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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1723, Czernowitz, 12.10.1909.

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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 12. Oktober 1909.

[Spaltenumbruch]

Einflusse der Landes-, Bezirks- und Gemeindepolitiker.
Politische Rücksichten, die jeder Eingeweihte aner-
kennen muß, hindern oft, diesen oder jenen Schädling
zu beseitigen. Auch fehlt es kleineren Verbänden
an fachmännisch geschulten Kräften, die das etwa sich
zeigende Uebel rechtzeitig zu erkennen vermögen. Für
die Zentralbehörde wäre es ein leichtes, einzugreifen,
wo es nottut Sie verfügt über sachverständige
Kräfte, die alsbald erkennen, ob das Verhältnis zwischen
Wechselportefeuille und Einlagen ein normales ist
und ob die Zahl und Art der Wechselprozesse mit der An-
nahme einer genügenden Sorgfalt bei der Kredit-
gewährung vereinbar ist. Käme zum Beispiel die
Einrede unechter Unterschrist anders als ganz ver-
einzelt in Prozessen der Sparkassen vor, so wäre der
Anlaß zu einer gründlichen Säuberung gegeben.
Endlich stehen den Ministerien gewiß als Infor-
mationsquellen Berichte der Notenbank zur Verfügung.
Deren Anstalten erfreuen sich meist einer fachkundigen
und erfahrenen Leitung, welcher keine Schwäche der
Kreditorganisation des Reiches, eines Landes oder
einer Gegend verborgen bleiben kann. Der Wichtig-
keit des Gegenstandes würde die Errichtung eines
besonderen Reichssparkassenamtes entsprechen, das von
Zeit zu Zeit durch besondere Organe Revisionen der
Bücher, Kassen und Portefeuilles der Sparkassen
vorzunehmen hätte.




Vom Tage.


Innerpolitische Situation.
Einberufung des Reichsrats.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Die morgige "Wiener Zeitung" wird das Allerhöchste Patent
veröffentlichen, mit welchem der Reichsrat für den
20. Oktober l. J. zur Wiederaufnahme seiner Tätigkeit
einberufen wird.

Herrenhaus.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Die Eröffnungssitzung im Herrenhause findet am 20. Ok-
tober statt.

Koerber redivlvus?

Das Prager Tagblatt veröffentlicht
einen Leitartikel, worin es heißt: In Kreisen, die die am
Hofe herrschende Stimmung genau kennen, erhält sich
neuestens das Gerücht, daß mit Rücksicht auf die Lage
unserer inneren Politik tiefeinschneidende Verän-
derungen bevorstehen.
In diesen Kreisen wird Doktor
Ernst von Koerber als der Mann bezeichnet, dem die ebenso
heikle als schwierige Mission der Entwirrung der inner-
politischen Verhältnisse zufallen soll. Maßgebendenorts scheint
sich durch die auffallende kühle Haltung, die man auf deutscher
Seite dem Kabinett Bienerth entgegenbringt, und endlich auch
durch den Umstand, daß die Christlichsozialen der Absicht
Baron Bienerths, den Reichsrat aufzulösen, mißtrauisch
gegenüberstehen, die Ueberzeugung festgelegt zu haben, daß
eine grundlegende Aenderung des Regimes im Interesse der
endlichen Entwirrung der inneren Politik liege und man
[Spaltenumbruch] steht maßgebendenorts auf dem Standpunkt, daß Doktor von
Koerber berufen sei, die seinerzeit von Baron Bienerth über-
nommene Mission, ein parlamentarisches Kabinett zu bilden,
fortzusetzen.

Der deutsch-czechische Streit.

Die Regierung erläßt in der morgigen "Wiener Zeitung"
nachstehende Kundgebung:

Der böhmische Landtag ist heute vertagt worden.

Dieser Schritt ist die notwendige Folge der Ergebnis-
losigkeit aller Verhandlungen, die zur Herstellung der Arbeits-
fähigkeit im böhmischen Landtage unternommen worden sind.
War auch während der Konferenzen auf beiden Seiten
betont worden, daß der Wunsch nach Frieden vorhanden sei,
so blieben doch die Verhandlungen trotz der unermüdlichen
und loyalen Vermittlungstätigkeit beider Gruppen des Groß-
grundbesitzes ohne Resultat.

Daß die Dinge neuerlich diesen Lauf genommen,
vermag die Regierung weder zu enttäuschen noch zu entmutigen.
Sie hält vielmehr daran fest, daß jedes Scheitern eines
Vermittlungsversuches nur der Ausgangspunkt eines neuen
sein muß.

Es wird voraussichtlich im Laufe dieses Jahres noch
ein Versuch unternommen werden, dem böhmischen Landtage
die Arbeitsfähigkeit wiederzugeben und diese wichtige Kör-
perschaft zu einer Stätte friedlicher Auseinandersetzung zu
machen. Den beiden nationalen Parteien wird neuerlich die
Frage gestellt werden, ob sie an der Befreiung unseres
staatlichen Lebens von den unerträglichen Fesseln eines alles
vergiftenden und lähmenden nationalen Streites mitwirken
wollen oder nicht. Die Antwort auf diese Frage kann ihnen
nicht erspart werden. Die österreichische O[e]ffentlichkeit hat
vielmehr ein Recht zu erfahren, ob die beiden streitenden
nationalen Gruppen den Kampf ohne Ende und ohne Rücksicht
auf die übrigen Völker des Staates fortsetzen oder ob sie
ihn endlich durch einen Vergleich eindämmen wollen. Wirt-
schaftliche Wohlfahrt oder endloser nationaler Hader -- die
kämpfenden Parteien werden sich zu dem einen oder zu dem
anderen bekennen müssen.

Seit Jahr und Tag wird nun schon der deutsch-
czechische Kampf auf Kosten unserer verfassungsmäßigen
Einrichtungen geführt. Dauern diese Umstände an, dann
muß unser konstitutionelles Leben schwer gefährdet werden.
Die Selbstzerstörung der vom deutsch-czechischen Streite
betroffenen gesetzgebenden Körperschaften schreitet unaufhaltsam
fort; das Parlament aber ist Eigentum aller Völker uud
Volksschichten des Reiches, sie können vom böhmischen Streite
allein nicht leben, für sie gibt es noch andere Lebensinteressen,
sie brauchen das Parlament als die Tribüne ihrer Anliegen
und Beschwerden und sie werden sich nicht widerstandslos
um alle Hoffnungen bringen lassen, die sie an die Geburt
des neuen Volkshauses geknüpft haben. Nur eine -- wie
längst erwiesen -- sehr gut mögliche einverständliche Ordnung
der nationalen Fragen kann der Zerstörung Einhalt tun. Seit
Jahr und Tag müssen sich die österreichischen Regierungen
in der Arbeit aufreiben, die gesetzgebenden Körperschaften
vor der Vernichtung durch die Gesetzgeber, die Vertretungs-
körper vor den Angriffen der Vertreter, das Recht der Wähler
auf eine wirksame parlamentarische Wahrnehmung ihrer
Interessen gegen die Gewählten zu schützen. Aber die Regierungen
allein sind außerstande, der Zerstörung Einhalt zu tun. Die
Regierungen können den Frieden, den Waffenstillstand nur er-
möglichen und mit allen Mitteln fördern -- schließen müssen
ihn die Streitenden selbst.

Dem nochmaligen -- letzten -- Versuche, den die
Regierung seinerzeit mit der Flottmachung des böhmischen
Landtages anstellen will, wird hoffentlich ein günstigerer Erfolg
beschieden sein als dem jüngsten; jedenfalls aber wird er das
Ergebnis haben, daß klipp und klar die Verantwortlichkeiten
für den Fall des neuerlichen Scheiterns der Verhandlungen
festgestellt werden. Die Bevölkerung wird erfahren, welche
Parteien an der weiteren Verwüstung des bürgerlichen
Zusammenlebens, an der ferneren Unterbindung aller nützlichen,
wirtschaftlichen und sozialen Arbeit in der Gesetzgebung, an




[Spaltenumbruch]

"Herr, Sie sollen doch forte spielen!" Der Pauker spuckt
in die Hände und haut was er kann. Neues Abklopfen.
""Herrrrr, forte, habe ich gesagt!!" Der Arme dem
der Angstschweiß von der Stirne rinnt, nimmt alle seine
Kraft zusamme nund haut auf sein Instrument, daß beinahe das
Trommelfell platzt. Als Bülow beim nochmaligen Anhalten
ihm sein niederschmetterndes "Sie sollen doch forte spielen"
zuruft, wagte der Aermste zu antworten: "ich kann nicht
stärker."

"Das ist es ja eben," erwiderte Bülow nun gelassen,
"Sie sollen forte spielen, Sie spielen ja fortissimo!"

Sapienti sat.

Eine der wichtigsten Regeln fürs gute Einvernhmen
zwischen Orchester und Kapellmeister ist: Zugeben, wenn man
einmal Unrecht gehabt. Die Krone fällt einem nicht vom
Haupte, wenn man sich lachend beim vierten Hornisten ent-
schuldigt, daß man ihm einen falschen Einsatz gegeben. Der
Mann hat es sicher bemerkt, und gibt man ihm die Schuld,
so könnte er sich mit Recht merkwürdige Gedanken über seinen
Chef machen. Nur Talentlose irrren niemals, nur ein Feld-
webel hat immer Recht, das habe ich gemerkt, als ich in einer
großen Stadt Konzertmeister war, wo ein ehemaliger Feld-
web[e]l den Stab über das Orchester schwang. Ein Orchester
ist wie ein gutes Reitpferd. Auch dieses läßt sich durch keinen
Bluff, durch keine Sporen und Peitsche übir die Qualität
seines Gebieters hinwegtäuschen. Gar mancher junge Kapell-
meister hat sich nichts vergeben, wenn er auf den Rat routi-
nierter Musiker gehört und aus deren Erfahrung für sich
Nutzen gezogen. Das Talent flößt nicht sofort auch die
nötige Umsicht ein, und mancher begabte Anfänger muß sich
offen eingestehen, daß ihn nur die gutmütige Liebenswürdig-
keit seiner Untergebenen über manche Klippe, wo man dem
gefürchteten "Umschmeißen" nahe war, hinweggeholfen. In
jedem Theater-Orchester sitzt irgend ein alter Posaunist, der
[Spaltenumbruch] seine Pausen gar nicht mehr zählt, sondern ruhig seine Zeitung
aus der Tasche zieht, um während der 264 Takte Pausen
gemütlich zu lesen -- aber zur rechten Zeit sie wieder zu-
sammenfaltet, um seinen Einsatz richtig zu bringen. Solche
Leute sind sehr schätzenswert und ein kluger Kapellmeister
wird sich nicht scheuen, ihnen einzugestehen, was er ihnen im
Augenblick der Not schuldig ist. Dies zeigte sich bei einer
Affäre, die einem unserer größten Dirigenten, Richard
Strauß, im Berliner Opernhaus passiert ist. Da er sie selbst
mit Vorliebe erzählt, begehe ich keine Indiskretion. Tristan-
Aufführung. Alle Welt weiß, daß es keinen berufeneren
Tristan-Dirigenten gibt, wie Richard Strauß. An dem Abend
passierte ihm aber das Malheur im dritten Aufzug, bei der
verzwickten Stelle, wo fast jeder Takt eine neue Taktbezeichnung
hat, sich zu "verschlagen", das heißt, sich in der Taktierung
zu versehen. Bei jeder anderen Stelle hätte es nichts zu be-
deuten gehabt -- in diesem Moment drohte eine Katastrophe.
Und wirklich, das Orchester scheint aus den Fugen zu gehen,
der kranke Tristan dort oben, der den festen Orchesterboden
unter seinen Füßen schwanken fühlt, weiß sich bald nicht mehr
zu helfen. Strauß glaubt schon, er würde abklopfen müssen
-- -- da, im Moment der äußersten Not setzen die Posaunisten,
die in ihrer langjährig erprobten Sicherheit von der
Schwankung vielleicht gar nichts bemerkt haben, mit einem
Motiv ein, an dieses klammert sich das ganze Orchester.
Tristan gewinnt wieder festen Boden und kann nun ruhig
sterben -- -- nach weiteren zehn Takten war wieder alles
im alten Geleise. Nach Schluß der Vorstellung läuft Strauß
zu den Musikern, die ihn gerettet, dankt ihnen, denn ohne sie
wäre sicher ein Unglück passiert, und bekommt vom ersten
Posaunisten die ruhig-zuversichtliche Antwort: "Ach, wissen
Sie, Herr Doktor, uns bringt ja so leicht keiner raus!"

Nur Talentlose irren nie.




[Spaltenumbruch]

der fortschreitenden Zerstörung der verfassungsmäßigen Ein-
richtungen die Schuld tragen.

Diese einfachen und klaren Zusammenhänge sollen vor
den Völkern des Reiches enthüllt werden, damit jedermann
in die Lage komm[e], sich sein Urteil darüber zu bilden.




Die Wahrmund-Affäre.
Aeußerungen Wahrmunds.

Die "N. Fr. Pr." wandte sich
an Professor Wahrmund mit der Anfrage, wie er sich
einer etwaigen Nichtgenehmigung seines Kollegs gegenüber
verhalten würde und ob er dem Ministerium gegenüber Ver-
pflichtungen in Bezug auf das Ausmaß seiner Lehrtätigkeit
in diesem Winter eingegangen sei. Professor Wahrmund
erwiderte: Die Nichtgenehmigung meines Kollegs würde ich
mit Rücksicht auf den Wortlaut meines Ernennungsdekrets
für ungesetzlich halten. Eine Verpflichtung in Bezug auf
das Ausmaß meiner Lehrtätigkeit in diesem Winter bin ich
weder dem Ministerium noch irgend jemand anderem gegen-
über eingegangen und bin in der Lage, dies aktenmäßig zu
belegen. Uebrigens bemerke ich, daß meine ursprüngliche An-
meldung für dieses Semester einen vierstündigen Grundriß
des Kirchenrechtes, ein zweistündiges Eherechtskolleg und ein
einstündiges Seminar umfaßte, und daß ich mich auf Inter-
vention des Dekans, der sich hiebei auf einen Fakultäts-
beschluß berief, veranlaßt sah, meine Ankündigung auf die
nun vorliegende Form umzuändern. Der Dekan nahm
diese Ankündigung zur Kenntnis und setzte selbst die
Stunden fest.




Uugarisches Abgeordnetenhaus.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Das Abgeordnetenhaus verhandelt über Immunitätsangelegen-
heiten. Da das Haus bei der Abstimmung beschlußunfähig
war, wurde die Sitzung auf eine halbe Stunde suspendiert.




Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung"
über das Friedensbündnis.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" weist in ihrer Wochen-
rundschau auf die gestrige Rede des Bürgermeisters Doktor
Lueger sowie auf den Dringlichkeitsantrag im
Salzburger Landtage hin, in welchen die Erwartung ausge-
sprochen wird, daß das Bündnis des Friedens und der Kraft
für ewige Zeiten fordauern werde. Das Blatt bemerkt hiezu,
daß dieser Wunsch in Deutschland in den weitesten Kreisen
geteilt wird.

Die Kämpfe in Spanien und Marokko.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Die Häuptlinge der Kabylenstämme sind hier eingetroffen,
um die Absicht, sich bedingungslos zu unterwerfen, bekannt
zu geben.

Der Feldzug der Spanier in Marokko.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Ein mautischer Parlamentär erschien in Nador und erklärte,
er überbringt einen Brief der Chefs der Kabylenstämme von
Nador und Barraka für den General Marina. Vor General
Prozco geführt, erzählte der Parlamentär, die Lage dieser
Stämme sei infolge Mangels an Lebensmitteln und der in
den letzten Kämpfen erlittenen fürchterlichen Verluste unhaltbar.
Die Ankunft des Parlamentärs wurde dem General Marina
mitgeteilt.




Sozialistisch-radikaler Kongreß.
KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Auf dem sozialistisch-radikalen Kongresse wurde ein Brief von
Leon Bourgeois verlesen, der eine Art Parteiprogramm darstellt.
Das Programm gelangt zum Schlusse, daß die radikale Partei
mehr als eine politische Partei sei, weil sie wünsche, die
auf der Basis von Gesetz, Recht und Pflicht organisierte
französische Demokratie zu verkörpern.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

In der auf dem sozialistisch-radikalen Kongresse verlesenen Er-
kkärung sprechen die Radikalen und die sozialistisch-radikale
Partei den Wunsch aus, es möge zwischen Kapital und Arbeit
jene Harmonie hergestellt wurden, die den Arbeitern ermöglichen
würde, Kapitalsbesitzer zu werden. Die Erklärung schließt mit
der Aufforderung, einen Block gegen die Antipatrioten und
Klerikalen zu bilden.




Die Aeußerung des Generals d'Amade.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

General d'Amada erklärte in einem Interviev mit einem Mit-
gliede des "Matin": "Es ist wahr, ich habe mich gegen
die Disziplin
vergangen, aber ich habe die Entschuldigung,
daß ich nur an das Interesse des Landes dachte. Ich glaubte
selbst der Sache des internationalen Friedens zu nützen
und dachte, daß ich diese Pflicht zu erfüllen hätte. Dies
erschien mir stärker als die Pflicht zu schweigen. Ich werde

Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 12. Oktober 1909.

[Spaltenumbruch]

Einfluſſe der Landes-, Bezirks- und Gemeindepolitiker.
Politiſche Rückſichten, die jeder Eingeweihte aner-
kennen muß, hindern oft, dieſen oder jenen Schädling
zu beſeitigen. Auch fehlt es kleineren Verbänden
an fachmänniſch geſchulten Kräften, die das etwa ſich
zeigende Uebel rechtzeitig zu erkennen vermögen. Für
die Zentralbehörde wäre es ein leichtes, einzugreifen,
wo es nottut Sie verfügt über ſachverſtändige
Kräfte, die alsbald erkennen, ob das Verhältnis zwiſchen
Wechſelportefeuille und Einlagen ein normales iſt
und ob die Zahl und Art der Wechſelprozeſſe mit der An-
nahme einer genügenden Sorgfalt bei der Kredit-
gewährung vereinbar iſt. Käme zum Beiſpiel die
Einrede unechter Unterſchriſt anders als ganz ver-
einzelt in Prozeſſen der Sparkaſſen vor, ſo wäre der
Anlaß zu einer gründlichen Säuberung gegeben.
Endlich ſtehen den Miniſterien gewiß als Infor-
mationsquellen Berichte der Notenbank zur Verfügung.
Deren Anſtalten erfreuen ſich meiſt einer fachkundigen
und erfahrenen Leitung, welcher keine Schwäche der
Kreditorganiſation des Reiches, eines Landes oder
einer Gegend verborgen bleiben kann. Der Wichtig-
keit des Gegenſtandes würde die Errichtung eines
beſonderen Reichsſparkaſſenamtes entſprechen, das von
Zeit zu Zeit durch beſondere Organe Reviſionen der
Bücher, Kaſſen und Portefeuilles der Sparkaſſen
vorzunehmen hätte.




Vom Tage.


Innerpolitiſche Situation.
Einberufung des Reichsrats.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Die morgige „Wiener Zeitung“ wird das Allerhöchſte Patent
veröffentlichen, mit welchem der Reichsrat für den
20. Oktober l. J. zur Wiederaufnahme ſeiner Tätigkeit
einberufen wird.

Herrenhaus.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Die Eröffnungsſitzung im Herrenhauſe findet am 20. Ok-
tober ſtatt.

Koerber redivlvus?

Das Prager Tagblatt veröffentlicht
einen Leitartikel, worin es heißt: In Kreiſen, die die am
Hofe herrſchende Stimmung genau kennen, erhält ſich
neueſtens das Gerücht, daß mit Rückſicht auf die Lage
unſerer inneren Politik tiefeinſchneidende Verän-
derungen bevorſtehen.
In dieſen Kreiſen wird Doktor
Ernſt von Koerber als der Mann bezeichnet, dem die ebenſo
heikle als ſchwierige Miſſion der Entwirrung der inner-
politiſchen Verhältniſſe zufallen ſoll. Maßgebendenorts ſcheint
ſich durch die auffallende kühle Haltung, die man auf deutſcher
Seite dem Kabinett Bienerth entgegenbringt, und endlich auch
durch den Umſtand, daß die Chriſtlichſozialen der Abſicht
Baron Bienerths, den Reichsrat aufzulöſen, mißtrauiſch
gegenüberſtehen, die Ueberzeugung feſtgelegt zu haben, daß
eine grundlegende Aenderung des Regimes im Intereſſe der
endlichen Entwirrung der inneren Politik liege und man
[Spaltenumbruch] ſteht maßgebendenorts auf dem Standpunkt, daß Doktor von
Koerber berufen ſei, die ſeinerzeit von Baron Bienerth über-
nommene Miſſion, ein parlamentariſches Kabinett zu bilden,
fortzuſetzen.

Der deutſch-czechiſche Streit.

Die Regierung erläßt in der morgigen „Wiener Zeitung“
nachſtehende Kundgebung:

Der böhmiſche Landtag iſt heute vertagt worden.

Dieſer Schritt iſt die notwendige Folge der Ergebnis-
loſigkeit aller Verhandlungen, die zur Herſtellung der Arbeits-
fähigkeit im böhmiſchen Landtage unternommen worden ſind.
War auch während der Konferenzen auf beiden Seiten
betont worden, daß der Wunſch nach Frieden vorhanden ſei,
ſo blieben doch die Verhandlungen trotz der unermüdlichen
und loyalen Vermittlungstätigkeit beider Gruppen des Groß-
grundbeſitzes ohne Reſultat.

Daß die Dinge neuerlich dieſen Lauf genommen,
vermag die Regierung weder zu enttäuſchen noch zu entmutigen.
Sie hält vielmehr daran feſt, daß jedes Scheitern eines
Vermittlungsverſuches nur der Ausgangspunkt eines neuen
ſein muß.

Es wird vorausſichtlich im Laufe dieſes Jahres noch
ein Verſuch unternommen werden, dem böhmiſchen Landtage
die Arbeitsfähigkeit wiederzugeben und dieſe wichtige Kör-
perſchaft zu einer Stätte friedlicher Auseinanderſetzung zu
machen. Den beiden nationalen Parteien wird neuerlich die
Frage geſtellt werden, ob ſie an der Befreiung unſeres
ſtaatlichen Lebens von den unerträglichen Feſſeln eines alles
vergiftenden und lähmenden nationalen Streites mitwirken
wollen oder nicht. Die Antwort auf dieſe Frage kann ihnen
nicht erſpart werden. Die öſterreichiſche O[e]ffentlichkeit hat
vielmehr ein Recht zu erfahren, ob die beiden ſtreitenden
nationalen Gruppen den Kampf ohne Ende und ohne Rückſicht
auf die übrigen Völker des Staates fortſetzen oder ob ſie
ihn endlich durch einen Vergleich eindämmen wollen. Wirt-
ſchaftliche Wohlfahrt oder endloſer nationaler Hader — die
kämpfenden Parteien werden ſich zu dem einen oder zu dem
anderen bekennen müſſen.

Seit Jahr und Tag wird nun ſchon der deutſch-
czechiſche Kampf auf Koſten unſerer verfaſſungsmäßigen
Einrichtungen geführt. Dauern dieſe Umſtände an, dann
muß unſer konſtitutionelles Leben ſchwer gefährdet werden.
Die Selbſtzerſtörung der vom deutſch-czechiſchen Streite
betroffenen geſetzgebenden Körperſchaften ſchreitet unaufhaltſam
fort; das Parlament aber iſt Eigentum aller Völker uud
Volksſchichten des Reiches, ſie können vom böhmiſchen Streite
allein nicht leben, für ſie gibt es noch andere Lebensintereſſen,
ſie brauchen das Parlament als die Tribüne ihrer Anliegen
und Beſchwerden und ſie werden ſich nicht widerſtandslos
um alle Hoffnungen bringen laſſen, die ſie an die Geburt
des neuen Volkshauſes geknüpft haben. Nur eine — wie
längſt erwieſen — ſehr gut mögliche einverſtändliche Ordnung
der nationalen Fragen kann der Zerſtörung Einhalt tun. Seit
Jahr und Tag müſſen ſich die öſterreichiſchen Regierungen
in der Arbeit aufreiben, die geſetzgebenden Körperſchaften
vor der Vernichtung durch die Geſetzgeber, die Vertretungs-
körper vor den Angriffen der Vertreter, das Recht der Wähler
auf eine wirkſame parlamentariſche Wahrnehmung ihrer
Intereſſen gegen die Gewählten zu ſchützen. Aber die Regierungen
allein ſind außerſtande, der Zerſtörung Einhalt zu tun. Die
Regierungen können den Frieden, den Waffenſtillſtand nur er-
möglichen und mit allen Mitteln fördern — ſchließen müſſen
ihn die Streitenden ſelbſt.

Dem nochmaligen — letzten — Verſuche, den die
Regierung ſeinerzeit mit der Flottmachung des böhmiſchen
Landtages anſtellen will, wird hoffentlich ein günſtigerer Erfolg
beſchieden ſein als dem jüngſten; jedenfalls aber wird er das
Ergebnis haben, daß klipp und klar die Verantwortlichkeiten
für den Fall des neuerlichen Scheiterns der Verhandlungen
feſtgeſtellt werden. Die Bevölkerung wird erfahren, welche
Parteien an der weiteren Verwüſtung des bürgerlichen
Zuſammenlebens, an der ferneren Unterbindung aller nützlichen,
wirtſchaftlichen und ſozialen Arbeit in der Geſetzgebung, an




[Spaltenumbruch]

„Herr, Sie ſollen doch forte ſpielen!“ Der Pauker ſpuckt
in die Hände und haut was er kann. Neues Abklopfen.
„„Herrrrr, forte, habe ich geſagt!!“ Der Arme dem
der Angſtſchweiß von der Stirne rinnt, nimmt alle ſeine
Kraft zuſamme nund haut auf ſein Inſtrument, daß beinahe das
Trommelfell platzt. Als Bülow beim nochmaligen Anhalten
ihm ſein niederſchmetterndes „Sie ſollen doch forte ſpielen“
zuruft, wagte der Aermſte zu antworten: „ich kann nicht
ſtärker.“

„Das iſt es ja eben,“ erwiderte Bülow nun gelaſſen,
„Sie ſollen forte ſpielen, Sie ſpielen ja fortiſſimo!“

Sapienti ſat.

Eine der wichtigſten Regeln fürs gute Einvernhmen
zwiſchen Orcheſter und Kapellmeiſter iſt: Zugeben, wenn man
einmal Unrecht gehabt. Die Krone fällt einem nicht vom
Haupte, wenn man ſich lachend beim vierten Horniſten ent-
ſchuldigt, daß man ihm einen falſchen Einſatz gegeben. Der
Mann hat es ſicher bemerkt, und gibt man ihm die Schuld,
ſo könnte er ſich mit Recht merkwürdige Gedanken über ſeinen
Chef machen. Nur Talentloſe irrren niemals, nur ein Feld-
webel hat immer Recht, das habe ich gemerkt, als ich in einer
großen Stadt Konzertmeiſter war, wo ein ehemaliger Feld-
web[e]l den Stab über das Orcheſter ſchwang. Ein Orcheſter
iſt wie ein gutes Reitpferd. Auch dieſes läßt ſich durch keinen
Bluff, durch keine Sporen und Peitſche übir die Qualität
ſeines Gebieters hinwegtäuſchen. Gar mancher junge Kapell-
meiſter hat ſich nichts vergeben, wenn er auf den Rat routi-
nierter Muſiker gehört und aus deren Erfahrung für ſich
Nutzen gezogen. Das Talent flößt nicht ſofort auch die
nötige Umſicht ein, und mancher begabte Anfänger muß ſich
offen eingeſtehen, daß ihn nur die gutmütige Liebenswürdig-
keit ſeiner Untergebenen über manche Klippe, wo man dem
gefürchteten „Umſchmeißen“ nahe war, hinweggeholfen. In
jedem Theater-Orcheſter ſitzt irgend ein alter Poſauniſt, der
[Spaltenumbruch] ſeine Pauſen gar nicht mehr zählt, ſondern ruhig ſeine Zeitung
aus der Taſche zieht, um während der 264 Takte Pauſen
gemütlich zu leſen — aber zur rechten Zeit ſie wieder zu-
ſammenfaltet, um ſeinen Einſatz richtig zu bringen. Solche
Leute ſind ſehr ſchätzenswert und ein kluger Kapellmeiſter
wird ſich nicht ſcheuen, ihnen einzugeſtehen, was er ihnen im
Augenblick der Not ſchuldig iſt. Dies zeigte ſich bei einer
Affäre, die einem unſerer größten Dirigenten, Richard
Strauß, im Berliner Opernhaus paſſiert iſt. Da er ſie ſelbſt
mit Vorliebe erzählt, begehe ich keine Indiskretion. Triſtan-
Aufführung. Alle Welt weiß, daß es keinen berufeneren
Triſtan-Dirigenten gibt, wie Richard Strauß. An dem Abend
paſſierte ihm aber das Malheur im dritten Aufzug, bei der
verzwickten Stelle, wo faſt jeder Takt eine neue Taktbezeichnung
hat, ſich zu „verſchlagen“, das heißt, ſich in der Taktierung
zu verſehen. Bei jeder anderen Stelle hätte es nichts zu be-
deuten gehabt — in dieſem Moment drohte eine Kataſtrophe.
Und wirklich, das Orcheſter ſcheint aus den Fugen zu gehen,
der kranke Triſtan dort oben, der den feſten Orcheſterboden
unter ſeinen Füßen ſchwanken fühlt, weiß ſich bald nicht mehr
zu helfen. Strauß glaubt ſchon, er würde abklopfen müſſen
— — da, im Moment der äußerſten Not ſetzen die Poſauniſten,
die in ihrer langjährig erprobten Sicherheit von der
Schwankung vielleicht gar nichts bemerkt haben, mit einem
Motiv ein, an dieſes klammert ſich das ganze Orcheſter.
Triſtan gewinnt wieder feſten Boden und kann nun ruhig
ſterben — — nach weiteren zehn Takten war wieder alles
im alten Geleiſe. Nach Schluß der Vorſtellung läuft Strauß
zu den Muſikern, die ihn gerettet, dankt ihnen, denn ohne ſie
wäre ſicher ein Unglück paſſiert, und bekommt vom erſten
Poſauniſten die ruhig-zuverſichtliche Antwort: „Ach, wiſſen
Sie, Herr Doktor, uns bringt ja ſo leicht keiner raus!“

Nur Talentloſe irren nie.




[Spaltenumbruch]

der fortſchreitenden Zerſtörung der verfaſſungsmäßigen Ein-
richtungen die Schuld tragen.

Dieſe einfachen und klaren Zuſammenhänge ſollen vor
den Völkern des Reiches enthüllt werden, damit jedermann
in die Lage komm[e], ſich ſein Urteil darüber zu bilden.




Die Wahrmund-Affäre.
Aeußerungen Wahrmunds.

Die „N. Fr. Pr.“ wandte ſich
an Profeſſor Wahrmund mit der Anfrage, wie er ſich
einer etwaigen Nichtgenehmigung ſeines Kollegs gegenüber
verhalten würde und ob er dem Miniſterium gegenüber Ver-
pflichtungen in Bezug auf das Ausmaß ſeiner Lehrtätigkeit
in dieſem Winter eingegangen ſei. Profeſſor Wahrmund
erwiderte: Die Nichtgenehmigung meines Kollegs würde ich
mit Rückſicht auf den Wortlaut meines Ernennungsdekrets
für ungeſetzlich halten. Eine Verpflichtung in Bezug auf
das Ausmaß meiner Lehrtätigkeit in dieſem Winter bin ich
weder dem Miniſterium noch irgend jemand anderem gegen-
über eingegangen und bin in der Lage, dies aktenmäßig zu
belegen. Uebrigens bemerke ich, daß meine urſprüngliche An-
meldung für dieſes Semeſter einen vierſtündigen Grundriß
des Kirchenrechtes, ein zweiſtündiges Eherechtskolleg und ein
einſtündiges Seminar umfaßte, und daß ich mich auf Inter-
vention des Dekans, der ſich hiebei auf einen Fakultäts-
beſchluß berief, veranlaßt ſah, meine Ankündigung auf die
nun vorliegende Form umzuändern. Der Dekan nahm
dieſe Ankündigung zur Kenntnis und ſetzte ſelbſt die
Stunden feſt.




Uugariſches Abgeordnetenhaus.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Das Abgeordnetenhaus verhandelt über Immunitätsangelegen-
heiten. Da das Haus bei der Abſtimmung beſchlußunfähig
war, wurde die Sitzung auf eine halbe Stunde ſuſpendiert.




Die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“
über das Friedensbündnis.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“ weiſt in ihrer Wochen-
rundſchau auf die geſtrige Rede des Bürgermeiſters Doktor
Lueger ſowie auf den Dringlichkeitsantrag im
Salzburger Landtage hin, in welchen die Erwartung ausge-
ſprochen wird, daß das Bündnis des Friedens und der Kraft
für ewige Zeiten fordauern werde. Das Blatt bemerkt hiezu,
daß dieſer Wunſch in Deutſchland in den weiteſten Kreiſen
geteilt wird.

Die Kämpfe in Spanien und Marokko.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Die Häuptlinge der Kabylenſtämme ſind hier eingetroffen,
um die Abſicht, ſich bedingungslos zu unterwerfen, bekannt
zu geben.

Der Feldzug der Spanier in Marokko.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Ein mautiſcher Parlamentär erſchien in Nador und erklärte,
er überbringt einen Brief der Chefs der Kabylenſtämme von
Nador und Barraka für den General Marina. Vor General
Prozco geführt, erzählte der Parlamentär, die Lage dieſer
Stämme ſei infolge Mangels an Lebensmitteln und der in
den letzten Kämpfen erlittenen fürchterlichen Verluſte unhaltbar.
Die Ankunft des Parlamentärs wurde dem General Marina
mitgeteilt.




Sozialiſtiſch-radikaler Kongreß.
KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Auf dem ſozialiſtiſch-radikalen Kongreſſe wurde ein Brief von
Leon Bourgeois verleſen, der eine Art Parteiprogramm darſtellt.
Das Programm gelangt zum Schluſſe, daß die radikale Partei
mehr als eine politiſche Partei ſei, weil ſie wünſche, die
auf der Baſis von Geſetz, Recht und Pflicht organiſierte
franzöſiſche Demokratie zu verkörpern.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

In der auf dem ſozialiſtiſch-radikalen Kongreſſe verleſenen Er-
kkärung ſprechen die Radikalen und die ſozialiſtiſch-radikale
Partei den Wunſch aus, es möge zwiſchen Kapital und Arbeit
jene Harmonie hergeſtellt wurden, die den Arbeitern ermöglichen
würde, Kapitalsbeſitzer zu werden. Die Erklärung ſchließt mit
der Aufforderung, einen Block gegen die Antipatrioten und
Klerikalen zu bilden.




Die Aeußerung des Generals d’Amade.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

General d’Amada erklärte in einem Interviev mit einem Mit-
gliede des „Matin“: „Es iſt wahr, ich habe mich gegen
die Disziplin
vergangen, aber ich habe die Entſchuldigung,
daß ich nur an das Intereſſe des Landes dachte. Ich glaubte
ſelbſt der Sache des internationalen Friedens zu nützen
und dachte, daß ich dieſe Pflicht zu erfüllen hätte. Dies
erſchien mir ſtärker als die Pflicht zu ſchweigen. Ich werde

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[2/0002] Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 12. Oktober 1909. Einfluſſe der Landes-, Bezirks- und Gemeindepolitiker. Politiſche Rückſichten, die jeder Eingeweihte aner- kennen muß, hindern oft, dieſen oder jenen Schädling zu beſeitigen. Auch fehlt es kleineren Verbänden an fachmänniſch geſchulten Kräften, die das etwa ſich zeigende Uebel rechtzeitig zu erkennen vermögen. Für die Zentralbehörde wäre es ein leichtes, einzugreifen, wo es nottut Sie verfügt über ſachverſtändige Kräfte, die alsbald erkennen, ob das Verhältnis zwiſchen Wechſelportefeuille und Einlagen ein normales iſt und ob die Zahl und Art der Wechſelprozeſſe mit der An- nahme einer genügenden Sorgfalt bei der Kredit- gewährung vereinbar iſt. Käme zum Beiſpiel die Einrede unechter Unterſchriſt anders als ganz ver- einzelt in Prozeſſen der Sparkaſſen vor, ſo wäre der Anlaß zu einer gründlichen Säuberung gegeben. Endlich ſtehen den Miniſterien gewiß als Infor- mationsquellen Berichte der Notenbank zur Verfügung. Deren Anſtalten erfreuen ſich meiſt einer fachkundigen und erfahrenen Leitung, welcher keine Schwäche der Kreditorganiſation des Reiches, eines Landes oder einer Gegend verborgen bleiben kann. Der Wichtig- keit des Gegenſtandes würde die Errichtung eines beſonderen Reichsſparkaſſenamtes entſprechen, das von Zeit zu Zeit durch beſondere Organe Reviſionen der Bücher, Kaſſen und Portefeuilles der Sparkaſſen vorzunehmen hätte. Vom Tage. Czernowitz, 11. Oktober. Innerpolitiſche Situation. Einberufung des Reichsrats. KB. Wien, 11. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Die morgige „Wiener Zeitung“ wird das Allerhöchſte Patent veröffentlichen, mit welchem der Reichsrat für den 20. Oktober l. J. zur Wiederaufnahme ſeiner Tätigkeit einberufen wird. Herrenhaus. KB. Wien, 11. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Die Eröffnungsſitzung im Herrenhauſe findet am 20. Ok- tober ſtatt. Koerber redivlvus? Prag, 10. Oktober. Das Prager Tagblatt veröffentlicht einen Leitartikel, worin es heißt: In Kreiſen, die die am Hofe herrſchende Stimmung genau kennen, erhält ſich neueſtens das Gerücht, daß mit Rückſicht auf die Lage unſerer inneren Politik tiefeinſchneidende Verän- derungen bevorſtehen. In dieſen Kreiſen wird Doktor Ernſt von Koerber als der Mann bezeichnet, dem die ebenſo heikle als ſchwierige Miſſion der Entwirrung der inner- politiſchen Verhältniſſe zufallen ſoll. Maßgebendenorts ſcheint ſich durch die auffallende kühle Haltung, die man auf deutſcher Seite dem Kabinett Bienerth entgegenbringt, und endlich auch durch den Umſtand, daß die Chriſtlichſozialen der Abſicht Baron Bienerths, den Reichsrat aufzulöſen, mißtrauiſch gegenüberſtehen, die Ueberzeugung feſtgelegt zu haben, daß eine grundlegende Aenderung des Regimes im Intereſſe der endlichen Entwirrung der inneren Politik liege und man ſteht maßgebendenorts auf dem Standpunkt, daß Doktor von Koerber berufen ſei, die ſeinerzeit von Baron Bienerth über- nommene Miſſion, ein parlamentariſches Kabinett zu bilden, fortzuſetzen. Der deutſch-czechiſche Streit. Die Regierung erläßt in der morgigen „Wiener Zeitung“ nachſtehende Kundgebung: Der böhmiſche Landtag iſt heute vertagt worden. Dieſer Schritt iſt die notwendige Folge der Ergebnis- loſigkeit aller Verhandlungen, die zur Herſtellung der Arbeits- fähigkeit im böhmiſchen Landtage unternommen worden ſind. War auch während der Konferenzen auf beiden Seiten betont worden, daß der Wunſch nach Frieden vorhanden ſei, ſo blieben doch die Verhandlungen trotz der unermüdlichen und loyalen Vermittlungstätigkeit beider Gruppen des Groß- grundbeſitzes ohne Reſultat. Daß die Dinge neuerlich dieſen Lauf genommen, vermag die Regierung weder zu enttäuſchen noch zu entmutigen. Sie hält vielmehr daran feſt, daß jedes Scheitern eines Vermittlungsverſuches nur der Ausgangspunkt eines neuen ſein muß. Es wird vorausſichtlich im Laufe dieſes Jahres noch ein Verſuch unternommen werden, dem böhmiſchen Landtage die Arbeitsfähigkeit wiederzugeben und dieſe wichtige Kör- perſchaft zu einer Stätte friedlicher Auseinanderſetzung zu machen. Den beiden nationalen Parteien wird neuerlich die Frage geſtellt werden, ob ſie an der Befreiung unſeres ſtaatlichen Lebens von den unerträglichen Feſſeln eines alles vergiftenden und lähmenden nationalen Streites mitwirken wollen oder nicht. Die Antwort auf dieſe Frage kann ihnen nicht erſpart werden. Die öſterreichiſche Oeffentlichkeit hat vielmehr ein Recht zu erfahren, ob die beiden ſtreitenden nationalen Gruppen den Kampf ohne Ende und ohne Rückſicht auf die übrigen Völker des Staates fortſetzen oder ob ſie ihn endlich durch einen Vergleich eindämmen wollen. Wirt- ſchaftliche Wohlfahrt oder endloſer nationaler Hader — die kämpfenden Parteien werden ſich zu dem einen oder zu dem anderen bekennen müſſen. Seit Jahr und Tag wird nun ſchon der deutſch- czechiſche Kampf auf Koſten unſerer verfaſſungsmäßigen Einrichtungen geführt. Dauern dieſe Umſtände an, dann muß unſer konſtitutionelles Leben ſchwer gefährdet werden. Die Selbſtzerſtörung der vom deutſch-czechiſchen Streite betroffenen geſetzgebenden Körperſchaften ſchreitet unaufhaltſam fort; das Parlament aber iſt Eigentum aller Völker uud Volksſchichten des Reiches, ſie können vom böhmiſchen Streite allein nicht leben, für ſie gibt es noch andere Lebensintereſſen, ſie brauchen das Parlament als die Tribüne ihrer Anliegen und Beſchwerden und ſie werden ſich nicht widerſtandslos um alle Hoffnungen bringen laſſen, die ſie an die Geburt des neuen Volkshauſes geknüpft haben. Nur eine — wie längſt erwieſen — ſehr gut mögliche einverſtändliche Ordnung der nationalen Fragen kann der Zerſtörung Einhalt tun. Seit Jahr und Tag müſſen ſich die öſterreichiſchen Regierungen in der Arbeit aufreiben, die geſetzgebenden Körperſchaften vor der Vernichtung durch die Geſetzgeber, die Vertretungs- körper vor den Angriffen der Vertreter, das Recht der Wähler auf eine wirkſame parlamentariſche Wahrnehmung ihrer Intereſſen gegen die Gewählten zu ſchützen. Aber die Regierungen allein ſind außerſtande, der Zerſtörung Einhalt zu tun. Die Regierungen können den Frieden, den Waffenſtillſtand nur er- möglichen und mit allen Mitteln fördern — ſchließen müſſen ihn die Streitenden ſelbſt. Dem nochmaligen — letzten — Verſuche, den die Regierung ſeinerzeit mit der Flottmachung des böhmiſchen Landtages anſtellen will, wird hoffentlich ein günſtigerer Erfolg beſchieden ſein als dem jüngſten; jedenfalls aber wird er das Ergebnis haben, daß klipp und klar die Verantwortlichkeiten für den Fall des neuerlichen Scheiterns der Verhandlungen feſtgeſtellt werden. Die Bevölkerung wird erfahren, welche Parteien an der weiteren Verwüſtung des bürgerlichen Zuſammenlebens, an der ferneren Unterbindung aller nützlichen, wirtſchaftlichen und ſozialen Arbeit in der Geſetzgebung, an „Herr, Sie ſollen doch forte ſpielen!“ Der Pauker ſpuckt in die Hände und haut was er kann. Neues Abklopfen. „„Herrrrr, forte, habe ich geſagt!!“ Der Arme dem der Angſtſchweiß von der Stirne rinnt, nimmt alle ſeine Kraft zuſamme nund haut auf ſein Inſtrument, daß beinahe das Trommelfell platzt. Als Bülow beim nochmaligen Anhalten ihm ſein niederſchmetterndes „Sie ſollen doch forte ſpielen“ zuruft, wagte der Aermſte zu antworten: „ich kann nicht ſtärker.“ „Das iſt es ja eben,“ erwiderte Bülow nun gelaſſen, „Sie ſollen forte ſpielen, Sie ſpielen ja fortiſſimo!“ Sapienti ſat. Eine der wichtigſten Regeln fürs gute Einvernhmen zwiſchen Orcheſter und Kapellmeiſter iſt: Zugeben, wenn man einmal Unrecht gehabt. Die Krone fällt einem nicht vom Haupte, wenn man ſich lachend beim vierten Horniſten ent- ſchuldigt, daß man ihm einen falſchen Einſatz gegeben. Der Mann hat es ſicher bemerkt, und gibt man ihm die Schuld, ſo könnte er ſich mit Recht merkwürdige Gedanken über ſeinen Chef machen. Nur Talentloſe irrren niemals, nur ein Feld- webel hat immer Recht, das habe ich gemerkt, als ich in einer großen Stadt Konzertmeiſter war, wo ein ehemaliger Feld- webel den Stab über das Orcheſter ſchwang. Ein Orcheſter iſt wie ein gutes Reitpferd. Auch dieſes läßt ſich durch keinen Bluff, durch keine Sporen und Peitſche übir die Qualität ſeines Gebieters hinwegtäuſchen. Gar mancher junge Kapell- meiſter hat ſich nichts vergeben, wenn er auf den Rat routi- nierter Muſiker gehört und aus deren Erfahrung für ſich Nutzen gezogen. Das Talent flößt nicht ſofort auch die nötige Umſicht ein, und mancher begabte Anfänger muß ſich offen eingeſtehen, daß ihn nur die gutmütige Liebenswürdig- keit ſeiner Untergebenen über manche Klippe, wo man dem gefürchteten „Umſchmeißen“ nahe war, hinweggeholfen. In jedem Theater-Orcheſter ſitzt irgend ein alter Poſauniſt, der ſeine Pauſen gar nicht mehr zählt, ſondern ruhig ſeine Zeitung aus der Taſche zieht, um während der 264 Takte Pauſen gemütlich zu leſen — aber zur rechten Zeit ſie wieder zu- ſammenfaltet, um ſeinen Einſatz richtig zu bringen. Solche Leute ſind ſehr ſchätzenswert und ein kluger Kapellmeiſter wird ſich nicht ſcheuen, ihnen einzugeſtehen, was er ihnen im Augenblick der Not ſchuldig iſt. Dies zeigte ſich bei einer Affäre, die einem unſerer größten Dirigenten, Richard Strauß, im Berliner Opernhaus paſſiert iſt. Da er ſie ſelbſt mit Vorliebe erzählt, begehe ich keine Indiskretion. Triſtan- Aufführung. Alle Welt weiß, daß es keinen berufeneren Triſtan-Dirigenten gibt, wie Richard Strauß. An dem Abend paſſierte ihm aber das Malheur im dritten Aufzug, bei der verzwickten Stelle, wo faſt jeder Takt eine neue Taktbezeichnung hat, ſich zu „verſchlagen“, das heißt, ſich in der Taktierung zu verſehen. Bei jeder anderen Stelle hätte es nichts zu be- deuten gehabt — in dieſem Moment drohte eine Kataſtrophe. Und wirklich, das Orcheſter ſcheint aus den Fugen zu gehen, der kranke Triſtan dort oben, der den feſten Orcheſterboden unter ſeinen Füßen ſchwanken fühlt, weiß ſich bald nicht mehr zu helfen. Strauß glaubt ſchon, er würde abklopfen müſſen — — da, im Moment der äußerſten Not ſetzen die Poſauniſten, die in ihrer langjährig erprobten Sicherheit von der Schwankung vielleicht gar nichts bemerkt haben, mit einem Motiv ein, an dieſes klammert ſich das ganze Orcheſter. Triſtan gewinnt wieder feſten Boden und kann nun ruhig ſterben — — nach weiteren zehn Takten war wieder alles im alten Geleiſe. Nach Schluß der Vorſtellung läuft Strauß zu den Muſikern, die ihn gerettet, dankt ihnen, denn ohne ſie wäre ſicher ein Unglück paſſiert, und bekommt vom erſten Poſauniſten die ruhig-zuverſichtliche Antwort: „Ach, wiſſen Sie, Herr Doktor, uns bringt ja ſo leicht keiner raus!“ Nur Talentloſe irren nie. der fortſchreitenden Zerſtörung der verfaſſungsmäßigen Ein- richtungen die Schuld tragen. Dieſe einfachen und klaren Zuſammenhänge ſollen vor den Völkern des Reiches enthüllt werden, damit jedermann in die Lage komme, ſich ſein Urteil darüber zu bilden. Die Wahrmund-Affäre. Aeußerungen Wahrmunds. Wien, 10. Oktober. Die „N. Fr. Pr.“ wandte ſich an Profeſſor Wahrmund mit der Anfrage, wie er ſich einer etwaigen Nichtgenehmigung ſeines Kollegs gegenüber verhalten würde und ob er dem Miniſterium gegenüber Ver- pflichtungen in Bezug auf das Ausmaß ſeiner Lehrtätigkeit in dieſem Winter eingegangen ſei. Profeſſor Wahrmund erwiderte: Die Nichtgenehmigung meines Kollegs würde ich mit Rückſicht auf den Wortlaut meines Ernennungsdekrets für ungeſetzlich halten. Eine Verpflichtung in Bezug auf das Ausmaß meiner Lehrtätigkeit in dieſem Winter bin ich weder dem Miniſterium noch irgend jemand anderem gegen- über eingegangen und bin in der Lage, dies aktenmäßig zu belegen. Uebrigens bemerke ich, daß meine urſprüngliche An- meldung für dieſes Semeſter einen vierſtündigen Grundriß des Kirchenrechtes, ein zweiſtündiges Eherechtskolleg und ein einſtündiges Seminar umfaßte, und daß ich mich auf Inter- vention des Dekans, der ſich hiebei auf einen Fakultäts- beſchluß berief, veranlaßt ſah, meine Ankündigung auf die nun vorliegende Form umzuändern. Der Dekan nahm dieſe Ankündigung zur Kenntnis und ſetzte ſelbſt die Stunden feſt. Uugariſches Abgeordnetenhaus. KB. Budapeſt, 11. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Das Abgeordnetenhaus verhandelt über Immunitätsangelegen- heiten. Da das Haus bei der Abſtimmung beſchlußunfähig war, wurde die Sitzung auf eine halbe Stunde ſuſpendiert. Die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“ über das Friedensbündnis. KB. Berlin, 11. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“ weiſt in ihrer Wochen- rundſchau auf die geſtrige Rede des Bürgermeiſters Doktor Lueger ſowie auf den Dringlichkeitsantrag im Salzburger Landtage hin, in welchen die Erwartung ausge- ſprochen wird, daß das Bündnis des Friedens und der Kraft für ewige Zeiten fordauern werde. Das Blatt bemerkt hiezu, daß dieſer Wunſch in Deutſchland in den weiteſten Kreiſen geteilt wird. Die Kämpfe in Spanien und Marokko. KB. Melilla, 11. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Die Häuptlinge der Kabylenſtämme ſind hier eingetroffen, um die Abſicht, ſich bedingungslos zu unterwerfen, bekannt zu geben. Der Feldzug der Spanier in Marokko. KB. Melilla, 10. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Ein mautiſcher Parlamentär erſchien in Nador und erklärte, er überbringt einen Brief der Chefs der Kabylenſtämme von Nador und Barraka für den General Marina. Vor General Prozco geführt, erzählte der Parlamentär, die Lage dieſer Stämme ſei infolge Mangels an Lebensmitteln und der in den letzten Kämpfen erlittenen fürchterlichen Verluſte unhaltbar. Die Ankunft des Parlamentärs wurde dem General Marina mitgeteilt. Sozialiſtiſch-radikaler Kongreß. KB. Nantes, 11. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Auf dem ſozialiſtiſch-radikalen Kongreſſe wurde ein Brief von Leon Bourgeois verleſen, der eine Art Parteiprogramm darſtellt. Das Programm gelangt zum Schluſſe, daß die radikale Partei mehr als eine politiſche Partei ſei, weil ſie wünſche, die auf der Baſis von Geſetz, Recht und Pflicht organiſierte franzöſiſche Demokratie zu verkörpern. KB. Nantes, 11. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) In der auf dem ſozialiſtiſch-radikalen Kongreſſe verleſenen Er- kkärung ſprechen die Radikalen und die ſozialiſtiſch-radikale Partei den Wunſch aus, es möge zwiſchen Kapital und Arbeit jene Harmonie hergeſtellt wurden, die den Arbeitern ermöglichen würde, Kapitalsbeſitzer zu werden. Die Erklärung ſchließt mit der Aufforderung, einen Block gegen die Antipatrioten und Klerikalen zu bilden. Die Aeußerung des Generals d’Amade. KB. Paris, 11. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) General d’Amada erklärte in einem Interviev mit einem Mit- gliede des „Matin“: „Es iſt wahr, ich habe mich gegen die Disziplin vergangen, aber ich habe die Entſchuldigung, daß ich nur an das Intereſſe des Landes dachte. Ich glaubte ſelbſt der Sache des internationalen Friedens zu nützen und dachte, daß ich dieſe Pflicht zu erfüllen hätte. Dies erſchien mir ſtärker als die Pflicht zu ſchweigen. Ich werde

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1723, Czernowitz, 12.10.1909, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer1723_1909/2>, abgerufen am 21.11.2024.