie Vorbedingung des Eintrittes ins öffentliche Leben für jeden Bürger; im Gymnasium holte der Jüngling Uebung der Leibeskraft, im Pädagogium die Anfänge geistiger Bildung (Elementarunterricht, Grammatik, Lectüre der Dichter, später Geographie, Arithmetik, Geometrie u. Zeichnungskunst), frühe begann der Unterricht in der Musik, Sophisten u. Philosophen unterrichteten in der Rhetorik, Politik und Philosophie, um ausgezeichnete Lehrer sammelten sich viele Schüler, etwa seit 400 v. Chr. wurde Honorar bezahlt (Protagoras). Hauptsitz der griech. Bildung wurde und blieb viele Jahrh. hindurch Athen. Die alten Römer erhielten ihre Bildung zumeist durch griech. Lehrer (oft genug durch gründlich verkommene Sklaven), der Staat widmete den Anstalten in Athen, Byzanz, Rhodus, Alexandrien u. s. f. seine Aufmerksamkeit, aber erst Kaiser Vespasian rief öffentliche Schulen ins Leben und besoldete öffentliche Lehrer der Grammatik u. Rhetorik (professores; Quintilian) Hadrian stiftete auf dem Capitol das Athenäum, Anton in der Fromme stellte Lehrer der Philosophie an, Konstantin d. Gr. errichtete in Byzanz ein Capitol u. ein Auditorium von 31 Professoren. Ptolemäus Philadelphus gründete die erste Akademie der Künste und Wissenschaften, nämlich das Museum zu Alexandrien. Bis in die Zeiten der Völkerwanderung blieben Athen, Rom, Alexandrien und Konstantinopel die Hauptstätten der Gelehrsamkeit, im Abendlande blühten höhere Bildungsanstalten auf zu Massilia (Marseille), Lugdunum (Lyon), Augustodunum (Autun), Augusta Trevirorum (Trier) und anderorts. Daß die Khalifen der Araber für die Ausbildung ihrer Unterthanen sorgten, zeigten die Rechtsschule zu Berytus, die Studien zu Nisibis, die christlichen Anstalten zu Antiochien und Edessa; zu Bagdad wurden Grammatik, Poesie, Philosophie, Naturwissenschaften, Astronomie, Mathematik, Rechts- und Heilkunde eifrig betrieben, Aegypten und Spanien hatten ihre Gelehrtenschulen, der Ommajade Abderrhaman u. Harun al Raschid sind als Pfleger der Wissenschaften berühmt. Gutes leistete auch das jüdische Schulwesen (s. d.), doch weit segensreicher und in weiten Kreisen hatten die der Ungunst der Zeit erlegenen christlichen Katechetenschulen (s. Katechetenschule) gewirkt. Nach dem Untergange der alten Welt sorgte die Kirche für die höhere Ausbildung der Barbaren der Völkerwanderung. Geistliche u. Klöster waren die Träger und Verbreiter der Wissenschaft (Cassiodorus). Karl d. Gr. leistete im Bunde mit der Kirche Unsterbliches für das Schul- u. höhere Unterrichtswesen; seine Kaiserschulen und sogar seine schola palatii in Paris (Alcuin) kamen zwar unter den schwachen Nachfolgern in Verfall, aber zahlreiche Dom- u. Klosterschulen (s. d.) blühten auf u. fort, daneben entstanden Rechtsschulen zu Clermont, Lyon, Toul, eine weltberühmte Arzneischule zu Salerno (1075?), und aus diesen Elementen erwuchsen die U.en. Die ältesten derselben sind Bologna und Paris. Erstere bestand zweifelsohne schon lange vor Kaiser Friedrichs I. Zeit, erhielt aber durch diesen besondere Vorrechte 1158; sie war zuerst Rechtsschule (Irnerius, Werner), weßhalb auch die Rechtslehrer Vorrechte bei Ausübung der eigenen Gerichtsbarkeit behielten. Der Grundzug ihrer Verfassung war demokra-

Jahrh. (früher bezeichnete universitas die einzelne Facultät oder die privilegirte Corporation von Lehrern u. Studierenden) eine solche höhere Bildungsanstalt, in welcher die Wissenschaft um ihrer selbst willen in ihrem organischen Zusammenhange vorgetragen werden soll. Sie soll das Gesammtwissen der Zeit in seinem wissenschaftlich en Zusammenhange repräsentiren u. auf das jüngere Geschlecht fortpflanzen, woraus folgt, daß die U. mit der modernen Akademie (s. Akademie) den Hauptzweck: Erweiterung des Gebietes der Wissenschaften und Eröffnung neuer Bahnen für dieselbe, gemeinsam hat, u. daß die sog. Brotstudien nur ein Nebenzweck der U. sein sollen. Im grauen Alterthum war höhere Geistesbildung das Eigenthum besonderer Genossenschaften (Kasten der Inder, Aegypter, Chaldäer u. s. f.), bei den Hellenen dagegen wurde sie Vorbedingung des Eintrittes ins öffentliche Leben für jeden Bürger; im Gymnasium holte der Jüngling Uebung der Leibeskraft, im Pädagogium die Anfänge geistiger Bildung (Elementarunterricht, Grammatik, Lectüre der Dichter, später Geographie, Arithmetik, Geometrie u. Zeichnungskunst), frühe begann der Unterricht in der Musik, Sophisten u. Philosophen unterrichteten in der Rhetorik, Politik und Philosophie, um ausgezeichnete Lehrer sammelten sich viele Schüler, etwa seit 400 v. Chr. wurde Honorar bezahlt (Protagoras). Hauptsitz der griech. Bildung wurde und blieb viele Jahrh. hindurch Athen. Die alten Römer erhielten ihre Bildung zumeist durch griech. Lehrer (oft genug durch gründlich verkommene Sklaven), der Staat widmete den Anstalten in Athen, Byzanz, Rhodus, Alexandrien u. s. f. seine Aufmerksamkeit, aber erst Kaiser Vespasian rief öffentliche Schulen ins Leben und besoldete öffentliche Lehrer der Grammatik u. Rhetorik (professores; Quintilian) Hadrian stiftete auf dem Capitol das Athenäum, Anton in der Fromme stellte Lehrer der Philosophie an, Konstantin d. Gr. errichtete in Byzanz ein Capitol u. ein Auditorium von 31 Professoren. Ptolemäus Philadelphus gründete die erste Akademie der Künste und Wissenschaften, nämlich das Museum zu Alexandrien. Bis in die Zeiten der Völkerwanderung blieben Athen, Rom, Alexandrien und Konstantinopel die Hauptstätten der Gelehrsamkeit, im Abendlande blühten höhere Bildungsanstalten auf zu Massilia (Marseille), Lugdunum (Lyon), Augustodunum (Autun), Augusta Trevirorum (Trier) und anderorts. Daß die Khalifen der Araber für die Ausbildung ihrer Unterthanen sorgten, zeigten die Rechtsschule zu Berytus, die Studien zu Nisibis, die christlichen Anstalten zu Antiochien und Edessa; zu Bagdad wurden Grammatik, Poesie, Philosophie, Naturwissenschaften, Astronomie, Mathematik, Rechts- und Heilkunde eifrig betrieben, Aegypten und Spanien hatten ihre Gelehrtenschulen, der Ommajade Abderrhaman u. Harun al Raschid sind als Pfleger der Wissenschaften berühmt. Gutes leistete auch das jüdische Schulwesen (s. d.), doch weit segensreicher und in weiten Kreisen hatten die der Ungunst der Zeit erlegenen christlichen Katechetenschulen (s. Katechetenschule) gewirkt. Nach dem Untergange der alten Welt sorgte die Kirche für die höhere Ausbildung der Barbaren der Völkerwanderung. Geistliche u. Klöster waren die Träger und Verbreiter der Wissenschaft (Cassiodorus). Karl d. Gr. leistete im Bunde mit der Kirche Unsterbliches für das Schul- u. höhere Unterrichtswesen; seine Kaiserschulen und sogar seine schola palatii in Paris (Alcuin) kamen zwar unter den schwachen Nachfolgern in Verfall, aber zahlreiche Dom- u. Klosterschulen (s. d.) blühten auf u. fort, daneben entstanden Rechtsschulen zu Clermont, Lyon, Toul, eine weltberühmte Arzneischule zu Salerno (1075?), und aus diesen Elementen erwuchsen die U.en. Die ältesten derselben sind Bologna und Paris. Erstere bestand zweifelsohne schon lange vor Kaiser Friedrichs I. Zeit, erhielt aber durch diesen besondere Vorrechte 1158; sie war zuerst Rechtsschule (Irnerius, Werner), weßhalb auch die Rechtslehrer Vorrechte bei Ausübung der eigenen Gerichtsbarkeit behielten. Der Grundzug ihrer Verfassung war demokra-

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[558/0559] Jahrh. (früher bezeichnete universitas die einzelne Facultät oder die privilegirte Corporation von Lehrern u. Studierenden) eine solche höhere Bildungsanstalt, in welcher die Wissenschaft um ihrer selbst willen in ihrem organischen Zusammenhange vorgetragen werden soll. Sie soll das Gesammtwissen der Zeit in seinem wissenschaftlich en Zusammenhange repräsentiren u. auf das jüngere Geschlecht fortpflanzen, woraus folgt, daß die U. mit der modernen Akademie (s. Akademie) den Hauptzweck: Erweiterung des Gebietes der Wissenschaften und Eröffnung neuer Bahnen für dieselbe, gemeinsam hat, u. daß die sog. Brotstudien nur ein Nebenzweck der U. sein sollen. Im grauen Alterthum war höhere Geistesbildung das Eigenthum besonderer Genossenschaften (Kasten der Inder, Aegypter, Chaldäer u. s. f.), bei den Hellenen dagegen wurde sie Vorbedingung des Eintrittes ins öffentliche Leben für jeden Bürger; im Gymnasium holte der Jüngling Uebung der Leibeskraft, im Pädagogium die Anfänge geistiger Bildung (Elementarunterricht, Grammatik, Lectüre der Dichter, später Geographie, Arithmetik, Geometrie u. Zeichnungskunst), frühe begann der Unterricht in der Musik, Sophisten u. Philosophen unterrichteten in der Rhetorik, Politik und Philosophie, um ausgezeichnete Lehrer sammelten sich viele Schüler, etwa seit 400 v. Chr. wurde Honorar bezahlt (Protagoras). Hauptsitz der griech. Bildung wurde und blieb viele Jahrh. hindurch Athen. Die alten Römer erhielten ihre Bildung zumeist durch griech. Lehrer (oft genug durch gründlich verkommene Sklaven), der Staat widmete den Anstalten in Athen, Byzanz, Rhodus, Alexandrien u. s. f. seine Aufmerksamkeit, aber erst Kaiser Vespasian rief öffentliche Schulen ins Leben und besoldete öffentliche Lehrer der Grammatik u. Rhetorik (professores; Quintilian) Hadrian stiftete auf dem Capitol das Athenäum, Anton in der Fromme stellte Lehrer der Philosophie an, Konstantin d. Gr. errichtete in Byzanz ein Capitol u. ein Auditorium von 31 Professoren. Ptolemäus Philadelphus gründete die erste Akademie der Künste und Wissenschaften, nämlich das Museum zu Alexandrien. Bis in die Zeiten der Völkerwanderung blieben Athen, Rom, Alexandrien und Konstantinopel die Hauptstätten der Gelehrsamkeit, im Abendlande blühten höhere Bildungsanstalten auf zu Massilia (Marseille), Lugdunum (Lyon), Augustodunum (Autun), Augusta Trevirorum (Trier) und anderorts. Daß die Khalifen der Araber für die Ausbildung ihrer Unterthanen sorgten, zeigten die Rechtsschule zu Berytus, die Studien zu Nisibis, die christlichen Anstalten zu Antiochien und Edessa; zu Bagdad wurden Grammatik, Poesie, Philosophie, Naturwissenschaften, Astronomie, Mathematik, Rechts- und Heilkunde eifrig betrieben, Aegypten und Spanien hatten ihre Gelehrtenschulen, der Ommajade Abderrhaman u. Harun al Raschid sind als Pfleger der Wissenschaften berühmt. Gutes leistete auch das jüdische Schulwesen (s. d.), doch weit segensreicher und in weiten Kreisen hatten die der Ungunst der Zeit erlegenen christlichen Katechetenschulen (s. Katechetenschule) gewirkt. Nach dem Untergange der alten Welt sorgte die Kirche für die höhere Ausbildung der Barbaren der Völkerwanderung. Geistliche u. Klöster waren die Träger und Verbreiter der Wissenschaft (Cassiodorus). Karl d. Gr. leistete im Bunde mit der Kirche Unsterbliches für das Schul- u. höhere Unterrichtswesen; seine Kaiserschulen und sogar seine schola palatii in Paris (Alcuin) kamen zwar unter den schwachen Nachfolgern in Verfall, aber zahlreiche Dom- u. Klosterschulen (s. d.) blühten auf u. fort, daneben entstanden Rechtsschulen zu Clermont, Lyon, Toul, eine weltberühmte Arzneischule zu Salerno (1075?), und aus diesen Elementen erwuchsen die U.en. Die ältesten derselben sind Bologna und Paris. Erstere bestand zweifelsohne schon lange vor Kaiser Friedrichs I. Zeit, erhielt aber durch diesen besondere Vorrechte 1158; sie war zuerst Rechtsschule (Irnerius, Werner), weßhalb auch die Rechtslehrer Vorrechte bei Ausübung der eigenen Gerichtsbarkeit behielten. Der Grundzug ihrer Verfassung war demokra-

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon05_1857/559>, abgerufen am 23.11.2024.