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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1723, Czernowitz, 12.10.1909.

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12. Oktober 1909. Czernowitzer Allgemeine Zeitung.

[Spaltenumbruch] meinen Fehler ohne Murren büssen und stillschweigend eine
rührige Stimmung und die Stunde abwarten, wo ich Frank-
reich wieder dienen
kann. Die meisten Blätter billigen
rückhaltlos die Entscheidung der Regierung, die im Interesse
der Disziplin notwendig war, hoffen aber, daß d'Amade bald
in den aktiven Dienst rückkehrt.




Die Reise des Zaren nach Italien.

KB. (Tel. der "Cz. Allg.
Ztg.")

Wie verlautet, erfolgt die Abreise des Zaren nach
Italien am 19. Oktober via Odessa-Alexandrowo-Posen-München.
Iswolsky soll den Zar begleiten.




Aus Serbien.

Der österreichisch-ungarische
Gesandte Graf Forgach hat von der gemeinsamen Re-
gierung den Auftrag erhalten, der serbischen Regierung zu
erklären, daß Oesterreich-Ungarn in keine Handels-
vertragsverhandlungen
mit Serbien eintrete,
bevor nicht eine Ordnung der übrigen politischen Verhältnisse
geschaffen wird.

Demonstrationen gegen Oesterreich-Ungarn.

Bei der im Nationaltheater
stattgehabten Aufführung des Stückes "Hadschiloja" kam es
zu österreich-feindlichen Demonstrationen. Die zahlreich an-
wesenden Serben schrien "Abzug Oesterreich! Hoch das serbische
Bosnien!"

Konsiskation eines schmähendes Aufrufes.

Die Regierung hat einen Auf-
ruf der revolutionären Jugend konfisziert, der grobe
Schmähungen gegen Kaiser Franz Josef und die schwersten
Angriffe gegen die Dynastie Karageorgewitsch enthielt. Der
Aufruf forderte zur Revolution und zur Gründung einer
Republik auf, die Serbien Montenegro, Bosnien und
Herzegowina umfassen soll.




Galizischer Landtag.

Die gestrige Sitzung wurde
vom Landmarschall um halb 11 Uhr Vormittags eröffnet,
worauf der Antrag des Abg. St. H. Badeni betreffend die
Verbindung der Eisenbahnstrecke Lemberg--Podhajce mit
der Linie Stanislau--Husiatyn verlesen wurde. Außerdem
brachte Abg. Skwarko einen Dringlichkeitsantrag
betreffend die Anbringung ruthenischer Aufschriften an den
öffentlichen Gebäuden Ostgaliziens ein. Nach Uebergang
zur Tagesordnung wurde der Bericht des Landesausschusses
[ü]ber die Bewilligung der Aufnahmen eines Darlehens von
einer halben Million Kronen durch den Bezirk Brzezany der
Administrationskommission zugewiesen. Danauf verlas Abge-
ordneter Adam den Bericht der Gewerbekommission über
den Antrag des Abg. Battaglia, betreffend die Orga-
nisation einer Statistik für den auswärtigen Handel
Galiziens. Abg. Lewicki erklärt, daß die ukrainischen Ab-
geordneten prinzipiell gegen den Antrag stimmen werden,
weil Handels- und Kommunikationsangelegenheiten dem
Reichsrate unterstehen und daß die Ruthenen auch in Wien
eventuell gegen dieses Projekt Protest einlegen werden. Der End-
zweck dieses beabsichtigten Gesetzes sei die Erweiterung der
Landesautonomie, was von den Ruthenen unbedingt bekämpft
werden müsse, solange nur ein Volk in Galizien die Herr-
[Spaltenumbruch] schaft ausübe, daher beantrage Redner, über den Antrag des
Abg. Battaglia zur Tagesordnung zu übergehen. In ähnlichem
Sinne drückte sich der allruthenische Abg. Hanczakowski
aus und erklärte, daß, falls der Antrag Lew[i]ckis nicht durch-
dringen sollte, er den Antrag stelle, diese Angelegenheit
wieder den einzelnen Kommiss[i]onen mit dem Bedeuten zuzu-
weisen, die Regierung in einer Resolution aufzufordern, auf
gesetzlichem Wege die Frage der Handelsstatistik der ein[z]elnen
Kronländer zu erledigen. Abg. Battaglia polemisierte
mit seinen Vorrednern und trachtete den Beweis zu erbringen,
daß der von ihm beantragte Gesetzesentwurf die Grenzen der
Kompetenz des Landes nicht überschreite. Da sich zur Dis-
kussion im ganzen 17 Abgeordnete gemeldet hatten, wurden
Generalredner gewählt. Der Kontraredner Abg. Olesnicki
erklärte, daß die Ruthenen, insoweit obiger Antrag die Er-
weiterung der Landesautonomie im Auge habe, derselben
entgegengetreten werden, weil die Polen die Erweiterung der
Landesautonomie zur Bedrückung der Ruthenen ausnützen.
Schließlich beendigte Abgeordneter Olesnicki seine Rede
mit folgenden Worten: Wir werden nicht zulassen, daß Ihr
die Landesautonmie auch nur einen Schritt breit vergrößert,
bis Ihr bem ruthenischen Volke volle Nationalautonomie
zugestanden habt. Proredner Abg. Kolischer bat die
Ruthenen einen anderen Ausweg aus dieser schwierigen Lage
anzugeben und die Polen würden ihm mit Vergnügen
folgen. Die Handelsstatistik unterstehe niemender Kompetenz,
sei aber notwendig. Redner appelliere an die Ruthenen,
keine Schw[i]erigkeiten dort zu bereiten, wo es sich um ein
gemeinsames Interesse handle. Nach einer kurzen Erwiderung
des Abg. Adam, einer tatsächlichen Berichtigung des
Korol, erklärte Abg. Olesnicki, daß das projektierte
Gesetz eine Aenderung der Landesstatuten bedeute, wozu
Zweidrittel Majorität erforderlich sei. Abg. Korol erklärte,
daß die altruthenischen Abgeordneten sich der Abstimmung
enthalten werden. Als der Landmarschall erklärte, daß obiger
Antrag keine Statutenänderung bedeute, verließen die ruthe-
nischen Abgeordneten den Sitzungssaal. Nun wurden die
Anträge Lewicki und Hanczakowski abgelehnt und
es begann die Einzeldiskussion. Beim § 1 sprachen von
den Ruthenen die Abgeordneten Staruch und Korol,
beim § 2 Abgeordneter Olesnicki, da viele Abgeordnete
sich zum Wort gemeldet hatten, wurden zum Kontraredner
Abg. Fürst Lubomirski, zum Proredner Abg. Kolischer
gewählt. Beide verzichteten aufs Wort. Beim § 4 sprachen
Skwarko, Staruch und Hanczakowski, beim § 5
Abg. Dr. Lewicki. Damit schloß der Landmarschall die
heutige Sitzung um ein Viertel 3 Uhr nachmittags. Die
nächste findet Montag statt.

Die landwirtschaftliche
Kommission beschäftigte sich gestern mit der Fortsetzung der
Diskussion über den Antrag der polnischen Volkspartei, be-
treffend die Erneuerung des gegen den Handelsvertrag mit
Rumänien gerichteten Landtagsbeschlusses vom Jahre 1907.
Der Antrag wurde mit 12 gegen 8 Stimmen angenommen.
Hierauf referierte Abg. Marszalkowicz über den Antrag
Maryewski betreffend die Aufhebung der Zollumlage für
Korn bis zum Juli des nächsten Jahres. Auf den Vorschlag
des Referenten hin ging die Majorität über diesen Antrag
zur Tagesordnung hinweg. Die Minorität will ihn trotzdem
im Landtage aufrecht erhalten. Zum Minoritätsreferenten
wurde Abg. Battaglia gewählt. Die Straßenkommission
erledigte einige den Straßenbau betreffende Referate und
beschloß 2.500 Kilometer Bezirksstraßen in die Verwaltung
des Landes zu übernehmen.

Ueber Einladung des Abge-
ordneten Dolinski fand gestern abends eine Sitzung aller
städtischen Abgeordneten (56) statt, an der auch der Land-
marschall Graf Badeni teilnahm. Gegenstand der Beratung
war die Frage, wie man den Städten für die erste Zeit
[Spaltenumbruch] nach der A[u]fhebung der Propination das Recht, die Ge-
meindeumlagen von Provinationsumlagen zu erhöhen, sichern
könnte. Schließlich wurde ein sechsgliedriges Komitee gewählt,
das mit der Ausarbeitung eines Antrages betraut wurde,
wie diese Frage in einer der nächsten Landtagssitzungen zur
Sprache gebracht werden solle.




Der Fluchtversuch des Ex-Sultans.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

An unterrichteter Stelle ist über einen angeblichen Flucht-
versuch
des Ex-Sultan Abdul Hamid nichts bekannt.
Dieser zeigte sich nur in den letzten Tagen infolge des Er-
scheinens der türkischen Flotte im hiesigen Hafen sehr auf-
geregt,
da er sich ihre Anwesenheit nicht erklären konnte.
In dem von ihm bewohnten Palais ereignete sich nichts
bemerkenswertes; auch im Wachtdienste daselbst wurden keine
umfassenderen Maßnahmen getroffen.




Bunte Chronik.


Die Schreckensherrschaft in Rußland.

Ueberfüllte Gefängnisse. -- Typhus und Skorbut. -- Im
Durchgangsgesängnis. -- Grausamkeit und Folterungen. --
Mit Feuer gemartert. -- Selbstmordepidemien.

Fürst Krapotkin, der bekannte Revolutionär, der seit
Jahren in England Asylrecht genießt, hat für das "parlamen-
tarische Komitee" in London, das sich aus bedeutenden
Parlamentariern zusammensetzt, eine Broschüre geschrieben,
die auf Grund unanfechtbaren Materials die heutigen Zu-
stände in Rußland behandelt. Die Broschüre ist soeben bei
Robert Lutz in Stuttgart in deutscher Sprache erschienen; sie
enthüllt Zustände eines blutigen Unterdrückungssystems,
mittelalterlicher Grausamkeit, dunkelster Reaktion, die un-
glaublich erscheinen würden, wenn Fürst Kropatkin sich nicht
auf amtlich dokumentiertes Material stützen würde. Besonders
packend sind die Schilderungen der Verhältnisse in den
russischen Gefängnissen und unter sibirischen Verschickten --
jene traurigen Verhältnisse, die alles in den Schatten stellen,
was in den letzten 30 Jahren über russische Gefängnisse und
Verbannte geschrieben wurde.

Aus einem amtlichen Dokument, das dem Staatsrat
von der Verwaltung der Gesängnisse am 15. März d. J.
unterbreitet wurde, geht hervor, daß am 1. Februar 1909 in
den Gefängnissen des russischen Reiches 181.137 Gefangene
interniert waren. Dazu kommt die Zahl der auf dem
Transport befindlichen Sträflinge, die amtlich auf 30.000
geschätzt wird. Nicht mitgerechnet sind auch die in den poli-
zeilichen Arrestlokalen in den Dörfern und Städten einge-
sperrten Personen, deren Zahl nicht einmal annähernd sich
angeben läßt, wenn auch die russische Presse Schätzungen
versucht hat, die zwischen 50.000 und 100.000 schwanken.
Gerade in den Arrestlokalen der Polizei aber werden die
schlimmsten Grausamkeiten gegen die Gefangenen verübt.
Die berüchtigten Folterkammern von Grinn in Warschau
und Gregus in Riga (beide von den Gerichten verurteilt)
waren polizeiliche Arrestlokale. In einzelnen Orten liegen
drei- bis viermal so viel Gefangene, als das Gefängnis
unter normalen Verhältnissen aufnehmen dürfte. Die Folge
der Ueberfüllung ist, daß Skorbut und Typhus sich in er-
schreckendem Maße ausgebreitet haben.

Sogar in den großen Gefängnissen, wie in der Bu-
tyrki-Strafanstalt in Moskau, nur wenige Stunden vom
Amtssitz des Ministeriums des Innern entfernt, herrschen




[Spaltenumbruch]
Aus der Bahn geschleudert.

18] (Nachdruck verboten).

Ihr Feuer stimmte vorzüglich zu dem schwarzen Spitzen-
kleid, das sie trug, und nicht minder gut zu ihrer Gesichtsfarbe.

Ihr Weg führte sie durch eine lange Zimmerflucht, die
mit des Advokaten Kabinett abschloß. Neben diesem befand
sich sein Rauchzimmer. Die Verbindungstür zwischen beiden
war geschlossen, und Frau Jenny blieb lauschend stehen, ehe
sie näher trat. Jenö schien noch nicht bei dem Vater zu sein,
deun nebenan wurde keine Stimme hörbar, nichts als der
monotone Schritt eines ungeduldig Auf- und Abgehenden.

Einen Augenblick noch überlegte sie, dann ging sie rasch
auf die geschlossene Tür zu, drückte die Klinke nieder und trat
in das Kabinett.

Csallova[r]y blieb stehen und betrachtete sie spöttisch: "Du
-- zu dieser Stunde?" fragte er. "Diese Ehre verschafft mir
wohl nur den Wunsch, Deinem Sohn zu sekundieren, diesem
Liederjahn, der mich noch ins Grab bringen wird!"

"Von wem redest Du, von Jenö oder von Marczi!"

"Von Jenö natürlich, der wieder einmal den Beutel voll
Schulden hat, wie Du recht gut weißt!" grollte der Mann.

"Je[n]ö soll Schulden haben --!" glitt es wie in maß-
losem Staunen über Frau Jennys Lippen, die an der Rolle
der Ueberraschten unentwegt festhielt. Davon hatte ich keine
Ahnung, und ich kann es mir auch nicht erklären, denn im
Vergleich zu den anderen jungen Leuten in ähnlichen Ver-
hältnissen ist er die Solidität und Anspruchslosigkeit selbst!"

"Wenn die anderen jungen Leute noch liederlicher sind
als er, mögen es ja gewaltig nette Früchtchen sein, zu denen
sich ihre Eltern beglückwünschen dürfen! Ich bezweifle jedoch,
daß man das fertig bringt!" schnaubte Csallovary sie an.

Frau Jenny hatte ihre Absicht erreicht, des Gatten Zorn
kehrte sich jetzt in erster Reihe gegen sie, die ihn -- nicht
fürchtete.


[Spaltenumbruch]

"Du übertreibst furchtbar, lieber Pal, wie übrigens immer
wenn du erregt bist!" erwiederte sie gleichgiltig.

"Selbstverständlich -- wenn es sich um Deinen Liebling
handelt, dann übertreibe ich furcht--bar! Wie man sich an
diesem Schlingel einen Narren fressen kann, ist mir einfach
unfaßlich, dazu gehört Weiber-Verrücktheit!"

"Pal! -- Ich bitte mir aus, daß Du Dich anständig
ausdrückst, wenn Dn mit mir sprichst! -- Hat er wirklich
wieder Schulden gemacht, so kann es nur daran liegen, daß
Du ihn im Verhältnis zu unserem Vermögen zu knapp hälst.

"Zu knapp? Monatlich 500 Kronen Taschengeld für
seine Privatausgaben, das ungerechnet, was Du dem jungen
Herrn heimlich zusteckst, sollten zu wenig sein? Nicht einmal
Handschuhe und Kravatten bezahlt er davon! -- Ich habe
während meiner Universitätszeit 150 Gulden bekommen für
alles, habe Wohnung, Verpflegung, alle laufenden Ausgaben
davon bestreiten müssen und habe doch niemals einen Kreuzer
Schulden gehabt. Hätte es mir auch nicht raten mögen, der
Vater würde mich auf der Stelle heimgeholt und obendrein
noch halb tot geprügelt haben! -- Mein Herr Sohn aber,
der sich nun zum Vergnügen und zur Allotria in der Welt
glaubt --"

"Red keinen Unsinn, Pal!"

"Du redest töricht und, was schlimmer ist Du handelst
töricht, denn Du unterstützt Jenö in seiner Liederlichkeit!"

Ein rasches, kurzes Klopfen an der Tür und herein trat
der älteste Sohn des Hauses, Frau Jenny verjüngtes und ins
Männliche übertragene Ebenbild.

Er kam aber nicht als banger oder reuiger Sünder.
Ziemliche Blasiertheit, viel Müdigkeit, noch mehr Selbstge-
fälligkeit und ein unter den obwaltenden Umständen verblüffende
Unbefangenheit, das war es was Miene und Haltung aus-
drückten.

"Du hast mich rufen lassen, Papa!" sagte er, langsam
näher kommend.

Csallovary drehte sich auf dem Absatz herum und maß
Jenö mit Blicken, in denen sich schäumender Zorn aussprach.


[Spaltenumbruch]

"Du hast mich rufen lassen, Papa!" wiederholte er, Jenös
gleichgiltigen, schleppenden Ton nachahmend, um dann in los-
brechender Heftigkeit loszufahren: "Ja, Herr Sohn, ich habe
Dich rufen lassen, damit Du mir Rede stehst und vernimmst,
was ich beschlossen habe! -- Karl Rosenleib war heute bei
mir mit einem gestern fällig gewordenen Wechsel über 50000 K,
den Du nicht eingelöst hast!"

Hatte der Advokat erwartet, der Sohn werde unter der
Wucht dieser Mitteilung zusammenknicken, so mußte er eine
Enttäuschung erfahren. Jenös Mienen veränderten sich nicht,
er hob bloß die Schultern und sagte verächtlich:

"Der Schuft! Ich werde dafür sorgen, daß niemand vom
Club of Sportsmen sich seiner mehr bedient!"

"Ist das alles, was Du Deinem schmählich mißbrauchten
Vater zu sagen hast. Du erbärmlicher Mensch Du? schrie
Csallovary, dunkelrot im Gesicht mit überschnappender Stimme.

"Pal, bedenke doch, daß Du mit unserm Sohne redest!
Jenö hat sich, Gott sei Dank, noch nie einer Erbärmlichkeit
schuldig gemaat, er ist eine echte Kavaliersnatur!"

"So werde ich ihm wohl noch ein "von" kaufen müssen,
damit er etwas an seinen Namen zu hängen hat! -- Wie
kommst Du dazu, von Karl Rosenleib 50000 Kronen zu
borgen?

"Weil ich sie haben mußte, Du sie mir aber nicht ge-
geben hättest!"

"Da hast Du recht!"

"Nun also, was bleibt einem dann übrig, als die Rosen-
leib, Rosenzweig und solche Kerle?

"Was bleibt einem dann übrig, als die Rosenleib und
so weiter -- Ist das die Sprache, die man führt, wenn man
als Lausbub von 23 Jahren vor seinen Vater hintreten und
ihm gestehen muß, daß man hinter seinem Rücken 50000 K
verlumpt hat? -- Weißt Du, was Dir gehört --?"

"Verlumpt habe ich nichts, Papa -- ich hatte bei den
April-Rennen Unglück -- drei Wetten verloren --"

"Habe ich Dir das Wetten nicht streng untersagt?"

(Fortsetzung folgt.)


12. Oktober 1909. Czernowitzer Allgemeine Zeitung.

[Spaltenumbruch] meinen Fehler ohne Murren büſſen und ſtillſchweigend eine
rührige Stimmung und die Stunde abwarten, wo ich Frank-
reich wieder dienen
kann. Die meiſten Blätter billigen
rückhaltlos die Entſcheidung der Regierung, die im Intereſſe
der Disziplin notwendig war, hoffen aber, daß d’Amade bald
in den aktiven Dienſt rückkehrt.




Die Reiſe des Zaren nach Italien.

KB. (Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Wie verlautet, erfolgt die Abreiſe des Zaren nach
Italien am 19. Oktober via Odeſſa-Alexandrowo-Poſen-München.
Iswolsky ſoll den Zar begleiten.




Aus Serbien.

Der öſterreichiſch-ungariſche
Geſandte Graf Forgach hat von der gemeinſamen Re-
gierung den Auftrag erhalten, der ſerbiſchen Regierung zu
erklären, daß Oeſterreich-Ungarn in keine Handels-
vertragsverhandlungen
mit Serbien eintrete,
bevor nicht eine Ordnung der übrigen politiſchen Verhältniſſe
geſchaffen wird.

Demonſtrationen gegen Oeſterreich-Ungarn.

Bei der im Nationaltheater
ſtattgehabten Aufführung des Stückes „Hadſchiloja“ kam es
zu öſterreich-feindlichen Demonſtrationen. Die zahlreich an-
weſenden Serben ſchrien „Abzug Oeſterreich! Hoch das ſerbiſche
Bosnien!“

Konſiskation eines ſchmähendes Aufrufes.

Die Regierung hat einen Auf-
ruf der revolutionären Jugend konfisziert, der grobe
Schmähungen gegen Kaiſer Franz Joſef und die ſchwerſten
Angriffe gegen die Dynaſtie Karageorgewitſch enthielt. Der
Aufruf forderte zur Revolution und zur Gründung einer
Republik auf, die Serbien Montenegro, Bosnien und
Herzegowina umfaſſen ſoll.




Galiziſcher Landtag.

Die geſtrige Sitzung wurde
vom Landmarſchall um halb 11 Uhr Vormittags eröffnet,
worauf der Antrag des Abg. St. H. Badeni betreffend die
Verbindung der Eiſenbahnſtrecke Lemberg—Podhajce mit
der Linie Stanislau—Huſiatyn verleſen wurde. Außerdem
brachte Abg. Skwarko einen Dringlichkeitsantrag
betreffend die Anbringung rutheniſcher Aufſchriften an den
öffentlichen Gebäuden Oſtgaliziens ein. Nach Uebergang
zur Tagesordnung wurde der Bericht des Landesausſchuſſes
[ü]ber die Bewilligung der Aufnahmen eines Darlehens von
einer halben Million Kronen durch den Bezirk Brzezany der
Adminiſtrationskommiſſion zugewieſen. Danauf verlas Abge-
ordneter Adam den Bericht der Gewerbekommiſſion über
den Antrag des Abg. Battaglia, betreffend die Orga-
niſation einer Statiſtik für den auswärtigen Handel
Galiziens. Abg. Lewicki erklärt, daß die ukrainiſchen Ab-
geordneten prinzipiell gegen den Antrag ſtimmen werden,
weil Handels- und Kommunikationsangelegenheiten dem
Reichsrate unterſtehen und daß die Ruthenen auch in Wien
eventuell gegen dieſes Projekt Proteſt einlegen werden. Der End-
zweck dieſes beabſichtigten Geſetzes ſei die Erweiterung der
Landesautonomie, was von den Ruthenen unbedingt bekämpft
werden müſſe, ſolange nur ein Volk in Galizien die Herr-
[Spaltenumbruch] ſchaft ausübe, daher beantrage Redner, über den Antrag des
Abg. Battaglia zur Tagesordnung zu übergehen. In ähnlichem
Sinne drückte ſich der allrutheniſche Abg. Hanczakowski
aus und erklärte, daß, falls der Antrag Lew[i]ckis nicht durch-
dringen ſollte, er den Antrag ſtelle, dieſe Angelegenheit
wieder den einzelnen Kommiſſ[i]onen mit dem Bedeuten zuzu-
weiſen, die Regierung in einer Reſolution aufzufordern, auf
geſetzlichem Wege die Frage der Handelsſtatiſtik der ein[z]elnen
Kronländer zu erledigen. Abg. Battaglia polemiſierte
mit ſeinen Vorrednern und trachtete den Beweis zu erbringen,
daß der von ihm beantragte Geſetzesentwurf die Grenzen der
Kompetenz des Landes nicht überſchreite. Da ſich zur Dis-
kuſſion im ganzen 17 Abgeordnete gemeldet hatten, wurden
Generalredner gewählt. Der Kontraredner Abg. Olesnicki
erklärte, daß die Ruthenen, inſoweit obiger Antrag die Er-
weiterung der Landesautonomie im Auge habe, derſelben
entgegengetreten werden, weil die Polen die Erweiterung der
Landesautonomie zur Bedrückung der Ruthenen ausnützen.
Schließlich beendigte Abgeordneter Olesnicki ſeine Rede
mit folgenden Worten: Wir werden nicht zulaſſen, daß Ihr
die Landesautonmie auch nur einen Schritt breit vergrößert,
bis Ihr bem rutheniſchen Volke volle Nationalautonomie
zugeſtanden habt. Proredner Abg. Koliſcher bat die
Ruthenen einen anderen Ausweg aus dieſer ſchwierigen Lage
anzugeben und die Polen würden ihm mit Vergnügen
folgen. Die Handelsſtatiſtik unterſtehe niemender Kompetenz,
ſei aber notwendig. Redner appelliere an die Ruthenen,
keine Schw[i]erigkeiten dort zu bereiten, wo es ſich um ein
gemeinſames Intereſſe handle. Nach einer kurzen Erwiderung
des Abg. Adam, einer tatſächlichen Berichtigung des
Korol, erklärte Abg. Olesnicki, daß das projektierte
Geſetz eine Aenderung der Landesſtatuten bedeute, wozu
Zweidrittel Majorität erforderlich ſei. Abg. Korol erklärte,
daß die altrutheniſchen Abgeordneten ſich der Abſtimmung
enthalten werden. Als der Landmarſchall erklärte, daß obiger
Antrag keine Statutenänderung bedeute, verließen die ruthe-
niſchen Abgeordneten den Sitzungsſaal. Nun wurden die
Anträge Lewicki und Hanczakowski abgelehnt und
es begann die Einzeldiskuſſion. Beim § 1 ſprachen von
den Ruthenen die Abgeordneten Staruch und Korol,
beim § 2 Abgeordneter Olesnicki, da viele Abgeordnete
ſich zum Wort gemeldet hatten, wurden zum Kontraredner
Abg. Fürſt Lubomirski, zum Proredner Abg. Koliſcher
gewählt. Beide verzichteten aufs Wort. Beim § 4 ſprachen
Skwarko, Staruch und Hanczakowski, beim § 5
Abg. Dr. Lewicki. Damit ſchloß der Landmarſchall die
heutige Sitzung um ein Viertel 3 Uhr nachmittags. Die
nächſte findet Montag ſtatt.

Die landwirtſchaftliche
Kommiſſion beſchäftigte ſich geſtern mit der Fortſetzung der
Diskuſſion über den Antrag der polniſchen Volkspartei, be-
treffend die Erneuerung des gegen den Handelsvertrag mit
Rumänien gerichteten Landtagsbeſchluſſes vom Jahre 1907.
Der Antrag wurde mit 12 gegen 8 Stimmen angenommen.
Hierauf referierte Abg. Marszalkowicz über den Antrag
Maryewski betreffend die Aufhebung der Zollumlage für
Korn bis zum Juli des nächſten Jahres. Auf den Vorſchlag
des Referenten hin ging die Majorität über dieſen Antrag
zur Tagesordnung hinweg. Die Minorität will ihn trotzdem
im Landtage aufrecht erhalten. Zum Minoritätsreferenten
wurde Abg. Battaglia gewählt. Die Straßenkommiſſion
erledigte einige den Straßenbau betreffende Referate und
beſchloß 2.500 Kilometer Bezirksſtraßen in die Verwaltung
des Landes zu übernehmen.

Ueber Einladung des Abge-
ordneten Dolinski fand geſtern abends eine Sitzung aller
ſtädtiſchen Abgeordneten (56) ſtatt, an der auch der Land-
marſchall Graf Badeni teilnahm. Gegenſtand der Beratung
war die Frage, wie man den Städten für die erſte Zeit
[Spaltenumbruch] nach der A[u]fhebung der Propination das Recht, die Ge-
meindeumlagen von Provinationsumlagen zu erhöhen, ſichern
könnte. Schließlich wurde ein ſechsgliedriges Komitee gewählt,
das mit der Ausarbeitung eines Antrages betraut wurde,
wie dieſe Frage in einer der nächſten Landtagsſitzungen zur
Sprache gebracht werden ſolle.




Der Fluchtverſuch des Ex-Sultans.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

An unterrichteter Stelle iſt über einen angeblichen Flucht-
verſuch
des Ex-Sultan Abdul Hamid nichts bekannt.
Dieſer zeigte ſich nur in den letzten Tagen infolge des Er-
ſcheinens der türkiſchen Flotte im hieſigen Hafen ſehr auf-
geregt,
da er ſich ihre Anweſenheit nicht erklären konnte.
In dem von ihm bewohnten Palais ereignete ſich nichts
bemerkenswertes; auch im Wachtdienſte daſelbſt wurden keine
umfaſſenderen Maßnahmen getroffen.




Bunte Chronik.


Die Schreckensherrſchaft in Rußland.

Ueberfüllte Gefängniſſe. — Typhus und Skorbut. — Im
Durchgangsgeſängnis. — Grauſamkeit und Folterungen. —
Mit Feuer gemartert. — Selbſtmordepidemien.

Fürſt Krapotkin, der bekannte Revolutionär, der ſeit
Jahren in England Aſylrecht genießt, hat für das „parlamen-
tariſche Komitee“ in London, das ſich aus bedeutenden
Parlamentariern zuſammenſetzt, eine Broſchüre geſchrieben,
die auf Grund unanfechtbaren Materials die heutigen Zu-
ſtände in Rußland behandelt. Die Broſchüre iſt ſoeben bei
Robert Lutz in Stuttgart in deutſcher Sprache erſchienen; ſie
enthüllt Zuſtände eines blutigen Unterdrückungsſyſtems,
mittelalterlicher Grauſamkeit, dunkelſter Reaktion, die un-
glaublich erſcheinen würden, wenn Fürſt Kropatkin ſich nicht
auf amtlich dokumentiertes Material ſtützen würde. Beſonders
packend ſind die Schilderungen der Verhältniſſe in den
ruſſiſchen Gefängniſſen und unter ſibiriſchen Verſchickten —
jene traurigen Verhältniſſe, die alles in den Schatten ſtellen,
was in den letzten 30 Jahren über ruſſiſche Gefängniſſe und
Verbannte geſchrieben wurde.

Aus einem amtlichen Dokument, das dem Staatsrat
von der Verwaltung der Geſängniſſe am 15. März d. J.
unterbreitet wurde, geht hervor, daß am 1. Februar 1909 in
den Gefängniſſen des ruſſiſchen Reiches 181.137 Gefangene
interniert waren. Dazu kommt die Zahl der auf dem
Transport befindlichen Sträflinge, die amtlich auf 30.000
geſchätzt wird. Nicht mitgerechnet ſind auch die in den poli-
zeilichen Arreſtlokalen in den Dörfern und Städten einge-
ſperrten Perſonen, deren Zahl nicht einmal annähernd ſich
angeben läßt, wenn auch die ruſſiſche Preſſe Schätzungen
verſucht hat, die zwiſchen 50.000 und 100.000 ſchwanken.
Gerade in den Arreſtlokalen der Polizei aber werden die
ſchlimmſten Grauſamkeiten gegen die Gefangenen verübt.
Die berüchtigten Folterkammern von Grinn in Warſchau
und Gregus in Riga (beide von den Gerichten verurteilt)
waren polizeiliche Arreſtlokale. In einzelnen Orten liegen
drei- bis viermal ſo viel Gefangene, als das Gefängnis
unter normalen Verhältniſſen aufnehmen dürfte. Die Folge
der Ueberfüllung iſt, daß Skorbut und Typhus ſich in er-
ſchreckendem Maße ausgebreitet haben.

Sogar in den großen Gefängniſſen, wie in der Bu-
tyrki-Strafanſtalt in Moskau, nur wenige Stunden vom
Amtsſitz des Miniſteriums des Innern entfernt, herrſchen




[Spaltenumbruch]
Aus der Bahn geſchleudert.

18] (Nachdruck verboten).

Ihr Feuer ſtimmte vorzüglich zu dem ſchwarzen Spitzen-
kleid, das ſie trug, und nicht minder gut zu ihrer Geſichtsfarbe.

Ihr Weg führte ſie durch eine lange Zimmerflucht, die
mit des Advokaten Kabinett abſchloß. Neben dieſem befand
ſich ſein Rauchzimmer. Die Verbindungstür zwiſchen beiden
war geſchloſſen, und Frau Jenny blieb lauſchend ſtehen, ehe
ſie näher trat. Jenö ſchien noch nicht bei dem Vater zu ſein,
deun nebenan wurde keine Stimme hörbar, nichts als der
monotone Schritt eines ungeduldig Auf- und Abgehenden.

Einen Augenblick noch überlegte ſie, dann ging ſie raſch
auf die geſchloſſene Tür zu, drückte die Klinke nieder und trat
in das Kabinett.

Cſallova[r]y blieb ſtehen und betrachtete ſie ſpöttiſch: „Du
— zu dieſer Stunde?“ fragte er. „Dieſe Ehre verſchafft mir
wohl nur den Wunſch, Deinem Sohn zu ſekundieren, dieſem
Liederjahn, der mich noch ins Grab bringen wird!“

„Von wem redeſt Du, von Jenö oder von Marczi!“

„Von Jenö natürlich, der wieder einmal den Beutel voll
Schulden hat, wie Du recht gut weißt!“ grollte der Mann.

„Je[n]ö ſoll Schulden haben —!“ glitt es wie in maß-
loſem Staunen über Frau Jennys Lippen, die an der Rolle
der Ueberraſchten unentwegt feſthielt. Davon hatte ich keine
Ahnung, und ich kann es mir auch nicht erklären, denn im
Vergleich zu den anderen jungen Leuten in ähnlichen Ver-
hältniſſen iſt er die Solidität und Anſpruchsloſigkeit ſelbſt!“

„Wenn die anderen jungen Leute noch liederlicher ſind
als er, mögen es ja gewaltig nette Früchtchen ſein, zu denen
ſich ihre Eltern beglückwünſchen dürfen! Ich bezweifle jedoch,
daß man das fertig bringt!“ ſchnaubte Cſallovary ſie an.

Frau Jenny hatte ihre Abſicht erreicht, des Gatten Zorn
kehrte ſich jetzt in erſter Reihe gegen ſie, die ihn — nicht
fürchtete.


[Spaltenumbruch]

„Du übertreibſt furchtbar, lieber Pal, wie übrigens immer
wenn du erregt biſt!“ erwiederte ſie gleichgiltig.

„Selbſtverſtändlich — wenn es ſich um Deinen Liebling
handelt, dann übertreibe ich furcht—bar! Wie man ſich an
dieſem Schlingel einen Narren freſſen kann, iſt mir einfach
unfaßlich, dazu gehört Weiber-Verrücktheit!“

„Pal! — Ich bitte mir aus, daß Du Dich anſtändig
ausdrückſt, wenn Dn mit mir ſprichſt! — Hat er wirklich
wieder Schulden gemacht, ſo kann es nur daran liegen, daß
Du ihn im Verhältnis zu unſerem Vermögen zu knapp hälſt.

„Zu knapp? Monatlich 500 Kronen Taſchengeld für
ſeine Privatausgaben, das ungerechnet, was Du dem jungen
Herrn heimlich zuſteckſt, ſollten zu wenig ſein? Nicht einmal
Handſchuhe und Kravatten bezahlt er davon! — Ich habe
während meiner Univerſitätszeit 150 Gulden bekommen für
alles, habe Wohnung, Verpflegung, alle laufenden Ausgaben
davon beſtreiten müſſen und habe doch niemals einen Kreuzer
Schulden gehabt. Hätte es mir auch nicht raten mögen, der
Vater würde mich auf der Stelle heimgeholt und obendrein
noch halb tot geprügelt haben! — Mein Herr Sohn aber,
der ſich nun zum Vergnügen und zur Allotria in der Welt
glaubt —“

„Red keinen Unſinn, Pal!“

„Du redeſt töricht und, was ſchlimmer iſt Du handelſt
töricht, denn Du unterſtützt Jenö in ſeiner Liederlichkeit!“

Ein raſches, kurzes Klopfen an der Tür und herein trat
der älteſte Sohn des Hauſes, Frau Jenny verjüngtes und ins
Männliche übertragene Ebenbild.

Er kam aber nicht als banger oder reuiger Sünder.
Ziemliche Blaſiertheit, viel Müdigkeit, noch mehr Selbſtge-
fälligkeit und ein unter den obwaltenden Umſtänden verblüffende
Unbefangenheit, das war es was Miene und Haltung aus-
drückten.

„Du haſt mich rufen laſſen, Papa!“ ſagte er, langſam
näher kommend.

Cſallovary drehte ſich auf dem Abſatz herum und maß
Jenö mit Blicken, in denen ſich ſchäumender Zorn ausſprach.


[Spaltenumbruch]

„Du haſt mich rufen laſſen, Papa!“ wiederholte er, Jenös
gleichgiltigen, ſchleppenden Ton nachahmend, um dann in los-
brechender Heftigkeit loszufahren: „Ja, Herr Sohn, ich habe
Dich rufen laſſen, damit Du mir Rede ſtehſt und vernimmſt,
was ich beſchloſſen habe! — Karl Roſenleib war heute bei
mir mit einem geſtern fällig gewordenen Wechſel über 50000 K,
den Du nicht eingelöſt haſt!“

Hatte der Advokat erwartet, der Sohn werde unter der
Wucht dieſer Mitteilung zuſammenknicken, ſo mußte er eine
Enttäuſchung erfahren. Jenös Mienen veränderten ſich nicht,
er hob bloß die Schultern und ſagte verächtlich:

„Der Schuft! Ich werde dafür ſorgen, daß niemand vom
Club of Sportsmen ſich ſeiner mehr bedient!“

„Iſt das alles, was Du Deinem ſchmählich mißbrauchten
Vater zu ſagen haſt. Du erbärmlicher Menſch Du? ſchrie
Cſallovary, dunkelrot im Geſicht mit überſchnappender Stimme.

„Pal, bedenke doch, daß Du mit unſerm Sohne redeſt!
Jenö hat ſich, Gott ſei Dank, noch nie einer Erbärmlichkeit
ſchuldig gemaat, er iſt eine echte Kavaliersnatur!“

„So werde ich ihm wohl noch ein „von“ kaufen müſſen,
damit er etwas an ſeinen Namen zu hängen hat! — Wie
kommſt Du dazu, von Karl Roſenleib 50000 Kronen zu
borgen?

„Weil ich ſie haben mußte, Du ſie mir aber nicht ge-
geben hätteſt!“

„Da haſt Du recht!“

„Nun alſo, was bleibt einem dann übrig, als die Roſen-
leib, Roſenzweig und ſolche Kerle?

„Was bleibt einem dann übrig, als die Roſenleib und
ſo weiter — Iſt das die Sprache, die man führt, wenn man
als Lausbub von 23 Jahren vor ſeinen Vater hintreten und
ihm geſtehen muß, daß man hinter ſeinem Rücken 50000 K
verlumpt hat? — Weißt Du, was Dir gehört —?“

„Verlumpt habe ich nichts, Papa — ich hatte bei den
April-Rennen Unglück — drei Wetten verloren —“

„Habe ich Dir das Wetten nicht ſtreng unterſagt?“

(Fortſetzung folgt.)


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[3/0003] 12. Oktober 1909. Czernowitzer Allgemeine Zeitung. meinen Fehler ohne Murren büſſen und ſtillſchweigend eine rührige Stimmung und die Stunde abwarten, wo ich Frank- reich wieder dienen kann. Die meiſten Blätter billigen rückhaltlos die Entſcheidung der Regierung, die im Intereſſe der Disziplin notwendig war, hoffen aber, daß d’Amade bald in den aktiven Dienſt rückkehrt. Die Reiſe des Zaren nach Italien. KB. Petersburg, 11. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Wie verlautet, erfolgt die Abreiſe des Zaren nach Italien am 19. Oktober via Odeſſa-Alexandrowo-Poſen-München. Iswolsky ſoll den Zar begleiten. Aus Serbien. Belgrad, 10. Oktober. Der öſterreichiſch-ungariſche Geſandte Graf Forgach hat von der gemeinſamen Re- gierung den Auftrag erhalten, der ſerbiſchen Regierung zu erklären, daß Oeſterreich-Ungarn in keine Handels- vertragsverhandlungen mit Serbien eintrete, bevor nicht eine Ordnung der übrigen politiſchen Verhältniſſe geſchaffen wird. Demonſtrationen gegen Oeſterreich-Ungarn. Belgrad, 10. Oktober. Bei der im Nationaltheater ſtattgehabten Aufführung des Stückes „Hadſchiloja“ kam es zu öſterreich-feindlichen Demonſtrationen. Die zahlreich an- weſenden Serben ſchrien „Abzug Oeſterreich! Hoch das ſerbiſche Bosnien!“ Konſiskation eines ſchmähendes Aufrufes. Belgrad, 9. Oktober. Die Regierung hat einen Auf- ruf der revolutionären Jugend konfisziert, der grobe Schmähungen gegen Kaiſer Franz Joſef und die ſchwerſten Angriffe gegen die Dynaſtie Karageorgewitſch enthielt. Der Aufruf forderte zur Revolution und zur Gründung einer Republik auf, die Serbien Montenegro, Bosnien und Herzegowina umfaſſen ſoll. Galiziſcher Landtag. Lemberg, 9. Oktober. Die geſtrige Sitzung wurde vom Landmarſchall um halb 11 Uhr Vormittags eröffnet, worauf der Antrag des Abg. St. H. Badeni betreffend die Verbindung der Eiſenbahnſtrecke Lemberg—Podhajce mit der Linie Stanislau—Huſiatyn verleſen wurde. Außerdem brachte Abg. Skwarko einen Dringlichkeitsantrag betreffend die Anbringung rutheniſcher Aufſchriften an den öffentlichen Gebäuden Oſtgaliziens ein. Nach Uebergang zur Tagesordnung wurde der Bericht des Landesausſchuſſes über die Bewilligung der Aufnahmen eines Darlehens von einer halben Million Kronen durch den Bezirk Brzezany der Adminiſtrationskommiſſion zugewieſen. Danauf verlas Abge- ordneter Adam den Bericht der Gewerbekommiſſion über den Antrag des Abg. Battaglia, betreffend die Orga- niſation einer Statiſtik für den auswärtigen Handel Galiziens. Abg. Lewicki erklärt, daß die ukrainiſchen Ab- geordneten prinzipiell gegen den Antrag ſtimmen werden, weil Handels- und Kommunikationsangelegenheiten dem Reichsrate unterſtehen und daß die Ruthenen auch in Wien eventuell gegen dieſes Projekt Proteſt einlegen werden. Der End- zweck dieſes beabſichtigten Geſetzes ſei die Erweiterung der Landesautonomie, was von den Ruthenen unbedingt bekämpft werden müſſe, ſolange nur ein Volk in Galizien die Herr- ſchaft ausübe, daher beantrage Redner, über den Antrag des Abg. Battaglia zur Tagesordnung zu übergehen. In ähnlichem Sinne drückte ſich der allrutheniſche Abg. Hanczakowski aus und erklärte, daß, falls der Antrag Lewickis nicht durch- dringen ſollte, er den Antrag ſtelle, dieſe Angelegenheit wieder den einzelnen Kommiſſionen mit dem Bedeuten zuzu- weiſen, die Regierung in einer Reſolution aufzufordern, auf geſetzlichem Wege die Frage der Handelsſtatiſtik der einzelnen Kronländer zu erledigen. Abg. Battaglia polemiſierte mit ſeinen Vorrednern und trachtete den Beweis zu erbringen, daß der von ihm beantragte Geſetzesentwurf die Grenzen der Kompetenz des Landes nicht überſchreite. Da ſich zur Dis- kuſſion im ganzen 17 Abgeordnete gemeldet hatten, wurden Generalredner gewählt. Der Kontraredner Abg. Olesnicki erklärte, daß die Ruthenen, inſoweit obiger Antrag die Er- weiterung der Landesautonomie im Auge habe, derſelben entgegengetreten werden, weil die Polen die Erweiterung der Landesautonomie zur Bedrückung der Ruthenen ausnützen. Schließlich beendigte Abgeordneter Olesnicki ſeine Rede mit folgenden Worten: Wir werden nicht zulaſſen, daß Ihr die Landesautonmie auch nur einen Schritt breit vergrößert, bis Ihr bem rutheniſchen Volke volle Nationalautonomie zugeſtanden habt. Proredner Abg. Koliſcher bat die Ruthenen einen anderen Ausweg aus dieſer ſchwierigen Lage anzugeben und die Polen würden ihm mit Vergnügen folgen. Die Handelsſtatiſtik unterſtehe niemender Kompetenz, ſei aber notwendig. Redner appelliere an die Ruthenen, keine Schwierigkeiten dort zu bereiten, wo es ſich um ein gemeinſames Intereſſe handle. Nach einer kurzen Erwiderung des Abg. Adam, einer tatſächlichen Berichtigung des Korol, erklärte Abg. Olesnicki, daß das projektierte Geſetz eine Aenderung der Landesſtatuten bedeute, wozu Zweidrittel Majorität erforderlich ſei. Abg. Korol erklärte, daß die altrutheniſchen Abgeordneten ſich der Abſtimmung enthalten werden. Als der Landmarſchall erklärte, daß obiger Antrag keine Statutenänderung bedeute, verließen die ruthe- niſchen Abgeordneten den Sitzungsſaal. Nun wurden die Anträge Lewicki und Hanczakowski abgelehnt und es begann die Einzeldiskuſſion. Beim § 1 ſprachen von den Ruthenen die Abgeordneten Staruch und Korol, beim § 2 Abgeordneter Olesnicki, da viele Abgeordnete ſich zum Wort gemeldet hatten, wurden zum Kontraredner Abg. Fürſt Lubomirski, zum Proredner Abg. Koliſcher gewählt. Beide verzichteten aufs Wort. Beim § 4 ſprachen Skwarko, Staruch und Hanczakowski, beim § 5 Abg. Dr. Lewicki. Damit ſchloß der Landmarſchall die heutige Sitzung um ein Viertel 3 Uhr nachmittags. Die nächſte findet Montag ſtatt. Lemberg, 10. Oktober. Die landwirtſchaftliche Kommiſſion beſchäftigte ſich geſtern mit der Fortſetzung der Diskuſſion über den Antrag der polniſchen Volkspartei, be- treffend die Erneuerung des gegen den Handelsvertrag mit Rumänien gerichteten Landtagsbeſchluſſes vom Jahre 1907. Der Antrag wurde mit 12 gegen 8 Stimmen angenommen. Hierauf referierte Abg. Marszalkowicz über den Antrag Maryewski betreffend die Aufhebung der Zollumlage für Korn bis zum Juli des nächſten Jahres. Auf den Vorſchlag des Referenten hin ging die Majorität über dieſen Antrag zur Tagesordnung hinweg. Die Minorität will ihn trotzdem im Landtage aufrecht erhalten. Zum Minoritätsreferenten wurde Abg. Battaglia gewählt. Die Straßenkommiſſion erledigte einige den Straßenbau betreffende Referate und beſchloß 2.500 Kilometer Bezirksſtraßen in die Verwaltung des Landes zu übernehmen. Lemberg, 10. Oktober. Ueber Einladung des Abge- ordneten Dolinski fand geſtern abends eine Sitzung aller ſtädtiſchen Abgeordneten (56) ſtatt, an der auch der Land- marſchall Graf Badeni teilnahm. Gegenſtand der Beratung war die Frage, wie man den Städten für die erſte Zeit nach der Aufhebung der Propination das Recht, die Ge- meindeumlagen von Provinationsumlagen zu erhöhen, ſichern könnte. Schließlich wurde ein ſechsgliedriges Komitee gewählt, das mit der Ausarbeitung eines Antrages betraut wurde, wie dieſe Frage in einer der nächſten Landtagsſitzungen zur Sprache gebracht werden ſolle. Der Fluchtverſuch des Ex-Sultans. KB. Saloniki, 11. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) An unterrichteter Stelle iſt über einen angeblichen Flucht- verſuch des Ex-Sultan Abdul Hamid nichts bekannt. Dieſer zeigte ſich nur in den letzten Tagen infolge des Er- ſcheinens der türkiſchen Flotte im hieſigen Hafen ſehr auf- geregt, da er ſich ihre Anweſenheit nicht erklären konnte. In dem von ihm bewohnten Palais ereignete ſich nichts bemerkenswertes; auch im Wachtdienſte daſelbſt wurden keine umfaſſenderen Maßnahmen getroffen. Bunte Chronik. Czernowitz, 11. Oktober. Die Schreckensherrſchaft in Rußland. Ueberfüllte Gefängniſſe. — Typhus und Skorbut. — Im Durchgangsgeſängnis. — Grauſamkeit und Folterungen. — Mit Feuer gemartert. — Selbſtmordepidemien. Fürſt Krapotkin, der bekannte Revolutionär, der ſeit Jahren in England Aſylrecht genießt, hat für das „parlamen- tariſche Komitee“ in London, das ſich aus bedeutenden Parlamentariern zuſammenſetzt, eine Broſchüre geſchrieben, die auf Grund unanfechtbaren Materials die heutigen Zu- ſtände in Rußland behandelt. Die Broſchüre iſt ſoeben bei Robert Lutz in Stuttgart in deutſcher Sprache erſchienen; ſie enthüllt Zuſtände eines blutigen Unterdrückungsſyſtems, mittelalterlicher Grauſamkeit, dunkelſter Reaktion, die un- glaublich erſcheinen würden, wenn Fürſt Kropatkin ſich nicht auf amtlich dokumentiertes Material ſtützen würde. Beſonders packend ſind die Schilderungen der Verhältniſſe in den ruſſiſchen Gefängniſſen und unter ſibiriſchen Verſchickten — jene traurigen Verhältniſſe, die alles in den Schatten ſtellen, was in den letzten 30 Jahren über ruſſiſche Gefängniſſe und Verbannte geſchrieben wurde. Aus einem amtlichen Dokument, das dem Staatsrat von der Verwaltung der Geſängniſſe am 15. März d. J. unterbreitet wurde, geht hervor, daß am 1. Februar 1909 in den Gefängniſſen des ruſſiſchen Reiches 181.137 Gefangene interniert waren. Dazu kommt die Zahl der auf dem Transport befindlichen Sträflinge, die amtlich auf 30.000 geſchätzt wird. Nicht mitgerechnet ſind auch die in den poli- zeilichen Arreſtlokalen in den Dörfern und Städten einge- ſperrten Perſonen, deren Zahl nicht einmal annähernd ſich angeben läßt, wenn auch die ruſſiſche Preſſe Schätzungen verſucht hat, die zwiſchen 50.000 und 100.000 ſchwanken. Gerade in den Arreſtlokalen der Polizei aber werden die ſchlimmſten Grauſamkeiten gegen die Gefangenen verübt. Die berüchtigten Folterkammern von Grinn in Warſchau und Gregus in Riga (beide von den Gerichten verurteilt) waren polizeiliche Arreſtlokale. In einzelnen Orten liegen drei- bis viermal ſo viel Gefangene, als das Gefängnis unter normalen Verhältniſſen aufnehmen dürfte. Die Folge der Ueberfüllung iſt, daß Skorbut und Typhus ſich in er- ſchreckendem Maße ausgebreitet haben. Sogar in den großen Gefängniſſen, wie in der Bu- tyrki-Strafanſtalt in Moskau, nur wenige Stunden vom Amtsſitz des Miniſteriums des Innern entfernt, herrſchen Aus der Bahn geſchleudert. Roman von Carola v. Eynatten. 18] (Nachdruck verboten). Ihr Feuer ſtimmte vorzüglich zu dem ſchwarzen Spitzen- kleid, das ſie trug, und nicht minder gut zu ihrer Geſichtsfarbe. Ihr Weg führte ſie durch eine lange Zimmerflucht, die mit des Advokaten Kabinett abſchloß. Neben dieſem befand ſich ſein Rauchzimmer. Die Verbindungstür zwiſchen beiden war geſchloſſen, und Frau Jenny blieb lauſchend ſtehen, ehe ſie näher trat. Jenö ſchien noch nicht bei dem Vater zu ſein, deun nebenan wurde keine Stimme hörbar, nichts als der monotone Schritt eines ungeduldig Auf- und Abgehenden. Einen Augenblick noch überlegte ſie, dann ging ſie raſch auf die geſchloſſene Tür zu, drückte die Klinke nieder und trat in das Kabinett. Cſallovary blieb ſtehen und betrachtete ſie ſpöttiſch: „Du — zu dieſer Stunde?“ fragte er. „Dieſe Ehre verſchafft mir wohl nur den Wunſch, Deinem Sohn zu ſekundieren, dieſem Liederjahn, der mich noch ins Grab bringen wird!“ „Von wem redeſt Du, von Jenö oder von Marczi!“ „Von Jenö natürlich, der wieder einmal den Beutel voll Schulden hat, wie Du recht gut weißt!“ grollte der Mann. „Jenö ſoll Schulden haben —!“ glitt es wie in maß- loſem Staunen über Frau Jennys Lippen, die an der Rolle der Ueberraſchten unentwegt feſthielt. Davon hatte ich keine Ahnung, und ich kann es mir auch nicht erklären, denn im Vergleich zu den anderen jungen Leuten in ähnlichen Ver- hältniſſen iſt er die Solidität und Anſpruchsloſigkeit ſelbſt!“ „Wenn die anderen jungen Leute noch liederlicher ſind als er, mögen es ja gewaltig nette Früchtchen ſein, zu denen ſich ihre Eltern beglückwünſchen dürfen! Ich bezweifle jedoch, daß man das fertig bringt!“ ſchnaubte Cſallovary ſie an. Frau Jenny hatte ihre Abſicht erreicht, des Gatten Zorn kehrte ſich jetzt in erſter Reihe gegen ſie, die ihn — nicht fürchtete. „Du übertreibſt furchtbar, lieber Pal, wie übrigens immer wenn du erregt biſt!“ erwiederte ſie gleichgiltig. „Selbſtverſtändlich — wenn es ſich um Deinen Liebling handelt, dann übertreibe ich furcht—bar! Wie man ſich an dieſem Schlingel einen Narren freſſen kann, iſt mir einfach unfaßlich, dazu gehört Weiber-Verrücktheit!“ „Pal! — Ich bitte mir aus, daß Du Dich anſtändig ausdrückſt, wenn Dn mit mir ſprichſt! — Hat er wirklich wieder Schulden gemacht, ſo kann es nur daran liegen, daß Du ihn im Verhältnis zu unſerem Vermögen zu knapp hälſt. „Zu knapp? Monatlich 500 Kronen Taſchengeld für ſeine Privatausgaben, das ungerechnet, was Du dem jungen Herrn heimlich zuſteckſt, ſollten zu wenig ſein? Nicht einmal Handſchuhe und Kravatten bezahlt er davon! — Ich habe während meiner Univerſitätszeit 150 Gulden bekommen für alles, habe Wohnung, Verpflegung, alle laufenden Ausgaben davon beſtreiten müſſen und habe doch niemals einen Kreuzer Schulden gehabt. Hätte es mir auch nicht raten mögen, der Vater würde mich auf der Stelle heimgeholt und obendrein noch halb tot geprügelt haben! — Mein Herr Sohn aber, der ſich nun zum Vergnügen und zur Allotria in der Welt glaubt —“ „Red keinen Unſinn, Pal!“ „Du redeſt töricht und, was ſchlimmer iſt Du handelſt töricht, denn Du unterſtützt Jenö in ſeiner Liederlichkeit!“ Ein raſches, kurzes Klopfen an der Tür und herein trat der älteſte Sohn des Hauſes, Frau Jenny verjüngtes und ins Männliche übertragene Ebenbild. Er kam aber nicht als banger oder reuiger Sünder. Ziemliche Blaſiertheit, viel Müdigkeit, noch mehr Selbſtge- fälligkeit und ein unter den obwaltenden Umſtänden verblüffende Unbefangenheit, das war es was Miene und Haltung aus- drückten. „Du haſt mich rufen laſſen, Papa!“ ſagte er, langſam näher kommend. Cſallovary drehte ſich auf dem Abſatz herum und maß Jenö mit Blicken, in denen ſich ſchäumender Zorn ausſprach. „Du haſt mich rufen laſſen, Papa!“ wiederholte er, Jenös gleichgiltigen, ſchleppenden Ton nachahmend, um dann in los- brechender Heftigkeit loszufahren: „Ja, Herr Sohn, ich habe Dich rufen laſſen, damit Du mir Rede ſtehſt und vernimmſt, was ich beſchloſſen habe! — Karl Roſenleib war heute bei mir mit einem geſtern fällig gewordenen Wechſel über 50000 K, den Du nicht eingelöſt haſt!“ Hatte der Advokat erwartet, der Sohn werde unter der Wucht dieſer Mitteilung zuſammenknicken, ſo mußte er eine Enttäuſchung erfahren. Jenös Mienen veränderten ſich nicht, er hob bloß die Schultern und ſagte verächtlich: „Der Schuft! Ich werde dafür ſorgen, daß niemand vom Club of Sportsmen ſich ſeiner mehr bedient!“ „Iſt das alles, was Du Deinem ſchmählich mißbrauchten Vater zu ſagen haſt. Du erbärmlicher Menſch Du? ſchrie Cſallovary, dunkelrot im Geſicht mit überſchnappender Stimme. „Pal, bedenke doch, daß Du mit unſerm Sohne redeſt! Jenö hat ſich, Gott ſei Dank, noch nie einer Erbärmlichkeit ſchuldig gemaat, er iſt eine echte Kavaliersnatur!“ „So werde ich ihm wohl noch ein „von“ kaufen müſſen, damit er etwas an ſeinen Namen zu hängen hat! — Wie kommſt Du dazu, von Karl Roſenleib 50000 Kronen zu borgen? „Weil ich ſie haben mußte, Du ſie mir aber nicht ge- geben hätteſt!“ „Da haſt Du recht!“ „Nun alſo, was bleibt einem dann übrig, als die Roſen- leib, Roſenzweig und ſolche Kerle? „Was bleibt einem dann übrig, als die Roſenleib und ſo weiter — Iſt das die Sprache, die man führt, wenn man als Lausbub von 23 Jahren vor ſeinen Vater hintreten und ihm geſtehen muß, daß man hinter ſeinem Rücken 50000 K verlumpt hat? — Weißt Du, was Dir gehört —?“ „Verlumpt habe ich nichts, Papa — ich hatte bei den April-Rennen Unglück — drei Wetten verloren —“ „Habe ich Dir das Wetten nicht ſtreng unterſagt?“ (Fortſetzung folgt.)

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1723, Czernowitz, 12.10.1909, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer1723_1909/3>, abgerufen am 23.11.2024.