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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857.

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tisch, der Rector (magnificus) wurde von Professoren u. Studenten u. zwar aus beiden erwählt, die Scholaren bildeten wieder unter sich Corporationen je nach der Heimath (Landsmannschaften, nationes; es gab deren in Bologna 17 Citramontaner und 18 Ultramontaner, die Deutschen bekamen Vorrechte) u. später 4, dann 5 je nach den Wissenschaftskreisen (collegia, facultates. Kirchenrecht, Civilrecht, Heilkunde, Philosophie und Theologie); außerdem kleinere Vereine der Studenten mit gemeinschaftlicher Kasse zur Unterstützung dürftiger Scholaren (bursa, massarius, bidellus). Die Doctorwürde (doctores legentes et non legentes) gab neben dem Lehramt obrigkeitliche Gewalt, die übrigen Lehrer hießen magistri, baccalaurei, licentiati mit mehr od. weniger beschränkten Rechten des Vortrags. Streitigkeiten der Scholaren veranlaßten die Gründung von Rechts schulen zu Vicenza (1204-1209) u. Padua (1222). Die U. Paris entstand aus der Vereinigung ausgezeichneter Scholastiker (Abälard) und war bereits 1140 philosophische Hochschule, 1200 privilegirte U. Hier hatten die Theologen den Vorrang, der Grundzug der Verfassung war aristokratisch: die franz., alemann. od. engl., später deutsche, picard. u. normänn. Nation einigte sich in der facultas artium, welche den Rector wählte, später kamen die theologische, juristische und medicinische Facultät hinzu. Auf die Leitung des Ganzen übten die Scholaren keinen Einfluß, die Corporation der Lehrer hatte dieselbe. Die Collegien waren anfangs Gründungen zur Unterstützung armer Studenten, das älteste derselben, die Sorbonne (1252), gestaltete sich allmälig zu einer weltberühmten theologischen Akademie, die anderen wurden wie später in England Pensionsanstalten für Wohlhabende. Die theologische Facultät zerfiel in die 3 Ordnungen der magistri (doctores, Professoren), licentiati (mit den Rechten eines akademischen Lehrers und Anwartschaft auf die Doctorwürde) und baccalari mit 3 Graden. Dazu pedelli communes, für die Landsmannschaften pedelli speciales. Bologna wurde im Ganzen das Muster für ital., französ. u. span. U.en, Paris das für die engl. u. deutschen. Die U. scorporationen hatten dem Geiste des Mittelalters entsprechend einen durchaus kirchlichen Charakter, sie wurden mit Kirchengut ausgestattet, von kirchlich gesinnten Personen mit Stiftungen bedacht, hauptsächlich Geistliche waren die Lehrer, der Papst bis ins 16. Jahrh. (1507 bestätigte Julius II. die 1502 eingeweihte und mit Kirchengut reichlich bedachte U. Wittenberg) der oberste Schutzherr, welcher die Gründung bestätigte, fast alle paar Jahre die Privilegien der U.en erneuerte oder mehrte, dieselben visitiren und reformiren ließ. Für die später begründeten prot. U.en wurde natürlich nur die kaiserl. und seit 1806 nur die landesherrl. Bestätigung eingeholt, der Kaiser und seit 1806 lediglich der Landesherr oberster Schutzherr. Die deutschen U.en unterscheiden sich von den ähnlichen Anstalten anderer Länder, vornämlich Frankreichs u. Englands: a) hinsichtlich der Lehrgegenstände: die Wissenschaft wird mindestens auf den größeren in ihrem ganzen Umfange gelehrt, und für einen u. denselben Zweig sind mehre Lehrer als Vertreter der verschiedenen Meinungen vorhanden; b) der Vortrag ist der akroamatische (s. akroamatisch), und c) der deutsche Student genießt noch immer einen Rest der früheren sog. "akademischen Freiheit" d. h. er lebt mehr oder minder ungebunden hinsichtlich seines Privatfleißes u. der Trink- und Fechtgesellschaften u. s. f., denen er angehören will. 1790 zählte das deutsche Reich 38 U.en, unter den seitdem aufgehobenen erwähnen wir nur Dillingen, 1554-1804, Erfurt 1392-1810, Helmstädt 1575-1809, Ingolstadt 1472-1802 (nach Landshut verlegt), Köln 1385-1797, Mainz 1477-1798, Olmütz 1581-1778, dann wieder 1827-1856, Salzburg 1623-1810, Trier 1451-1797. Die gegenwärtig bestehenden U.en sind 1) im Kaiserthum Oesterreich: Prag, die älteste deutsche U., von Kaiser Karl IV. 1348 gestiftet, durch Ferdinand II. u. III. verändert; Wien, gest. 1365 von Erzherzog Rudolf IV., wieder hergestellt unter Maria Theresia, eine Reorganisation erfolgte seit 1850; Gratz 1586, erneuert

tisch, der Rector (magnificus) wurde von Professoren u. Studenten u. zwar aus beiden erwählt, die Scholaren bildeten wieder unter sich Corporationen je nach der Heimath (Landsmannschaften, nationes; es gab deren in Bologna 17 Citramontaner und 18 Ultramontaner, die Deutschen bekamen Vorrechte) u. später 4, dann 5 je nach den Wissenschaftskreisen (collegia, facultates. Kirchenrecht, Civilrecht, Heilkunde, Philosophie und Theologie); außerdem kleinere Vereine der Studenten mit gemeinschaftlicher Kasse zur Unterstützung dürftiger Scholaren (bursa, massarius, bidellus). Die Doctorwürde (doctores legentes et non legentes) gab neben dem Lehramt obrigkeitliche Gewalt, die übrigen Lehrer hießen magistri, baccalaurei, licentiati mit mehr od. weniger beschränkten Rechten des Vortrags. Streitigkeiten der Scholaren veranlaßten die Gründung von Rechts schulen zu Vicenza (1204–1209) u. Padua (1222). Die U. Paris entstand aus der Vereinigung ausgezeichneter Scholastiker (Abälard) und war bereits 1140 philosophische Hochschule, 1200 privilegirte U. Hier hatten die Theologen den Vorrang, der Grundzug der Verfassung war aristokratisch: die franz., alemann. od. engl., später deutsche, picard. u. normänn. Nation einigte sich in der facultas artium, welche den Rector wählte, später kamen die theologische, juristische und medicinische Facultät hinzu. Auf die Leitung des Ganzen übten die Scholaren keinen Einfluß, die Corporation der Lehrer hatte dieselbe. Die Collegien waren anfangs Gründungen zur Unterstützung armer Studenten, das älteste derselben, die Sorbonne (1252), gestaltete sich allmälig zu einer weltberühmten theologischen Akademie, die anderen wurden wie später in England Pensionsanstalten für Wohlhabende. Die theologische Facultät zerfiel in die 3 Ordnungen der magistri (doctores, Professoren), licentiati (mit den Rechten eines akademischen Lehrers und Anwartschaft auf die Doctorwürde) und baccalari mit 3 Graden. Dazu pedelli communes, für die Landsmannschaften pedelli speciales. Bologna wurde im Ganzen das Muster für ital., französ. u. span. U.en, Paris das für die engl. u. deutschen. Die U. scorporationen hatten dem Geiste des Mittelalters entsprechend einen durchaus kirchlichen Charakter, sie wurden mit Kirchengut ausgestattet, von kirchlich gesinnten Personen mit Stiftungen bedacht, hauptsächlich Geistliche waren die Lehrer, der Papst bis ins 16. Jahrh. (1507 bestätigte Julius II. die 1502 eingeweihte und mit Kirchengut reichlich bedachte U. Wittenberg) der oberste Schutzherr, welcher die Gründung bestätigte, fast alle paar Jahre die Privilegien der U.en erneuerte oder mehrte, dieselben visitiren und reformiren ließ. Für die später begründeten prot. U.en wurde natürlich nur die kaiserl. und seit 1806 nur die landesherrl. Bestätigung eingeholt, der Kaiser und seit 1806 lediglich der Landesherr oberster Schutzherr. Die deutschen U.en unterscheiden sich von den ähnlichen Anstalten anderer Länder, vornämlich Frankreichs u. Englands: a) hinsichtlich der Lehrgegenstände: die Wissenschaft wird mindestens auf den größeren in ihrem ganzen Umfange gelehrt, und für einen u. denselben Zweig sind mehre Lehrer als Vertreter der verschiedenen Meinungen vorhanden; b) der Vortrag ist der akroamatische (s. akroamatisch), und c) der deutsche Student genießt noch immer einen Rest der früheren sog. „akademischen Freiheit“ d. h. er lebt mehr oder minder ungebunden hinsichtlich seines Privatfleißes u. der Trink- und Fechtgesellschaften u. s. f., denen er angehören will. 1790 zählte das deutsche Reich 38 U.en, unter den seitdem aufgehobenen erwähnen wir nur Dillingen, 1554–1804, Erfurt 1392–1810, Helmstädt 1575–1809, Ingolstadt 1472–1802 (nach Landshut verlegt), Köln 1385–1797, Mainz 1477–1798, Olmütz 1581–1778, dann wieder 1827–1856, Salzburg 1623–1810, Trier 1451–1797. Die gegenwärtig bestehenden U.en sind 1) im Kaiserthum Oesterreich: Prag, die älteste deutsche U., von Kaiser Karl IV. 1348 gestiftet, durch Ferdinand II. u. III. verändert; Wien, gest. 1365 von Erzherzog Rudolf IV., wieder hergestellt unter Maria Theresia, eine Reorganisation erfolgte seit 1850; Gratz 1586, erneuert

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[559/0560] tisch, der Rector (magnificus) wurde von Professoren u. Studenten u. zwar aus beiden erwählt, die Scholaren bildeten wieder unter sich Corporationen je nach der Heimath (Landsmannschaften, nationes; es gab deren in Bologna 17 Citramontaner und 18 Ultramontaner, die Deutschen bekamen Vorrechte) u. später 4, dann 5 je nach den Wissenschaftskreisen (collegia, facultates. Kirchenrecht, Civilrecht, Heilkunde, Philosophie und Theologie); außerdem kleinere Vereine der Studenten mit gemeinschaftlicher Kasse zur Unterstützung dürftiger Scholaren (bursa, massarius, bidellus). Die Doctorwürde (doctores legentes et non legentes) gab neben dem Lehramt obrigkeitliche Gewalt, die übrigen Lehrer hießen magistri, baccalaurei, licentiati mit mehr od. weniger beschränkten Rechten des Vortrags. Streitigkeiten der Scholaren veranlaßten die Gründung von Rechts schulen zu Vicenza (1204–1209) u. Padua (1222). Die U. Paris entstand aus der Vereinigung ausgezeichneter Scholastiker (Abälard) und war bereits 1140 philosophische Hochschule, 1200 privilegirte U. Hier hatten die Theologen den Vorrang, der Grundzug der Verfassung war aristokratisch: die franz., alemann. od. engl., später deutsche, picard. u. normänn. Nation einigte sich in der facultas artium, welche den Rector wählte, später kamen die theologische, juristische und medicinische Facultät hinzu. Auf die Leitung des Ganzen übten die Scholaren keinen Einfluß, die Corporation der Lehrer hatte dieselbe. Die Collegien waren anfangs Gründungen zur Unterstützung armer Studenten, das älteste derselben, die Sorbonne (1252), gestaltete sich allmälig zu einer weltberühmten theologischen Akademie, die anderen wurden wie später in England Pensionsanstalten für Wohlhabende. Die theologische Facultät zerfiel in die 3 Ordnungen der magistri (doctores, Professoren), licentiati (mit den Rechten eines akademischen Lehrers und Anwartschaft auf die Doctorwürde) und baccalari mit 3 Graden. Dazu pedelli communes, für die Landsmannschaften pedelli speciales. Bologna wurde im Ganzen das Muster für ital., französ. u. span. U.en, Paris das für die engl. u. deutschen. Die U. scorporationen hatten dem Geiste des Mittelalters entsprechend einen durchaus kirchlichen Charakter, sie wurden mit Kirchengut ausgestattet, von kirchlich gesinnten Personen mit Stiftungen bedacht, hauptsächlich Geistliche waren die Lehrer, der Papst bis ins 16. Jahrh. (1507 bestätigte Julius II. die 1502 eingeweihte und mit Kirchengut reichlich bedachte U. Wittenberg) der oberste Schutzherr, welcher die Gründung bestätigte, fast alle paar Jahre die Privilegien der U.en erneuerte oder mehrte, dieselben visitiren und reformiren ließ. Für die später begründeten prot. U.en wurde natürlich nur die kaiserl. und seit 1806 nur die landesherrl. Bestätigung eingeholt, der Kaiser und seit 1806 lediglich der Landesherr oberster Schutzherr. Die deutschen U.en unterscheiden sich von den ähnlichen Anstalten anderer Länder, vornämlich Frankreichs u. Englands: a) hinsichtlich der Lehrgegenstände: die Wissenschaft wird mindestens auf den größeren in ihrem ganzen Umfange gelehrt, und für einen u. denselben Zweig sind mehre Lehrer als Vertreter der verschiedenen Meinungen vorhanden; b) der Vortrag ist der akroamatische (s. akroamatisch), und c) der deutsche Student genießt noch immer einen Rest der früheren sog. „akademischen Freiheit“ d. h. er lebt mehr oder minder ungebunden hinsichtlich seines Privatfleißes u. der Trink- und Fechtgesellschaften u. s. f., denen er angehören will. 1790 zählte das deutsche Reich 38 U.en, unter den seitdem aufgehobenen erwähnen wir nur Dillingen, 1554–1804, Erfurt 1392–1810, Helmstädt 1575–1809, Ingolstadt 1472–1802 (nach Landshut verlegt), Köln 1385–1797, Mainz 1477–1798, Olmütz 1581–1778, dann wieder 1827–1856, Salzburg 1623–1810, Trier 1451–1797. Die gegenwärtig bestehenden U.en sind 1) im Kaiserthum Oesterreich: Prag, die älteste deutsche U., von Kaiser Karl IV. 1348 gestiftet, durch Ferdinand II. u. III. verändert; Wien, gest. 1365 von Erzherzog Rudolf IV., wieder hergestellt unter Maria Theresia, eine Reorganisation erfolgte seit 1850; Gratz 1586, erneuert

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon05_1857/560>, abgerufen am 23.11.2024.