Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857.eines obersten Grundsatzes in der Philosophie, den Fichte zum erstenmal aufgestellt habe, nachzuweisen versucht hatte, philosophirte er darüber, wie ein u. dasselbe Absolute in der Natur wie im Geiste erscheine. wie in den Stufenfolgen der Naturgebilde alle Stationen des Geistes auf seinem Wege zum Selbst, bewußtsein äußerlich fixirt würden, wie die Natur an der Weltseele ein eigenes ihr innewohnendes und begriffsmäßig wirkendes Princip habe und wie die Anschauung das Organ des Geistes für die Erfassung der Natur sei. In seiner Naturphilosophie suchte S. 1) zu beweisen. die Natur sei in ihren ursprünglichsten Produkten organisch; 2) die unorganische Natur bloß Masse, durch die Schwerkraft zusammengehalten, aber doch auch mit Abstufungen in der Art, daß dem Bildungstrieb, der Irritabilität u. Sensibilität der organischen Natur der chemische Proceß, die Electricität und der Magnetismus entsprächen; endlich schwebe 3) über der organischen und anorganischen Natur, beide beherrschend, trennend u. verbindend die Weltseele. Nothwendiges Gegenstück zur Naturphilosophie, inwendig gewordene Naturphilosophie, ist die Transcendentalphilosophie; diese geht als theoretische Philosophie vom höchsten Princip des Wissens, vom Selbstbewußtsein aus und behandelt die Geschichte desselben nach ihren Entwicklungsstufen. Mit dem Willensakt wird die praktische Philosophie eröffnet, die das mit Bewußtsein producirende Ich und die dadurch hervorgehende zweite Natur behandelt. Am meisten Interesse erweckt hier S.s Geschichtsanschauung. Die Geschichte als Ganzes ist ihm eine allmälig sich enthüllende Offenbarung des Absoluten oder Gottes und hat 3 Perioden, nämlich die des blinden Schicksals (alte Welt bis zur röm. Weltherrschaft), des Naturgesetzes und die der Vorsehung als der Einheit von Schicksal und Natur. Die höchste Wissenschaft aber ist die Philosophie der Kunst. denn die Kunst hebt den Zwiespalt zwischen Object und Subject. Natur und Geist auf; sie ist die einzige und ewige Offenbarung, die es gibt, im Kunstwerk gelangt die Intelligenz zur vollkommenen Selbstanschauung u. Selbstbefriedigung. Gott selber ist unmittelbarer Gegenstand der ästhetischen Anschauung. - Hatte S. schon bisher großartig gewirkt, wäre es auch nur durch Neubelebung des einzigen genialen Gedankens gewesen, daß die materielle Welt nicht starr u. todt, sondern eine lebendige Fortentwicklung zu höheren u. ideelleren Stufen sei, so wurde er in seiner 3. Periode mit der Identitätsphilosophie vollends zur philosophischen Pythia, deren Orakelsprüche eine Menge ebenso talentvoller als gläubiger Schüler annahmen, verbreiteten, anwendeten: Steffens, Oken, Troxler, Schubert, Ast, Solger, Eschenmaier, Hegel, Rixner u. s. f. Die Identitätsphilosophie aber lehrte: die Vernunft ist das Absolute, alles ist in ihr u. nichts außer ihr, in ihr sind Subject u. Object, Unendliches und Endliches, Geist und Materie u. s. f., kurz alle Gegensätze in absoluter Identität enthalten. Durch die intellectuelle Anschauung aber erkennen wir die Dinge, wie sie in der Vernunft sind; diese gibt absolute Erkenntniß und lehrt, daß die Gegensätze von Unendlichem und Endlichem, Denken und Sein. Geist und Materie, Gutem und Bösem für die wahre Betrachtung gar nicht vorhanden sind; ferner daß die alltägliche Annahme, es gebe außer der Vernunft noch an u. für sich seiende Dinge, lediglich die Folge falschen Vernunftgebrauches ist. Im großen Ganzen existirt die Identität des Idealen u. Realen in der Form der Indifferenz, die absolute Indifferenz stellt sich als Subject sich selber als Object gegenüber und so entsteht ein doppeltes Reich der Dinge. ein ideales u. reales. In diesem Doppelreich aber herrscht ein stetiger Entwicklungsproceß nach bestimmten Gesetzen, wodurch die Dinge zu immer höhern Graden der Indifferenz (Potenzen) sich emporarbeiten; alle Unterschiede zwischen den einzelnen Dingen aber beruhen darauf, daß eben das eine mehr oder weniger Subject oder Object ist als das andere. Vorherrschend als Object erscheint das Reale, vorherrschend als Subject das Ideale, vermöge der intellectuellen Anschauung aber sind wir eines obersten Grundsatzes in der Philosophie, den Fichte zum erstenmal aufgestellt habe, nachzuweisen versucht hatte, philosophirte er darüber, wie ein u. dasselbe Absolute in der Natur wie im Geiste erscheine. wie in den Stufenfolgen der Naturgebilde alle Stationen des Geistes auf seinem Wege zum Selbst, bewußtsein äußerlich fixirt würden, wie die Natur an der Weltseele ein eigenes ihr innewohnendes und begriffsmäßig wirkendes Princip habe und wie die Anschauung das Organ des Geistes für die Erfassung der Natur sei. In seiner Naturphilosophie suchte S. 1) zu beweisen. die Natur sei in ihren ursprünglichsten Produkten organisch; 2) die unorganische Natur bloß Masse, durch die Schwerkraft zusammengehalten, aber doch auch mit Abstufungen in der Art, daß dem Bildungstrieb, der Irritabilität u. Sensibilität der organischen Natur der chemische Proceß, die Electricität und der Magnetismus entsprächen; endlich schwebe 3) über der organischen und anorganischen Natur, beide beherrschend, trennend u. verbindend die Weltseele. Nothwendiges Gegenstück zur Naturphilosophie, inwendig gewordene Naturphilosophie, ist die Transcendentalphilosophie; diese geht als theoretische Philosophie vom höchsten Princip des Wissens, vom Selbstbewußtsein aus und behandelt die Geschichte desselben nach ihren Entwicklungsstufen. Mit dem Willensakt wird die praktische Philosophie eröffnet, die das mit Bewußtsein producirende Ich und die dadurch hervorgehende zweite Natur behandelt. Am meisten Interesse erweckt hier S.s Geschichtsanschauung. Die Geschichte als Ganzes ist ihm eine allmälig sich enthüllende Offenbarung des Absoluten oder Gottes und hat 3 Perioden, nämlich die des blinden Schicksals (alte Welt bis zur röm. Weltherrschaft), des Naturgesetzes und die der Vorsehung als der Einheit von Schicksal und Natur. Die höchste Wissenschaft aber ist die Philosophie der Kunst. denn die Kunst hebt den Zwiespalt zwischen Object und Subject. Natur und Geist auf; sie ist die einzige und ewige Offenbarung, die es gibt, im Kunstwerk gelangt die Intelligenz zur vollkommenen Selbstanschauung u. Selbstbefriedigung. Gott selber ist unmittelbarer Gegenstand der ästhetischen Anschauung. – Hatte S. schon bisher großartig gewirkt, wäre es auch nur durch Neubelebung des einzigen genialen Gedankens gewesen, daß die materielle Welt nicht starr u. todt, sondern eine lebendige Fortentwicklung zu höheren u. ideelleren Stufen sei, so wurde er in seiner 3. Periode mit der Identitätsphilosophie vollends zur philosophischen Pythia, deren Orakelsprüche eine Menge ebenso talentvoller als gläubiger Schüler annahmen, verbreiteten, anwendeten: Steffens, Oken, Troxler, Schubert, Ast, Solger, Eschenmaier, Hegel, Rixner u. s. f. Die Identitätsphilosophie aber lehrte: die Vernunft ist das Absolute, alles ist in ihr u. nichts außer ihr, in ihr sind Subject u. Object, Unendliches und Endliches, Geist und Materie u. s. f., kurz alle Gegensätze in absoluter Identität enthalten. Durch die intellectuelle Anschauung aber erkennen wir die Dinge, wie sie in der Vernunft sind; diese gibt absolute Erkenntniß und lehrt, daß die Gegensätze von Unendlichem und Endlichem, Denken und Sein. Geist und Materie, Gutem und Bösem für die wahre Betrachtung gar nicht vorhanden sind; ferner daß die alltägliche Annahme, es gebe außer der Vernunft noch an u. für sich seiende Dinge, lediglich die Folge falschen Vernunftgebrauches ist. Im großen Ganzen existirt die Identität des Idealen u. Realen in der Form der Indifferenz, die absolute Indifferenz stellt sich als Subject sich selber als Object gegenüber und so entsteht ein doppeltes Reich der Dinge. ein ideales u. reales. In diesem Doppelreich aber herrscht ein stetiger Entwicklungsproceß nach bestimmten Gesetzen, wodurch die Dinge zu immer höhern Graden der Indifferenz (Potenzen) sich emporarbeiten; alle Unterschiede zwischen den einzelnen Dingen aber beruhen darauf, daß eben das eine mehr oder weniger Subject oder Object ist als das andere. 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Am meisten Interesse erweckt hier S.s Geschichtsanschauung. Die Geschichte als Ganzes ist ihm eine allmälig sich enthüllende Offenbarung des Absoluten oder Gottes und hat 3 Perioden, nämlich die des blinden Schicksals (alte Welt bis zur röm. Weltherrschaft), des Naturgesetzes und die der Vorsehung als der Einheit von Schicksal und Natur. Die höchste Wissenschaft aber ist die Philosophie der Kunst. denn die Kunst hebt den Zwiespalt zwischen Object und Subject. Natur und Geist auf; sie ist die einzige und ewige Offenbarung, die es gibt, im Kunstwerk gelangt die Intelligenz zur vollkommenen Selbstanschauung u. Selbstbefriedigung. Gott selber ist unmittelbarer Gegenstand der ästhetischen Anschauung. – Hatte S. schon bisher großartig gewirkt, wäre es auch nur durch Neubelebung des einzigen genialen Gedankens gewesen, daß die materielle Welt nicht starr u. todt, sondern eine lebendige Fortentwicklung zu höheren u. ideelleren Stufen sei, so wurde er in seiner 3. 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Geist und Materie, Gutem und Bösem für die wahre Betrachtung gar nicht vorhanden sind; ferner daß die alltägliche Annahme, es gebe außer der Vernunft noch an u. für sich seiende Dinge, lediglich die Folge falschen Vernunftgebrauches ist. Im großen Ganzen existirt die Identität des Idealen u. Realen in der Form der Indifferenz, die absolute Indifferenz stellt sich als Subject sich selber als Object gegenüber und so entsteht ein doppeltes Reich der Dinge. ein ideales u. reales. In diesem Doppelreich aber herrscht ein stetiger Entwicklungsproceß nach bestimmten Gesetzen, wodurch die Dinge zu immer höhern Graden der Indifferenz (Potenzen) sich emporarbeiten; alle Unterschiede zwischen den einzelnen Dingen aber beruhen darauf, daß eben das eine mehr oder weniger Subject oder Object ist als das andere. Vorherrschend als Object erscheint das Reale, vorherrschend als Subject das Ideale, vermöge der intellectuellen Anschauung aber sind wir </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [71/0072]
eines obersten Grundsatzes in der Philosophie, den Fichte zum erstenmal aufgestellt habe, nachzuweisen versucht hatte, philosophirte er darüber, wie ein u. dasselbe Absolute in der Natur wie im Geiste erscheine. wie in den Stufenfolgen der Naturgebilde alle Stationen des Geistes auf seinem Wege zum Selbst, bewußtsein äußerlich fixirt würden, wie die Natur an der Weltseele ein eigenes ihr innewohnendes und begriffsmäßig wirkendes Princip habe und wie die Anschauung das Organ des Geistes für die Erfassung der Natur sei. In seiner Naturphilosophie suchte S. 1) zu beweisen. die Natur sei in ihren ursprünglichsten Produkten organisch; 2) die unorganische Natur bloß Masse, durch die Schwerkraft zusammengehalten, aber doch auch mit Abstufungen in der Art, daß dem Bildungstrieb, der Irritabilität u. Sensibilität der organischen Natur der chemische Proceß, die Electricität und der Magnetismus entsprächen; endlich schwebe 3) über der organischen und anorganischen Natur, beide beherrschend, trennend u. verbindend die Weltseele. Nothwendiges Gegenstück zur Naturphilosophie, inwendig gewordene Naturphilosophie, ist die Transcendentalphilosophie; diese geht als theoretische Philosophie vom höchsten Princip des Wissens, vom Selbstbewußtsein aus und behandelt die Geschichte desselben nach ihren Entwicklungsstufen. Mit dem Willensakt wird die praktische Philosophie eröffnet, die das mit Bewußtsein producirende Ich und die dadurch hervorgehende zweite Natur behandelt. Am meisten Interesse erweckt hier S.s Geschichtsanschauung. Die Geschichte als Ganzes ist ihm eine allmälig sich enthüllende Offenbarung des Absoluten oder Gottes und hat 3 Perioden, nämlich die des blinden Schicksals (alte Welt bis zur röm. Weltherrschaft), des Naturgesetzes und die der Vorsehung als der Einheit von Schicksal und Natur. Die höchste Wissenschaft aber ist die Philosophie der Kunst. denn die Kunst hebt den Zwiespalt zwischen Object und Subject. Natur und Geist auf; sie ist die einzige und ewige Offenbarung, die es gibt, im Kunstwerk gelangt die Intelligenz zur vollkommenen Selbstanschauung u. Selbstbefriedigung. Gott selber ist unmittelbarer Gegenstand der ästhetischen Anschauung. – Hatte S. schon bisher großartig gewirkt, wäre es auch nur durch Neubelebung des einzigen genialen Gedankens gewesen, daß die materielle Welt nicht starr u. todt, sondern eine lebendige Fortentwicklung zu höheren u. ideelleren Stufen sei, so wurde er in seiner 3. Periode mit der Identitätsphilosophie vollends zur philosophischen Pythia, deren Orakelsprüche eine Menge ebenso talentvoller als gläubiger Schüler annahmen, verbreiteten, anwendeten: Steffens, Oken, Troxler, Schubert, Ast, Solger, Eschenmaier, Hegel, Rixner u. s. f. Die Identitätsphilosophie aber lehrte: die Vernunft ist das Absolute, alles ist in ihr u. nichts außer ihr, in ihr sind Subject u. Object, Unendliches und Endliches, Geist und Materie u. s. f., kurz alle Gegensätze in absoluter Identität enthalten. Durch die intellectuelle Anschauung aber erkennen wir die Dinge, wie sie in der Vernunft sind; diese gibt absolute Erkenntniß und lehrt, daß die Gegensätze von Unendlichem und Endlichem, Denken und Sein. Geist und Materie, Gutem und Bösem für die wahre Betrachtung gar nicht vorhanden sind; ferner daß die alltägliche Annahme, es gebe außer der Vernunft noch an u. für sich seiende Dinge, lediglich die Folge falschen Vernunftgebrauches ist. Im großen Ganzen existirt die Identität des Idealen u. Realen in der Form der Indifferenz, die absolute Indifferenz stellt sich als Subject sich selber als Object gegenüber und so entsteht ein doppeltes Reich der Dinge. ein ideales u. reales. In diesem Doppelreich aber herrscht ein stetiger Entwicklungsproceß nach bestimmten Gesetzen, wodurch die Dinge zu immer höhern Graden der Indifferenz (Potenzen) sich emporarbeiten; alle Unterschiede zwischen den einzelnen Dingen aber beruhen darauf, daß eben das eine mehr oder weniger Subject oder Object ist als das andere. Vorherrschend als Object erscheint das Reale, vorherrschend als Subject das Ideale, vermöge der intellectuellen Anschauung aber sind wir
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