Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1437, Czernowitz, 27.10.1908.Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 27. Oktober 1908 [Spaltenumbruch] einfach auf die in London präsentierte Formel zurückzuführen: Fragt sich nur, ob England sich verpflichten kann und Zur Balkankrise. Das türkische Programm für die Konferenz. Konstantinopel, 25. Oktober. Das türkische Programm Montenegro verlangt den Krieg. Petersburg, 25. Oktober. Der hier eingetroffene England will eine Konferenz, aus der Krieg hervorgehen soll. Wien, 25. Oktober. In hiesigen unterrichteten Kreisen Nowakowitsch beim Großvezier. Konstantinopel, 26. Oktober. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.") Nowakowitsch und Nenadovich besuchten den Die Pariser Ansicht. Paris, 24. Oktober. Die Meldungen von der Ein- Die türkischen Sicherheitsverhältnisse. Konstantinopel, 24. Oktober. Die Sicherheitsver- Der serbische Kronprinz auf der Fahrt nach Rußland. Belgrad, 25. Oktober. Die auffallende Tatsache, daß Das Antwortschreiben Fallieres an Kaiser Franz Joseph. Paris, 25. Oktober. In hiesigen unterrichteten Kreisen Das perfide Albion. Wien, 25. Oktober. (Orig.-Korr.) Die Unterhandlungen zwischen O[e]sterreich-Ungarn und Wenn man in London darauf rechnet, daß die Geduld [Spaltenumbruch] Vom Tage. Czernowitz, 26. Oktober. Die Ministerkrise. Wien, 25. Oktober. Nach Erledigung der Arbeiten Wien, 25. Oktober. Die "Poln. Korresp." bringt die Der Prager Streit. Neuerliche Exzesse. Prag, 25. Oktober. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.") Vor- Die italienische Universitätsfrage. Wien, 25. Oktober. Ueber Einladung des Rektors Aus Galizien. Die Neuwahl des galizischen Landes- ausschusses. Lemberg, 25. Oktober. (Orig.-Korr.) Ruthenischerseits Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 27. Oktober 1908 [Spaltenumbruch] einfach auf die in London präſentierte Formel zurückzuführen: Fragt ſich nur, ob England ſich verpflichten kann und Zur Balkankriſe. Das türkiſche Programm für die Konferenz. Konſtantinopel, 25. Oktober. Das türkiſche Programm Montenegro verlangt den Krieg. Petersburg, 25. Oktober. Der hier eingetroffene England will eine Konferenz, aus der Krieg hervorgehen ſoll. Wien, 25. Oktober. In hieſigen unterrichteten Kreiſen Nowakowitſch beim Großvezier. Konſtantinopel, 26. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Nowakowitſch und Nenadovich beſuchten den Die Pariſer Anſicht. Paris, 24. Oktober. Die Meldungen von der Ein- Die türkiſchen Sicherheitsverhältniſſe. Konſtantinopel, 24. Oktober. Die Sicherheitsver- Der ſerbiſche Kronprinz auf der Fahrt nach Rußland. Belgrad, 25. Oktober. Die auffallende Tatſache, daß Das Antwortſchreiben Fallieres an Kaiſer Franz Joſeph. Paris, 25. Oktober. In hieſigen unterrichteten Kreiſen Das perfide Albion. Wien, 25. Oktober. (Orig.-Korr.) Die Unterhandlungen zwiſchen O[e]ſterreich-Ungarn und Wenn man in London darauf rechnet, daß die Geduld [Spaltenumbruch] Vom Tage. Czernowitz, 26. Oktober. Die Miniſterkriſe. Wien, 25. Oktober. Nach Erledigung der Arbeiten Wien, 25. Oktober. Die „Poln. Korreſp.“ bringt die Der Prager Streit. Neuerliche Exzeſſe. Prag, 25. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Vor- Die italieniſche Univerſitätsfrage. Wien, 25. Oktober. Ueber Einladung des Rektors Aus Galizien. Die Neuwahl des galiziſchen Landes- ausſchuſſes. Lemberg, 25. Oktober. (Orig.-Korr.) Rutheniſcherſeits <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 27. Oktober 1908</hi> </fw><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="verhandlungen2" prev="#verhandlungen1" type="jArticle" n="2"> <p>einfach auf die in London präſentierte Formel zurückzuführen:<lb/> Das bietet uns die direkte Verſtändigung; was bieteſt du uns,<lb/> was bietet die Konferenz uns mehr? — Heraus mit dem<lb/> verbeſſerten Angebot! Dabei wird das angedeutet, was man<lb/> gegen früher mehr verlangt. Die Hauptſache darin iſt außer<lb/> der Aufhebung der Kapitulation und der fremden Poſtämter<lb/> — — die Beſeitigung der Kontrolle in Mazedonien und der<lb/> den Armeniern gegenüber der Pforte auferlegten Verpflich-<lb/> tungen. Das kann Oeſterreich nicht ſchaffen, aber eine Kon-<lb/> ferenz kann es.</p><lb/> <p>Fragt ſich nur, ob England ſich verpflichten kann und<lb/> will, die Konferenz dafür willig zu ſtimmen. Wenn nicht —<lb/> nun dann wird das Geſchäft mit dem Konkurrenten gemacht,<lb/> die direkte Verſtändigung mit O<supplied>e</supplied>ſterreich und Bulgarien wieder<lb/> aufgenommen und zum glücklichen Ende geführt. Und wer weiß,<lb/> was daraus noch Nützliches für die Türkei erſprießen kann.<lb/> Es wäre zu ſehr Zukunftsmuſik, wenn man heute ſchon von<lb/> einer Allianz zwiſchen der Türkei, Bulgarien und Oeſterreich-<lb/> Ungarn ſprechen würde. Daß aber eine ſolche mit der Zu-<lb/> ſtimmung Deutſchlands geſchloſſene Allianz der bereits ge-<lb/> ſättigten Staaten, Bulgarien und Oeſterreich-Ungarns, mit<lb/> der Türkei ungeheuer viel zur Konſolidierung der Verhältniſſe<lb/> im Balkan beitragen müßte, läßt ſich nicht beſtreiten.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Zur Balkankriſe.</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das türkiſche Programm für die Konferenz.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Konſtantinopel,</hi> 25. Oktober.</dateline> <p>Das türkiſche Programm<lb/> für eine eventuelle Ko<supplied>n</supplied>ferenz iſt vom Sultan ſanktioniert<lb/> worden. Großes Erſtaunen erregte es, daß der <hi rendition="#g">Ikdam</hi><lb/> plötzlich das einzige Heil für die Türkei in der Annahme<lb/> einer Konferenz auf der Baſis des franzöſiſch-ruſſiſch-engliſchen<lb/> Programms erbl<supplied>i</supplied>ckt. Ikdam beſchuldigt Bulgarien und<lb/> Oeſterreich, die Türkei durch direkte Verhandlungen in ihren<lb/> Intereſſen ſchädigen zu wollen; hinter beiden Staaten ſtehe<lb/><hi rendition="#g">Deutſchland.</hi> Dieſe Haltung des Ikdam fällt um ſo mehr<lb/> auf, als dasſelbe Blatt vor Kurzem erklärte, Deutſchland habe<lb/> von neuem bewieſen, daß es an der alten aufrichtigen<lb/> Freundſchaft für die Türkei feſthalte.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Montenegro verlangt den Krieg.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Petersburg,</hi> 25. Oktober.</dateline> <p>Der hier eingetroffene<lb/> montenegriniſche Abgeſandte Mijuſchkowitſch äußerte, ganz<lb/> Montenegro verlangt den Krieg. Nur eine ſchleunigſt einzu-<lb/> berufende Konferenz könne die entflammte Maſſe beruhigen.<lb/> Kompenſationen für türkiſche Rechnung nehme Montenegro<lb/> nicht an.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">England will eine Konferenz, aus der<lb/> Krieg hervorgehen ſoll.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 25. Oktober.</dateline> <p>In hieſigen unterrichteten Kreiſen<lb/> wird jetzt auf die Richtigkeit der ablehnenden Haltung<lb/> Deutſchlands zu dem engliſchen Konferenzvorſchlage hinge-<lb/> wieſen. Schließlich handle es ſich bei England nicht um eine<lb/> Konferenz zur Befeſtigung des Friedens, ſondern um eine<lb/> Konferenz, aus der Krieg hervorgehen ſolle. Natürlich ſuche<lb/> England wieder ſeine alte Methdde anzuwenden und ſchiebe<lb/> als Kämpfer einen Dritten, die Türkei, vor. Dies geſchehe<lb/> anſcheinend nicht nur Oeſterreich. Ungarn und Bulgarien gegen-<lb/> über, ſondern auch, wie es ſcheint, Rußland gegenüber in<lb/> der Dardanellenfrage.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Nowakowitſch beim Großvezier.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Konſtantinopel,</hi> 26. Oktober.</dateline> <bibl>(Tel. der „Cz. Allg.<lb/> Ztg.“)</bibl> <p><hi rendition="#g">Nowakowitſch</hi> und <hi rendition="#g">Nenadovich</hi> beſuchten den<lb/><hi rendition="#g">Großvezier.</hi> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Pariſer Anſicht.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 24. Oktober.</dateline> <p>Die Meldungen von der Ein-<lb/> ſtellung der direkten Unterhandlungen zwiſchen Bulgarien,<lb/> Oeſterreich und der Pforte erzeugten hier, obgleich ſie als<lb/> Sieg des britiſchen Ei<supplied>n</supplied>fluſſes bei der türkiſchen Regierung<lb/> aufgefaßt werden, eher Enttäuſchung und Beunruhigung. Man<lb/> befürchtet, nachdem die an die raſche Verſtändigung mit der<lb/> Türkei geknüpften optimiſtiſchen Erwartungen hinfällig ge-<lb/> worden ſind, die Möglichkeit neuer Komplikationen und<lb/> Konflikte zwiſchen den Konferenzmächten. Das englandfreund-<lb/> liche Echo de Paris erblickt hingegen in der neuen Orien-<lb/> tierung der türkiſchen Politik, die das ſchon von drei Mächten<lb/> angenommene Programm akzeptiert, eine weſentliche Klärung<lb/> der Lage. Die Hauptfrage bleibt, ob Deutſchland und Oeſterreich<lb/> an der Konferenz teilnehmen werden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die türkiſchen Sicherheitsverhältniſſe.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Konſtantinopel,</hi> 24. Oktober.</dateline> <p>Die Sicherheitsver-<lb/> hältniſſe werden hier täglich ſchlechter. Dazu trägt der Umſtad<lb/> bei, daß in den letzten Tagen beſonders an niedere Vo<supplied>l</supplied>ks-<lb/> ſchichten ungewöhnlich viel Waffen verkauft wurden. Das<lb/> hieſige griechiſche Konſulat ſowie der Patriarch haben alle<lb/> Griechen zur Vorſicht ermahnt und namentlich vor nächtlichem<lb/> Ausgehen gewarnt. Die Nachrichten aus der Provinz lauten<lb/> ungünſtig. Wenn auch die erſten Nachrichten über ein Blut-<lb/> bad in Armenien übertrieben ſind, ſo iſt es doch zweifellos, daß<lb/> dort die Kurden wieder wüſt genug hauſen. In Belgrad be-<lb/> klagen ſich die Juden, die ebenfalls bedroht wrrden. In<lb/> Makedonien endlich kommt es wieder zu Kämpfen zwiſchen<lb/> Griechen und Bulgaren. Beſondere Beachtung verdienen die<lb/> Nachrichten über Unabhängigkeitsbeſtrebungen der Albaneten<lb/> aus Südalbanien, wohin Sabahedin jetzt von Saloniki ver-<lb/> mutlich im Auftrage des Komitees abgereiſt iſt, um die Al-<lb/> baneſen zu beruhigen. Er iſt der Mann der Zentraliſation,<lb/> der allerdings, ſeit er hier iſt, viel Waſſer in den Wein<lb/><cb/> gegoſſen hat. Wie wenig er bedeutet, zeigt eine Beſchwerde<lb/> des Patriarchen: wenn die Griechen noch weiter bei den<lb/> Wahlen behindert würden, ſo werden ſie überhaupt nicht<lb/> wählen. Merkwürdig iſt, daß die Pforte angeſichts dieſer<lb/> Schwierigkeiten dem engliſchen Einfluß nicht widerſteht, direkte<lb/> Verhandlungen mit Oeſterreich Ungarn ablehnt und Kompen-<lb/> ſationen verlangt, die die Aufrollung der ganzen türkiſchen<lb/> Orientpolitik in einer Konferenz bedeuten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der ſerbiſche Kronprinz auf der Fahrt<lb/> nach Rußland.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Belgrad,</hi> 25. Oktober.</dateline> <p>Die auffallende Tatſache, daß<lb/> der ſerbiſche Kronprinz in den letzten Tagen fortgeſetzt mit<lb/> dem Sektionschef Spalatkowitſch im Miniſterium des A<supplied>e</supplied>ußern<lb/> oft bis 2 Uhr nachts konferierte, findet jetzt ihre Erklärung:<lb/> Der Kronprinz wird ſich morgen in Begleitung des Ex-<lb/> miniſters Paſchitſch und des Oberleutnant M<supplied cert="high">i</supplied>lutin Mari-<lb/> nowitſch über Rumänien nach Petersburg begeben, wo der<lb/> Zar ihn und ſeine Begleiter feierlich empfangen wird. Die<lb/> Reiſe des Kronprinzen iſt das Reſultat der ſeit einer Woche<lb/> zwiſchen Belgrad und Petersburg gepflogenen Verhandlungen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das Antwortſchreiben Fallieres an Kaiſer<lb/> Franz Joſeph.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 25. Oktober.</dateline> <p>In hieſigen unterrichteten Kreiſen<lb/> wird das Antwortſchreiben des Präſidenten Fallieres an<lb/> Kaiſer Franz Joſeph, wie folgt, kommentiert: Frankreich<lb/> wünſcht, daß über ſeine Haltung in den beiden für Oeſter-<lb/> reich. Ungarn wichtigen Fragen kein Zw<supplied>e</supplied>ifel beſtehe. Die<lb/> franzöſiſche Regierung hat <hi rendition="#g">nie daran</hi> gedacht, daß die An-<lb/> gliederung <hi rendition="#g">Bosniens</hi> und der <hi rendition="#g">Herzegowina</hi> an<lb/> Oeſterreich-Ungarn zu den von der <hi rendition="#g">Konferenz</hi> in die<lb/> Diskuſſion zu ziehenden Punkten gehören ſollte. In Paris<lb/> beſteht immer noch die Meinung, daß die Miniſterien in<lb/> Wien und in Konſtantinopel ſich verſtändigen und der <hi rendition="#g">Kon-<lb/> ferenz</hi> lediglich die <hi rendition="#g">Konſtatierung</hi> des <hi rendition="#g">Ergebniſſes</hi><lb/> dieſer Verſtändigung anheimſtellen ſollten. Die franzöſiſche<lb/> Diplomatie werde, ſoweit ſie in Konſtantinopel aufklärend<lb/> und beruhigend zu wirken vermag, dies gewiß nicht verab-<lb/> ſäumen. Das zweite öſterreichiſch-ungariſche Bedenken gegen<lb/> den Beitritt zur Konferenz betrifft die Beſorgnis, msn könnte<lb/> beabſichtigen, <hi rendition="#g">Serbien</hi> und <hi rendition="#g">Montenegro</hi> Vorteile zu-<lb/> zuwenden, denen Oeſterreich Ungarn ſeine Zuſtimmung abſolut<lb/> verſagen müßte. Zu dieſem Punkte ſei Botſchafter Crozier in<lb/> der Lage, daran zu erinnern, daß die erſt<supplied>e</supplied> O<supplied>e</supplied>ſterreich-Ungarn<lb/> unangenehme Faſſung jenes Programmpunktes <hi rendition="#g">niemals</hi><lb/> Frankreichs Genehmigung erhielt und ſeither definitiv auf-<lb/> gegeben worden iſt. Frankreich halte insbeſondere daran feſt,<lb/> daß man es bei etwaigen Vorteilen, die Serbien und Monte-<lb/> negro zuzuwenden wären, keineswegs auf eine Verletzung<lb/> öſterreichiſch-ungariſcher Intereſſen ankommen laſſen würde.<lb/> Es iſt wohl möglich, daß dieſe Geſichtspunkte auch für die<lb/> heutige Unterredung des franzöſiſchen Botſchafters <hi rendition="#g">Cambon</hi><lb/> mit dem öſterreichiſch-ungariſchen Botſchafter von Szögyeny<lb/> in Berlin maßgebend waren.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Das perfide Albion.</hi> </hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#g">Wien,</hi> 25. Oktober.</dateline> <bibl>(Orig.-Korr.)</bibl><lb/> <p>Die Unterhandlungen zwiſchen O<supplied>e</supplied>ſterreich-Ungarn und<lb/> der Pforte ſind geſcheitert und ebenſo der Verſuch einer direkten<lb/> Verſtändigung zwiſchen Bulgarien und der Türkei. Dieſe<lb/> Wandlung iſt überraſchend, aber ſie iſt ein Werk der engliſchen<lb/> Diplomatie, die es geradezu darauf abgeſehen hat, den<lb/> Frieden in Europa zu ſtören. König Eduard läßt ſich zwar<lb/> ſtets als Friedensfürſt feiern, aber alle ſeine Aktionen gehen<lb/> in letzter Linie darauf hinaus, den Dreibund zu ſprengen,<lb/> Deutſchland zu iſolieren und auf dem Kontinent Unfrieden<lb/> zu ſtiften. Wenn irgendeiner das verkörpert, was die engliſche<lb/> Sprache als Cant bezeichnet, ſo iſt dies König Eduard und<lb/> ſeine Diplomatie. Wir beſitzen für dies Wort keinen deutſchen<lb/> Ausdruck: es umfaßt ſo ziemlich alles das, was wir im<lb/> einzelnen als Phariſäertum, Gleiß<supplied>n</supplied>erei, Unwahrhaftigkeit,<lb/> Täuſchung, Ueberhebung, Scheinweſen und damit Verwandtes<lb/> bezeichnen. Die diplomatiſchen Aktionen des Eduardiſchen<lb/> England verdienen mit dem Ausdrucke Cant charakteriſiert zu<lb/> werden und die Nationen des Kontinents täten am beſten,<lb/> ſich einmal dieſer ungebetenen Dreinmiſchungen gemeinſam zu<lb/> erwehren. Die Umtriebe Englands in der Balkanſache ſind<lb/> gemeingefährlich und ſie ſind gleichzeitig den niedrigſten<lb/> Motiven entſprungen. Man wird die Freundſchaftsver-<lb/> ſicherungen König Eduards bei ſeinen jährlichen Beſuchen in<lb/> Oeſterreich nunmehr auch treffend einzuſchätzen wiſſen. Wie<lb/> es von <hi rendition="#g">beſonderer Seite</hi> heißt, herrſcht am <hi rendition="#g">Wiener<lb/> Hofe Erbitterung gegen</hi> König <hi rendition="#g">Eduard,</hi> und auch<lb/> Kaiſer <hi rendition="#g">Franz Joſef</hi> ſoll dieſer <hi rendition="#g">unverhohlen</hi> Ausdruck<lb/> gegeben haben. Man ſchreibt es allein dem engliſchen Ein-<lb/> fluſſe zu, daß die <hi rendition="#g">Annexion</hi> von Bosnien und der Her-<lb/> zegowina und die weiteren wirtſchaftspolitiſchen Pläne Oeſter-<lb/> reich-Ungarns auf dem Balkan <hi rendition="#g">nicht in voller Ruhe</hi><lb/> durchgeführt werden konnten.</p><lb/> <p>Wenn man in London darauf rechnet, daß die Geduld<lb/> Oeſterreich Ungarns unerſchöpflich ſei, daß man den Agita-<lb/> tionen in Serbien und Montenegro, die mit engliſchem Gelde<lb/> genährt werden, gleichmütig zuſieht, ſo verrechnet man ſich.<lb/> Man iſt ſich in Wien und Budapeſt voll bewußt, welche<lb/> großen materiellen Opfer eine Mobiliſierung allein erfordert,<lb/> aber man wird dieſe Opfer im Notfalle auch zu bringen<lb/> wiſſen. Und wenn da unten einmal geklopft werden müßte,<lb/> ſo iſt es der engliſche Finger, dem dieſe Schläge zunächſt<lb/> gebühren. Das Joch dieſer engliſchen Kibitzunarten wird un-<lb/> erträglich — umſo weniger zu dulden, als König Eduard<lb/> der einzige Herrſcher wäre, deſſen Gewiſſen weit genug, die<lb/><hi rendition="#g">Nationen ſkrupellos in ein Meer von Blut</hi><lb/> zu treiben.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Vom Tage.</hi> </hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#g">Czernowitz,</hi> 26. Oktober.</dateline><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Miniſterkriſe.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 25. Oktober.</dateline> <p>Nach Erledigung der Arbeiten<lb/> der Delegationen kehrt der <hi rendition="#g">Kaiſer</hi> am 10. oder 12. November<lb/> nach Wien zurück. Dann dürfte noch vor der Eröffnung des<lb/> Reichsrates die Rekonſtruktion des Kabinetts erfolgen. Es beſteht<lb/> die Abſicht, eventuell auch Mitglieder des Herrenhauſes als<lb/> Landsmannminiſter in das Kabinett zu berufen. <hi rendition="#g">Die<lb/> deutſchen Parteiführer haben erklärt, daß die<lb/> deutſchen Miniſter bis auf weiteres auszu-<lb/> harren haben.</hi> Miniſterpräſident Baron <hi rendition="#g">Beck</hi> hat unum-<lb/> ſchränkte Vollmachten erhalten und die Regierung iſt auf alle<lb/> Eventualitäten, auch für den Fall einer Obſtruktion, vor-<lb/> bereitet. Es wird ein Austauſch der einzelnen Miniſter oder<lb/><hi rendition="#g">eine gründliche Rekonſtruktion,</hi> aber immer mit<lb/> dem Miniſterpräſidenten <hi rendition="#g">Beck,</hi> erfolgen. Es wird Sorge<lb/> getragen werden, daß ſich Fraktionen unter den Mitgliedern<lb/> des Kabinetts, wie dies in der legten Zeit vorgekommen iſt,<lb/> z. B. die Vorſtöße der Chriſtlichſozialen in den Delegationen,<lb/> nicht mehr ereignen, damit nicht der Kampf der Miniſter<lb/> ſtärker ſei, als der Kampf der Parteien.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 25. Oktober.</dateline> <p>Die „Poln. Korreſp.“ bringt die<lb/> Nachricht, daß nach ihrer Information die Miniſterkriſe noch<lb/> vor Zuſammentritt des Reichsrates gelöſt w<supplied>er</supplied>den ſoll. Baron<lb/><hi rendition="#g">Beck</hi> werde in Kürze mit den einzelnen Parteiführern ver-<lb/> handeln. Gegenwärtig handle es ſich vor allem um die<lb/><hi rendition="#g">Rekonſtruktion des Kabinetts.</hi> Miniſter <hi rendition="#g">Fiedler</hi><lb/> ſoll bleiben, während <hi rendition="#g">Praſchek</hi> und <hi rendition="#g">Prade</hi> ausſcheiden<lb/> dürften. Auf die Tagesordnung ſoll die Altersverſicherung<lb/> und die Angelegenheit eines Kredits von 4 Millionen Kronen<lb/> für Waſſerbauten geſetzt werden.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Prager Streit.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#g">Neuerliche Exzeſſe.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Prag,</hi> 25. Oktober.</dateline> <bibl>(Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)</bibl> <p>Vor-<lb/> mittags waren etwa mehrere tauſend Perſonen auf dem<lb/><hi rendition="#g">Graben</hi> angeſammelt. Etwa 44 deutſche Kouleurſtudenten<lb/> gingen eine halbe Stunde hinter einem dichten Kordon der<lb/> Wache auf und ab und begaben ſich ſodann in die Durch-<lb/> fahrt des Kaſino, um einen Konflikt mit der <hi rendition="#g">Menſchen-<lb/> menge</hi> zu <hi rendition="#g">vermeiden.</hi> In der Einfahrt des Kaſino kam<lb/> es zwiſchen den <hi rendition="#g">Studenten,</hi> die ins Freie wollten, und<lb/> der <hi rendition="#g">Polizei zu einem Handgemenge. Mehrere<lb/> Wachleute und zwei Studenten wurden ver-<lb/> letzt.</hi> Das Publikum wollte den Polizeikordon <hi rendition="#g">durch-<lb/> brechen.</hi> Inzwiſchen wurde das Kaſinotor geſchloſſen. Der<lb/> Manifeſtationsumzug der böhmiſchen Studenten iſt <hi rendition="#g">ruhig</hi><lb/> verlaufen. Nachmittags wurden zwei deutſche Studenten in<lb/> Kouleur auf dem Graben von jungen Burſchen angefallen. Der<lb/> intervenierende Polizeibeamten, der gleichfalls attakiert wurde,<lb/><hi rendition="#g">verhaftete</hi> einen Angreifer. Polizei und Gendarmerie ſind<lb/> in voller Bereitſchaft geſtanden. Abends herrſchte <hi rendition="#g">Ruhe.</hi> </p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die italieniſche Univerſitätsfrage.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 25. Oktober.</dateline> <p>Ueber Einladung des Rektors<lb/> Hofrat <hi rendition="#g">Exner</hi> erſchien geſtern <hi rendition="#g">ein Vertreter des ita-<lb/> lieniſchen Hochſchulkomitees</hi> zur Beſprechung der<lb/> italieniſchen Hochſchulforderungen bei ihm. Der Rektor riet<lb/> den Italienern von lärmenden Kundgebungen entſchieden ab,<lb/> da dieſe ſowohl der Studentenſchaft als der Univerſität und<lb/> ſchließlich auch den von den italieniſchen Studenten verfochtenen<lb/> Forderungen ſchaden würden. Der Rektor verſprach, die Wünſche<lb/> der Italiener in der nächſten Sitzung des akademiſchen<lb/> Senates zur Sprache zu bringen und ſie an das Unterrichts-<lb/> miniſterium zu leiten.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Aus Galizien.</hi> </head><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Die Neuwahl des galiziſchen Landes-<lb/> ausſchuſſes.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Lemberg,</hi> 25. Oktober.</dateline> <bibl>(Orig.-Korr.)</bibl> <p>Rutheniſcherſeits<lb/> wurde der Jungruthene Dr. Johann <hi rendition="#g">Kiweluk,</hi> k. k. Gerichts-<lb/> ſekretär, in den Landesausſchuß gewählt. Während der geſtrigen<lb/> Sitzung hielt Abg. <hi rendition="#g">Olesnicki</hi> in der Diskuſſion über das<lb/> Budget eine längere Rede, worin er ſich über die Benach-<lb/> teiligung der Ruthenen bei den letzten Landtagswahlen be-<lb/> klagte und die Hoffnung ausſprach, daß das neue Wahlrecht<lb/> bald die Verhältniſſe zu Gunſten der Ruthenen umgeſtalten<lb/> werde. Redner könne es aber nicht leugnen, daß der neue<lb/> Statthalter Verordnungen erlaſſen habe, welche ſein Wohl-<lb/> wollen gegen das rutheniſche Volk bezeugen. Ferner beklagt<lb/> ſich Redner über die <hi rendition="#g">Mißwirtſchaft</hi> in der <hi rendition="#g">galizi-<lb/> ſchen Adminiſtration,</hi> welche den Ruthenen abſolut<lb/> nicht ihr gutes Recht zugeſtehen wolle, und ruft den polniſchen<lb/> Abgeordneten zu: „Führt, meine Herren, die Gleichberechtigung<lb/> beider Nationen durch und eine ideale Eintracht wird im<lb/> Lande herrſchen.“ Vorläufig ſei es aber noch weit davon und<lb/> um ihrer Unzufriedenheit über die herrſchenden Zuſtände Aus-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 27. Oktober 1908
einfach auf die in London präſentierte Formel zurückzuführen:
Das bietet uns die direkte Verſtändigung; was bieteſt du uns,
was bietet die Konferenz uns mehr? — Heraus mit dem
verbeſſerten Angebot! Dabei wird das angedeutet, was man
gegen früher mehr verlangt. Die Hauptſache darin iſt außer
der Aufhebung der Kapitulation und der fremden Poſtämter
— — die Beſeitigung der Kontrolle in Mazedonien und der
den Armeniern gegenüber der Pforte auferlegten Verpflich-
tungen. Das kann Oeſterreich nicht ſchaffen, aber eine Kon-
ferenz kann es.
Fragt ſich nur, ob England ſich verpflichten kann und
will, die Konferenz dafür willig zu ſtimmen. Wenn nicht —
nun dann wird das Geſchäft mit dem Konkurrenten gemacht,
die direkte Verſtändigung mit Oeſterreich und Bulgarien wieder
aufgenommen und zum glücklichen Ende geführt. Und wer weiß,
was daraus noch Nützliches für die Türkei erſprießen kann.
Es wäre zu ſehr Zukunftsmuſik, wenn man heute ſchon von
einer Allianz zwiſchen der Türkei, Bulgarien und Oeſterreich-
Ungarn ſprechen würde. Daß aber eine ſolche mit der Zu-
ſtimmung Deutſchlands geſchloſſene Allianz der bereits ge-
ſättigten Staaten, Bulgarien und Oeſterreich-Ungarns, mit
der Türkei ungeheuer viel zur Konſolidierung der Verhältniſſe
im Balkan beitragen müßte, läßt ſich nicht beſtreiten.
Zur Balkankriſe.
Das türkiſche Programm für die Konferenz.
Konſtantinopel, 25. Oktober. Das türkiſche Programm
für eine eventuelle Konferenz iſt vom Sultan ſanktioniert
worden. Großes Erſtaunen erregte es, daß der Ikdam
plötzlich das einzige Heil für die Türkei in der Annahme
einer Konferenz auf der Baſis des franzöſiſch-ruſſiſch-engliſchen
Programms erblickt. Ikdam beſchuldigt Bulgarien und
Oeſterreich, die Türkei durch direkte Verhandlungen in ihren
Intereſſen ſchädigen zu wollen; hinter beiden Staaten ſtehe
Deutſchland. Dieſe Haltung des Ikdam fällt um ſo mehr
auf, als dasſelbe Blatt vor Kurzem erklärte, Deutſchland habe
von neuem bewieſen, daß es an der alten aufrichtigen
Freundſchaft für die Türkei feſthalte.
Montenegro verlangt den Krieg.
Petersburg, 25. Oktober. Der hier eingetroffene
montenegriniſche Abgeſandte Mijuſchkowitſch äußerte, ganz
Montenegro verlangt den Krieg. Nur eine ſchleunigſt einzu-
berufende Konferenz könne die entflammte Maſſe beruhigen.
Kompenſationen für türkiſche Rechnung nehme Montenegro
nicht an.
England will eine Konferenz, aus der
Krieg hervorgehen ſoll.
Wien, 25. Oktober. In hieſigen unterrichteten Kreiſen
wird jetzt auf die Richtigkeit der ablehnenden Haltung
Deutſchlands zu dem engliſchen Konferenzvorſchlage hinge-
wieſen. Schließlich handle es ſich bei England nicht um eine
Konferenz zur Befeſtigung des Friedens, ſondern um eine
Konferenz, aus der Krieg hervorgehen ſolle. Natürlich ſuche
England wieder ſeine alte Methdde anzuwenden und ſchiebe
als Kämpfer einen Dritten, die Türkei, vor. Dies geſchehe
anſcheinend nicht nur Oeſterreich. Ungarn und Bulgarien gegen-
über, ſondern auch, wie es ſcheint, Rußland gegenüber in
der Dardanellenfrage.
Nowakowitſch beim Großvezier.
Konſtantinopel, 26. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“) Nowakowitſch und Nenadovich beſuchten den
Großvezier.
Die Pariſer Anſicht.
Paris, 24. Oktober. Die Meldungen von der Ein-
ſtellung der direkten Unterhandlungen zwiſchen Bulgarien,
Oeſterreich und der Pforte erzeugten hier, obgleich ſie als
Sieg des britiſchen Einfluſſes bei der türkiſchen Regierung
aufgefaßt werden, eher Enttäuſchung und Beunruhigung. Man
befürchtet, nachdem die an die raſche Verſtändigung mit der
Türkei geknüpften optimiſtiſchen Erwartungen hinfällig ge-
worden ſind, die Möglichkeit neuer Komplikationen und
Konflikte zwiſchen den Konferenzmächten. Das englandfreund-
liche Echo de Paris erblickt hingegen in der neuen Orien-
tierung der türkiſchen Politik, die das ſchon von drei Mächten
angenommene Programm akzeptiert, eine weſentliche Klärung
der Lage. Die Hauptfrage bleibt, ob Deutſchland und Oeſterreich
an der Konferenz teilnehmen werden.
Die türkiſchen Sicherheitsverhältniſſe.
Konſtantinopel, 24. Oktober. Die Sicherheitsver-
hältniſſe werden hier täglich ſchlechter. Dazu trägt der Umſtad
bei, daß in den letzten Tagen beſonders an niedere Volks-
ſchichten ungewöhnlich viel Waffen verkauft wurden. Das
hieſige griechiſche Konſulat ſowie der Patriarch haben alle
Griechen zur Vorſicht ermahnt und namentlich vor nächtlichem
Ausgehen gewarnt. Die Nachrichten aus der Provinz lauten
ungünſtig. Wenn auch die erſten Nachrichten über ein Blut-
bad in Armenien übertrieben ſind, ſo iſt es doch zweifellos, daß
dort die Kurden wieder wüſt genug hauſen. In Belgrad be-
klagen ſich die Juden, die ebenfalls bedroht wrrden. In
Makedonien endlich kommt es wieder zu Kämpfen zwiſchen
Griechen und Bulgaren. Beſondere Beachtung verdienen die
Nachrichten über Unabhängigkeitsbeſtrebungen der Albaneten
aus Südalbanien, wohin Sabahedin jetzt von Saloniki ver-
mutlich im Auftrage des Komitees abgereiſt iſt, um die Al-
baneſen zu beruhigen. Er iſt der Mann der Zentraliſation,
der allerdings, ſeit er hier iſt, viel Waſſer in den Wein
gegoſſen hat. Wie wenig er bedeutet, zeigt eine Beſchwerde
des Patriarchen: wenn die Griechen noch weiter bei den
Wahlen behindert würden, ſo werden ſie überhaupt nicht
wählen. Merkwürdig iſt, daß die Pforte angeſichts dieſer
Schwierigkeiten dem engliſchen Einfluß nicht widerſteht, direkte
Verhandlungen mit Oeſterreich Ungarn ablehnt und Kompen-
ſationen verlangt, die die Aufrollung der ganzen türkiſchen
Orientpolitik in einer Konferenz bedeuten.
Der ſerbiſche Kronprinz auf der Fahrt
nach Rußland.
Belgrad, 25. Oktober. Die auffallende Tatſache, daß
der ſerbiſche Kronprinz in den letzten Tagen fortgeſetzt mit
dem Sektionschef Spalatkowitſch im Miniſterium des Aeußern
oft bis 2 Uhr nachts konferierte, findet jetzt ihre Erklärung:
Der Kronprinz wird ſich morgen in Begleitung des Ex-
miniſters Paſchitſch und des Oberleutnant Milutin Mari-
nowitſch über Rumänien nach Petersburg begeben, wo der
Zar ihn und ſeine Begleiter feierlich empfangen wird. Die
Reiſe des Kronprinzen iſt das Reſultat der ſeit einer Woche
zwiſchen Belgrad und Petersburg gepflogenen Verhandlungen.
Das Antwortſchreiben Fallieres an Kaiſer
Franz Joſeph.
Paris, 25. Oktober. In hieſigen unterrichteten Kreiſen
wird das Antwortſchreiben des Präſidenten Fallieres an
Kaiſer Franz Joſeph, wie folgt, kommentiert: Frankreich
wünſcht, daß über ſeine Haltung in den beiden für Oeſter-
reich. Ungarn wichtigen Fragen kein Zweifel beſtehe. Die
franzöſiſche Regierung hat nie daran gedacht, daß die An-
gliederung Bosniens und der Herzegowina an
Oeſterreich-Ungarn zu den von der Konferenz in die
Diskuſſion zu ziehenden Punkten gehören ſollte. In Paris
beſteht immer noch die Meinung, daß die Miniſterien in
Wien und in Konſtantinopel ſich verſtändigen und der Kon-
ferenz lediglich die Konſtatierung des Ergebniſſes
dieſer Verſtändigung anheimſtellen ſollten. Die franzöſiſche
Diplomatie werde, ſoweit ſie in Konſtantinopel aufklärend
und beruhigend zu wirken vermag, dies gewiß nicht verab-
ſäumen. Das zweite öſterreichiſch-ungariſche Bedenken gegen
den Beitritt zur Konferenz betrifft die Beſorgnis, msn könnte
beabſichtigen, Serbien und Montenegro Vorteile zu-
zuwenden, denen Oeſterreich Ungarn ſeine Zuſtimmung abſolut
verſagen müßte. Zu dieſem Punkte ſei Botſchafter Crozier in
der Lage, daran zu erinnern, daß die erſte Oeſterreich-Ungarn
unangenehme Faſſung jenes Programmpunktes niemals
Frankreichs Genehmigung erhielt und ſeither definitiv auf-
gegeben worden iſt. Frankreich halte insbeſondere daran feſt,
daß man es bei etwaigen Vorteilen, die Serbien und Monte-
negro zuzuwenden wären, keineswegs auf eine Verletzung
öſterreichiſch-ungariſcher Intereſſen ankommen laſſen würde.
Es iſt wohl möglich, daß dieſe Geſichtspunkte auch für die
heutige Unterredung des franzöſiſchen Botſchafters Cambon
mit dem öſterreichiſch-ungariſchen Botſchafter von Szögyeny
in Berlin maßgebend waren.
Das perfide Albion.
Wien, 25. Oktober. (Orig.-Korr.)
Die Unterhandlungen zwiſchen Oeſterreich-Ungarn und
der Pforte ſind geſcheitert und ebenſo der Verſuch einer direkten
Verſtändigung zwiſchen Bulgarien und der Türkei. Dieſe
Wandlung iſt überraſchend, aber ſie iſt ein Werk der engliſchen
Diplomatie, die es geradezu darauf abgeſehen hat, den
Frieden in Europa zu ſtören. König Eduard läßt ſich zwar
ſtets als Friedensfürſt feiern, aber alle ſeine Aktionen gehen
in letzter Linie darauf hinaus, den Dreibund zu ſprengen,
Deutſchland zu iſolieren und auf dem Kontinent Unfrieden
zu ſtiften. Wenn irgendeiner das verkörpert, was die engliſche
Sprache als Cant bezeichnet, ſo iſt dies König Eduard und
ſeine Diplomatie. Wir beſitzen für dies Wort keinen deutſchen
Ausdruck: es umfaßt ſo ziemlich alles das, was wir im
einzelnen als Phariſäertum, Gleißnerei, Unwahrhaftigkeit,
Täuſchung, Ueberhebung, Scheinweſen und damit Verwandtes
bezeichnen. Die diplomatiſchen Aktionen des Eduardiſchen
England verdienen mit dem Ausdrucke Cant charakteriſiert zu
werden und die Nationen des Kontinents täten am beſten,
ſich einmal dieſer ungebetenen Dreinmiſchungen gemeinſam zu
erwehren. Die Umtriebe Englands in der Balkanſache ſind
gemeingefährlich und ſie ſind gleichzeitig den niedrigſten
Motiven entſprungen. Man wird die Freundſchaftsver-
ſicherungen König Eduards bei ſeinen jährlichen Beſuchen in
Oeſterreich nunmehr auch treffend einzuſchätzen wiſſen. Wie
es von beſonderer Seite heißt, herrſcht am Wiener
Hofe Erbitterung gegen König Eduard, und auch
Kaiſer Franz Joſef ſoll dieſer unverhohlen Ausdruck
gegeben haben. Man ſchreibt es allein dem engliſchen Ein-
fluſſe zu, daß die Annexion von Bosnien und der Her-
zegowina und die weiteren wirtſchaftspolitiſchen Pläne Oeſter-
reich-Ungarns auf dem Balkan nicht in voller Ruhe
durchgeführt werden konnten.
Wenn man in London darauf rechnet, daß die Geduld
Oeſterreich Ungarns unerſchöpflich ſei, daß man den Agita-
tionen in Serbien und Montenegro, die mit engliſchem Gelde
genährt werden, gleichmütig zuſieht, ſo verrechnet man ſich.
Man iſt ſich in Wien und Budapeſt voll bewußt, welche
großen materiellen Opfer eine Mobiliſierung allein erfordert,
aber man wird dieſe Opfer im Notfalle auch zu bringen
wiſſen. Und wenn da unten einmal geklopft werden müßte,
ſo iſt es der engliſche Finger, dem dieſe Schläge zunächſt
gebühren. Das Joch dieſer engliſchen Kibitzunarten wird un-
erträglich — umſo weniger zu dulden, als König Eduard
der einzige Herrſcher wäre, deſſen Gewiſſen weit genug, die
Nationen ſkrupellos in ein Meer von Blut
zu treiben.
Vom Tage.
Czernowitz, 26. Oktober.
Die Miniſterkriſe.
Wien, 25. Oktober. Nach Erledigung der Arbeiten
der Delegationen kehrt der Kaiſer am 10. oder 12. November
nach Wien zurück. Dann dürfte noch vor der Eröffnung des
Reichsrates die Rekonſtruktion des Kabinetts erfolgen. Es beſteht
die Abſicht, eventuell auch Mitglieder des Herrenhauſes als
Landsmannminiſter in das Kabinett zu berufen. Die
deutſchen Parteiführer haben erklärt, daß die
deutſchen Miniſter bis auf weiteres auszu-
harren haben. Miniſterpräſident Baron Beck hat unum-
ſchränkte Vollmachten erhalten und die Regierung iſt auf alle
Eventualitäten, auch für den Fall einer Obſtruktion, vor-
bereitet. Es wird ein Austauſch der einzelnen Miniſter oder
eine gründliche Rekonſtruktion, aber immer mit
dem Miniſterpräſidenten Beck, erfolgen. Es wird Sorge
getragen werden, daß ſich Fraktionen unter den Mitgliedern
des Kabinetts, wie dies in der legten Zeit vorgekommen iſt,
z. B. die Vorſtöße der Chriſtlichſozialen in den Delegationen,
nicht mehr ereignen, damit nicht der Kampf der Miniſter
ſtärker ſei, als der Kampf der Parteien.
Wien, 25. Oktober. Die „Poln. Korreſp.“ bringt die
Nachricht, daß nach ihrer Information die Miniſterkriſe noch
vor Zuſammentritt des Reichsrates gelöſt werden ſoll. Baron
Beck werde in Kürze mit den einzelnen Parteiführern ver-
handeln. Gegenwärtig handle es ſich vor allem um die
Rekonſtruktion des Kabinetts. Miniſter Fiedler
ſoll bleiben, während Praſchek und Prade ausſcheiden
dürften. Auf die Tagesordnung ſoll die Altersverſicherung
und die Angelegenheit eines Kredits von 4 Millionen Kronen
für Waſſerbauten geſetzt werden.
Der Prager Streit.
Neuerliche Exzeſſe.
Prag, 25. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Vor-
mittags waren etwa mehrere tauſend Perſonen auf dem
Graben angeſammelt. Etwa 44 deutſche Kouleurſtudenten
gingen eine halbe Stunde hinter einem dichten Kordon der
Wache auf und ab und begaben ſich ſodann in die Durch-
fahrt des Kaſino, um einen Konflikt mit der Menſchen-
menge zu vermeiden. In der Einfahrt des Kaſino kam
es zwiſchen den Studenten, die ins Freie wollten, und
der Polizei zu einem Handgemenge. Mehrere
Wachleute und zwei Studenten wurden ver-
letzt. Das Publikum wollte den Polizeikordon durch-
brechen. Inzwiſchen wurde das Kaſinotor geſchloſſen. Der
Manifeſtationsumzug der böhmiſchen Studenten iſt ruhig
verlaufen. Nachmittags wurden zwei deutſche Studenten in
Kouleur auf dem Graben von jungen Burſchen angefallen. Der
intervenierende Polizeibeamten, der gleichfalls attakiert wurde,
verhaftete einen Angreifer. Polizei und Gendarmerie ſind
in voller Bereitſchaft geſtanden. Abends herrſchte Ruhe.
Die italieniſche Univerſitätsfrage.
Wien, 25. Oktober. Ueber Einladung des Rektors
Hofrat Exner erſchien geſtern ein Vertreter des ita-
lieniſchen Hochſchulkomitees zur Beſprechung der
italieniſchen Hochſchulforderungen bei ihm. Der Rektor riet
den Italienern von lärmenden Kundgebungen entſchieden ab,
da dieſe ſowohl der Studentenſchaft als der Univerſität und
ſchließlich auch den von den italieniſchen Studenten verfochtenen
Forderungen ſchaden würden. Der Rektor verſprach, die Wünſche
der Italiener in der nächſten Sitzung des akademiſchen
Senates zur Sprache zu bringen und ſie an das Unterrichts-
miniſterium zu leiten.
Aus Galizien.
Die Neuwahl des galiziſchen Landes-
ausſchuſſes.
Lemberg, 25. Oktober. (Orig.-Korr.) Rutheniſcherſeits
wurde der Jungruthene Dr. Johann Kiweluk, k. k. Gerichts-
ſekretär, in den Landesausſchuß gewählt. Während der geſtrigen
Sitzung hielt Abg. Olesnicki in der Diskuſſion über das
Budget eine längere Rede, worin er ſich über die Benach-
teiligung der Ruthenen bei den letzten Landtagswahlen be-
klagte und die Hoffnung ausſprach, daß das neue Wahlrecht
bald die Verhältniſſe zu Gunſten der Ruthenen umgeſtalten
werde. Redner könne es aber nicht leugnen, daß der neue
Statthalter Verordnungen erlaſſen habe, welche ſein Wohl-
wollen gegen das rutheniſche Volk bezeugen. Ferner beklagt
ſich Redner über die Mißwirtſchaft in der galizi-
ſchen Adminiſtration, welche den Ruthenen abſolut
nicht ihr gutes Recht zugeſtehen wolle, und ruft den polniſchen
Abgeordneten zu: „Führt, meine Herren, die Gleichberechtigung
beider Nationen durch und eine ideale Eintracht wird im
Lande herrſchen.“ Vorläufig ſei es aber noch weit davon und
um ihrer Unzufriedenheit über die herrſchenden Zuſtände Aus-
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