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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 116, Czernowitz, 18.05.1904.

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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 18. Mai 1904.

[Spaltenumbruch]
Die Japaner vor Port Arthur.

Aus Petersburg wird dem
"L.-A." gemeldet, die Japaner rücken immer weiter vor, wäh-
rend die Russen in das Innere der Mandschurei zurückgehen
und ihre Position an der Grenze aufgeben. Täglich wird ein
entscheidender Kampf erwartet. Gegen Port Arthur haben die
Japaner 2 Divisionen aufgestellt, gegen die russische Haupt-
streitmacht 7 Liniendivisionen und wahrscheinlich ebensoviel
Reservebrigaden. Die 7 Liniendivisionen umfassen 84 Batail-
lone, 21 Eskadronen, 42 Batterien mit 252 Geschützen und
7 Sappeurbataillone. Dazu kommen noch 9 Festungs-Artille-
riebataillone. Die japanische Feldarmee beträgt also über
100,000 Mann mit 270 Geschützen. Die 7 Reservebrigaden
werden auf 28 Bataillone, 7 Eskadronen, 7 Batterien und
3 Kompanien Sappeure, also auf ungefähr 20,000 Mann
veranschlagt. General Kuropatkin scheint dem gegenüber die
Initiative zu einem größeren Kampf den Japanern überlassen
zu wollen.




Vom Tage.


Die österreichische Delegation.
(Das Budget -- im Ausschusse angenommen.
(Korr.-B.)

Der Budgetaus-
schuß
der österreichischen Delegation nahm das
Budget des Ministeriums des Aeußern an.
Fast
sämtliche Redner drückten ihr Vertrauen in die äußere Politik
des Grafen Goluchowski sowie die Hoffnung aus, daß
die österreichisch-russische Entente ehebald günstige Resultate
zeitigen werde. Graf Goluchowski konstatierte gegenüber
dem Delegierten Kramarz mit großer Genugtuung die be-
sondere Unterstütznng, welche der Reformaktion seitens Deutsch-
lands zuteil wird, welches gleich Oesterreich-Ungarn die Er-
haltung der Türkei wünscht. Der Minister pflichtete Kramarz
bei, daß die Türkei trotz des Druckes der Großmächte noch
immer Schwierigkeiten mache, um sich der loyalen Ausführung
des Reformprogrammes zu entziehen; daran seien aber nicht
die Großmächte schuld, sondern viel kleinere Leute, die ein
positives Interesse daran haben, daß das Reformprogramm
nicht durchgeführt werde. Dank der Festigkeit der Entente-
mächte sind sie zur Einsicht gelangt, daß ihr Werk nicht ge-
lingen könne. Dem ist die günstigere Wendung, die in der
letzten Zeit eingetreten ist, zuzuschreiben. Gegenüber der Be-
merkung Kramarz, der deutsche Kaiser hätte zur Herbeiführung
der Begegnung mit dem italienischen Minister Tittoni in
Abbazia beigetragen, konstatiert Graf Goluchowski, daß
die Begegnung vollkommen spontan erfolgte, nachdem man sie
hier und in Rom als etwas Nützliches erkannt hatte. In Be-
antwortung der Anfrage des Delegierten Tollinger erklärte
der Minister, in Abbazia wurden keinerlei Stipulationen
bezüglich der Weinzollklausel getroffen, bloß beiderseits der
Wunsch geäußert, ehebald ein diesbezügliches Uebereinkommen
zu erlangen.

(Korr.-B.)

Der Budget-
ausschuß
der österreichischen Delegation nahm den Vor-
schlag seines Obmannes Freiherrn von Chlumecky an,
die außerordentlichen Kriegs- und Marine-
kredite gleichzeitig
mit den bezüglichen Extra-
ordinarien
zu beraten, die Beschlußfassung
über die außerordentlichen Kredite jedoch auszusetzen,
bis der Finanzminister finanztechnische Aufklärungen
erteilt haben werde. Der Ausschuß begann dann die Be-
ratungen des Heeresextraordinariums.






schrift: "Gemeinderatswahlen von Paris", daß sie billige
Zahngebisse, ausgezeichnete Velozipede und unübertreffliche
Schinken auf Lager haben. Alle diese Gesetzübertretungen muß
sich die Polizei ruhig gefallen lassen, weil die findigen Ge-
schäftsmänner nicht verabsäumen, fortwährend die Wahlen in
ihre Reklame einzuflechten.

Noch sonderbarer nehmen sich andere Plakate aus, auf
welchen der hellste Blödsinn herrscht. Ein Kandidat der zehnten
Arrondissements versprach den Wählern unter Einsetzung seines
Ehrenwortes, daß alle Bewohner dieses Stadtbezirks binnen
Kurzem ihre 250 Fr. monatliche Einnahme haben würden,
gleichviel welcher Beschäftigung sie sich hingäben. Zu diesem
Resultat sollten öffentliche Volksbelustigungen beitragen, als
deren Veranstalter er, der Kandidat, sich anheischig machte, die
schönsten Frauen von Paris monatlich einmal in seinem Quar-
tier "zum Erfolge der guten Sache", sei es zu Theaterauf-
führungen, sei es zu einem bloßen Schönheitskongreß, zu ver-
sammeln. Andere Ausbeuter der Stempelfreiheit versicherten in
sehr ernsthaftem Tone, daß die Pariser sich von den Anti-
alkoholisten hätten übertölpeln lassen und daß sie mindestens
zwei Absinthe und drei Liter Wein täglich bedürften. Noch ein
anderer Pseudokandidat erklärte, daß Frauen sich endlich von
der bisherigen Kleidung emanzipieren und zu der von ihm
nach deutschem Muster in seiner Fabrik, Rue so und so, aus-
gestellten Reformkleidung bekehren möchten.

Kurz und gut, das Hallo und die Aufregung über die
kürzliche Wahl war eine sehr bedeutende. Politiker und falsche
Volksaufwiegler machten sich ein Vergnügen daraus, Paris so
viel wie möglich Sand in die Augen zu streuen. Der gesunde
Sinn der hauptstädtischen Bevölkerung wird sich an all
diesen Wahlkram nicht stoßen und die Aufgaben im Auge be-
halten, welche Paris in nächster Zeit zu bewältigen hat. Diese
Aufgaben sind allerdings so zahlreich, daß man von einer rein
politischen Versammlung, wie der Pariser Stadtrat gegenwärtig
beschaffen ist, nicht viel gutes erwarten kann. Aber ohne etwas
Aufregung geht es in Paris überhaupt nicht mehr ab. Nach-
dem der Boulangismus und der Nationalismus abgetan sind,
wird eine neue Lesart aufs Tapet kommen und wiederum
unter den kapriziösen Parisern Anhänger finden.




[Spaltenumbruch]
Die Wähler über den Abgeordneten Wa-
lewski.
(Orig.-Korr.)

Sonntag fand
hier eine sehr stark besuchte Wählerversammlung statt, die über
den hiesigen Abgeordneten Dr. Walewski zu Gerichte saß. Den
Vorsitz führte Bürgermeister Dr. Nimhin. Alle Redner, da-
runter die geachtesten Bürger der Stadt, wie Dr. Katzen-
ellenbogen,
Dr. Jurkiewicz, Ingenieur Lapickiu. A.
wiesen darauf hin, daß Abgeordneter Walewski, seitdem er das
Mandat erhielt, sich um die Interessen des Wahlbezirkes nicht
kümmerte und keine Rechenschaft von seiner parlamentarischen
Wirksamkeit ablegte. Es wurde einstimmig der Beschluß ge-
faßt: Die Wähler der Stadt Stanislau drücken dem Abge-
ordneten Walewski das Mißtrauensvotum aus und
fordern ihn auf, das Mandat niederzulegen. Die Resolution
wird dem Präsidium des Polenklubs und dem Dr. Walewski
übersendet werden.




Die französische Kammer. (Priv.-Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Am 18. Mai tritt die französische Kammer wieder zusammen.
Die erste Debatte wird sich voraussichtlich mit der Budget-
frage befassen. Da bereits mehrere Interpellationen von
verschiedenen, besonders nationalistischen Abgeordneten ange-
kündigt wurden, werden nur solche beantwortet werden, die
sich mit Fragen der inneren Politik befassen, um nicht eine
Debatte heraufzubeschwören, die eine Berührung äußerer
Fragen unerläßlich nach sich ziehen würde, was die Re-
gierung in diesem Momente zu vermeiden bestrebt ist. Mit
großer Spannung sieht man den Debatten über die Be-
ziehungen Frankreichs zum Vatikan entgegen.




Zeitungsschau.


Die erste Klasse auf den Eisenbahnen.

Die alte Erfahrung, daß Oesterreich "stets um eine
Idee zurück" ist, bewährt sich wieder einmal drastisch
in der Frage der Aufhebung der ersten Klasse in
den Personenzügen. Ueber die ersten Ansätze zu dieser nütz-
lichen Neuerung ist man nicht hinausgekommen. Ein paar
Industrielle und Gutsbesitzer, die ihren Wohnsitz nicht gerade
in einer Schnellzugsstation aufgeschlagen haben, protestieren
energisch gegen die Zumutung, etliche Kilometer in der pro-
letarischen zweiten Klasse fahren zu müssen, und erhalten
starke Unterstützung durch die zahlreichen Leute, die auf der
Eisenbahn gar nichts oder stark ermäßigte Tarife zu zahlen
brauchen. Und das sind hier zum Teil sehr einflußreiche
Herrschaften. Trotzdem gewinnt es den Anschein, daß endlich
auch hierzulande die praktische Vernunft über die Sonder-
interessen siegt. In Deutschland war es Baden und Bayern,
später auch Württemberg vorbehalten, die Eisenbahnvormacht
der preußisch-hessischen Betriebsgemeinschaft mit dem guten
Beispiel voranzugehen. Süddeutschland hat jetzt die Genug-
tuung, den neuen preußischen Eisenbahnminister seinen
Spuren folgen zu sehen. Daß Herr Budde mit seiner Nach-
folge leicht auf seine Rechnung kommt, zeigt die nachfolgende
Zusammenstellung, die mir ein österreichisches Eisenbahn-
unternehmen in dankenswerter Weise zur Verfügung stellt.
Die Tabelle faßt allerdings den Schnellzugs- und Personen-
zugsverkehr zusammen, wirkt aber auch so schon augen-
scheinlich genug. Jedermann kann sich aus ihr ein Bild
machen, wie ungleichmäßig sich der Reiseverkehr auf die
einzelnen Klassen verteilt, und an Handen der angegebenen
Tarifverhältnisse auch sichere Schlüsse auf die Einnahmen
aus den verschiedenen Kategorien ziehen.




1901 Von dem kilometrischen Personen-
verkehr entfallen auf die .. Wagen-
klasse Prozent:
I II III IV Mili-
tär
in Deutschland:
*Preußen-Hessen Staats-
bahnen
1·5513·0337·1243·354·95
*Sachsen0·8511·3561·0522·523·63
*Bayern2·2314·0878·51--5·18
*Baden2·2417.9574·14--6·87
in Oesterreich-
Ungarn:
Oesterr. Staatsbahnen1·679·5182·46--6'36
*Ungar. "3·4225·4860·52--10·58
Nordbahn-Gesellschaft ..1·7410·7481·49--6·03
Nordwestbahn-Gesellsch.1·8410·9482·68--4·54
Staatsbahn-Gesellschaft1·6910·1084·43--3·78
*Südbahn (Oest.) Ges.4·1420·5668·71--6·59
*Südbahn (Ung.) Ges.3·5817·4670·07--8·71

Die deutschen Bahnen arbeiten leider noch immer mit
dem Kilometertarif und Rückfahrkarten ohne jede Rücksicht
auf die Entfernung; auch auf den österreichischen Linien der
Südbahn-Gesellschaft herrscht dieses System, verzwickt und
vielfach durchbrochen durch Kompromißtarife mit anderen
Bahnen. In Ungarn besteht der Zonentarif; in seiner heuti-
gen Gestalt ein Monstrum von Komplikationen und Schi-
kanen bildet er das Schmerzenskind einer jeden der zahl-
reichen Regierungen und fühlt immer vernehmlicher sein
seliges Ende nahen. Die österreichischen Staatsbahnen und
die Mehrzahl der Privatgesellschaften bekennen sich zum
Staffeltarif ohne Rückfahrkarten mit dem ungeheuerlichen
Schnellzugszuschlag von 50 Prozent und der großen Ver-
teuerung der höheren Klassen. Unsere Zusammenstellung
läßt erkennen, daß das Preisverhältnis zwischen den ein-
zelnen Wagenklassen viel mehr als deren Ausstattung für die
Benützung den Ausschlag gibt. In Deutschland, Ungarn und
bei der Südbahn-Gesellschaft ist die zweite Klasse etwa um
[Spaltenumbruch] die Hälfte, die erste etwa um das Doppelte teurer als die
dritte Klasse. Unter diesen Bedingungen findet sich immer
noch eine größere Zahl von Reisenden für die höheren
Wagenklassen. Allerdings mit einer sehr bemerkenswerten
Ausnahme: in Preußen-Hessen und in Sachsen -- hier frei-
lich in geringerem Maß, weil die vierte Klasse nicht ganz
so billig wie in Preußen ist und überdies nur an Werk-
tagen mitgeführt wird -- geht ein großer Teil der Reisenden,
die anderwärts zweiter Klasse fahren, auf die dritte Klasse
über, noch viel mehr aber von der dritten auf die vierte.
Darunter büßt natürlich auch die erste Klasse an Passagieren
ein. Bei den Staffeltarifbahnen ist infolge der starken Ver-
teuerung die Benützung der zweiten Klasse sehr schlecht und
die dritte Klasse überfüllt. In Ungarn mag auch manchem
weniger bemittelten Reisenden das Publikum der dritten
Klasse denn doch zu gemischt sein, abgesehen davon, daß
dort die Schnellzüge immer noch nicht die dritte Klasse mit-
führen. Eines ist allen Bahnen gemeinsam, ob sie nun in
Deutschland, Oesterreich oder Ungarn liegen, ob mit Kilo-
meter-, Zonen- oder Staffeltarif arbeitend: die geradezu
sporadische Benutzung der ersten Klasse selbst im internatio-
nalen Reiseverkehr gegenüber den anderen Klassen. Selbst
Ungarn, wo der Orientverkehr lange Strecken durcheilt, und
die österreichische Südbahn, die den größten Teil des Luxus-
verkehrs in die Wiener Sommerfrischen, auf den Semmering,
auf die Adria, nach Egypten, Italien und Tirol bewältigt,
weisen in dieser Beziehung recht bescheidene Ziffern auf.
Scheidet man den Schnellzugsverkehr aus, so ergibt sich
sogar für diese Bahnen die bezeichnende Tatsache, daß in
den Personenzügen die Einnahmen aus der ersten Klasse
nicht einmal die Kosten der Beleuchtung und Heizung der
betreffenden Abteile decken! Was die Wagen erster Klasse
mehr an Anschaffungskosten, Zinsen und Amortisation, In-
standhaltung, Zugsförderungskosten, Bedienung u. s. w.
erfordern, kann ganz beiseite bleiben. Die 95--99 Prozent
aller Reisenden, die nicht erster Klasse fahren, haben allen
Grund, das Luxusbedürfnts einer verschwindenden Minder-
heit dahin zu lenken, daß diese Wenigen sich gegegebenfalls
mehrere Karten zweiter Klasse lösen und dadurch die bessere
Ausstattung der zweiten und dritten Klasse mitfördern.




Bunte Chronik.


Der Prinzregent von Bayern in Wien.

Prinz-
regent Luitpold von Bayern ist mit seiner Tochter, der
Prinzessin Therese, heute Früh zum Besuche seiner
Schwester Erzherzogin Adelgunde, Herzogin von Modena,
aus Berchtesgaden in Wien eingetroffen. Der Prinzregent ist
im Palais Modena in der Beatrixgasse abgestiegen.

Stanley und Bismarck.

Es wird interessieren, zu
hören, daß Stanley ein glühender Verehrer Bismarcks war,
der ihm während der Kongo-Konferenz mehrere längere Unter-
redungen bewilligt hat. Er schrieb mir im Jahre 1895:
"Sie fragen mich, was ich über Bismarck denke? Das ist
eine große Frage. Er ist weder ein Cromwell noch ein Pitt;
könnten wir uns aber eine glückliche Mischung der besten
Eigenschaften beider vorstellen, so würden [w]ir wohl etwas
bekommen, das unserem Bismarck nicht unähnlich wäre, und
gerade eine Persönlichkeit der Art, wie sie England heute
nottut. Ihr Fürst ist ein Mann, der immer genau wußte,
was er wollte, und immer gerade auf sein Ziel losging. Wie
unsäglich viel will das sagen! Wenn ich Seiten füllte, könnte
ich Ihnen nicht alle meine Bewunderung für Bismarck aus-
drücken. Als Menschenleiter und -Anführer steht er über allen
seinen Zeitgenossen. Als Mensch ist er ganz und gar liebens-
wert dank seiner Geradheit, Ehrlichkeit und Einfachheit.
Könnten wir nur etwas von seiner moralischen Stärke und
seinem Mut in einer Flasche auffangen und unsere Staats-
männer mit einer Dose dieses wundervollen Extraktes ,beharzigen',
wir hätten bald Ursache, stolz auf sie zu sein. Leider ist es
nicht wahrscheinlich, daß wir je im Stand sein werden, diese
wahrhaft afrikanische Idee zu verwirklichen -- und so müssen
wir eben warten, bis jemand aus seinem Charakter ein Text-
buch machen wird zum Spezialbesten knieschwacher und ent-
arteter Staatsmänner. Dann mögen auch Großbritannien
einige der Vorzüge blühen, die Deutschland heute die Achtung
der ganzen Welt sichern." Was Stanley an Bismarck am
meisten bewunderte, ist charakteristisch für seine eigene Natur.
Wenn man Kleineres mit Großem vergleichen darf, kann man
sagen, daß auch Stanleys Größe zuletzt darin lag, daß er
unvergleichlich war als "leader of man", und daß er ein
Mann war, "who has known exactly what he wanted
and has directed his course straight ahead.

Schlosserstreik.

Aus Berlin wird uns unterm
Heutigen telegraphiert: Dem "Berliner Lokalanzeiger"
zufolge brach in den Werkstätten der Berliner Straßenbahn
ein Ausstand der Schlosser aus.

Patriotismus und Aberglauben.

Trotz der
empfindlichen Niederlage, welche die Vorhut des Generals
Kuropatkin erlitten hat, trotz des tragischen Uuterganges
Makarows (wiewohl doch beide Befehlshaber, in ganz
außergewöhnlichem Maße mit Heiligenbildern ausgerüstet,
seinerzeit auf den Kriegsschauplatz abreisten), bewahren die
russischen Volksmassen ihren unerschütterlichen Glauben an die
siegesspendende Kraft dieser Amulette. Jetzt ist die Reihe an
den Admiral Skrydlow gekommen, der nach einem kurzen
Aufenthalte in Sebastopol dem fernen Osten zueilt. Ueber-
reichlich mit Heiligenbildern in den Hauptstädten bedacht, muß
er es nun über sich ergehen lassen, daß sein Reisegepäck
auf den zahlreichen Stationen der großen sibirischen Bahn
durch neue Schenkungen zu einem bedrohlichen Umfange
anschwillt. In Tula z. B. überreichte ihm eine Schar von
Kiewer Pilgern ein Bild der Muttergottes. Es ist nach den
Angaben eines stelzfüßigen Veteranen von Sebastopol gemalt
und stellt die heilige Jungfrau dar, wie sie am Meeresstrande
auf zwei gekreuzten Schwertern steht. Der Admiral nahm

* Verhältnis der Fahrpreise in der III., II. und I. Klasse etwa
wie 1 : 11/2 : 2; bei den übrigen Bahnen wie 1 : 2: 3,
* Verhältnis der Fahrpreise in der III., II. und I. Klasse etwa
wie 1 : 11/2 : 2; bei den übrigen Bahnen wie 1 : 2: 3,
* Verhältnis der Fahrpreise in der III., II. und I. Klasse etwa
wie 1 : 11/2 : 2; bei den übrigen Bahnen wie 1 : 2: 3,
* Verhältnis der Fahrpreise in der III., II. und I. Klasse etwa
wie 1 : 11/2 : 2; bei den übrigen Bahnen wie 1 : 2: 3,
* Verhältnis der Fahrpreise in der III., II. und I. Klasse etwa
wie 1 : 11/2 : 2; bei den übrigen Bahnen wie 1 : 2: 3,
* Verhältnis der Fahrpreise in der III., II. und I. Klasse etwa
wie 1 : 11/2 : 2; bei den übrigen Bahnen wie 1 : 2: 3,
* Verhältnis der Fahrpreise in der III., II. und I. Klasse etwa
wie 1 : 11/2 : 2; bei den übrigen Bahnen wie 1 : 2: 3,
Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 18. Mai 1904.

[Spaltenumbruch]
Die Japaner vor Port Arthur.

Aus Petersburg wird dem
„L.-A.“ gemeldet, die Japaner rücken immer weiter vor, wäh-
rend die Ruſſen in das Innere der Mandſchurei zurückgehen
und ihre Poſition an der Grenze aufgeben. Täglich wird ein
entſcheidender Kampf erwartet. Gegen Port Arthur haben die
Japaner 2 Diviſionen aufgeſtellt, gegen die ruſſiſche Haupt-
ſtreitmacht 7 Liniendiviſionen und wahrſcheinlich ebenſoviel
Reſervebrigaden. Die 7 Liniendiviſionen umfaſſen 84 Batail-
lone, 21 Eskadronen, 42 Batterien mit 252 Geſchützen und
7 Sappeurbataillone. Dazu kommen noch 9 Feſtungs-Artille-
riebataillone. Die japaniſche Feldarmee beträgt alſo über
100,000 Mann mit 270 Geſchützen. Die 7 Reſervebrigaden
werden auf 28 Bataillone, 7 Eskadronen, 7 Batterien und
3 Kompanien Sappeure, alſo auf ungefähr 20,000 Mann
veranſchlagt. General Kuropatkin ſcheint dem gegenüber die
Initiative zu einem größeren Kampf den Japanern überlaſſen
zu wollen.




Vom Tage.


Die öſterreichiſche Delegation.
(Das Budget — im Ausſchuſſe angenommen.
(Korr.-B.)

Der Budgetaus-
ſchuß
der öſterreichiſchen Delegation nahm das
Budget des Miniſteriums des Aeußern an.
Faſt
ſämtliche Redner drückten ihr Vertrauen in die äußere Politik
des Grafen Goluchowski ſowie die Hoffnung aus, daß
die öſterreichiſch-ruſſiſche Entente ehebald günſtige Reſultate
zeitigen werde. Graf Goluchowski konſtatierte gegenüber
dem Delegierten Kramarz mit großer Genugtuung die be-
ſondere Unterſtütznng, welche der Reformaktion ſeitens Deutſch-
lands zuteil wird, welches gleich Oeſterreich-Ungarn die Er-
haltung der Türkei wünſcht. Der Miniſter pflichtete Kramarz
bei, daß die Türkei trotz des Druckes der Großmächte noch
immer Schwierigkeiten mache, um ſich der loyalen Ausführung
des Reformprogrammes zu entziehen; daran ſeien aber nicht
die Großmächte ſchuld, ſondern viel kleinere Leute, die ein
poſitives Intereſſe daran haben, daß das Reformprogramm
nicht durchgeführt werde. Dank der Feſtigkeit der Entente-
mächte ſind ſie zur Einſicht gelangt, daß ihr Werk nicht ge-
lingen könne. Dem iſt die günſtigere Wendung, die in der
letzten Zeit eingetreten iſt, zuzuſchreiben. Gegenüber der Be-
merkung Kramarz, der deutſche Kaiſer hätte zur Herbeiführung
der Begegnung mit dem italieniſchen Miniſter Tittoni in
Abbazia beigetragen, konſtatiert Graf Goluchowski, daß
die Begegnung vollkommen ſpontan erfolgte, nachdem man ſie
hier und in Rom als etwas Nützliches erkannt hatte. In Be-
antwortung der Anfrage des Delegierten Tollinger erklärte
der Miniſter, in Abbazia wurden keinerlei Stipulationen
bezüglich der Weinzollklauſel getroffen, bloß beiderſeits der
Wunſch geäußert, ehebald ein diesbezügliches Uebereinkommen
zu erlangen.

(Korr.-B.)

Der Budget-
ausſchuß
der öſterreichiſchen Delegation nahm den Vor-
ſchlag ſeines Obmannes Freiherrn von Chlumecky an,
die außerordentlichen Kriegs- und Marine-
kredite gleichzeitig
mit den bezüglichen Extra-
ordinarien
zu beraten, die Beſchlußfaſſung
über die außerordentlichen Kredite jedoch auszuſetzen,
bis der Finanzminiſter finanztechniſche Aufklärungen
erteilt haben werde. Der Ausſchuß begann dann die Be-
ratungen des Heeresextraordinariums.






ſchrift: „Gemeinderatswahlen von Paris“, daß ſie billige
Zahngebiſſe, ausgezeichnete Velozipede und unübertreffliche
Schinken auf Lager haben. Alle dieſe Geſetzübertretungen muß
ſich die Polizei ruhig gefallen laſſen, weil die findigen Ge-
ſchäftsmänner nicht verabſäumen, fortwährend die Wahlen in
ihre Reklame einzuflechten.

Noch ſonderbarer nehmen ſich andere Plakate aus, auf
welchen der hellſte Blödſinn herrſcht. Ein Kandidat der zehnten
Arrondiſſements verſprach den Wählern unter Einſetzung ſeines
Ehrenwortes, daß alle Bewohner dieſes Stadtbezirks binnen
Kurzem ihre 250 Fr. monatliche Einnahme haben würden,
gleichviel welcher Beſchäftigung ſie ſich hingäben. Zu dieſem
Reſultat ſollten öffentliche Volksbeluſtigungen beitragen, als
deren Veranſtalter er, der Kandidat, ſich anheiſchig machte, die
ſchönſten Frauen von Paris monatlich einmal in ſeinem Quar-
tier „zum Erfolge der guten Sache“, ſei es zu Theaterauf-
führungen, ſei es zu einem bloßen Schönheitskongreß, zu ver-
ſammeln. Andere Ausbeuter der Stempelfreiheit verſicherten in
ſehr ernſthaftem Tone, daß die Pariſer ſich von den Anti-
alkoholiſten hätten übertölpeln laſſen und daß ſie mindeſtens
zwei Abſinthe und drei Liter Wein täglich bedürften. Noch ein
anderer Pſeudokandidat erklärte, daß Frauen ſich endlich von
der bisherigen Kleidung emanzipieren und zu der von ihm
nach deutſchem Muſter in ſeiner Fabrik, Rue ſo und ſo, aus-
geſtellten Reformkleidung bekehren möchten.

Kurz und gut, das Hallo und die Aufregung über die
kürzliche Wahl war eine ſehr bedeutende. Politiker und falſche
Volksaufwiegler machten ſich ein Vergnügen daraus, Paris ſo
viel wie möglich Sand in die Augen zu ſtreuen. Der geſunde
Sinn der hauptſtädtiſchen Bevölkerung wird ſich an all
dieſen Wahlkram nicht ſtoßen und die Aufgaben im Auge be-
halten, welche Paris in nächſter Zeit zu bewältigen hat. Dieſe
Aufgaben ſind allerdings ſo zahlreich, daß man von einer rein
politiſchen Verſammlung, wie der Pariſer Stadtrat gegenwärtig
beſchaffen iſt, nicht viel gutes erwarten kann. Aber ohne etwas
Aufregung geht es in Paris überhaupt nicht mehr ab. Nach-
dem der Boulangismus und der Nationalismus abgetan ſind,
wird eine neue Lesart aufs Tapet kommen und wiederum
unter den kapriziöſen Pariſern Anhänger finden.




[Spaltenumbruch]
Die Wähler über den Abgeordneten Wa-
lewski.
(Orig.-Korr.)

Sonntag fand
hier eine ſehr ſtark beſuchte Wählerverſammlung ſtatt, die über
den hieſigen Abgeordneten Dr. Walewski zu Gerichte ſaß. Den
Vorſitz führte Bürgermeiſter Dr. Nimhin. Alle Redner, da-
runter die geachteſten Bürger der Stadt, wie Dr. Katzen-
ellenbogen,
Dr. Jurkiewicz, Ingenieur Lapickiu. A.
wieſen darauf hin, daß Abgeordneter Walewski, ſeitdem er das
Mandat erhielt, ſich um die Intereſſen des Wahlbezirkes nicht
kümmerte und keine Rechenſchaft von ſeiner parlamentariſchen
Wirkſamkeit ablegte. Es wurde einſtimmig der Beſchluß ge-
faßt: Die Wähler der Stadt Stanislau drücken dem Abge-
ordneten Walewski das Mißtrauensvotum aus und
fordern ihn auf, das Mandat niederzulegen. Die Reſolution
wird dem Präſidium des Polenklubs und dem Dr. Walewski
überſendet werden.




Die franzöſiſche Kammer. (Priv.-Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Am 18. Mai tritt die franzöſiſche Kammer wieder zuſammen.
Die erſte Debatte wird ſich vorausſichtlich mit der Budget-
frage befaſſen. Da bereits mehrere Interpellationen von
verſchiedenen, beſonders nationaliſtiſchen Abgeordneten ange-
kündigt wurden, werden nur ſolche beantwortet werden, die
ſich mit Fragen der inneren Politik befaſſen, um nicht eine
Debatte heraufzubeſchwören, die eine Berührung äußerer
Fragen unerläßlich nach ſich ziehen würde, was die Re-
gierung in dieſem Momente zu vermeiden beſtrebt iſt. Mit
großer Spannung ſieht man den Debatten über die Be-
ziehungen Frankreichs zum Vatikan entgegen.




Zeitungsſchau.


Die erſte Klaſſe auf den Eiſenbahnen.

Die alte Erfahrung, daß Oeſterreich „ſtets um eine
Idee zurück“ iſt, bewährt ſich wieder einmal draſtiſch
in der Frage der Aufhebung der erſten Klaſſe in
den Perſonenzügen. Ueber die erſten Anſätze zu dieſer nütz-
lichen Neuerung iſt man nicht hinausgekommen. Ein paar
Induſtrielle und Gutsbeſitzer, die ihren Wohnſitz nicht gerade
in einer Schnellzugsſtation aufgeſchlagen haben, proteſtieren
energiſch gegen die Zumutung, etliche Kilometer in der pro-
letariſchen zweiten Klaſſe fahren zu müſſen, und erhalten
ſtarke Unterſtützung durch die zahlreichen Leute, die auf der
Eiſenbahn gar nichts oder ſtark ermäßigte Tarife zu zahlen
brauchen. Und das ſind hier zum Teil ſehr einflußreiche
Herrſchaften. Trotzdem gewinnt es den Anſchein, daß endlich
auch hierzulande die praktiſche Vernunft über die Sonder-
intereſſen ſiegt. In Deutſchland war es Baden und Bayern,
ſpäter auch Württemberg vorbehalten, die Eiſenbahnvormacht
der preußiſch-heſſiſchen Betriebsgemeinſchaft mit dem guten
Beiſpiel voranzugehen. Süddeutſchland hat jetzt die Genug-
tuung, den neuen preußiſchen Eiſenbahnminiſter ſeinen
Spuren folgen zu ſehen. Daß Herr Budde mit ſeiner Nach-
folge leicht auf ſeine Rechnung kommt, zeigt die nachfolgende
Zuſammenſtellung, die mir ein öſterreichiſches Eiſenbahn-
unternehmen in dankenswerter Weiſe zur Verfügung ſtellt.
Die Tabelle faßt allerdings den Schnellzugs- und Perſonen-
zugsverkehr zuſammen, wirkt aber auch ſo ſchon augen-
ſcheinlich genug. Jedermann kann ſich aus ihr ein Bild
machen, wie ungleichmäßig ſich der Reiſeverkehr auf die
einzelnen Klaſſen verteilt, und an Handen der angegebenen
Tarifverhältniſſe auch ſichere Schlüſſe auf die Einnahmen
aus den verſchiedenen Kategorien ziehen.




1901 Von dem kilometriſchen Perſonen-
verkehr entfallen auf die .. Wagen-
klaſſe Prozent:
I II III IV Mili-
tär
in Deutſchland:
*Preußen-Heſſen Staats-
bahnen
1·5513·0337·1243·354·95
*Sachſen0·8511·3561·0522·523·63
*Bayern2·2314·0878·515·18
*Baden2·2417.9574·146·87
in Oeſterreich-
Ungarn:
Oeſterr. Staatsbahnen1·679·5182·466’36
*Ungar. „3·4225·4860·5210·58
Nordbahn-Geſellſchaft ..1·7410·7481·496·03
Nordweſtbahn-Geſellſch.1·8410·9482·684·54
Staatsbahn-Geſellſchaft1·6910·1084·433·78
*Südbahn (Oeſt.) Geſ.4·1420·5668·716·59
*Südbahn (Ung.) Geſ.3·5817·4670·078·71

Die deutſchen Bahnen arbeiten leider noch immer mit
dem Kilometertarif und Rückfahrkarten ohne jede Rückſicht
auf die Entfernung; auch auf den öſterreichiſchen Linien der
Südbahn-Geſellſchaft herrſcht dieſes Syſtem, verzwickt und
vielfach durchbrochen durch Kompromißtarife mit anderen
Bahnen. In Ungarn beſteht der Zonentarif; in ſeiner heuti-
gen Geſtalt ein Monſtrum von Komplikationen und Schi-
kanen bildet er das Schmerzenskind einer jeden der zahl-
reichen Regierungen und fühlt immer vernehmlicher ſein
ſeliges Ende nahen. Die öſterreichiſchen Staatsbahnen und
die Mehrzahl der Privatgeſellſchaften bekennen ſich zum
Staffeltarif ohne Rückfahrkarten mit dem ungeheuerlichen
Schnellzugszuſchlag von 50 Prozent und der großen Ver-
teuerung der höheren Klaſſen. Unſere Zuſammenſtellung
läßt erkennen, daß das Preisverhältnis zwiſchen den ein-
zelnen Wagenklaſſen viel mehr als deren Ausſtattung für die
Benützung den Ausſchlag gibt. In Deutſchland, Ungarn und
bei der Südbahn-Geſellſchaft iſt die zweite Klaſſe etwa um
[Spaltenumbruch] die Hälfte, die erſte etwa um das Doppelte teurer als die
dritte Klaſſe. Unter dieſen Bedingungen findet ſich immer
noch eine größere Zahl von Reiſenden für die höheren
Wagenklaſſen. Allerdings mit einer ſehr bemerkenswerten
Ausnahme: in Preußen-Heſſen und in Sachſen — hier frei-
lich in geringerem Maß, weil die vierte Klaſſe nicht ganz
ſo billig wie in Preußen iſt und überdies nur an Werk-
tagen mitgeführt wird — geht ein großer Teil der Reiſenden,
die anderwärts zweiter Klaſſe fahren, auf die dritte Klaſſe
über, noch viel mehr aber von der dritten auf die vierte.
Darunter büßt natürlich auch die erſte Klaſſe an Paſſagieren
ein. Bei den Staffeltarifbahnen iſt infolge der ſtarken Ver-
teuerung die Benützung der zweiten Klaſſe ſehr ſchlecht und
die dritte Klaſſe überfüllt. In Ungarn mag auch manchem
weniger bemittelten Reiſenden das Publikum der dritten
Klaſſe denn doch zu gemiſcht ſein, abgeſehen davon, daß
dort die Schnellzüge immer noch nicht die dritte Klaſſe mit-
führen. Eines iſt allen Bahnen gemeinſam, ob ſie nun in
Deutſchland, Oeſterreich oder Ungarn liegen, ob mit Kilo-
meter-, Zonen- oder Staffeltarif arbeitend: die geradezu
ſporadiſche Benutzung der erſten Klaſſe ſelbſt im internatio-
nalen Reiſeverkehr gegenüber den anderen Klaſſen. Selbſt
Ungarn, wo der Orientverkehr lange Strecken durcheilt, und
die öſterreichiſche Südbahn, die den größten Teil des Luxus-
verkehrs in die Wiener Sommerfriſchen, auf den Semmering,
auf die Adria, nach Egypten, Italien und Tirol bewältigt,
weiſen in dieſer Beziehung recht beſcheidene Ziffern auf.
Scheidet man den Schnellzugsverkehr aus, ſo ergibt ſich
ſogar für dieſe Bahnen die bezeichnende Tatſache, daß in
den Perſonenzügen die Einnahmen aus der erſten Klaſſe
nicht einmal die Koſten der Beleuchtung und Heizung der
betreffenden Abteile decken! Was die Wagen erſter Klaſſe
mehr an Anſchaffungskoſten, Zinſen und Amortiſation, In-
ſtandhaltung, Zugsförderungskoſten, Bedienung u. ſ. w.
erfordern, kann ganz beiſeite bleiben. Die 95—99 Prozent
aller Reiſenden, die nicht erſter Klaſſe fahren, haben allen
Grund, das Luxusbedürfnts einer verſchwindenden Minder-
heit dahin zu lenken, daß dieſe Wenigen ſich gegegebenfalls
mehrere Karten zweiter Klaſſe löſen und dadurch die beſſere
Ausſtattung der zweiten und dritten Klaſſe mitfördern.




Bunte Chronik.


Der Prinzregent von Bayern in Wien.

Prinz-
regent Luitpold von Bayern iſt mit ſeiner Tochter, der
Prinzeſſin Thereſe, heute Früh zum Beſuche ſeiner
Schweſter Erzherzogin Adelgunde, Herzogin von Modena,
aus Berchtesgaden in Wien eingetroffen. Der Prinzregent iſt
im Palais Modena in der Beatrixgaſſe abgeſtiegen.

Stanley und Bismarck.

Es wird intereſſieren, zu
hören, daß Stanley ein glühender Verehrer Bismarcks war,
der ihm während der Kongo-Konferenz mehrere längere Unter-
redungen bewilligt hat. Er ſchrieb mir im Jahre 1895:
„Sie fragen mich, was ich über Bismarck denke? Das iſt
eine große Frage. Er iſt weder ein Cromwell noch ein Pitt;
könnten wir uns aber eine glückliche Miſchung der beſten
Eigenſchaften beider vorſtellen, ſo würden [w]ir wohl etwas
bekommen, das unſerem Bismarck nicht unähnlich wäre, und
gerade eine Perſönlichkeit der Art, wie ſie England heute
nottut. Ihr Fürſt iſt ein Mann, der immer genau wußte,
was er wollte, und immer gerade auf ſein Ziel losging. Wie
unſäglich viel will das ſagen! Wenn ich Seiten füllte, könnte
ich Ihnen nicht alle meine Bewunderung für Bismarck aus-
drücken. Als Menſchenleiter und -Anführer ſteht er über allen
ſeinen Zeitgenoſſen. Als Menſch iſt er ganz und gar liebens-
wert dank ſeiner Geradheit, Ehrlichkeit und Einfachheit.
Könnten wir nur etwas von ſeiner moraliſchen Stärke und
ſeinem Mut in einer Flaſche auffangen und unſere Staats-
männer mit einer Doſe dieſes wundervollen Extraktes ‚beharzigen‘,
wir hätten bald Urſache, ſtolz auf ſie zu ſein. Leider iſt es
nicht wahrſcheinlich, daß wir je im Stand ſein werden, dieſe
wahrhaft afrikaniſche Idee zu verwirklichen — und ſo müſſen
wir eben warten, bis jemand aus ſeinem Charakter ein Text-
buch machen wird zum Spezialbeſten knieſchwacher und ent-
arteter Staatsmänner. Dann mögen auch Großbritannien
einige der Vorzüge blühen, die Deutſchland heute die Achtung
der ganzen Welt ſichern.“ Was Stanley an Bismarck am
meiſten bewunderte, iſt charakteriſtiſch für ſeine eigene Natur.
Wenn man Kleineres mit Großem vergleichen darf, kann man
ſagen, daß auch Stanleys Größe zuletzt darin lag, daß er
unvergleichlich war als „leader of man“, und daß er ein
Mann war, „who has known exactly what he wanted
and has directed his course straight ahead.

Schloſſerſtreik.

Aus Berlin wird uns unterm
Heutigen telegraphiert: Dem „Berliner Lokalanzeiger“
zufolge brach in den Werkſtätten der Berliner Straßenbahn
ein Ausſtand der Schloſſer aus.

Patriotismus und Aberglauben.

Trotz der
empfindlichen Niederlage, welche die Vorhut des Generals
Kuropatkin erlitten hat, trotz des tragiſchen Uuterganges
Makarows (wiewohl doch beide Befehlshaber, in ganz
außergewöhnlichem Maße mit Heiligenbildern ausgerüſtet,
ſeinerzeit auf den Kriegsſchauplatz abreiſten), bewahren die
ruſſiſchen Volksmaſſen ihren unerſchütterlichen Glauben an die
ſiegesſpendende Kraft dieſer Amulette. Jetzt iſt die Reihe an
den Admiral Skrydlow gekommen, der nach einem kurzen
Aufenthalte in Sebaſtopol dem fernen Oſten zueilt. Ueber-
reichlich mit Heiligenbildern in den Hauptſtädten bedacht, muß
er es nun über ſich ergehen laſſen, daß ſein Reiſegepäck
auf den zahlreichen Stationen der großen ſibiriſchen Bahn
durch neue Schenkungen zu einem bedrohlichen Umfange
anſchwillt. In Tula z. B. überreichte ihm eine Schar von
Kiewer Pilgern ein Bild der Muttergottes. Es iſt nach den
Angaben eines ſtelzfüßigen Veteranen von Sebaſtopol gemalt
und ſtellt die heilige Jungfrau dar, wie ſie am Meeresſtrande
auf zwei gekreuzten Schwertern ſteht. Der Admiral nahm

* Verhältnis der Fahrpreiſe in der III., II. und I. Klaſſe etwa
wie 1 : 1½ : 2; bei den übrigen Bahnen wie 1 : 2: 3,
* Verhältnis der Fahrpreiſe in der III., II. und I. Klaſſe etwa
wie 1 : 1½ : 2; bei den übrigen Bahnen wie 1 : 2: 3,
* Verhältnis der Fahrpreiſe in der III., II. und I. Klaſſe etwa
wie 1 : 1½ : 2; bei den übrigen Bahnen wie 1 : 2: 3,
* Verhältnis der Fahrpreiſe in der III., II. und I. Klaſſe etwa
wie 1 : 1½ : 2; bei den übrigen Bahnen wie 1 : 2: 3,
* Verhältnis der Fahrpreiſe in der III., II. und I. Klaſſe etwa
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* Verhältnis der Fahrpreiſe in der III., II. und I. Klaſſe etwa
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* Verhältnis der Fahrpreiſe in der III., II. und I. Klaſſe etwa
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[2/0002] Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 18. Mai 1904. Die Japaner vor Port Arthur. Berlin, 16. Mai. Aus Petersburg wird dem „L.-A.“ gemeldet, die Japaner rücken immer weiter vor, wäh- rend die Ruſſen in das Innere der Mandſchurei zurückgehen und ihre Poſition an der Grenze aufgeben. Täglich wird ein entſcheidender Kampf erwartet. Gegen Port Arthur haben die Japaner 2 Diviſionen aufgeſtellt, gegen die ruſſiſche Haupt- ſtreitmacht 7 Liniendiviſionen und wahrſcheinlich ebenſoviel Reſervebrigaden. Die 7 Liniendiviſionen umfaſſen 84 Batail- lone, 21 Eskadronen, 42 Batterien mit 252 Geſchützen und 7 Sappeurbataillone. Dazu kommen noch 9 Feſtungs-Artille- riebataillone. Die japaniſche Feldarmee beträgt alſo über 100,000 Mann mit 270 Geſchützen. Die 7 Reſervebrigaden werden auf 28 Bataillone, 7 Eskadronen, 7 Batterien und 3 Kompanien Sappeure, alſo auf ungefähr 20,000 Mann veranſchlagt. General Kuropatkin ſcheint dem gegenüber die Initiative zu einem größeren Kampf den Japanern überlaſſen zu wollen. Vom Tage. Czernowitz, 17. Mai 1904. Die öſterreichiſche Delegation. (Das Budget — im Ausſchuſſe angenommen. Budapeſt, 16. Mai. (Korr.-B.) Der Budgetaus- ſchuß der öſterreichiſchen Delegation nahm das Budget des Miniſteriums des Aeußern an. Faſt ſämtliche Redner drückten ihr Vertrauen in die äußere Politik des Grafen Goluchowski ſowie die Hoffnung aus, daß die öſterreichiſch-ruſſiſche Entente ehebald günſtige Reſultate zeitigen werde. Graf Goluchowski konſtatierte gegenüber dem Delegierten Kramarz mit großer Genugtuung die be- ſondere Unterſtütznng, welche der Reformaktion ſeitens Deutſch- lands zuteil wird, welches gleich Oeſterreich-Ungarn die Er- haltung der Türkei wünſcht. Der Miniſter pflichtete Kramarz bei, daß die Türkei trotz des Druckes der Großmächte noch immer Schwierigkeiten mache, um ſich der loyalen Ausführung des Reformprogrammes zu entziehen; daran ſeien aber nicht die Großmächte ſchuld, ſondern viel kleinere Leute, die ein poſitives Intereſſe daran haben, daß das Reformprogramm nicht durchgeführt werde. Dank der Feſtigkeit der Entente- mächte ſind ſie zur Einſicht gelangt, daß ihr Werk nicht ge- lingen könne. Dem iſt die günſtigere Wendung, die in der letzten Zeit eingetreten iſt, zuzuſchreiben. Gegenüber der Be- merkung Kramarz, der deutſche Kaiſer hätte zur Herbeiführung der Begegnung mit dem italieniſchen Miniſter Tittoni in Abbazia beigetragen, konſtatiert Graf Goluchowski, daß die Begegnung vollkommen ſpontan erfolgte, nachdem man ſie hier und in Rom als etwas Nützliches erkannt hatte. In Be- antwortung der Anfrage des Delegierten Tollinger erklärte der Miniſter, in Abbazia wurden keinerlei Stipulationen bezüglich der Weinzollklauſel getroffen, bloß beiderſeits der Wunſch geäußert, ehebald ein diesbezügliches Uebereinkommen zu erlangen. Budapeſt, 17. Mai. (Korr.-B.) Der Budget- ausſchuß der öſterreichiſchen Delegation nahm den Vor- ſchlag ſeines Obmannes Freiherrn von Chlumecky an, die außerordentlichen Kriegs- und Marine- kredite gleichzeitig mit den bezüglichen Extra- ordinarien zu beraten, die Beſchlußfaſſung über die außerordentlichen Kredite jedoch auszuſetzen, bis der Finanzminiſter finanztechniſche Aufklärungen erteilt haben werde. Der Ausſchuß begann dann die Be- ratungen des Heeresextraordinariums. ſchrift: „Gemeinderatswahlen von Paris“, daß ſie billige Zahngebiſſe, ausgezeichnete Velozipede und unübertreffliche Schinken auf Lager haben. Alle dieſe Geſetzübertretungen muß ſich die Polizei ruhig gefallen laſſen, weil die findigen Ge- ſchäftsmänner nicht verabſäumen, fortwährend die Wahlen in ihre Reklame einzuflechten. Noch ſonderbarer nehmen ſich andere Plakate aus, auf welchen der hellſte Blödſinn herrſcht. Ein Kandidat der zehnten Arrondiſſements verſprach den Wählern unter Einſetzung ſeines Ehrenwortes, daß alle Bewohner dieſes Stadtbezirks binnen Kurzem ihre 250 Fr. monatliche Einnahme haben würden, gleichviel welcher Beſchäftigung ſie ſich hingäben. Zu dieſem Reſultat ſollten öffentliche Volksbeluſtigungen beitragen, als deren Veranſtalter er, der Kandidat, ſich anheiſchig machte, die ſchönſten Frauen von Paris monatlich einmal in ſeinem Quar- tier „zum Erfolge der guten Sache“, ſei es zu Theaterauf- führungen, ſei es zu einem bloßen Schönheitskongreß, zu ver- ſammeln. Andere Ausbeuter der Stempelfreiheit verſicherten in ſehr ernſthaftem Tone, daß die Pariſer ſich von den Anti- alkoholiſten hätten übertölpeln laſſen und daß ſie mindeſtens zwei Abſinthe und drei Liter Wein täglich bedürften. Noch ein anderer Pſeudokandidat erklärte, daß Frauen ſich endlich von der bisherigen Kleidung emanzipieren und zu der von ihm nach deutſchem Muſter in ſeiner Fabrik, Rue ſo und ſo, aus- geſtellten Reformkleidung bekehren möchten. Kurz und gut, das Hallo und die Aufregung über die kürzliche Wahl war eine ſehr bedeutende. Politiker und falſche Volksaufwiegler machten ſich ein Vergnügen daraus, Paris ſo viel wie möglich Sand in die Augen zu ſtreuen. Der geſunde Sinn der hauptſtädtiſchen Bevölkerung wird ſich an all dieſen Wahlkram nicht ſtoßen und die Aufgaben im Auge be- halten, welche Paris in nächſter Zeit zu bewältigen hat. Dieſe Aufgaben ſind allerdings ſo zahlreich, daß man von einer rein politiſchen Verſammlung, wie der Pariſer Stadtrat gegenwärtig beſchaffen iſt, nicht viel gutes erwarten kann. Aber ohne etwas Aufregung geht es in Paris überhaupt nicht mehr ab. Nach- dem der Boulangismus und der Nationalismus abgetan ſind, wird eine neue Lesart aufs Tapet kommen und wiederum unter den kapriziöſen Pariſern Anhänger finden. Die Wähler über den Abgeordneten Wa- lewski. Stanislan, 16. Mai. (Orig.-Korr.) Sonntag fand hier eine ſehr ſtark beſuchte Wählerverſammlung ſtatt, die über den hieſigen Abgeordneten Dr. Walewski zu Gerichte ſaß. Den Vorſitz führte Bürgermeiſter Dr. Nimhin. Alle Redner, da- runter die geachteſten Bürger der Stadt, wie Dr. Katzen- ellenbogen, Dr. Jurkiewicz, Ingenieur Lapickiu. A. wieſen darauf hin, daß Abgeordneter Walewski, ſeitdem er das Mandat erhielt, ſich um die Intereſſen des Wahlbezirkes nicht kümmerte und keine Rechenſchaft von ſeiner parlamentariſchen Wirkſamkeit ablegte. Es wurde einſtimmig der Beſchluß ge- faßt: Die Wähler der Stadt Stanislau drücken dem Abge- ordneten Walewski das Mißtrauensvotum aus und fordern ihn auf, das Mandat niederzulegen. Die Reſolution wird dem Präſidium des Polenklubs und dem Dr. Walewski überſendet werden. Die franzöſiſche Kammer. Paris, 17. Mai. (Priv.-Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Am 18. Mai tritt die franzöſiſche Kammer wieder zuſammen. Die erſte Debatte wird ſich vorausſichtlich mit der Budget- frage befaſſen. Da bereits mehrere Interpellationen von verſchiedenen, beſonders nationaliſtiſchen Abgeordneten ange- kündigt wurden, werden nur ſolche beantwortet werden, die ſich mit Fragen der inneren Politik befaſſen, um nicht eine Debatte heraufzubeſchwören, die eine Berührung äußerer Fragen unerläßlich nach ſich ziehen würde, was die Re- gierung in dieſem Momente zu vermeiden beſtrebt iſt. Mit großer Spannung ſieht man den Debatten über die Be- ziehungen Frankreichs zum Vatikan entgegen. Zeitungsſchau. Czernowitz, 17. Mai 1904. Die erſte Klaſſe auf den Eiſenbahnen. Die alte Erfahrung, daß Oeſterreich „ſtets um eine Idee zurück“ iſt, bewährt ſich wieder einmal draſtiſch in der Frage der Aufhebung der erſten Klaſſe in den Perſonenzügen. Ueber die erſten Anſätze zu dieſer nütz- lichen Neuerung iſt man nicht hinausgekommen. Ein paar Induſtrielle und Gutsbeſitzer, die ihren Wohnſitz nicht gerade in einer Schnellzugsſtation aufgeſchlagen haben, proteſtieren energiſch gegen die Zumutung, etliche Kilometer in der pro- letariſchen zweiten Klaſſe fahren zu müſſen, und erhalten ſtarke Unterſtützung durch die zahlreichen Leute, die auf der Eiſenbahn gar nichts oder ſtark ermäßigte Tarife zu zahlen brauchen. Und das ſind hier zum Teil ſehr einflußreiche Herrſchaften. Trotzdem gewinnt es den Anſchein, daß endlich auch hierzulande die praktiſche Vernunft über die Sonder- intereſſen ſiegt. In Deutſchland war es Baden und Bayern, ſpäter auch Württemberg vorbehalten, die Eiſenbahnvormacht der preußiſch-heſſiſchen Betriebsgemeinſchaft mit dem guten Beiſpiel voranzugehen. Süddeutſchland hat jetzt die Genug- tuung, den neuen preußiſchen Eiſenbahnminiſter ſeinen Spuren folgen zu ſehen. Daß Herr Budde mit ſeiner Nach- folge leicht auf ſeine Rechnung kommt, zeigt die nachfolgende Zuſammenſtellung, die mir ein öſterreichiſches Eiſenbahn- unternehmen in dankenswerter Weiſe zur Verfügung ſtellt. Die Tabelle faßt allerdings den Schnellzugs- und Perſonen- zugsverkehr zuſammen, wirkt aber auch ſo ſchon augen- ſcheinlich genug. Jedermann kann ſich aus ihr ein Bild machen, wie ungleichmäßig ſich der Reiſeverkehr auf die einzelnen Klaſſen verteilt, und an Handen der angegebenen Tarifverhältniſſe auch ſichere Schlüſſe auf die Einnahmen aus den verſchiedenen Kategorien ziehen. 1901 Von dem kilometriſchen Perſonen- verkehr entfallen auf die .. Wagen- klaſſe Prozent: I II III IV Mili- tär in Deutſchland: *Preußen-Heſſen Staats- bahnen 1·55 13·03 37·12 43·35 4·95 *Sachſen 0·85 11·35 61·05 22·52 3·63 *Bayern 2·23 14·08 78·51 — 5·18 *Baden 2·24 17.95 74·14 — 6·87 in Oeſterreich- Ungarn: Oeſterr. Staatsbahnen 1·67 9·51 82·46 — 6’36 *Ungar. „ 3·42 25·48 60·52 — 10·58 Nordbahn-Geſellſchaft .. 1·74 10·74 81·49 — 6·03 Nordweſtbahn-Geſellſch. 1·84 10·94 82·68 — 4·54 Staatsbahn-Geſellſchaft 1·69 10·10 84·43 — 3·78 *Südbahn (Oeſt.) Geſ. 4·14 20·56 68·71 — 6·59 *Südbahn (Ung.) Geſ. 3·58 17·46 70·07 — 8·71 Die deutſchen Bahnen arbeiten leider noch immer mit dem Kilometertarif und Rückfahrkarten ohne jede Rückſicht auf die Entfernung; auch auf den öſterreichiſchen Linien der Südbahn-Geſellſchaft herrſcht dieſes Syſtem, verzwickt und vielfach durchbrochen durch Kompromißtarife mit anderen Bahnen. In Ungarn beſteht der Zonentarif; in ſeiner heuti- gen Geſtalt ein Monſtrum von Komplikationen und Schi- kanen bildet er das Schmerzenskind einer jeden der zahl- reichen Regierungen und fühlt immer vernehmlicher ſein ſeliges Ende nahen. Die öſterreichiſchen Staatsbahnen und die Mehrzahl der Privatgeſellſchaften bekennen ſich zum Staffeltarif ohne Rückfahrkarten mit dem ungeheuerlichen Schnellzugszuſchlag von 50 Prozent und der großen Ver- teuerung der höheren Klaſſen. Unſere Zuſammenſtellung läßt erkennen, daß das Preisverhältnis zwiſchen den ein- zelnen Wagenklaſſen viel mehr als deren Ausſtattung für die Benützung den Ausſchlag gibt. In Deutſchland, Ungarn und bei der Südbahn-Geſellſchaft iſt die zweite Klaſſe etwa um die Hälfte, die erſte etwa um das Doppelte teurer als die dritte Klaſſe. Unter dieſen Bedingungen findet ſich immer noch eine größere Zahl von Reiſenden für die höheren Wagenklaſſen. Allerdings mit einer ſehr bemerkenswerten Ausnahme: in Preußen-Heſſen und in Sachſen — hier frei- lich in geringerem Maß, weil die vierte Klaſſe nicht ganz ſo billig wie in Preußen iſt und überdies nur an Werk- tagen mitgeführt wird — geht ein großer Teil der Reiſenden, die anderwärts zweiter Klaſſe fahren, auf die dritte Klaſſe über, noch viel mehr aber von der dritten auf die vierte. Darunter büßt natürlich auch die erſte Klaſſe an Paſſagieren ein. Bei den Staffeltarifbahnen iſt infolge der ſtarken Ver- teuerung die Benützung der zweiten Klaſſe ſehr ſchlecht und die dritte Klaſſe überfüllt. In Ungarn mag auch manchem weniger bemittelten Reiſenden das Publikum der dritten Klaſſe denn doch zu gemiſcht ſein, abgeſehen davon, daß dort die Schnellzüge immer noch nicht die dritte Klaſſe mit- führen. Eines iſt allen Bahnen gemeinſam, ob ſie nun in Deutſchland, Oeſterreich oder Ungarn liegen, ob mit Kilo- meter-, Zonen- oder Staffeltarif arbeitend: die geradezu ſporadiſche Benutzung der erſten Klaſſe ſelbſt im internatio- nalen Reiſeverkehr gegenüber den anderen Klaſſen. Selbſt Ungarn, wo der Orientverkehr lange Strecken durcheilt, und die öſterreichiſche Südbahn, die den größten Teil des Luxus- verkehrs in die Wiener Sommerfriſchen, auf den Semmering, auf die Adria, nach Egypten, Italien und Tirol bewältigt, weiſen in dieſer Beziehung recht beſcheidene Ziffern auf. Scheidet man den Schnellzugsverkehr aus, ſo ergibt ſich ſogar für dieſe Bahnen die bezeichnende Tatſache, daß in den Perſonenzügen die Einnahmen aus der erſten Klaſſe nicht einmal die Koſten der Beleuchtung und Heizung der betreffenden Abteile decken! Was die Wagen erſter Klaſſe mehr an Anſchaffungskoſten, Zinſen und Amortiſation, In- ſtandhaltung, Zugsförderungskoſten, Bedienung u. ſ. w. erfordern, kann ganz beiſeite bleiben. Die 95—99 Prozent aller Reiſenden, die nicht erſter Klaſſe fahren, haben allen Grund, das Luxusbedürfnts einer verſchwindenden Minder- heit dahin zu lenken, daß dieſe Wenigen ſich gegegebenfalls mehrere Karten zweiter Klaſſe löſen und dadurch die beſſere Ausſtattung der zweiten und dritten Klaſſe mitfördern. „F. Z.“ Bunte Chronik. Czernowitz, 17. Mai 1904. Der Prinzregent von Bayern in Wien. Prinz- regent Luitpold von Bayern iſt mit ſeiner Tochter, der Prinzeſſin Thereſe, heute Früh zum Beſuche ſeiner Schweſter Erzherzogin Adelgunde, Herzogin von Modena, aus Berchtesgaden in Wien eingetroffen. Der Prinzregent iſt im Palais Modena in der Beatrixgaſſe abgeſtiegen. Stanley und Bismarck. Es wird intereſſieren, zu hören, daß Stanley ein glühender Verehrer Bismarcks war, der ihm während der Kongo-Konferenz mehrere längere Unter- redungen bewilligt hat. Er ſchrieb mir im Jahre 1895: „Sie fragen mich, was ich über Bismarck denke? Das iſt eine große Frage. Er iſt weder ein Cromwell noch ein Pitt; könnten wir uns aber eine glückliche Miſchung der beſten Eigenſchaften beider vorſtellen, ſo würden wir wohl etwas bekommen, das unſerem Bismarck nicht unähnlich wäre, und gerade eine Perſönlichkeit der Art, wie ſie England heute nottut. Ihr Fürſt iſt ein Mann, der immer genau wußte, was er wollte, und immer gerade auf ſein Ziel losging. Wie unſäglich viel will das ſagen! Wenn ich Seiten füllte, könnte ich Ihnen nicht alle meine Bewunderung für Bismarck aus- drücken. Als Menſchenleiter und -Anführer ſteht er über allen ſeinen Zeitgenoſſen. Als Menſch iſt er ganz und gar liebens- wert dank ſeiner Geradheit, Ehrlichkeit und Einfachheit. Könnten wir nur etwas von ſeiner moraliſchen Stärke und ſeinem Mut in einer Flaſche auffangen und unſere Staats- männer mit einer Doſe dieſes wundervollen Extraktes ‚beharzigen‘, wir hätten bald Urſache, ſtolz auf ſie zu ſein. Leider iſt es nicht wahrſcheinlich, daß wir je im Stand ſein werden, dieſe wahrhaft afrikaniſche Idee zu verwirklichen — und ſo müſſen wir eben warten, bis jemand aus ſeinem Charakter ein Text- buch machen wird zum Spezialbeſten knieſchwacher und ent- arteter Staatsmänner. Dann mögen auch Großbritannien einige der Vorzüge blühen, die Deutſchland heute die Achtung der ganzen Welt ſichern.“ Was Stanley an Bismarck am meiſten bewunderte, iſt charakteriſtiſch für ſeine eigene Natur. Wenn man Kleineres mit Großem vergleichen darf, kann man ſagen, daß auch Stanleys Größe zuletzt darin lag, daß er unvergleichlich war als „leader of man“, und daß er ein Mann war, „who has known exactly what he wanted and has directed his course straight ahead. Schloſſerſtreik. Aus Berlin wird uns unterm Heutigen telegraphiert: Dem „Berliner Lokalanzeiger“ zufolge brach in den Werkſtätten der Berliner Straßenbahn ein Ausſtand der Schloſſer aus. Patriotismus und Aberglauben. Trotz der empfindlichen Niederlage, welche die Vorhut des Generals Kuropatkin erlitten hat, trotz des tragiſchen Uuterganges Makarows (wiewohl doch beide Befehlshaber, in ganz außergewöhnlichem Maße mit Heiligenbildern ausgerüſtet, ſeinerzeit auf den Kriegsſchauplatz abreiſten), bewahren die ruſſiſchen Volksmaſſen ihren unerſchütterlichen Glauben an die ſiegesſpendende Kraft dieſer Amulette. Jetzt iſt die Reihe an den Admiral Skrydlow gekommen, der nach einem kurzen Aufenthalte in Sebaſtopol dem fernen Oſten zueilt. Ueber- reichlich mit Heiligenbildern in den Hauptſtädten bedacht, muß er es nun über ſich ergehen laſſen, daß ſein Reiſegepäck auf den zahlreichen Stationen der großen ſibiriſchen Bahn durch neue Schenkungen zu einem bedrohlichen Umfange anſchwillt. In Tula z. B. überreichte ihm eine Schar von Kiewer Pilgern ein Bild der Muttergottes. Es iſt nach den Angaben eines ſtelzfüßigen Veteranen von Sebaſtopol gemalt und ſtellt die heilige Jungfrau dar, wie ſie am Meeresſtrande auf zwei gekreuzten Schwertern ſteht. Der Admiral nahm * Verhältnis der Fahrpreiſe in der III., II. und I. Klaſſe etwa wie 1 : 1½ : 2; bei den übrigen Bahnen wie 1 : 2: 3, * Verhältnis der Fahrpreiſe in der III., II. und I. Klaſſe etwa wie 1 : 1½ : 2; bei den übrigen Bahnen wie 1 : 2: 3, * Verhältnis der Fahrpreiſe in der III., II. und I. Klaſſe etwa wie 1 : 1½ : 2; bei den übrigen Bahnen wie 1 : 2: 3, * Verhältnis der Fahrpreiſe in der III., II. und I. Klaſſe etwa wie 1 : 1½ : 2; bei den übrigen Bahnen wie 1 : 2: 3, * Verhältnis der Fahrpreiſe in der III., II. und I. Klaſſe etwa wie 1 : 1½ : 2; bei den übrigen Bahnen wie 1 : 2: 3, * Verhältnis der Fahrpreiſe in der III., II. und I. Klaſſe etwa wie 1 : 1½ : 2; bei den übrigen Bahnen wie 1 : 2: 3, * Verhältnis der Fahrpreiſe in der III., II. und I. Klaſſe etwa wie 1 : 1½ : 2; bei den übrigen Bahnen wie 1 : 2: 3,

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 116, Czernowitz, 18.05.1904, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer116_1904/2>, abgerufen am 28.03.2024.