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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1369, Czernowitz, 04.08.1908.

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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 4. August 1908.

[Spaltenumbruch] d. h. die Milch wird erst entrahmt und dann mit Wasser
versetzt. Hiedurch wird die Erhöhung, welche das spezifische
Gewicht durch die Entrahmung erfährt, wieder ausgeglichen.

Die Butter, das in starrer Emulsion befindliche Milch-
fett mit wenigstens 80 v. H. Fett neben sonstigen Milch-
bestandteilen und Wasser, ist häufigen Verfälschungen unter-
worfen. Die Mischungen von Butter mit Margarine sind
seltener geworden, dagegen Verfälschungen mit Kokosfett an
der Tagesordnung. Der an sich nicht leichte Nachweis dieser
Beimischung wird in Zweifelfällen durch das Bestimmen des
Phytosterius, eines im Pflanzenfett vorkommenden unverseif-
barem Stoffes, gestützt.

Ein wichtiges Nahrungsmittel ist die Margarine,
eine der Butter ähnliche Zubereitung, die nach dem Mar-
garinegesetz bis höchstens 4 v. H. Milchfett enthalten darf,
mindestens aber 10 v. H. Sefamöl enthalten muß. Die Zeiten,
in denen man Margarine für ein Gemisch aus allen mög-
lichen Abfallprodukten der Fettindustrie hielt, sind längst vor-
über, ihre Erzeugung geschieht in großen, auf das beste und
sauberste eingerichteten Fabriken, die ein appetitliches und
hygienisch einwandfreies Produkt liefern, so daß gegen diesen
billigen Butterersatz aus gesundheitlichen und volkswirtschaft-
lichen Gründen nichts einzuwenden ist. Nur darf die Mar-
garine nicht als Butter verkauft werden oder mit Butter
vermischt in den Handel kommen.

Der Handelsverkehr mit Fleisch wird durch unsere Ge-
setze und Verordnungen geregelt. Die Unterschiebung einer
anderen Fleischart braucht keine Nahrungsmittelfälschung zu
sein, ist aber als Betrug strafbar. Der Nachweis von Pferde-
fleisch in der Wurst kann chemisch durch eine Glykogen-
bestimmung in der verdächtigen Substanz gestützt werden, aber erst
in neuerer Zeit ist es gelungen, mittels der Uhlenhutschen
Serumreaktion leicht und sicher einen Pferdefleischzusatz nach-
zuweisen. Kaninchen werden mit Pferdeeiweiß vorbehandelt.
Ihr Serum gibt dann mit Pferdefleischauszug einen Nieder-
schlag; diese Reaktion tritt mit keinem andern Tiere weiß ein.
Zur Erhaltung der frischen Farbe setzen viele Schlächter dem
Hackfleisch Konservierungssalze zu, die unter verschiedenen
Namen wesentlich Natrium- oder Kalziumsufit enthalten.
Durch Anwendung schwefligsaurer Salze kann mißfarbig ge-
wordenem Hackfleisch die schöne rote Farbe wiedergegeben und
ihm dadurch der Anschein besserer Beschaffenheit verliehen
werden. Der regelmäßige Genuß derartigen Fleisches ver-
mag die Gesundheit, namentlich von kranken und schwachen
Personen zu schädigen. Ihre Anwendung ist verboten.

Wurstwaren dürfen nicht gefärbt, auch
nicht mit Mehlzusatz
über eine gewisse Grenze hinaus
(nie über 2 v. H.) versehen werden; da, wo der Mehlzusatz
nicht ortsüblich ist, ist er in jeder Menge als Verfälschung
zu erachten. Mit Hilfe von Stärke und sogenannten Binde-
mitteln verstehen es manche Wurstfabrikanten, übermäßig
große Wassermengen in die Wurstmasse einzuführen. Das
Verbot des Zusatzes von Farbstoffen zur Wurst wird in
neuerer Zeit zu umgehen gesucht, indem letzterer ein über-
mäßiger Gehalt an Paprikapulver zugesetzt wird.

Auch in dem Bestreichen der Kiemen von
Fischen
mit roter Farbe ist eine Verfälschung im Sinne
des Nahrungsmittelgesetzes zu erblicken, da hierdurch den
Fischen der Anschein der Frische, d. h. bessereren Beschaffen-
heit bewahrt wird.

In der Kunst des Fälschens stehen an hervorragender
Stelle die Weinfälscher. Mehrere Weinprozesse haben gezeigt,
in welch ungeheuerem Maße die Weinfabrikation betrieben
wird, aber auch auf welch hohe Stufe die Weinpanscher ihre
Kunst gebracht haben. Alle Errungenschaften der modernen
Chemie machen sie sich zunutze. Leider finden sich auch immer
einige Chemiker bereit, sie bei ihren betrügerischen Handlungen
zu unterstützen. Die Fälscher verstehen es, einen Wein "ana-
lysenfest" zu machen, das heißt, ihr Kunstprodukt hält die
[Spaltenumbruch] Prüfungen aus, die das Gesetz bei Wein bezüglich Extragehalt,
Mineralstoffe, Glyzerin, Säuren usw. vorschreibt. Sie machen
aus wenig Wein, viel Wasser, Bukettstoffen, Zucker, Glyzerin
und anderen Chemikalien einen herrlich duftenden alten Wein
und zwar oft so geschickt, daß weder ein geübter Analytiker
noch das viel bessere Kriterium für Wein, die geübte Zunge
eines Weinprobers, zu einem sicheren Urteil gelangen kann.
Abgesehen von dem Treiben dieser Spezialisten unter den
Weinfälschern kommen Mischungen von Wein mit Wasser,
Zusatz von Zucker und dergleichen, die das gesetzlich gestattete
Maß weit überschreiten, außerordentlich häufig vor. Der
Nachweis dieser Fälchungen durch den Chemiker ist in den
Fällen, in denen der verdächtige Wein zur Untersuchung
gelangt, leicht und sicher.

Spirituosen werden in größtem Maßstabe verfälscht.
Echter Original-Jamaika-Rum ist häufig nichts anderes als
ein mit Zuckercouleur gefärbtes Gemisch aus Spiritus und
Wasser, das mittelst künstlich hergestellter Rumessenz parfü-
miert wird, Kognak eine ähnlich hergestellte Flüssigkeit --
ganz abgesehen von den vielen Verschnitten aus etwas echtem
Kognak mit minderwertigem künstlichem Produkt.

Die Bezeichnung "feinster Frucht-Honig", "Trauben-
zuckerhonig", "Gesundheits-Honig" sind Deklarationen, die
zur Täuschung des Publikums führen sollen, denn sie sind
nur eine Umschreibung für das Wort "Kunsthonig". Man
kann Gemische von Bienenhonig ähnlicher Beschaffenheit sehr
leicht künstlich herstellen. Ihre Erkennung ist, namentlich bei
Gemischen aus Bienen- und Kunsthonig, oft unmöglich. Die
Geruchs- und Zungenprobe versagt meist vollkommen.

Es ließe sich diese Aufzählung von Nahrungs- und
Genußmitteln, an denen mehr oder minder grobe Fälschungen
vorgenommen werden, noch außerordentlich erweitern. Nur
dadurch, daß das Publikum mit den Behörden und Unter-
suchungsämtern Hand in Hand arbeitet, daß es jeden Ver-
such der Händler, minderwertige Ware unter falscher Be-
zeichnung in den Verkehr zu bringen, energisch zurückweist
und sich über die Anforderungen, welche an ein gutes und
gesundes Nahrungsmittel zu stellen sind, gründlich informiert,
kann den Nahrungsmittelfälschern wirksam entgegengearbeitet
werden.




Dejeuner beim Landespräsidenten.

Heute fand
bei Seiner Exzellenz dem Herrn Landespräsidenten zu Ehren
des zur Untersuchung der Pellagra in die Bukowina entsandten
Assistenten des Hofrates Neußer, Dr. Adrian Sturli ein
Dejeuner statt, an welchem außer dem Genannten noch nach-
folgende Persönlichkeiten teilnahmen: Landeshauptmannstellver-
treter Dr. Smal-Stocki, Landesausschußbeisitzer Professor Doktor
v. Wolczynski, Hofrat von Fekete, Landesregierungsrat Doktor
Kluczenko, Regierungsrat Dr. Philipowicz und der Vorstand des
Präsidial-Bureaus Bezirkskommissär Oehl.

Gerichtliches.

Oberlandesgerichtsrat Josef Kristel
in Czernowitz hat einen mehrwöchentlichen Urlaub angetreten.
-- Landesgerichtsrat Dr. Anton Winicki und Staats-
anwaltsubstitut Dr. Emanuel Ritter von Cuparenco in
Czernowitz sind von ihren Urlauben zurückgekehrt.

Bukowinaer Landtag.

Der Landesausschuß wird
morgen über die Zuschrift der Landesregierung beraten, ob
und in welchem Zeitpunkte der Bukowiner Landtag zusammen-
treten soll. Die Session soll, wie wir vernehmen, anfangs
Oktober stattfinden und ungefähr drei Wochen währen. In
derselben sollen erledigt werden: Landtagswahlreform, Not-
standstarife, Lehrergehaltsgesetz, Landesanleihe und Budget
für 1908.

Auszeichnungen.

Der Kaiser hat gestattet, daß der
Reichrats- und Landtagsabgeordnete Dr. Alexander Freiherr
von Hormuzaki in Czernowitz das Kommandeurkreuz des
königlich-rumänischen Ordens, Krone von Rumänien und die
[Spaltenumbruch] königlich rumänische Jubiläumsmedaille Karol [I]I., der Ju[-]
velier Hermann Bianovici in Czernowitz und Herr
Hermann Mittelmann in Czernowitz die königlich-
rumänische Jubiläumsmedaille Karol I, annehmen und tragen
dürfen.

Von der Post.

Versetzt wurden die Postassistenten
Osias Lutwak in Wien nach Czernowitz und Eugen Horak
in Czernowitz nach Wien.

Eine Untersuchung gegen richterliche Be-
amte.

Einer uns aus Suczawa zugekommenen Meldung zu-
folge, die wir vorläufig mit Reseve wiedergeben, soll dort
gegen mehrere richterliche Funktionäre eine Untersuchung an-
hängig sein, mit deren Führung seitens des Lemberger Ober-
land sgerichtes der Kreisgerichtspräsident in Tarnopol, Hofrat
Czerwinski, betraut wurde. Derselbe ist tatsächlich in
Suczawa eingetroffen und soll mit der Durchführung der
Disziplinarangelegenheit an Ort und Stelle bereits begonnen haben.
Einer Version zufolge soll es sich um die Bossanczer Mord-
affäre handeln.

Die Privatbeamtenversicherung.

Im Nachhange
zu der mit dem Erlasse vom 15. Juli 1908 ergangenen
Notiz wird zur Kenntnis gebracht, daß die "Erläuterungen"
zu den nach dem Pensionsversicherungsgesetze erstmalig zu er-
stattenden Anmeldungen für die Dienstgeber unentgeltlich bei
den politischen Behörden I. Instanz, sowie bei den Gemeinde-
vorstehungen erhältlich sind.

Blinden- und Taubstummenfürsorge.

Notar
Tigran Ritter v. Prunkul in Kimpolung ist dem
Blinden- und Taubstummen-Fürsorgevereine als Gründer
beigetreten und hat den Gründerbeitrag von 200 Kronen
dem Landespräsidenten Dr. Ritter v. Bleyleben über-
mittelt.

Information für Auswanderer.

Ueber die Bank-
firma Zotti und Komp. in New-York 108 Greenwich Str.
mit Filialen in Pittsburg und Chicago, welche sich haupt-
sächlich mit der Vermittlung von Geldsendungen österreichischer
Auswanderer in Amerika an deren Angehörige in der Heimat
befaßte, indem sie die in Amerika einklassierten Beträge durch
einheimische Banken im Inlande auszahlen, beziehungsweise
überweisen ließ, ist der Zwangskonkurs eröffnet worden. Die
genannte Firma war schon vor einiger Zeit in Zahlungs-
schwierigkeiten geraten und sind gegen dieselbe zahlreiche Rekla-
mationen wegen Nichteffekuierung von in Amerika übernom-
menen Geldsendungen erhoben worden. Eventuelle Anmeldungen
der Konkursaläubiger, welche dem k. u. k. Generalkonsulate
in New-York direkte einzusenden wären, müssen von den
Konkursgläubigern eigenhändig gefertigt und von einer Kon-
sularvertretung der Vereinigten Staaten von Amerika lega-
lisiert sein.

Versammlung von Postbeamten.

Am Sonntag
den 9. August findet eine außerordentliche Generalversammlung
des Vereines der k. k. Postmeister, Postexpedienten und Post-
expedientinnen in der Bukowina im "Hotel Zentral" mit folgender
Tagesordnung statt: 1. Bericht des Vereinspräsidenten, über
die am 8. und 9. Juli 1908 in Wien stattgehabte Konferenz
der Präsidenten aller ösierreichischen Kronlandsvereine und
Verlesung der bei derselben gefaßten Resolution. 2. Beschluß-
fassung über diese Resolution. Freie Anträge.

Kranzablösung.

Herr Josef Oehlgießer spendete
uns Anlaß des Adlebens des Kaufmannes Herrn Leopold
Rudich als Kranzablösung der Czernowitzer Volksküche
25 K, wofür dem Spender hiermit der wärmste Dank ge-
sagt und dies Beispiel zur Nachahmung empfohlen wird.

Namensänderung.

Die Landesregierung hat dem
Lehrer Ilarion Zaschowski die Bewilligung erteilt, seinen
Familiennamen in "Firescu" umzuändern.




[Spaltenumbruch]
Der Schipkapaß.

(109) (Nachdruck verboten.)

(Schluß).

Da hielt Hans augenblicklich den Schritt an und stand --
ganz, ganz regungslos.

War es das Eichhörnchen von damals? Sicher es konnte
gar kein anderes sein. Es gab wohl Hunderte von Eichhörnchen
da herum, aber heute mußte ihm gerade dieses eine begegnen.
Als Hans so still dastand, zögerte es am Fuß eines hohen
Föhrenstammes und sah ihn an, mit hellen, blanken klugen
Augen, daß sie wie kleine braune Edelsteine funkelten. Und
dann kam es näher und zweite Schritte vor ihm setzte es sich
auf die Hinterbeine und sah ihn wieder an.

"Mizzerl", sagte Hans ganz leise und zärtlich. Da aber
schoß es fort, den Föhrenstamm hinauf und von den ersten Aesten
immer höher, bis es ganz hoch oben im Wipfil saß.

Hans schickte ihm einen Handkuß nach und ging langsam
im sommerfrohen Wald, und er hätte sich gar nicht gewundert,
wenr jetzt ein kleiner Elf mit einem großen Erdbeerstrauß ge-
kommen wäre und ihm einen Gruß vom Herrn König bestellt
hätte; denn er war ja nicht mehr dem Walde fremd, sondern
ganz vertraut mit ihm wie in den hellen Tagen der Jugend.

Auf dem Schipkaoaß aber erhob sich ein großes Geheul,
als Hans ankam.

Da lag eine ganze Gesellschaft hemdärmelig im Grünen,
unter den Bäumen von Osmans Garten. Konstanzen und Ban-
dalen und auch einige Germanen, die nun aufsprangen und
Hans begrüßten, als wollten sie ein altes Unrecht vergessen
machen. Einer war da, der kam nur zögernd heran! "Hans ...?"
sagte er.

"Laß nur, Ehrenberger ... Vorbei! Das war eine
dumme und häßliche Geschichte ..."

Adolar schlug vor, ein großes Versöhnungsfest zu feiern.
Wenn sie schon keinen Ochsen am Spieß braten wollten, so
sollte ihnen Osman doch von dem frisch bereiteten Balkangulasch
bringen; und einer erhob sich und hielt eine große Rede auf
die Helden vom Schipkapaß, die damals das glänzende Gefecht
[Spaltenumbruch] geliefert hatten, von dem die Sage noch in den fernsten Tagen
berichten würde.

Zwischen den anderen gelagert hörte Hans lächelnd zu,
stieß mit ihnen an und freute sich des frischen Windes, der
kühl über den Balkan herüberkam und die Schatten in Osmans
Garten tanzen ließ.

Wie war es doch gewesen? Wie hatte er das alles düster
und schrecklich gesehen? Wie ein Gespenst war ihm Osman ge-
wesen, und nun sah er, daß er ein lustiger, derder Kneipen-
wirt war.

Aus den Winkeln und Mauern dieses Hauses war es so
auf ihnen zugekrochen, spinnenbeinig, mit einem dicken Menschenleib
und einen scharfen Papageischnabel -- das Grauen, dem er in
die blutigen, bohrenden Augen schauen mußte, ohne sich ihm ent-
ziehen zu können.

Von einem ungeheuren Schatten hatte er sich eingehüllt
gefühlt, der von irgend woher über sein Schicksal fiel, vom
Schatten irgendeines Unsichtbaren, Beherrschenden, Thronenden.
Diesem unterworfen, hatte er in langen Nächten geächzt und
gerungen, bis es ihn wieder in den Wirbel trieb, die, harmlos
genug, für ihn nur dadurch gefährlich wurden, daß er sich nicht
mehr aus ihnen hinauszufinden schien. Welche Visionen hatten
damals über sein Leben Macht gewonnen, wie hatten sie ihm
das Bild der Wirklichkeit entst[e]llt? Ins Abenteuerliche verzerrt,
hatte sich alles um ihn zur Grimasse verwandelt, wie um ihn
zu schrecken und zu bannen.

Nun lag alles klar und ruhig um ihn. Der Schipkapaß
war nun keine Gifthölle mehr, sondern ein Studentenwirtshaus,
dessen Wirt, um den Ruf seines Lokales besorgt, allerlei merk-
würdige Gebräuche ausgedacht hatte. Ein harmloses und heiteres
Zeremoniell umgab die Gäste, und ganze Generationen hatten
mitgeholfen, es auszubauen.

Um so lieber stürzten sie sich dann wieder in die Freiheit
von Form und Zwang und ließen ein wenig von überflüssiger
Kraft hier oben aus. Das war es ... und Hans lächelte
seiner eigenen Vergangenheit mit staunendem Ernst zu.

Indessen brachte Osman das Balkangulasch in einer
einzigen großen Schüssel und steckte jedem einen Löffel in die
Hand:


[Spaltenumbruch]

"Da, Gesindel ..., wenn's nicht genug ist, macht euch
die Suleika noch einen Trog voll."

Während Hans in der von Paprika und Ziegelstaub ge-
röteten Brühe nach einigen Stücken Erdäpfel fischte, sagte er zu
Ehrenberger, der sich neben ihn gelagert hatte: "Heute hab' ich
Midi gesehen."

"Im Wagen, nicht wahr? Um die Miltagsstunde fährt sie
jetzt immer über den Graben, damit sie nur ja von allen
Leuten gesehen wird. Und beim Doktor Danzer, wo sie früher
Klapperschlange war, schaut sie immer nach den Fenstern hinauf,
ob nicht eine ihrer Kolleginnen gerade vor Neid zerspringt. Sie
hat jetzt einen Grafen Calm-Schaffwinkel. Ein Idiot, aber
schwer. -- Und du, mein Lieber, du hast kolossal gekümmelt."

"Nächstens trete ich an."

"So ist es ihr doch gelungen! Ja, die Weiber!"

Da war Hans nicht wenig erstaunt, daß Ehrenberger von
Helene wußte und dem, was zwischen ihnen bestand. Er dachte
darüber nach, wie er wohl davon erfahren haben könnte; er
ahnte nicht, daß Ehrenberger ein armes Mädchen meinte, das
längst seine Wünsche begraben und die erste große Enttäuschung
auf sich genommen hatte. Aber es war nicht mehr Zeit, dieser
Frage nachzuhängen, und Hans benützte einen Augenblick der
Aufmerksamkeit, während die anderen das schöne Lied, wir
fahren hin, wir fahren her, anstimmten, um aus dem Kreis zu
verschwinden.

An einen Baum gelehnt, zu Häupten einen jubelnden
Finken, vor sich den Abhang, der bis zum Tal hinabging, und
ganz unten den Weg, den Helene kommen mußte, empfand sich
Hans als Mittelpunkt dieser wunderseligen Frühlingslandschaft.
Alles war sein, wie er an alles hingegeben war. Er wußte,
Helene wurde kommen. Hinter ihm sangen sie:

"So fahren wir ins Weltgericht,
Der Beelzebub geniert uns nicht."

Un da ... da kam unten jemand die Straße .. unter
den Bäumen hervor, bog von der Straße ab, den Wiesenweg ...
ihren Weg ...

Und jetzt ... jetzt wehte ein weißes Tuch ... ein
weißes Tuch ...!




Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 4. Auguſt 1908.

[Spaltenumbruch] d. h. die Milch wird erſt entrahmt und dann mit Waſſer
verſetzt. Hiedurch wird die Erhöhung, welche das ſpezifiſche
Gewicht durch die Entrahmung erfährt, wieder ausgeglichen.

Die Butter, das in ſtarrer Emulſion befindliche Milch-
fett mit wenigſtens 80 v. H. Fett neben ſonſtigen Milch-
beſtandteilen und Waſſer, iſt häufigen Verfälſchungen unter-
worfen. Die Miſchungen von Butter mit Margarine ſind
ſeltener geworden, dagegen Verfälſchungen mit Kokosfett an
der Tagesordnung. Der an ſich nicht leichte Nachweis dieſer
Beimiſchung wird in Zweifelfällen durch das Beſtimmen des
Phytoſterius, eines im Pflanzenfett vorkommenden unverſeif-
barem Stoffes, geſtützt.

Ein wichtiges Nahrungsmittel iſt die Margarine,
eine der Butter ähnliche Zubereitung, die nach dem Mar-
garinegeſetz bis höchſtens 4 v. H. Milchfett enthalten darf,
mindeſtens aber 10 v. H. Sefamöl enthalten muß. Die Zeiten,
in denen man Margarine für ein Gemiſch aus allen mög-
lichen Abfallprodukten der Fettinduſtrie hielt, ſind längſt vor-
über, ihre Erzeugung geſchieht in großen, auf das beſte und
ſauberſte eingerichteten Fabriken, die ein appetitliches und
hygieniſch einwandfreies Produkt liefern, ſo daß gegen dieſen
billigen Buttererſatz aus geſundheitlichen und volkswirtſchaft-
lichen Gründen nichts einzuwenden iſt. Nur darf die Mar-
garine nicht als Butter verkauft werden oder mit Butter
vermiſcht in den Handel kommen.

Der Handelsverkehr mit Fleiſch wird durch unſere Ge-
ſetze und Verordnungen geregelt. Die Unterſchiebung einer
anderen Fleiſchart braucht keine Nahrungsmittelfälſchung zu
ſein, iſt aber als Betrug ſtrafbar. Der Nachweis von Pferde-
fleiſch in der Wurſt kann chemiſch durch eine Glykogen-
beſtimmung in der verdächtigen Subſtanz geſtützt werden, aber erſt
in neuerer Zeit iſt es gelungen, mittels der Uhlenhutſchen
Serumreaktion leicht und ſicher einen Pferdefleiſchzuſatz nach-
zuweiſen. Kaninchen werden mit Pferdeeiweiß vorbehandelt.
Ihr Serum gibt dann mit Pferdefleiſchauszug einen Nieder-
ſchlag; dieſe Reaktion tritt mit keinem andern Tiere weiß ein.
Zur Erhaltung der friſchen Farbe ſetzen viele Schlächter dem
Hackfleiſch Konſervierungsſalze zu, die unter verſchiedenen
Namen weſentlich Natrium- oder Kalziumſufit enthalten.
Durch Anwendung ſchwefligſaurer Salze kann mißfarbig ge-
wordenem Hackfleiſch die ſchöne rote Farbe wiedergegeben und
ihm dadurch der Anſchein beſſerer Beſchaffenheit verliehen
werden. Der regelmäßige Genuß derartigen Fleiſches ver-
mag die Geſundheit, namentlich von kranken und ſchwachen
Perſonen zu ſchädigen. Ihre Anwendung iſt verboten.

Wurſtwaren dürfen nicht gefärbt, auch
nicht mit Mehlzuſatz
über eine gewiſſe Grenze hinaus
(nie über 2 v. H.) verſehen werden; da, wo der Mehlzuſatz
nicht ortsüblich iſt, iſt er in jeder Menge als Verfälſchung
zu erachten. Mit Hilfe von Stärke und ſogenannten Binde-
mitteln verſtehen es manche Wurſtfabrikanten, übermäßig
große Waſſermengen in die Wurſtmaſſe einzuführen. Das
Verbot des Zuſatzes von Farbſtoffen zur Wurſt wird in
neuerer Zeit zu umgehen geſucht, indem letzterer ein über-
mäßiger Gehalt an Paprikapulver zugeſetzt wird.

Auch in dem Beſtreichen der Kiemen von
Fiſchen
mit roter Farbe iſt eine Verfälſchung im Sinne
des Nahrungsmittelgeſetzes zu erblicken, da hierdurch den
Fiſchen der Anſchein der Friſche, d. h. beſſereren Beſchaffen-
heit bewahrt wird.

In der Kunſt des Fälſchens ſtehen an hervorragender
Stelle die Weinfälſcher. Mehrere Weinprozeſſe haben gezeigt,
in welch ungeheuerem Maße die Weinfabrikation betrieben
wird, aber auch auf welch hohe Stufe die Weinpanſcher ihre
Kunſt gebracht haben. Alle Errungenſchaften der modernen
Chemie machen ſie ſich zunutze. Leider finden ſich auch immer
einige Chemiker bereit, ſie bei ihren betrügeriſchen Handlungen
zu unterſtützen. Die Fälſcher verſtehen es, einen Wein „ana-
lyſenfeſt“ zu machen, das heißt, ihr Kunſtprodukt hält die
[Spaltenumbruch] Prüfungen aus, die das Geſetz bei Wein bezüglich Extragehalt,
Mineralſtoffe, Glyzerin, Säuren uſw. vorſchreibt. Sie machen
aus wenig Wein, viel Waſſer, Bukettſtoffen, Zucker, Glyzerin
und anderen Chemikalien einen herrlich duftenden alten Wein
und zwar oft ſo geſchickt, daß weder ein geübter Analytiker
noch das viel beſſere Kriterium für Wein, die geübte Zunge
eines Weinprobers, zu einem ſicheren Urteil gelangen kann.
Abgeſehen von dem Treiben dieſer Spezialiſten unter den
Weinfälſchern kommen Miſchungen von Wein mit Waſſer,
Zuſatz von Zucker und dergleichen, die das geſetzlich geſtattete
Maß weit überſchreiten, außerordentlich häufig vor. Der
Nachweis dieſer Fälchungen durch den Chemiker iſt in den
Fällen, in denen der verdächtige Wein zur Unterſuchung
gelangt, leicht und ſicher.

Spirituoſen werden in größtem Maßſtabe verfälſcht.
Echter Original-Jamaika-Rum iſt häufig nichts anderes als
ein mit Zuckercouleur gefärbtes Gemiſch aus Spiritus und
Waſſer, das mittelſt künſtlich hergeſtellter Rumeſſenz parfü-
miert wird, Kognak eine ähnlich hergeſtellte Flüſſigkeit —
ganz abgeſehen von den vielen Verſchnitten aus etwas echtem
Kognak mit minderwertigem künſtlichem Produkt.

Die Bezeichnung „feinſter Frucht-Honig“, „Trauben-
zuckerhonig“, „Geſundheits-Honig“ ſind Deklarationen, die
zur Täuſchung des Publikums führen ſollen, denn ſie ſind
nur eine Umſchreibung für das Wort „Kunſthonig“. Man
kann Gemiſche von Bienenhonig ähnlicher Beſchaffenheit ſehr
leicht künſtlich herſtellen. Ihre Erkennung iſt, namentlich bei
Gemiſchen aus Bienen- und Kunſthonig, oft unmöglich. Die
Geruchs- und Zungenprobe verſagt meiſt vollkommen.

Es ließe ſich dieſe Aufzählung von Nahrungs- und
Genußmitteln, an denen mehr oder minder grobe Fälſchungen
vorgenommen werden, noch außerordentlich erweitern. Nur
dadurch, daß das Publikum mit den Behörden und Unter-
ſuchungsämtern Hand in Hand arbeitet, daß es jeden Ver-
ſuch der Händler, minderwertige Ware unter falſcher Be-
zeichnung in den Verkehr zu bringen, energiſch zurückweiſt
und ſich über die Anforderungen, welche an ein gutes und
geſundes Nahrungsmittel zu ſtellen ſind, gründlich informiert,
kann den Nahrungsmittelfälſchern wirkſam entgegengearbeitet
werden.




Dejeuner beim Landespräſidenten.

Heute fand
bei Seiner Exzellenz dem Herrn Landespräſidenten zu Ehren
des zur Unterſuchung der Pellagra in die Bukowina entſandten
Aſſiſtenten des Hofrates Neußer, Dr. Adrian Sturli ein
Dejeuner ſtatt, an welchem außer dem Genannten noch nach-
folgende Perſönlichkeiten teilnahmen: Landeshauptmannſtellver-
treter Dr. Smal-Stocki, Landesausſchußbeiſitzer Profeſſor Doktor
v. Wolczynski, Hofrat von Fekete, Landesregierungsrat Doktor
Kluczenko, Regierungsrat Dr. Philipowicz und der Vorſtand des
Präſidial-Bureaus Bezirkskommiſſär Oehl.

Gerichtliches.

Oberlandesgerichtsrat Joſef Kriſtel
in Czernowitz hat einen mehrwöchentlichen Urlaub angetreten.
— Landesgerichtsrat Dr. Anton Winicki und Staats-
anwaltſubſtitut Dr. Emanuel Ritter von Cuparenco in
Czernowitz ſind von ihren Urlauben zurückgekehrt.

Bukowinaer Landtag.

Der Landesausſchuß wird
morgen über die Zuſchrift der Landesregierung beraten, ob
und in welchem Zeitpunkte der Bukowiner Landtag zuſammen-
treten ſoll. Die Seſſion ſoll, wie wir vernehmen, anfangs
Oktober ſtattfinden und ungefähr drei Wochen währen. In
derſelben ſollen erledigt werden: Landtagswahlreform, Not-
ſtandstarife, Lehrergehaltsgeſetz, Landesanleihe und Budget
für 1908.

Auszeichnungen.

Der Kaiſer hat geſtattet, daß der
Reichrats- und Landtagsabgeordnete Dr. Alexander Freiherr
von Hormuzaki in Czernowitz das Kommandeurkreuz des
königlich-rumäniſchen Ordens, Krone von Rumänien und die
[Spaltenumbruch] königlich rumäniſche Jubiläumsmedaille Karol [I]I., der Ju[-]
velier Hermann Bianovici in Czernowitz und Herr
Hermann Mittelmann in Czernowitz die königlich-
rumäniſche Jubiläumsmedaille Karol I, annehmen und tragen
dürfen.

Von der Poſt.

Verſetzt wurden die Poſtaſſiſtenten
Oſias Lutwak in Wien nach Czernowitz und Eugen Horak
in Czernowitz nach Wien.

Eine Unterſuchung gegen richterliche Be-
amte.

Einer uns aus Suczawa zugekommenen Meldung zu-
folge, die wir vorläufig mit Reſeve wiedergeben, ſoll dort
gegen mehrere richterliche Funktionäre eine Unterſuchung an-
hängig ſein, mit deren Führung ſeitens des Lemberger Ober-
land sgerichtes der Kreisgerichtspräſident in Tarnopol, Hofrat
Czerwinski, betraut wurde. Derſelbe iſt tatſächlich in
Suczawa eingetroffen und ſoll mit der Durchführung der
Disziplinarangelegenheit an Ort und Stelle bereits begonnen haben.
Einer Verſion zufolge ſoll es ſich um die Boſſanczer Mord-
affäre handeln.

Die Privatbeamtenverſicherung.

Im Nachhange
zu der mit dem Erlaſſe vom 15. Juli 1908 ergangenen
Notiz wird zur Kenntnis gebracht, daß die „Erläuterungen“
zu den nach dem Penſionsverſicherungsgeſetze erſtmalig zu er-
ſtattenden Anmeldungen für die Dienſtgeber unentgeltlich bei
den politiſchen Behörden I. Inſtanz, ſowie bei den Gemeinde-
vorſtehungen erhältlich ſind.

Blinden- und Taubſtummenfürſorge.

Notar
Tigran Ritter v. Prunkul in Kimpolung iſt dem
Blinden- und Taubſtummen-Fürſorgevereine als Gründer
beigetreten und hat den Gründerbeitrag von 200 Kronen
dem Landespräſidenten Dr. Ritter v. Bleyleben über-
mittelt.

Information für Auswanderer.

Ueber die Bank-
firma Zotti und Komp. in New-York 108 Greenwich Str.
mit Filialen in Pittsburg und Chicago, welche ſich haupt-
ſächlich mit der Vermittlung von Geldſendungen öſterreichiſcher
Auswanderer in Amerika an deren Angehörige in der Heimat
befaßte, indem ſie die in Amerika einklaſſierten Beträge durch
einheimiſche Banken im Inlande auszahlen, beziehungsweiſe
überweiſen ließ, iſt der Zwangskonkurs eröffnet worden. Die
genannte Firma war ſchon vor einiger Zeit in Zahlungs-
ſchwierigkeiten geraten und ſind gegen dieſelbe zahlreiche Rekla-
mationen wegen Nichteffekuierung von in Amerika übernom-
menen Geldſendungen erhoben worden. Eventuelle Anmeldungen
der Konkursaläubiger, welche dem k. u. k. Generalkonſulate
in New-York direkte einzuſenden wären, müſſen von den
Konkursgläubigern eigenhändig gefertigt und von einer Kon-
ſularvertretung der Vereinigten Staaten von Amerika lega-
liſiert ſein.

Verſammlung von Poſtbeamten.

Am Sonntag
den 9. Auguſt findet eine außerordentliche Generalverſammlung
des Vereines der k. k. Poſtmeiſter, Poſtexpedienten und Poſt-
expedientinnen in der Bukowina im „Hotel Zentral“ mit folgender
Tagesordnung ſtatt: 1. Bericht des Vereinspräſidenten, über
die am 8. und 9. Juli 1908 in Wien ſtattgehabte Konferenz
der Präſidenten aller öſierreichiſchen Kronlandsvereine und
Verleſung der bei derſelben gefaßten Reſolution. 2. Beſchluß-
faſſung über dieſe Reſolution. Freie Anträge.

Kranzablöſung.

Herr Joſef Oehlgießer ſpendete
uns Anlaß des Adlebens des Kaufmannes Herrn Leopold
Rudich als Kranzablöſung der Czernowitzer Volksküche
25 K, wofür dem Spender hiermit der wärmſte Dank ge-
ſagt und dies Beiſpiel zur Nachahmung empfohlen wird.

Namensänderung.

Die Landesregierung hat dem
Lehrer Ilarion Zaschowski die Bewilligung erteilt, ſeinen
Familiennamen in „Firescu“ umzuändern.




[Spaltenumbruch]
Der Schipkapaß.

(109) (Nachdruck verboten.)

(Schluß).

Da hielt Hans augenblicklich den Schritt an und ſtand —
ganz, ganz regungslos.

War es das Eichhörnchen von damals? Sicher es konnte
gar kein anderes ſein. Es gab wohl Hunderte von Eichhörnchen
da herum, aber heute mußte ihm gerade dieſes eine begegnen.
Als Hans ſo ſtill daſtand, zögerte es am Fuß eines hohen
Föhrenſtammes und ſah ihn an, mit hellen, blanken klugen
Augen, daß ſie wie kleine braune Edelſteine funkelten. Und
dann kam es näher und zweite Schritte vor ihm ſetzte es ſich
auf die Hinterbeine und ſah ihn wieder an.

„Mizzerl“, ſagte Hans ganz leiſe und zärtlich. Da aber
ſchoß es fort, den Föhrenſtamm hinauf und von den erſten Aeſten
immer höher, bis es ganz hoch oben im Wipfil ſaß.

Hans ſchickte ihm einen Handkuß nach und ging langſam
im ſommerfrohen Wald, und er hätte ſich gar nicht gewundert,
wenr jetzt ein kleiner Elf mit einem großen Erdbeerſtrauß ge-
kommen wäre und ihm einen Gruß vom Herrn König beſtellt
hätte; denn er war ja nicht mehr dem Walde fremd, ſondern
ganz vertraut mit ihm wie in den hellen Tagen der Jugend.

Auf dem Schipkaoaß aber erhob ſich ein großes Geheul,
als Hans ankam.

Da lag eine ganze Geſellſchaft hemdärmelig im Grünen,
unter den Bäumen von Osmans Garten. Konſtanzen und Ban-
dalen und auch einige Germanen, die nun aufſprangen und
Hans begrüßten, als wollten ſie ein altes Unrecht vergeſſen
machen. Einer war da, der kam nur zögernd heran! „Hans ...?“
ſagte er.

„Laß nur, Ehrenberger ... Vorbei! Das war eine
dumme und häßliche Geſchichte ...“

Adolar ſchlug vor, ein großes Verſöhnungsfeſt zu feiern.
Wenn ſie ſchon keinen Ochſen am Spieß braten wollten, ſo
ſollte ihnen Osman doch von dem friſch bereiteten Balkangulaſch
bringen; und einer erhob ſich und hielt eine große Rede auf
die Helden vom Schipkapaß, die damals das glänzende Gefecht
[Spaltenumbruch] geliefert hatten, von dem die Sage noch in den fernſten Tagen
berichten würde.

Zwiſchen den anderen gelagert hörte Hans lächelnd zu,
ſtieß mit ihnen an und freute ſich des friſchen Windes, der
kühl über den Balkan herüberkam und die Schatten in Osmans
Garten tanzen ließ.

Wie war es doch geweſen? Wie hatte er das alles düſter
und ſchrecklich geſehen? Wie ein Geſpenſt war ihm Osman ge-
weſen, und nun ſah er, daß er ein luſtiger, derder Kneipen-
wirt war.

Aus den Winkeln und Mauern dieſes Hauſes war es ſo
auf ihnen zugekrochen, ſpinnenbeinig, mit einem dicken Menſchenleib
und einen ſcharfen Papageiſchnabel — das Grauen, dem er in
die blutigen, bohrenden Augen ſchauen mußte, ohne ſich ihm ent-
ziehen zu können.

Von einem ungeheuren Schatten hatte er ſich eingehüllt
gefühlt, der von irgend woher über ſein Schickſal fiel, vom
Schatten irgendeines Unſichtbaren, Beherrſchenden, Thronenden.
Dieſem unterworfen, hatte er in langen Nächten geächzt und
gerungen, bis es ihn wieder in den Wirbel trieb, die, harmlos
genug, für ihn nur dadurch gefährlich wurden, daß er ſich nicht
mehr aus ihnen hinauszufinden ſchien. Welche Viſionen hatten
damals über ſein Leben Macht gewonnen, wie hatten ſie ihm
das Bild der Wirklichkeit entſt[e]llt? Ins Abenteuerliche verzerrt,
hatte ſich alles um ihn zur Grimaſſe verwandelt, wie um ihn
zu ſchrecken und zu bannen.

Nun lag alles klar und ruhig um ihn. Der Schipkapaß
war nun keine Gifthölle mehr, ſondern ein Studentenwirtshaus,
deſſen Wirt, um den Ruf ſeines Lokales beſorgt, allerlei merk-
würdige Gebräuche ausgedacht hatte. Ein harmloſes und heiteres
Zeremoniell umgab die Gäſte, und ganze Generationen hatten
mitgeholfen, es auszubauen.

Um ſo lieber ſtürzten ſie ſich dann wieder in die Freiheit
von Form und Zwang und ließen ein wenig von überflüſſiger
Kraft hier oben aus. Das war es ... und Hans lächelte
ſeiner eigenen Vergangenheit mit ſtaunendem Ernſt zu.

Indeſſen brachte Osman das Balkangulaſch in einer
einzigen großen Schüſſel und ſteckte jedem einen Löffel in die
Hand:


[Spaltenumbruch]

„Da, Geſindel ..., wenn’s nicht genug iſt, macht euch
die Suleika noch einen Trog voll.“

Während Hans in der von Paprika und Ziegelſtaub ge-
röteten Brühe nach einigen Stücken Erdäpfel fiſchte, ſagte er zu
Ehrenberger, der ſich neben ihn gelagert hatte: „Heute hab’ ich
Midi geſehen.“

„Im Wagen, nicht wahr? Um die Miltagsſtunde fährt ſie
jetzt immer über den Graben, damit ſie nur ja von allen
Leuten geſehen wird. Und beim Doktor Danzer, wo ſie früher
Klapperſchlange war, ſchaut ſie immer nach den Fenſtern hinauf,
ob nicht eine ihrer Kolleginnen gerade vor Neid zerſpringt. Sie
hat jetzt einen Grafen Calm-Schaffwinkel. Ein Idiot, aber
ſchwer. — Und du, mein Lieber, du haſt koloſſal gekümmelt.“

„Nächſtens trete ich an.“

„So iſt es ihr doch gelungen! Ja, die Weiber!“

Da war Hans nicht wenig erſtaunt, daß Ehrenberger von
Helene wußte und dem, was zwiſchen ihnen beſtand. Er dachte
darüber nach, wie er wohl davon erfahren haben könnte; er
ahnte nicht, daß Ehrenberger ein armes Mädchen meinte, das
längſt ſeine Wünſche begraben und die erſte große Enttäuſchung
auf ſich genommen hatte. Aber es war nicht mehr Zeit, dieſer
Frage nachzuhängen, und Hans benützte einen Augenblick der
Aufmerkſamkeit, während die anderen das ſchöne Lied, wir
fahren hin, wir fahren her, anſtimmten, um aus dem Kreis zu
verſchwinden.

An einen Baum gelehnt, zu Häupten einen jubelnden
Finken, vor ſich den Abhang, der bis zum Tal hinabging, und
ganz unten den Weg, den Helene kommen mußte, empfand ſich
Hans als Mittelpunkt dieſer wunderſeligen Frühlingslandſchaft.
Alles war ſein, wie er an alles hingegeben war. Er wußte,
Helene wurde kommen. Hinter ihm ſangen ſie:

„So fahren wir ins Weltgericht,
Der Beelzebub geniert uns nicht.“

Un da ... da kam unten jemand die Straße .. unter
den Bäumen hervor, bog von der Straße ab, den Wieſenweg ...
ihren Weg ...

Und jetzt ... jetzt wehte ein weißes Tuch ... ein
weißes Tuch ...!




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[4/0004] Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 4. Auguſt 1908. d. h. die Milch wird erſt entrahmt und dann mit Waſſer verſetzt. Hiedurch wird die Erhöhung, welche das ſpezifiſche Gewicht durch die Entrahmung erfährt, wieder ausgeglichen. Die Butter, das in ſtarrer Emulſion befindliche Milch- fett mit wenigſtens 80 v. H. Fett neben ſonſtigen Milch- beſtandteilen und Waſſer, iſt häufigen Verfälſchungen unter- worfen. Die Miſchungen von Butter mit Margarine ſind ſeltener geworden, dagegen Verfälſchungen mit Kokosfett an der Tagesordnung. Der an ſich nicht leichte Nachweis dieſer Beimiſchung wird in Zweifelfällen durch das Beſtimmen des Phytoſterius, eines im Pflanzenfett vorkommenden unverſeif- barem Stoffes, geſtützt. Ein wichtiges Nahrungsmittel iſt die Margarine, eine der Butter ähnliche Zubereitung, die nach dem Mar- garinegeſetz bis höchſtens 4 v. H. Milchfett enthalten darf, mindeſtens aber 10 v. H. Sefamöl enthalten muß. Die Zeiten, in denen man Margarine für ein Gemiſch aus allen mög- lichen Abfallprodukten der Fettinduſtrie hielt, ſind längſt vor- über, ihre Erzeugung geſchieht in großen, auf das beſte und ſauberſte eingerichteten Fabriken, die ein appetitliches und hygieniſch einwandfreies Produkt liefern, ſo daß gegen dieſen billigen Buttererſatz aus geſundheitlichen und volkswirtſchaft- lichen Gründen nichts einzuwenden iſt. Nur darf die Mar- garine nicht als Butter verkauft werden oder mit Butter vermiſcht in den Handel kommen. Der Handelsverkehr mit Fleiſch wird durch unſere Ge- ſetze und Verordnungen geregelt. Die Unterſchiebung einer anderen Fleiſchart braucht keine Nahrungsmittelfälſchung zu ſein, iſt aber als Betrug ſtrafbar. Der Nachweis von Pferde- fleiſch in der Wurſt kann chemiſch durch eine Glykogen- beſtimmung in der verdächtigen Subſtanz geſtützt werden, aber erſt in neuerer Zeit iſt es gelungen, mittels der Uhlenhutſchen Serumreaktion leicht und ſicher einen Pferdefleiſchzuſatz nach- zuweiſen. Kaninchen werden mit Pferdeeiweiß vorbehandelt. Ihr Serum gibt dann mit Pferdefleiſchauszug einen Nieder- ſchlag; dieſe Reaktion tritt mit keinem andern Tiere weiß ein. Zur Erhaltung der friſchen Farbe ſetzen viele Schlächter dem Hackfleiſch Konſervierungsſalze zu, die unter verſchiedenen Namen weſentlich Natrium- oder Kalziumſufit enthalten. Durch Anwendung ſchwefligſaurer Salze kann mißfarbig ge- wordenem Hackfleiſch die ſchöne rote Farbe wiedergegeben und ihm dadurch der Anſchein beſſerer Beſchaffenheit verliehen werden. Der regelmäßige Genuß derartigen Fleiſches ver- mag die Geſundheit, namentlich von kranken und ſchwachen Perſonen zu ſchädigen. Ihre Anwendung iſt verboten. Wurſtwaren dürfen nicht gefärbt, auch nicht mit Mehlzuſatz über eine gewiſſe Grenze hinaus (nie über 2 v. H.) verſehen werden; da, wo der Mehlzuſatz nicht ortsüblich iſt, iſt er in jeder Menge als Verfälſchung zu erachten. Mit Hilfe von Stärke und ſogenannten Binde- mitteln verſtehen es manche Wurſtfabrikanten, übermäßig große Waſſermengen in die Wurſtmaſſe einzuführen. Das Verbot des Zuſatzes von Farbſtoffen zur Wurſt wird in neuerer Zeit zu umgehen geſucht, indem letzterer ein über- mäßiger Gehalt an Paprikapulver zugeſetzt wird. Auch in dem Beſtreichen der Kiemen von Fiſchen mit roter Farbe iſt eine Verfälſchung im Sinne des Nahrungsmittelgeſetzes zu erblicken, da hierdurch den Fiſchen der Anſchein der Friſche, d. h. beſſereren Beſchaffen- heit bewahrt wird. In der Kunſt des Fälſchens ſtehen an hervorragender Stelle die Weinfälſcher. Mehrere Weinprozeſſe haben gezeigt, in welch ungeheuerem Maße die Weinfabrikation betrieben wird, aber auch auf welch hohe Stufe die Weinpanſcher ihre Kunſt gebracht haben. Alle Errungenſchaften der modernen Chemie machen ſie ſich zunutze. Leider finden ſich auch immer einige Chemiker bereit, ſie bei ihren betrügeriſchen Handlungen zu unterſtützen. Die Fälſcher verſtehen es, einen Wein „ana- lyſenfeſt“ zu machen, das heißt, ihr Kunſtprodukt hält die Prüfungen aus, die das Geſetz bei Wein bezüglich Extragehalt, Mineralſtoffe, Glyzerin, Säuren uſw. vorſchreibt. Sie machen aus wenig Wein, viel Waſſer, Bukettſtoffen, Zucker, Glyzerin und anderen Chemikalien einen herrlich duftenden alten Wein und zwar oft ſo geſchickt, daß weder ein geübter Analytiker noch das viel beſſere Kriterium für Wein, die geübte Zunge eines Weinprobers, zu einem ſicheren Urteil gelangen kann. Abgeſehen von dem Treiben dieſer Spezialiſten unter den Weinfälſchern kommen Miſchungen von Wein mit Waſſer, Zuſatz von Zucker und dergleichen, die das geſetzlich geſtattete Maß weit überſchreiten, außerordentlich häufig vor. Der Nachweis dieſer Fälchungen durch den Chemiker iſt in den Fällen, in denen der verdächtige Wein zur Unterſuchung gelangt, leicht und ſicher. Spirituoſen werden in größtem Maßſtabe verfälſcht. Echter Original-Jamaika-Rum iſt häufig nichts anderes als ein mit Zuckercouleur gefärbtes Gemiſch aus Spiritus und Waſſer, das mittelſt künſtlich hergeſtellter Rumeſſenz parfü- miert wird, Kognak eine ähnlich hergeſtellte Flüſſigkeit — ganz abgeſehen von den vielen Verſchnitten aus etwas echtem Kognak mit minderwertigem künſtlichem Produkt. Die Bezeichnung „feinſter Frucht-Honig“, „Trauben- zuckerhonig“, „Geſundheits-Honig“ ſind Deklarationen, die zur Täuſchung des Publikums führen ſollen, denn ſie ſind nur eine Umſchreibung für das Wort „Kunſthonig“. Man kann Gemiſche von Bienenhonig ähnlicher Beſchaffenheit ſehr leicht künſtlich herſtellen. Ihre Erkennung iſt, namentlich bei Gemiſchen aus Bienen- und Kunſthonig, oft unmöglich. Die Geruchs- und Zungenprobe verſagt meiſt vollkommen. Es ließe ſich dieſe Aufzählung von Nahrungs- und Genußmitteln, an denen mehr oder minder grobe Fälſchungen vorgenommen werden, noch außerordentlich erweitern. Nur dadurch, daß das Publikum mit den Behörden und Unter- ſuchungsämtern Hand in Hand arbeitet, daß es jeden Ver- ſuch der Händler, minderwertige Ware unter falſcher Be- zeichnung in den Verkehr zu bringen, energiſch zurückweiſt und ſich über die Anforderungen, welche an ein gutes und geſundes Nahrungsmittel zu ſtellen ſind, gründlich informiert, kann den Nahrungsmittelfälſchern wirkſam entgegengearbeitet werden. Dejeuner beim Landespräſidenten. Heute fand bei Seiner Exzellenz dem Herrn Landespräſidenten zu Ehren des zur Unterſuchung der Pellagra in die Bukowina entſandten Aſſiſtenten des Hofrates Neußer, Dr. Adrian Sturli ein Dejeuner ſtatt, an welchem außer dem Genannten noch nach- folgende Perſönlichkeiten teilnahmen: Landeshauptmannſtellver- treter Dr. Smal-Stocki, Landesausſchußbeiſitzer Profeſſor Doktor v. Wolczynski, Hofrat von Fekete, Landesregierungsrat Doktor Kluczenko, Regierungsrat Dr. Philipowicz und der Vorſtand des Präſidial-Bureaus Bezirkskommiſſär Oehl. Gerichtliches. Oberlandesgerichtsrat Joſef Kriſtel in Czernowitz hat einen mehrwöchentlichen Urlaub angetreten. — Landesgerichtsrat Dr. Anton Winicki und Staats- anwaltſubſtitut Dr. Emanuel Ritter von Cuparenco in Czernowitz ſind von ihren Urlauben zurückgekehrt. Bukowinaer Landtag. Der Landesausſchuß wird morgen über die Zuſchrift der Landesregierung beraten, ob und in welchem Zeitpunkte der Bukowiner Landtag zuſammen- treten ſoll. Die Seſſion ſoll, wie wir vernehmen, anfangs Oktober ſtattfinden und ungefähr drei Wochen währen. In derſelben ſollen erledigt werden: Landtagswahlreform, Not- ſtandstarife, Lehrergehaltsgeſetz, Landesanleihe und Budget für 1908. Auszeichnungen. Der Kaiſer hat geſtattet, daß der Reichrats- und Landtagsabgeordnete Dr. Alexander Freiherr von Hormuzaki in Czernowitz das Kommandeurkreuz des königlich-rumäniſchen Ordens, Krone von Rumänien und die königlich rumäniſche Jubiläumsmedaille Karol II., der Ju- velier Hermann Bianovici in Czernowitz und Herr Hermann Mittelmann in Czernowitz die königlich- rumäniſche Jubiläumsmedaille Karol I, annehmen und tragen dürfen. Von der Poſt. Verſetzt wurden die Poſtaſſiſtenten Oſias Lutwak in Wien nach Czernowitz und Eugen Horak in Czernowitz nach Wien. Eine Unterſuchung gegen richterliche Be- amte. Einer uns aus Suczawa zugekommenen Meldung zu- folge, die wir vorläufig mit Reſeve wiedergeben, ſoll dort gegen mehrere richterliche Funktionäre eine Unterſuchung an- hängig ſein, mit deren Führung ſeitens des Lemberger Ober- land sgerichtes der Kreisgerichtspräſident in Tarnopol, Hofrat Czerwinski, betraut wurde. Derſelbe iſt tatſächlich in Suczawa eingetroffen und ſoll mit der Durchführung der Disziplinarangelegenheit an Ort und Stelle bereits begonnen haben. Einer Verſion zufolge ſoll es ſich um die Boſſanczer Mord- affäre handeln. Die Privatbeamtenverſicherung. Im Nachhange zu der mit dem Erlaſſe vom 15. Juli 1908 ergangenen Notiz wird zur Kenntnis gebracht, daß die „Erläuterungen“ zu den nach dem Penſionsverſicherungsgeſetze erſtmalig zu er- ſtattenden Anmeldungen für die Dienſtgeber unentgeltlich bei den politiſchen Behörden I. Inſtanz, ſowie bei den Gemeinde- vorſtehungen erhältlich ſind. Blinden- und Taubſtummenfürſorge. Notar Tigran Ritter v. Prunkul in Kimpolung iſt dem Blinden- und Taubſtummen-Fürſorgevereine als Gründer beigetreten und hat den Gründerbeitrag von 200 Kronen dem Landespräſidenten Dr. Ritter v. Bleyleben über- mittelt. Information für Auswanderer. Ueber die Bank- firma Zotti und Komp. in New-York 108 Greenwich Str. mit Filialen in Pittsburg und Chicago, welche ſich haupt- ſächlich mit der Vermittlung von Geldſendungen öſterreichiſcher Auswanderer in Amerika an deren Angehörige in der Heimat befaßte, indem ſie die in Amerika einklaſſierten Beträge durch einheimiſche Banken im Inlande auszahlen, beziehungsweiſe überweiſen ließ, iſt der Zwangskonkurs eröffnet worden. Die genannte Firma war ſchon vor einiger Zeit in Zahlungs- ſchwierigkeiten geraten und ſind gegen dieſelbe zahlreiche Rekla- mationen wegen Nichteffekuierung von in Amerika übernom- menen Geldſendungen erhoben worden. Eventuelle Anmeldungen der Konkursaläubiger, welche dem k. u. k. Generalkonſulate in New-York direkte einzuſenden wären, müſſen von den Konkursgläubigern eigenhändig gefertigt und von einer Kon- ſularvertretung der Vereinigten Staaten von Amerika lega- liſiert ſein. Verſammlung von Poſtbeamten. Am Sonntag den 9. Auguſt findet eine außerordentliche Generalverſammlung des Vereines der k. k. Poſtmeiſter, Poſtexpedienten und Poſt- expedientinnen in der Bukowina im „Hotel Zentral“ mit folgender Tagesordnung ſtatt: 1. Bericht des Vereinspräſidenten, über die am 8. und 9. Juli 1908 in Wien ſtattgehabte Konferenz der Präſidenten aller öſierreichiſchen Kronlandsvereine und Verleſung der bei derſelben gefaßten Reſolution. 2. Beſchluß- faſſung über dieſe Reſolution. Freie Anträge. Kranzablöſung. Herr Joſef Oehlgießer ſpendete uns Anlaß des Adlebens des Kaufmannes Herrn Leopold Rudich als Kranzablöſung der Czernowitzer Volksküche 25 K, wofür dem Spender hiermit der wärmſte Dank ge- ſagt und dies Beiſpiel zur Nachahmung empfohlen wird. Namensänderung. Die Landesregierung hat dem Lehrer Ilarion Zaschowski die Bewilligung erteilt, ſeinen Familiennamen in „Firescu“ umzuändern. Der Schipkapaß. Roman von Karl Haus Strobl. (109) (Nachdruck verboten.) (Schluß). Da hielt Hans augenblicklich den Schritt an und ſtand — ganz, ganz regungslos. War es das Eichhörnchen von damals? Sicher es konnte gar kein anderes ſein. Es gab wohl Hunderte von Eichhörnchen da herum, aber heute mußte ihm gerade dieſes eine begegnen. Als Hans ſo ſtill daſtand, zögerte es am Fuß eines hohen Föhrenſtammes und ſah ihn an, mit hellen, blanken klugen Augen, daß ſie wie kleine braune Edelſteine funkelten. Und dann kam es näher und zweite Schritte vor ihm ſetzte es ſich auf die Hinterbeine und ſah ihn wieder an. „Mizzerl“, ſagte Hans ganz leiſe und zärtlich. Da aber ſchoß es fort, den Föhrenſtamm hinauf und von den erſten Aeſten immer höher, bis es ganz hoch oben im Wipfil ſaß. Hans ſchickte ihm einen Handkuß nach und ging langſam im ſommerfrohen Wald, und er hätte ſich gar nicht gewundert, wenr jetzt ein kleiner Elf mit einem großen Erdbeerſtrauß ge- kommen wäre und ihm einen Gruß vom Herrn König beſtellt hätte; denn er war ja nicht mehr dem Walde fremd, ſondern ganz vertraut mit ihm wie in den hellen Tagen der Jugend. Auf dem Schipkaoaß aber erhob ſich ein großes Geheul, als Hans ankam. Da lag eine ganze Geſellſchaft hemdärmelig im Grünen, unter den Bäumen von Osmans Garten. Konſtanzen und Ban- dalen und auch einige Germanen, die nun aufſprangen und Hans begrüßten, als wollten ſie ein altes Unrecht vergeſſen machen. Einer war da, der kam nur zögernd heran! „Hans ...?“ ſagte er. „Laß nur, Ehrenberger ... Vorbei! Das war eine dumme und häßliche Geſchichte ...“ Adolar ſchlug vor, ein großes Verſöhnungsfeſt zu feiern. Wenn ſie ſchon keinen Ochſen am Spieß braten wollten, ſo ſollte ihnen Osman doch von dem friſch bereiteten Balkangulaſch bringen; und einer erhob ſich und hielt eine große Rede auf die Helden vom Schipkapaß, die damals das glänzende Gefecht geliefert hatten, von dem die Sage noch in den fernſten Tagen berichten würde. Zwiſchen den anderen gelagert hörte Hans lächelnd zu, ſtieß mit ihnen an und freute ſich des friſchen Windes, der kühl über den Balkan herüberkam und die Schatten in Osmans Garten tanzen ließ. Wie war es doch geweſen? Wie hatte er das alles düſter und ſchrecklich geſehen? Wie ein Geſpenſt war ihm Osman ge- weſen, und nun ſah er, daß er ein luſtiger, derder Kneipen- wirt war. Aus den Winkeln und Mauern dieſes Hauſes war es ſo auf ihnen zugekrochen, ſpinnenbeinig, mit einem dicken Menſchenleib und einen ſcharfen Papageiſchnabel — das Grauen, dem er in die blutigen, bohrenden Augen ſchauen mußte, ohne ſich ihm ent- ziehen zu können. Von einem ungeheuren Schatten hatte er ſich eingehüllt gefühlt, der von irgend woher über ſein Schickſal fiel, vom Schatten irgendeines Unſichtbaren, Beherrſchenden, Thronenden. Dieſem unterworfen, hatte er in langen Nächten geächzt und gerungen, bis es ihn wieder in den Wirbel trieb, die, harmlos genug, für ihn nur dadurch gefährlich wurden, daß er ſich nicht mehr aus ihnen hinauszufinden ſchien. Welche Viſionen hatten damals über ſein Leben Macht gewonnen, wie hatten ſie ihm das Bild der Wirklichkeit entſtellt? Ins Abenteuerliche verzerrt, hatte ſich alles um ihn zur Grimaſſe verwandelt, wie um ihn zu ſchrecken und zu bannen. Nun lag alles klar und ruhig um ihn. Der Schipkapaß war nun keine Gifthölle mehr, ſondern ein Studentenwirtshaus, deſſen Wirt, um den Ruf ſeines Lokales beſorgt, allerlei merk- würdige Gebräuche ausgedacht hatte. Ein harmloſes und heiteres Zeremoniell umgab die Gäſte, und ganze Generationen hatten mitgeholfen, es auszubauen. Um ſo lieber ſtürzten ſie ſich dann wieder in die Freiheit von Form und Zwang und ließen ein wenig von überflüſſiger Kraft hier oben aus. Das war es ... und Hans lächelte ſeiner eigenen Vergangenheit mit ſtaunendem Ernſt zu. Indeſſen brachte Osman das Balkangulaſch in einer einzigen großen Schüſſel und ſteckte jedem einen Löffel in die Hand: „Da, Geſindel ..., wenn’s nicht genug iſt, macht euch die Suleika noch einen Trog voll.“ Während Hans in der von Paprika und Ziegelſtaub ge- röteten Brühe nach einigen Stücken Erdäpfel fiſchte, ſagte er zu Ehrenberger, der ſich neben ihn gelagert hatte: „Heute hab’ ich Midi geſehen.“ „Im Wagen, nicht wahr? Um die Miltagsſtunde fährt ſie jetzt immer über den Graben, damit ſie nur ja von allen Leuten geſehen wird. Und beim Doktor Danzer, wo ſie früher Klapperſchlange war, ſchaut ſie immer nach den Fenſtern hinauf, ob nicht eine ihrer Kolleginnen gerade vor Neid zerſpringt. Sie hat jetzt einen Grafen Calm-Schaffwinkel. Ein Idiot, aber ſchwer. — Und du, mein Lieber, du haſt koloſſal gekümmelt.“ „Nächſtens trete ich an.“ „So iſt es ihr doch gelungen! Ja, die Weiber!“ Da war Hans nicht wenig erſtaunt, daß Ehrenberger von Helene wußte und dem, was zwiſchen ihnen beſtand. Er dachte darüber nach, wie er wohl davon erfahren haben könnte; er ahnte nicht, daß Ehrenberger ein armes Mädchen meinte, das längſt ſeine Wünſche begraben und die erſte große Enttäuſchung auf ſich genommen hatte. Aber es war nicht mehr Zeit, dieſer Frage nachzuhängen, und Hans benützte einen Augenblick der Aufmerkſamkeit, während die anderen das ſchöne Lied, wir fahren hin, wir fahren her, anſtimmten, um aus dem Kreis zu verſchwinden. An einen Baum gelehnt, zu Häupten einen jubelnden Finken, vor ſich den Abhang, der bis zum Tal hinabging, und ganz unten den Weg, den Helene kommen mußte, empfand ſich Hans als Mittelpunkt dieſer wunderſeligen Frühlingslandſchaft. Alles war ſein, wie er an alles hingegeben war. Er wußte, Helene wurde kommen. Hinter ihm ſangen ſie: „So fahren wir ins Weltgericht, Der Beelzebub geniert uns nicht.“ Un da ... da kam unten jemand die Straße .. unter den Bäumen hervor, bog von der Straße ab, den Wieſenweg ... ihren Weg ... Und jetzt ... jetzt wehte ein weißes Tuch ... ein weißes Tuch ...!

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1369, Czernowitz, 04.08.1908, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer1369_1908/4>, abgerufen am 21.11.2024.