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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1905, Czernowitz, 24.05.1910.

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Redaktion u. Administration:
Ringplatz 4, 2. Stock.




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Telegramme: Allgemeine, Czernowitz


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Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

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Ankündigung
Es kostet im gewöhnlichen Inse-
ratenteil 12 h die 6mal gespaltene
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mehrmaliger Einschaltung, für Re-
klame 40 h die Petitzeile, Inserate
nehmen alle in- und ausländischen
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ministration entgegen. -- Einzel-
exemplare sind in allen Zeitungs-
verschleißen, Trafiken, der k. k. Uni-
versitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Administration (Ring-
platz 4, 2. St.) erhältlich. In Wien
im Zeitungsbureau Goldschmidt,
Wollzeile 11.

Einzelexemplare
10 Heller für Czernowitz.






Nr. 1905 Czernowitz, Dienstag, den 24. Mai 1910.



[Spaltenumbruch]
Uebersicht.

Vom Tage.

In der Türkei bieten sich zahlreiche Freiwillige für
einen Feldzug gegen Griechenland an. Die türkische Flotte ist
aus Konstantinop[e]l ausgelaufen. -- Ja Prag fand heute
ein deutschfortschrittlicher Parteitag statt. -- Die Erledigung
der Lember[g]er Universitätsfrage dürfte durch ein polnisch-
ruthenisches Uebereinkommen ermöglicht werden.

Letzte Telegramme.

König Georg von England dankte in einer Botschaft
dem Volk: für die der königlichen Familie bewiesene Teil-
nahme. -- Heute findet die Beratung der czechischen Agrarier
über ihre Beteiligung an den Ausgleichskonferenzen statt.




Der städtische Doranschlag.


Der Gemeinderat der Landeshauptstadt begegnet der
scharfen Kritik, die an ihm geübt wird, auf die Weise, daß
er diese Kritik in eigener Regie besorgt. Bei der vorgestrigen
Beratung über das Präliminare pro 1910 (nicht etwa 1911)
leitete der Präliminarrefent, Herr Dr. Norst, die Debatte
mit einem Exposee ein, das an Uebersichtlichkeit und Klarheit,
aber auch an Offenheit nichts zu wünschen übrig ließ. Er
fand der Sünden recht viele und gab sie der Oeffentlichkeit
preis. Allerd[i]n[g]s fand er auch manches entschuldigende
Wort und gab, gestützt auf eigene Wahrnehmungen
und auf das Urteil von Fachmännern, zu, daß
die Geldgebahrung in formeller Beziehung eine vollständig
korrekte sei. Die Verwaltungskosten sind exorbitant hohe und
verschlingen einen so beträchtlichen Teil des Budgeis, daß für
alle Investitionen Darlehen aufgenommen werden mußten, die
zusammen über fünfzehn Millionen ausmachen, für welche
dreiviertel Millionen an Zinsen und Amortisation jährlich
zurückgezahlt werden müssen. Der Präliminarreferent und
später die zu Worte gelangten Mitglieder des Kollegiums
gaben einige hübsche Anregungen, welche die straffere Durch-
führung des Budgets und die Verschärfung der Kontrolle
betrafen. Ein Redner empfahl größere Sparsamkeit und gab
der Befürchtung Ausdruck, daß die Sanktionierung der städtischen
[Spaltenumbruch] W[ah]lrefo[r]m auf Grundlage des nationalen Katasters die Stadt
dem Ruin zuführen würde, weil die Verwaltungskosten selbst-
verständlich noch um ein Vielfaches anwachsen würden.

Das sind ja auch durchwegs vernünftige Dinge, die da
vorgebracht wurden, und es ist außer Zweifel gestellt, daß
jeder Redner von den besten Intentionen beseelt war. Der
Zweifel, der noch übrig blieb, bezieht sich auf die Frage, ob
die Kritik und die an sie geknüpften Anregungen jene Erfolge
erzielen werden, die jeder Freund der Stadt herbeiwünscht: Ver-
billigung der Verwaltung und Aufschwung der Stadt. Die Ver-
waltung ist ungewöhnlich teuer und die städtische Umlage sehr hoch,
allein die weitaus wichtigere Frage ist, ob die Stadtverwaltung
der Bevölkerung ein entsprechendes Aequivalent bietet, m. a. W. ob
die Stadtrepräsentanz sich darüber klar geworden ist, daß ihre
Aufgabe nicht allein in der F[e]ststellung der Ausgaben und
in der Einhebung der Steuern bestehen kann. In diesem Belangen
vermißt man in der bisher abgeführten Debatte jegliche An-
deutung. Weist der Wirtschaftsplan der Stadtverwaltung
manche Mängel auf, so besitzt die Stadt als solche über-
haupt keinen Wirtschaftsplan. Auch darüber mußte aus
Anlaß der Generaldebatte über das Budget manches offene
Wort gesprochen werden. Nationale Streitigkeiten und Stellen-
vermehrungen dürfen die Sitzungen nicht ganz ausfüllen.

In dem Sitzungsberichte, den wir nun folgen lassen,
insbesondere in dem Referate des GR. Dr. Norst, finden sich
nicht uninteressante Aufschlüsse über manche Angelegenheit,
die bis in die l[e]tzten Tage den Gegenstand eifriger Dis-
enssion in der O[e]ff[e]ntlichkeit bildete.




(Sitzung vom 21. Mai 1910.)

Vorsitzender: Bürgermeister Baron Fürth.

Schriftführer: Oberoffizial Blaukopf.

Nach Eröffnung der Sitzung und Verifizierung des letzten
Sitzungsprotokolles werden Gemeinderat Trichter und
K.-R. Picker in das Kuratorium des Gewerbemuseums wieder
gewählt.

GR. Skalat bespricht die Notwendigkeit der Errichtung
eines Bades in Rosch und beantragt deshalb, der Stadt-
magistrat wird aufgefordert, dem Gemeinderate binnen sechs
Wochen entsprechende Anträge wegen Errichtung eines all-
gemeinen Volksdampfbades vorzulegen. (Ang.)


[Spaltenumbruch]
Der städtische Voranschlag pro 1910.

Der Prälim[in]a[r]referent GR. Dr. Norst leitet seinen
Bericht mit einer längeren Rede ein, der wir folgendes
entnehmen:

Zum 6. Male trete ich mit dem Voranschlage für das
neue Wirtschaftsjahr vor den Gemeinderat. Diesmal bin ich
auch in der Lage, die Genehmigung der Rechnungs-
abschlüsse
einschließlich 1908 beantragen zu können. Die
Prüfung der Rechnungsabschlüsse hat leider kein erfreuliches
Bild geboten, wenn auch gegen die formelle Korrektheit
derselben nichts einzuwenden ist. Vielfach sind die Präliminar-
posten überschritten worden, die bu[d]getmäßig nicht vorgesehen
waren. So findet sich aus dem Jahre 1907 eine Ueber-
schreitung von 2000 K für Straßenreinigung, für welche die
gemeinderätliche Genehmigung bis heute nicht erteilt wurde.
Aus neuerer Zeit ist die Aufnahme von U[b]ikationen für die
Exekutionsabteilung mit einer jährlichen Auslage von 2400 K
zu erwähnen welche, gleichfalls ohne Ratifikation dasteht.
Schließlich wäre im heurigen Budget eine Mehrausgade
von 9800 K für die Erhöhung der Zahl der Offizianten
und Kanzleihilfsarbeiter. Ja dieser Beziehung werde ich am
Schlusse entsprechende Resolutionen vorlegen.

Auch dem Gemeinderate fallen Budgetwidrigkeiten zur
Last. Einzelne Ausgabrubriken erfahren Verschiebungen bezw.
Virements, was den allgemeinen Vorschriften aus den strikten
Beschlüssen des Gemeinderates widerspricht. Die Folge davon
ist, daß der Geldverkehr bei der Stadtkassa in besonderer
Weise beeinflußt wird. Es kommt vor, daß die verfügbaren
Bestände vollständig erschöpft sind, daß man Rechnungen nicht
bezahlen könne und daß die ganze Wirtschaftsgebahrung
deswegen verschoben wird. Für alle Fälle konnte die M[i]thilfe
der GR. Harth und Tellmann bei der wiederholt vor-
genommenen Prüfung der Rechnungsabschlüsse und Bücher
ergeben, daß überall volle Ordnung und Sachlichkeit vorhanden
ist. Ich beantrage deshalb 1. die Rechnungsabschlüsse und
Ueberschreitungen bis inklusive 1907 zu genehmigen; 2. zu
verfügen, daß der dem Transaktionsfonde im Jahre 1907
überzahlte Betrag von 3600 K dem Stadtfonde rückgezahlt
und 3. die Interkalarien aus dem Fonde "Bildungsanstalten"
dem Lehrerpensionsfonde überwiesen werden.

Ich wende mich nunmehr dem Schuldenstande der
Stadt zu. Mit Ende 1909 betrug die gesamte Gemeinde-
schuld K 15,321.057·89. An dieser Schuld partizipieren die
eigenen Gelder der Stadt mit K 10,518.957 91, die
Assanierungsfonde mit K 4,194.664·61 und der Theatersond
mit K 607.435·37. Für die Tilgung und Verzinsung der
Gemeindeschuld wurden im Jahre 1909: an Tilgung
K 118 988 69, an Zinsen K 670 486·60, zusammen sohin
K 789.475·29 in Ansp[r]uch genommen. Hiezu werden im Jahre




Das Familienkreuz.

48] (Nachdruck verboten.)

Alice mußte das zugeben.

Käthe hatte vom Fenster des Eßzimmers aus ihren
Vater im Garten gehen gesehen. Sie lief ihm schnell nach.

Die gebeugte Haltung seiner sonst so straffen Gestalt fiel
ihr auf.

Der arme Vater!

Wie einsam würde er sich in dem großem Hause ohne
die Mutter fühlen!

Rochlitz sah seine Tochter. Er ging ihr entgegen und zog
ihren Arm durch den seinen.

Sein zuerst sehr kühler Ton Käthe gegenüber war seit
dem Tode der Mutter viel herzlicher geworden. Die Mutter
hatte stets zu vermitteln, seine alte Liebe für die widerspenstige
Tochter auferw[e]cken zu wollen. Das arme Kind verlor mit
der Mutter die eifrigste Fürsprecherin.

Das stimte ihn weich.

"Run, Käthe, wollen wir mal durch den Garten gehen",
sagte Rochlitz freundlich. "Du wirst mich wohl auch bald
wieder verlassen? Hartung entbehrt dich gewiß."

"Seine Mutter ist ja bei ihm!" meinte Käthe. "Wenn
ich dir nützlich sein kann, Vater, bleib ich gern noch bei dir."

"Dein Platz ist j[e]tzt bei deinem Mann, Kind. Ich muß
mich doch aus Alleinsein gewöhnen." Ein tiefer Seufzer hob
seine Brust. "Vorläufig weiß ich noch nicht, wie's werden
soll. An allen Ecke[n], in jedem Winkel fehlt mir die Mutter."

Käthe faßte die Hand des Vaters und drückte sie leiden-
schaftlich an ihre Lippen.

"Vater, hab' mich doch wieder ein bißchen lieb!" bat
sie mit erstickter Stimme. "Ich war damals im Unrecht --
ich seh's jetzt ein, jetzt, wo es zu spät ist."

Rochlitz war so erstaunt über diesen plötzlichen Gefühls-
ausbruch, daß er sich auf die nächste Bank setzte und Käthe
an seine Seite zog.


[Spaltenumbruch]

Er legte den Arm um ihre Schultern und zog den
hübschen braunen Kopf an seine Brust.

"Armes kleines Ding!" sagte er leise. "Hast keine
Mutter mehr -- da muß ich wohl jetzt besonders gut gegen
dich sein!"

Er streichelte und küßte die Tochter, wie wenn sie noch
das kleine, unbändige Kind von einst wäre, das einen ihrer
wilden Streiche berente und gutmachen wollte.

"Vater, hätte ich auf dich gehört!" schluchzte Käthe auf.

Rochlitz blieb eine Weile still, dann versuchte er den
gesenkten Kopf seiner Tochter aufzurichten. "Daß das mal so
kommen würde, hab' ich mir wohl gedacht", sagte er ernst.
"Aber nun hilft's nichts mehr. Und Hartung ist ein guter,
anständiger Mensch -- du hättest es viel schlimmer treffen
können. Er liebt dich sehr."

Käthe sah den Vater groß an mit ihren verweinten
Augen.

"Ja, er liebt mich. Aber er versteht mich nicht -- ich
ihn nicht."

"Du warst doch so für Krankenpflege und all solche
Dinge begeistert! Mit dem Glld deiner Mutter könnt Ihr
v[i]elleicht bald ein Krankenhaus übernehmen. Hartung ist dann
selbständiger -- und dir, du kleine Weltverbesserin, macht
das gewiß doch auch Freude."

"Das ist alles vorbei, Vater. Mir graut seit meiner
eigenen Krankheit vor allen Krankenhäusern, Kliniken, Oberinnen
und Schwestern."

"Das geht gewiß vorüber."

"Ich glaube nicht. Du darfst auch Hartung das Geld
gar nicht auszahlen, Vater."

"Warum denn nicht, Käthe? Deine Schwestern brauchen
kein Kapital. Alles Geld sogleich auszuzahlen, würde mir
auch schwer werden. Aber deinen Anteil allein kann ich geben.
Ich nehme eine Hypothek dafür auf."

"Vater, wenn du mich noch ein bißchen lieb hast, tust
du das nicht."

"Hartung bat mich aber darum."

"Also doch!"


[Spaltenumbruch]

Sie nagte an ihrer Unterlippe.

"Die Schwestern warfen mir das soeben vor. Ich wollte
es nicht glauben. Aber es ist also die Wahrheit! Ich will
nicht wie eine Bettlern vor Euch stehen. Ich nehme nichts.
Hörst du, Vater -- nichts."

"Sei nicht töricht! Es ist dein Recht."

"Ich will kein Recht. Ich will nicht, daß du mich anders
behandelst wie deine anderen Kinder."

"Deine Schwestern haben reiche Männer, und du nicht."

"Sage lieber vornehm denkende."

"Ich verarge Hartung sein Verlangen keinen Augenblick.
Von seinem Standpunkt aus ist sein Wunsch sehr begreiflich."

"Ader ich verdenke es ihm!" brach Käthe leidenschaftlich
los. --

"Er soll nicht immer an Geld und Gelderwerb denken!
Pfui -- sogar con den Armen erpreßt er Honorare! Vater,
ich habe mich in ihm geirrt. Er ist auständig denkend, sagst
du -- gut. Aber austänbig denken und vornehm handeln ist
zweierlei. Ich halte es nicht aus, mit solcher niedrig gesinnter
Natur zu leben."

"Du übertreibst -- und urteilst viel zu scharf."

"Ich stoße mich aber ewig daran. Wund und weh stoße
ich mich!" schrie sie auf.

"Aber Kind, er muß doch Geld verdienen! Du bist eine
kleine überspannte Person."

"Meinetwegen. Ich will lieber überspannt wie geldgierig
sein. Und ich nehme nichts von Mamas Vermögen -- nichts,
und wenn ich hungern sollte."

Rochlitz schüttelte den Kopf.

"Wenn du es nicht nimmst, dann schicke ich Hartung
direkt die Zinsen. Mach dir doch das Leben nicht un-
nütz schwer. Auch in anderen Ehen geht nicht immer alles
ganz glatt."

"Da ich ihn nicht liebe, müßte ich ihn wenigstens achten
können!" warf Käthe finster ein.

(Fortsetzung folgt.)


[Spaltenumbruch]

Redaktion u. Adminiſtration:
Ringplatz 4, 2. Stock.




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Für Deutſchland:
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[Fü]r Rumänie[n] und den Balkan:
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Telegramme: Allgemeine, Czernowitz


[Spaltenumbruch]
Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

[Spaltenumbruch]

Ankündigung
Es koſtet im gewöhnlichen Inſe-
ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene
Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei
mehrmaliger Einſchaltung, für Re-
klame 40 h die Petitzeile, Inſerate
nehmen alle in- und ausländiſchen
Inſeratenbureaux ſowie die Ad-
miniſtration entgegen. — Einzel-
exemplare ſind in allen Zeitungs-
verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni-
verſitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Adminiſtration (Ring-
platz 4, 2. St.) erhältlich. In Wien
im Zeitungsbureau Goldſchmidt,
Wollzeile 11.

Einzelexemplare
10 Heller für Czernowitz.






Nr. 1905 Czernowitz, Dienſtag, den 24. Mai 1910.



[Spaltenumbruch]
Ueberſicht.

Vom Tage.

In der Türkei bieten ſich zahlreiche Freiwillige für
einen Feldzug gegen Griechenland an. Die türkiſche Flotte iſt
aus Konſtantinop[e]l ausgelaufen. — Ja Prag fand heute
ein deutſchfortſchrittlicher Parteitag ſtatt. — Die Erledigung
der Lember[g]er Univerſitätsfrage dürfte durch ein polniſch-
rutheniſches Uebereinkommen ermöglicht werden.

Letzte Telegramme.

König Georg von England dankte in einer Botſchaft
dem Volk: für die der königlichen Familie bewieſene Teil-
nahme. — Heute findet die Beratung der czechiſchen Agrarier
über ihre Beteiligung an den Ausgleichskonferenzen ſtatt.




Der ſtädtiſche Doranſchlag.


Der Gemeinderat der Landeshauptſtadt begegnet der
ſcharfen Kritik, die an ihm geübt wird, auf die Weiſe, daß
er dieſe Kritik in eigener Regie beſorgt. Bei der vorgeſtrigen
Beratung über das Präliminare pro 1910 (nicht etwa 1911)
leitete der Präliminarrefent, Herr Dr. Norſt, die Debatte
mit einem Expoſee ein, das an Ueberſichtlichkeit und Klarheit,
aber auch an Offenheit nichts zu wünſchen übrig ließ. Er
fand der Sünden recht viele und gab ſie der Oeffentlichkeit
preis. Allerd[i]n[g]s fand er auch manches entſchuldigende
Wort und gab, geſtützt auf eigene Wahrnehmungen
und auf das Urteil von Fachmännern, zu, daß
die Geldgebahrung in formeller Beziehung eine vollſtändig
korrekte ſei. Die Verwaltungskoſten ſind exorbitant hohe und
verſchlingen einen ſo beträchtlichen Teil des Budgeis, daß für
alle Inveſtitionen Darlehen aufgenommen werden mußten, die
zuſammen über fünfzehn Millionen ausmachen, für welche
dreiviertel Millionen an Zinſen und Amortiſation jährlich
zurückgezahlt werden müſſen. Der Präliminarreferent und
ſpäter die zu Worte gelangten Mitglieder des Kollegiums
gaben einige hübſche Anregungen, welche die ſtraffere Durch-
führung des Budgets und die Verſchärfung der Kontrolle
betrafen. Ein Redner empfahl größere Sparſamkeit und gab
der Befürchtung Ausdruck, daß die Sanktionierung der ſtädtiſchen
[Spaltenumbruch] W[ah]lrefo[r]m auf Grundlage des nationalen Kataſters die Stadt
dem Ruin zuführen würde, weil die Verwaltungskoſten ſelbſt-
verſtändlich noch um ein Vielfaches anwachſen würden.

Das ſind ja auch durchwegs vernünftige Dinge, die da
vorgebracht wurden, und es iſt außer Zweifel geſtellt, daß
jeder Redner von den beſten Intentionen beſeelt war. Der
Zweifel, der noch übrig blieb, bezieht ſich auf die Frage, ob
die Kritik und die an ſie geknüpften Anregungen jene Erfolge
erzielen werden, die jeder Freund der Stadt herbeiwünſcht: Ver-
billigung der Verwaltung und Aufſchwung der Stadt. Die Ver-
waltung iſt ungewöhnlich teuer und die ſtädtiſche Umlage ſehr hoch,
allein die weitaus wichtigere Frage iſt, ob die Stadtverwaltung
der Bevölkerung ein entſprechendes Aequivalent bietet, m. a. W. ob
die Stadtrepräſentanz ſich darüber klar geworden iſt, daß ihre
Aufgabe nicht allein in der F[e]ſtſtellung der Ausgaben und
in der Einhebung der Steuern beſtehen kann. In dieſem Belangen
vermißt man in der bisher abgeführten Debatte jegliche An-
deutung. Weiſt der Wirtſchaftsplan der Stadtverwaltung
manche Mängel auf, ſo beſitzt die Stadt als ſolche über-
haupt keinen Wirtſchaftsplan. Auch darüber mußte aus
Anlaß der Generaldebatte über das Budget manches offene
Wort geſprochen werden. Nationale Streitigkeiten und Stellen-
vermehrungen dürfen die Sitzungen nicht ganz ausfüllen.

In dem Sitzungsberichte, den wir nun folgen laſſen,
insbeſondere in dem Referate des GR. Dr. Norſt, finden ſich
nicht unintereſſante Aufſchlüſſe über manche Angelegenheit,
die bis in die l[e]tzten Tage den Gegenſtand eifriger Dis-
enſſion in der O[e]ff[e]ntlichkeit bildete.




(Sitzung vom 21. Mai 1910.)

Vorſitzender: Bürgermeiſter Baron Fürth.

Schriftführer: Oberoffizial Blaukopf.

Nach Eröffnung der Sitzung und Verifizierung des letzten
Sitzungsprotokolles werden Gemeinderat Trichter und
K.-R. Picker in das Kuratorium des Gewerbemuſeums wieder
gewählt.

GR. Skalat beſpricht die Notwendigkeit der Errichtung
eines Bades in Roſch und beantragt deshalb, der Stadt-
magiſtrat wird aufgefordert, dem Gemeinderate binnen ſechs
Wochen entſprechende Anträge wegen Errichtung eines all-
gemeinen Volksdampfbades vorzulegen. (Ang.)


[Spaltenumbruch]
Der ſtädtiſche Voranſchlag pro 1910.

Der Prälim[in]a[r]referent GR. Dr. Norſt leitet ſeinen
Bericht mit einer längeren Rede ein, der wir folgendes
entnehmen:

Zum 6. Male trete ich mit dem Voranſchlage für das
neue Wirtſchaftsjahr vor den Gemeinderat. Diesmal bin ich
auch in der Lage, die Genehmigung der Rechnungs-
abſchlüſſe
einſchließlich 1908 beantragen zu können. Die
Prüfung der Rechnungsabſchlüſſe hat leider kein erfreuliches
Bild geboten, wenn auch gegen die formelle Korrektheit
derſelben nichts einzuwenden iſt. Vielfach ſind die Präliminar-
poſten überſchritten worden, die bu[d]getmäßig nicht vorgeſehen
waren. So findet ſich aus dem Jahre 1907 eine Ueber-
ſchreitung von 2000 K für Straßenreinigung, für welche die
gemeinderätliche Genehmigung bis heute nicht erteilt wurde.
Aus neuerer Zeit iſt die Aufnahme von U[b]ikationen für die
Exekutionsabteilung mit einer jährlichen Auslage von 2400 K
zu erwähnen welche, gleichfalls ohne Ratifikation daſteht.
Schließlich wäre im heurigen Budget eine Mehrausgade
von 9800 K für die Erhöhung der Zahl der Offizianten
und Kanzleihilfsarbeiter. Ja dieſer Beziehung werde ich am
Schluſſe entſprechende Reſolutionen vorlegen.

Auch dem Gemeinderate fallen Budgetwidrigkeiten zur
Laſt. Einzelne Ausgabrubriken erfahren Verſchiebungen bezw.
Virements, was den allgemeinen Vorſchriften aus den ſtrikten
Beſchlüſſen des Gemeinderates widerſpricht. Die Folge davon
iſt, daß der Geldverkehr bei der Stadtkaſſa in beſonderer
Weiſe beeinflußt wird. Es kommt vor, daß die verfügbaren
Beſtände vollſtändig erſchöpft ſind, daß man Rechnungen nicht
bezahlen könne und daß die ganze Wirtſchaftsgebahrung
deswegen verſchoben wird. Für alle Fälle konnte die M[i]thilfe
der GR. Harth und Tellmann bei der wiederholt vor-
genommenen Prüfung der Rechnungsabſchlüſſe und Bücher
ergeben, daß überall volle Ordnung und Sachlichkeit vorhanden
iſt. Ich beantrage deshalb 1. die Rechnungsabſchlüſſe und
Ueberſchreitungen bis inkluſive 1907 zu genehmigen; 2. zu
verfügen, daß der dem Transaktionsfonde im Jahre 1907
überzahlte Betrag von 3600 K dem Stadtfonde rückgezahlt
und 3. die Interkalarien aus dem Fonde „Bildungsanſtalten“
dem Lehrerpenſionsfonde überwieſen werden.

Ich wende mich nunmehr dem Schuldenſtande der
Stadt zu. Mit Ende 1909 betrug die geſamte Gemeinde-
ſchuld K 15,321.057·89. An dieſer Schuld partizipieren die
eigenen Gelder der Stadt mit K 10,518.957 91, die
Aſſanierungsfonde mit K 4,194.664·61 und der Theaterſond
mit K 607.435·37. Für die Tilgung und Verzinſung der
Gemeindeſchuld wurden im Jahre 1909: an Tilgung
K 118 988 69, an Zinſen K 670 486·60, zuſammen ſohin
K 789.475·29 in Anſp[r]uch genommen. Hiezu werden im Jahre




Das Familienkreuz.

48] (Nachdruck verboten.)

Alice mußte das zugeben.

Käthe hatte vom Fenſter des Eßzimmers aus ihren
Vater im Garten gehen geſehen. Sie lief ihm ſchnell nach.

Die gebeugte Haltung ſeiner ſonſt ſo ſtraffen Geſtalt fiel
ihr auf.

Der arme Vater!

Wie einſam würde er ſich in dem großem Hauſe ohne
die Mutter fühlen!

Rochlitz ſah ſeine Tochter. Er ging ihr entgegen und zog
ihren Arm durch den ſeinen.

Sein zuerſt ſehr kühler Ton Käthe gegenüber war ſeit
dem Tode der Mutter viel herzlicher geworden. Die Mutter
hatte ſtets zu vermitteln, ſeine alte Liebe für die widerſpenſtige
Tochter auferw[e]cken zu wollen. Das arme Kind verlor mit
der Mutter die eifrigſte Fürſprecherin.

Das ſtimte ihn weich.

„Run, Käthe, wollen wir mal durch den Garten gehen“,
ſagte Rochlitz freundlich. „Du wirſt mich wohl auch bald
wieder verlaſſen? Hartung entbehrt dich gewiß.“

„Seine Mutter iſt ja bei ihm!“ meinte Käthe. „Wenn
ich dir nützlich ſein kann, Vater, bleib ich gern noch bei dir.“

„Dein Platz iſt j[e]tzt bei deinem Mann, Kind. Ich muß
mich doch aus Alleinſein gewöhnen.“ Ein tiefer Seufzer hob
ſeine Bruſt. „Vorläufig weiß ich noch nicht, wie’s werden
ſoll. An allen Ecke[n], in jedem Winkel fehlt mir die Mutter.“

Käthe faßte die Hand des Vaters und drückte ſie leiden-
ſchaftlich an ihre Lippen.

„Vater, hab’ mich doch wieder ein bißchen lieb!“ bat
ſie mit erſtickter Stimme. „Ich war damals im Unrecht —
ich ſeh’s jetzt ein, jetzt, wo es zu ſpät iſt.“

Rochlitz war ſo erſtaunt über dieſen plötzlichen Gefühls-
ausbruch, daß er ſich auf die nächſte Bank ſetzte und Käthe
an ſeine Seite zog.


[Spaltenumbruch]

Er legte den Arm um ihre Schultern und zog den
hübſchen braunen Kopf an ſeine Bruſt.

„Armes kleines Ding!“ ſagte er leiſe. „Haſt keine
Mutter mehr — da muß ich wohl jetzt beſonders gut gegen
dich ſein!“

Er ſtreichelte und küßte die Tochter, wie wenn ſie noch
das kleine, unbändige Kind von einſt wäre, das einen ihrer
wilden Streiche berente und gutmachen wollte.

„Vater, hätte ich auf dich gehört!“ ſchluchzte Käthe auf.

Rochlitz blieb eine Weile ſtill, dann verſuchte er den
geſenkten Kopf ſeiner Tochter aufzurichten. „Daß das mal ſo
kommen würde, hab’ ich mir wohl gedacht“, ſagte er ernſt.
„Aber nun hilft’s nichts mehr. Und Hartung iſt ein guter,
anſtändiger Menſch — du hätteſt es viel ſchlimmer treffen
können. Er liebt dich ſehr.“

Käthe ſah den Vater groß an mit ihren verweinten
Augen.

„Ja, er liebt mich. Aber er verſteht mich nicht — ich
ihn nicht.“

„Du warſt doch ſo für Krankenpflege und all ſolche
Dinge begeiſtert! Mit dem Glld deiner Mutter könnt Ihr
v[i]elleicht bald ein Krankenhaus übernehmen. Hartung iſt dann
ſelbſtändiger — und dir, du kleine Weltverbeſſerin, macht
das gewiß doch auch Freude.“

„Das iſt alles vorbei, Vater. Mir graut ſeit meiner
eigenen Krankheit vor allen Krankenhäuſern, Kliniken, Oberinnen
und Schweſtern.“

„Das geht gewiß vorüber.“

„Ich glaube nicht. Du darfſt auch Hartung das Geld
gar nicht auszahlen, Vater.“

„Warum denn nicht, Käthe? Deine Schweſtern brauchen
kein Kapital. Alles Geld ſogleich auszuzahlen, würde mir
auch ſchwer werden. Aber deinen Anteil allein kann ich geben.
Ich nehme eine Hypothek dafür auf.“

„Vater, wenn du mich noch ein bißchen lieb haſt, tuſt
du das nicht.“

„Hartung bat mich aber darum.“

„Alſo doch!“


[Spaltenumbruch]

Sie nagte an ihrer Unterlippe.

„Die Schweſtern warfen mir das ſoeben vor. Ich wollte
es nicht glauben. Aber es iſt alſo die Wahrheit! Ich will
nicht wie eine Bettlern vor Euch ſtehen. Ich nehme nichts.
Hörſt du, Vater — nichts.“

„Sei nicht töricht! Es iſt dein Recht.“

„Ich will kein Recht. Ich will nicht, daß du mich anders
behandelſt wie deine anderen Kinder.“

„Deine Schweſtern haben reiche Männer, und du nicht.“

„Sage lieber vornehm denkende.“

„Ich verarge Hartung ſein Verlangen keinen Augenblick.
Von ſeinem Standpunkt aus iſt ſein Wunſch ſehr begreiflich.“

„Ader ich verdenke es ihm!“ brach Käthe leidenſchaftlich
los. —

„Er ſoll nicht immer an Geld und Gelderwerb denken!
Pfui — ſogar con den Armen erpreßt er Honorare! Vater,
ich habe mich in ihm geirrt. Er iſt auſtändig denkend, ſagſt
du — gut. Aber auſtänbig denken und vornehm handeln iſt
zweierlei. Ich halte es nicht aus, mit ſolcher niedrig geſinnter
Natur zu leben.“

„Du übertreibſt — und urteilſt viel zu ſcharf.“

„Ich ſtoße mich aber ewig daran. Wund und weh ſtoße
ich mich!“ ſchrie ſie auf.

„Aber Kind, er muß doch Geld verdienen! Du biſt eine
kleine überſpannte Perſon.“

„Meinetwegen. Ich will lieber überſpannt wie geldgierig
ſein. Und ich nehme nichts von Mamas Vermögen — nichts,
und wenn ich hungern ſollte.“

Rochlitz ſchüttelte den Kopf.

„Wenn du es nicht nimmſt, dann ſchicke ich Hartung
direkt die Zinſen. Mach dir doch das Leben nicht un-
nütz ſchwer. Auch in anderen Ehen geht nicht immer alles
ganz glatt.“

„Da ich ihn nicht liebe, müßte ich ihn wenigſtens achten
können!“ warf Käthe finſter ein.

(Fortſetzung folgt.)


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[[1]/0001] Redaktion u. Adminiſtration: Ringplatz 4, 2. Stock. Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz (mit Zuſtellung ins Haus): monatl. K 1·80, vierteljähr. K 5·40. halbj. K 10·80, ganzjähr. K 21·60, (mit täglicher Poſtverſendung) monatl. K 2, vierteljähr. K 6, halbjährl. K 12. ganzjähr. K 24. Für Deutſchland: vierteljährig .... 7 Mark Für Rumänien und den Balkan: vierteljährig .... 10 Lei. Telegramme: Allgemeine, Czernowitz Czernowitzer Allgemeine Zeitung Ankündigung Es koſtet im gewöhnlichen Inſe- ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei mehrmaliger Einſchaltung, für Re- klame 40 h die Petitzeile, Inſerate nehmen alle in- und ausländiſchen Inſeratenbureaux ſowie die Ad- miniſtration entgegen. — Einzel- exemplare ſind in allen Zeitungs- verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni- verſitätsbuchhandlung H. Pardini und in der Adminiſtration (Ring- platz 4, 2. St.) erhältlich. In Wien im Zeitungsbureau Goldſchmidt, Wollzeile 11. Einzelexemplare 10 Heller für Czernowitz. Nr. 1905 Czernowitz, Dienſtag, den 24. Mai 1910. Ueberſicht. Vom Tage. In der Türkei bieten ſich zahlreiche Freiwillige für einen Feldzug gegen Griechenland an. Die türkiſche Flotte iſt aus Konſtantinopel ausgelaufen. — Ja Prag fand heute ein deutſchfortſchrittlicher Parteitag ſtatt. — Die Erledigung der Lemberger Univerſitätsfrage dürfte durch ein polniſch- rutheniſches Uebereinkommen ermöglicht werden. Letzte Telegramme. König Georg von England dankte in einer Botſchaft dem Volk: für die der königlichen Familie bewieſene Teil- nahme. — Heute findet die Beratung der czechiſchen Agrarier über ihre Beteiligung an den Ausgleichskonferenzen ſtatt. Der ſtädtiſche Doranſchlag. Czernowitz, 23. Mai. Der Gemeinderat der Landeshauptſtadt begegnet der ſcharfen Kritik, die an ihm geübt wird, auf die Weiſe, daß er dieſe Kritik in eigener Regie beſorgt. Bei der vorgeſtrigen Beratung über das Präliminare pro 1910 (nicht etwa 1911) leitete der Präliminarrefent, Herr Dr. Norſt, die Debatte mit einem Expoſee ein, das an Ueberſichtlichkeit und Klarheit, aber auch an Offenheit nichts zu wünſchen übrig ließ. Er fand der Sünden recht viele und gab ſie der Oeffentlichkeit preis. Allerdings fand er auch manches entſchuldigende Wort und gab, geſtützt auf eigene Wahrnehmungen und auf das Urteil von Fachmännern, zu, daß die Geldgebahrung in formeller Beziehung eine vollſtändig korrekte ſei. Die Verwaltungskoſten ſind exorbitant hohe und verſchlingen einen ſo beträchtlichen Teil des Budgeis, daß für alle Inveſtitionen Darlehen aufgenommen werden mußten, die zuſammen über fünfzehn Millionen ausmachen, für welche dreiviertel Millionen an Zinſen und Amortiſation jährlich zurückgezahlt werden müſſen. Der Präliminarreferent und ſpäter die zu Worte gelangten Mitglieder des Kollegiums gaben einige hübſche Anregungen, welche die ſtraffere Durch- führung des Budgets und die Verſchärfung der Kontrolle betrafen. Ein Redner empfahl größere Sparſamkeit und gab der Befürchtung Ausdruck, daß die Sanktionierung der ſtädtiſchen Wahlreform auf Grundlage des nationalen Kataſters die Stadt dem Ruin zuführen würde, weil die Verwaltungskoſten ſelbſt- verſtändlich noch um ein Vielfaches anwachſen würden. Das ſind ja auch durchwegs vernünftige Dinge, die da vorgebracht wurden, und es iſt außer Zweifel geſtellt, daß jeder Redner von den beſten Intentionen beſeelt war. Der Zweifel, der noch übrig blieb, bezieht ſich auf die Frage, ob die Kritik und die an ſie geknüpften Anregungen jene Erfolge erzielen werden, die jeder Freund der Stadt herbeiwünſcht: Ver- billigung der Verwaltung und Aufſchwung der Stadt. Die Ver- waltung iſt ungewöhnlich teuer und die ſtädtiſche Umlage ſehr hoch, allein die weitaus wichtigere Frage iſt, ob die Stadtverwaltung der Bevölkerung ein entſprechendes Aequivalent bietet, m. a. W. ob die Stadtrepräſentanz ſich darüber klar geworden iſt, daß ihre Aufgabe nicht allein in der Feſtſtellung der Ausgaben und in der Einhebung der Steuern beſtehen kann. In dieſem Belangen vermißt man in der bisher abgeführten Debatte jegliche An- deutung. Weiſt der Wirtſchaftsplan der Stadtverwaltung manche Mängel auf, ſo beſitzt die Stadt als ſolche über- haupt keinen Wirtſchaftsplan. Auch darüber mußte aus Anlaß der Generaldebatte über das Budget manches offene Wort geſprochen werden. Nationale Streitigkeiten und Stellen- vermehrungen dürfen die Sitzungen nicht ganz ausfüllen. In dem Sitzungsberichte, den wir nun folgen laſſen, insbeſondere in dem Referate des GR. Dr. Norſt, finden ſich nicht unintereſſante Aufſchlüſſe über manche Angelegenheit, die bis in die letzten Tage den Gegenſtand eifriger Dis- enſſion in der Oeffentlichkeit bildete. (Sitzung vom 21. Mai 1910.) Vorſitzender: Bürgermeiſter Baron Fürth. Schriftführer: Oberoffizial Blaukopf. Nach Eröffnung der Sitzung und Verifizierung des letzten Sitzungsprotokolles werden Gemeinderat Trichter und K.-R. Picker in das Kuratorium des Gewerbemuſeums wieder gewählt. GR. Skalat beſpricht die Notwendigkeit der Errichtung eines Bades in Roſch und beantragt deshalb, der Stadt- magiſtrat wird aufgefordert, dem Gemeinderate binnen ſechs Wochen entſprechende Anträge wegen Errichtung eines all- gemeinen Volksdampfbades vorzulegen. (Ang.) Der ſtädtiſche Voranſchlag pro 1910. Der Präliminarreferent GR. Dr. Norſt leitet ſeinen Bericht mit einer längeren Rede ein, der wir folgendes entnehmen: Zum 6. Male trete ich mit dem Voranſchlage für das neue Wirtſchaftsjahr vor den Gemeinderat. Diesmal bin ich auch in der Lage, die Genehmigung der Rechnungs- abſchlüſſe einſchließlich 1908 beantragen zu können. Die Prüfung der Rechnungsabſchlüſſe hat leider kein erfreuliches Bild geboten, wenn auch gegen die formelle Korrektheit derſelben nichts einzuwenden iſt. Vielfach ſind die Präliminar- poſten überſchritten worden, die budgetmäßig nicht vorgeſehen waren. So findet ſich aus dem Jahre 1907 eine Ueber- ſchreitung von 2000 K für Straßenreinigung, für welche die gemeinderätliche Genehmigung bis heute nicht erteilt wurde. Aus neuerer Zeit iſt die Aufnahme von Ubikationen für die Exekutionsabteilung mit einer jährlichen Auslage von 2400 K zu erwähnen welche, gleichfalls ohne Ratifikation daſteht. Schließlich wäre im heurigen Budget eine Mehrausgade von 9800 K für die Erhöhung der Zahl der Offizianten und Kanzleihilfsarbeiter. Ja dieſer Beziehung werde ich am Schluſſe entſprechende Reſolutionen vorlegen. Auch dem Gemeinderate fallen Budgetwidrigkeiten zur Laſt. Einzelne Ausgabrubriken erfahren Verſchiebungen bezw. Virements, was den allgemeinen Vorſchriften aus den ſtrikten Beſchlüſſen des Gemeinderates widerſpricht. Die Folge davon iſt, daß der Geldverkehr bei der Stadtkaſſa in beſonderer Weiſe beeinflußt wird. Es kommt vor, daß die verfügbaren Beſtände vollſtändig erſchöpft ſind, daß man Rechnungen nicht bezahlen könne und daß die ganze Wirtſchaftsgebahrung deswegen verſchoben wird. Für alle Fälle konnte die Mithilfe der GR. Harth und Tellmann bei der wiederholt vor- genommenen Prüfung der Rechnungsabſchlüſſe und Bücher ergeben, daß überall volle Ordnung und Sachlichkeit vorhanden iſt. Ich beantrage deshalb 1. die Rechnungsabſchlüſſe und Ueberſchreitungen bis inkluſive 1907 zu genehmigen; 2. zu verfügen, daß der dem Transaktionsfonde im Jahre 1907 überzahlte Betrag von 3600 K dem Stadtfonde rückgezahlt und 3. die Interkalarien aus dem Fonde „Bildungsanſtalten“ dem Lehrerpenſionsfonde überwieſen werden. Ich wende mich nunmehr dem Schuldenſtande der Stadt zu. Mit Ende 1909 betrug die geſamte Gemeinde- ſchuld K 15,321.057·89. An dieſer Schuld partizipieren die eigenen Gelder der Stadt mit K 10,518.957 91, die Aſſanierungsfonde mit K 4,194.664·61 und der Theaterſond mit K 607.435·37. Für die Tilgung und Verzinſung der Gemeindeſchuld wurden im Jahre 1909: an Tilgung K 118 988 69, an Zinſen K 670 486·60, zuſammen ſohin K 789.475·29 in Anſpruch genommen. Hiezu werden im Jahre Das Familienkreuz. Roman von M. Gräſin v. Bünau. 48] (Nachdruck verboten.) Alice mußte das zugeben. Käthe hatte vom Fenſter des Eßzimmers aus ihren Vater im Garten gehen geſehen. Sie lief ihm ſchnell nach. Die gebeugte Haltung ſeiner ſonſt ſo ſtraffen Geſtalt fiel ihr auf. Der arme Vater! Wie einſam würde er ſich in dem großem Hauſe ohne die Mutter fühlen! Rochlitz ſah ſeine Tochter. Er ging ihr entgegen und zog ihren Arm durch den ſeinen. Sein zuerſt ſehr kühler Ton Käthe gegenüber war ſeit dem Tode der Mutter viel herzlicher geworden. Die Mutter hatte ſtets zu vermitteln, ſeine alte Liebe für die widerſpenſtige Tochter auferwecken zu wollen. Das arme Kind verlor mit der Mutter die eifrigſte Fürſprecherin. Das ſtimte ihn weich. „Run, Käthe, wollen wir mal durch den Garten gehen“, ſagte Rochlitz freundlich. „Du wirſt mich wohl auch bald wieder verlaſſen? Hartung entbehrt dich gewiß.“ „Seine Mutter iſt ja bei ihm!“ meinte Käthe. „Wenn ich dir nützlich ſein kann, Vater, bleib ich gern noch bei dir.“ „Dein Platz iſt jetzt bei deinem Mann, Kind. Ich muß mich doch aus Alleinſein gewöhnen.“ Ein tiefer Seufzer hob ſeine Bruſt. „Vorläufig weiß ich noch nicht, wie’s werden ſoll. An allen Ecken, in jedem Winkel fehlt mir die Mutter.“ Käthe faßte die Hand des Vaters und drückte ſie leiden- ſchaftlich an ihre Lippen. „Vater, hab’ mich doch wieder ein bißchen lieb!“ bat ſie mit erſtickter Stimme. „Ich war damals im Unrecht — ich ſeh’s jetzt ein, jetzt, wo es zu ſpät iſt.“ Rochlitz war ſo erſtaunt über dieſen plötzlichen Gefühls- ausbruch, daß er ſich auf die nächſte Bank ſetzte und Käthe an ſeine Seite zog. Er legte den Arm um ihre Schultern und zog den hübſchen braunen Kopf an ſeine Bruſt. „Armes kleines Ding!“ ſagte er leiſe. „Haſt keine Mutter mehr — da muß ich wohl jetzt beſonders gut gegen dich ſein!“ Er ſtreichelte und küßte die Tochter, wie wenn ſie noch das kleine, unbändige Kind von einſt wäre, das einen ihrer wilden Streiche berente und gutmachen wollte. „Vater, hätte ich auf dich gehört!“ ſchluchzte Käthe auf. Rochlitz blieb eine Weile ſtill, dann verſuchte er den geſenkten Kopf ſeiner Tochter aufzurichten. „Daß das mal ſo kommen würde, hab’ ich mir wohl gedacht“, ſagte er ernſt. „Aber nun hilft’s nichts mehr. Und Hartung iſt ein guter, anſtändiger Menſch — du hätteſt es viel ſchlimmer treffen können. Er liebt dich ſehr.“ Käthe ſah den Vater groß an mit ihren verweinten Augen. „Ja, er liebt mich. Aber er verſteht mich nicht — ich ihn nicht.“ „Du warſt doch ſo für Krankenpflege und all ſolche Dinge begeiſtert! Mit dem Glld deiner Mutter könnt Ihr vielleicht bald ein Krankenhaus übernehmen. Hartung iſt dann ſelbſtändiger — und dir, du kleine Weltverbeſſerin, macht das gewiß doch auch Freude.“ „Das iſt alles vorbei, Vater. Mir graut ſeit meiner eigenen Krankheit vor allen Krankenhäuſern, Kliniken, Oberinnen und Schweſtern.“ „Das geht gewiß vorüber.“ „Ich glaube nicht. Du darfſt auch Hartung das Geld gar nicht auszahlen, Vater.“ „Warum denn nicht, Käthe? Deine Schweſtern brauchen kein Kapital. Alles Geld ſogleich auszuzahlen, würde mir auch ſchwer werden. Aber deinen Anteil allein kann ich geben. Ich nehme eine Hypothek dafür auf.“ „Vater, wenn du mich noch ein bißchen lieb haſt, tuſt du das nicht.“ „Hartung bat mich aber darum.“ „Alſo doch!“ Sie nagte an ihrer Unterlippe. „Die Schweſtern warfen mir das ſoeben vor. Ich wollte es nicht glauben. Aber es iſt alſo die Wahrheit! Ich will nicht wie eine Bettlern vor Euch ſtehen. Ich nehme nichts. Hörſt du, Vater — nichts.“ „Sei nicht töricht! Es iſt dein Recht.“ „Ich will kein Recht. Ich will nicht, daß du mich anders behandelſt wie deine anderen Kinder.“ „Deine Schweſtern haben reiche Männer, und du nicht.“ „Sage lieber vornehm denkende.“ „Ich verarge Hartung ſein Verlangen keinen Augenblick. Von ſeinem Standpunkt aus iſt ſein Wunſch ſehr begreiflich.“ „Ader ich verdenke es ihm!“ brach Käthe leidenſchaftlich los. — „Er ſoll nicht immer an Geld und Gelderwerb denken! Pfui — ſogar con den Armen erpreßt er Honorare! Vater, ich habe mich in ihm geirrt. Er iſt auſtändig denkend, ſagſt du — gut. Aber auſtänbig denken und vornehm handeln iſt zweierlei. Ich halte es nicht aus, mit ſolcher niedrig geſinnter Natur zu leben.“ „Du übertreibſt — und urteilſt viel zu ſcharf.“ „Ich ſtoße mich aber ewig daran. Wund und weh ſtoße ich mich!“ ſchrie ſie auf. „Aber Kind, er muß doch Geld verdienen! Du biſt eine kleine überſpannte Perſon.“ „Meinetwegen. Ich will lieber überſpannt wie geldgierig ſein. Und ich nehme nichts von Mamas Vermögen — nichts, und wenn ich hungern ſollte.“ Rochlitz ſchüttelte den Kopf. „Wenn du es nicht nimmſt, dann ſchicke ich Hartung direkt die Zinſen. Mach dir doch das Leben nicht un- nütz ſchwer. Auch in anderen Ehen geht nicht immer alles ganz glatt.“ „Da ich ihn nicht liebe, müßte ich ihn wenigſtens achten können!“ warf Käthe finſter ein. (Fortſetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1905, Czernowitz, 24.05.1910, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer1905_1910/1>, abgerufen am 21.11.2024.