Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2216, Czernowitz, 07.06.1911.[Spaltenumbruch]
Redaktion und Administration: Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz Für Deutschland: für Rumänien und den Balkan: Telegramme Allgemeine, Czernowitz. [Spaltenumbruch] Czernowitzer Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] Ankündigungen: Einzelexemplare Nr. 2216. Czernowitz, Mittwoch, den 7. Juni 1911. [Spaltenumbruch] Uebersicht. Vom Tage. Der Sultan hat seine Reise nach Mazedonien und Bunte Chronik. Die österreichischen Behörden haben an der Grenze Letzte Telegramme. Der Kaiser hat sich zur Erholung nach Lainz be- Die Verwaltungsreform. Wien, 2. Juni. Durch ein kaiserliches Kabinettsschreiben wurde die- Die Kommission, die jetzt durch einen Entschluß des Aber selbst, wenn man sich der Hoffnung hingeben In welcher Richtung man sich dabei bewegen müßte, Der Aufbau des staatlichen Verwaltungsorganismus [Spaltenumbruch] Die Goldmühle. 16] (Nachdruck verboten.) Der Bach war noch angeschwollen, aber er ließ sein Bün- Elftes Kapitel. Das Häuschen der Jungfer Rosamunde Lautenschlä- Vor dem Häuschen stand ein großer Sauerkirschbaum (Fortsetzung folgt). [Spaltenumbruch]
Redaktion und Adminiſtration: Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz Für Deutſchland: für Rumänien und den Balkan: Telegramme Allgemeine, Czernowitz. [Spaltenumbruch] Czernowitzer Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] Ankündigungen: Einzelexemplare Nr. 2216. Czernowitz, Mittwoch, den 7. Juni 1911. [Spaltenumbruch] Ueberſicht. Vom Tage. Der Sultan hat ſeine Reiſe nach Mazedonien und Bunte Chronik. Die öſterreichiſchen Behörden haben an der Grenze Letzte Telegramme. Der Kaiſer hat ſich zur Erholung nach Lainz be- Die Verwaltungsreform. Wien, 2. Juni. Durch ein kaiſerliches Kabinettsſchreiben wurde die- Die Kommiſſion, die jetzt durch einen Entſchluß des Aber ſelbſt, wenn man ſich der Hoffnung hingeben In welcher Richtung man ſich dabei bewegen müßte, Der Aufbau des ſtaatlichen Verwaltungsorganismus [Spaltenumbruch] Die Goldmühle. 16] (Nachdruck verboten.) Der Bach war noch angeſchwollen, aber er ließ ſein Bün- Elftes Kapitel. Das Häuschen der Jungfer Roſamunde Lautenſchlä- Vor dem Häuschen ſtand ein großer Sauerkirſchbaum (Fortſetzung folgt). <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <cb/> <div type="jEditorialStaff"> <p>Redaktion und Adminiſtration:<lb/> Ringplatz 4, 2. Stock.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p> <hi rendition="#b">Telephon-Nummer 161.</hi> </p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jExpedition"> <head> <hi rendition="#g">Abonnementsbedingungen:</hi> </head><lb/> <p>Für Czernowitz<lb/> (mit Zuſtellung ins Haus):<lb/> monatl. K 1·80, vierteljähr. K 5·40<lb/> halbj. K 10·80, ganzjähr. K 21·60,<lb/> (mit täglicher Poſtverſendung):<lb/> monatlich K 2, vierteljähr. K 6,<lb/> halbjähr. K 12, ganzjähr. K 24.</p><lb/> <p>Für Deutſchland:<lb/> vierteljährig ... 7 Mark.</p><lb/> <p>für Rumänien und den Balkan:<lb/> vierteljährig .... 10 Lei.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p> <hi rendition="#b">Telegramme Allgemeine, Czernowitz.</hi> </p> </div><lb/> <cb/> <titlePage xml:id="title1" type="heading" next="#title2"> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Czernowitzer<lb/> Allgemeine Zeitung</hi> </titlePart> </titlePage><lb/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p><hi rendition="#b">Ankündigungen:</hi><lb/> Es koſtet im gewöhnlichen Inſe-<lb/> ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene<lb/> Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei<lb/> mehrmaliger Einſchaltung, für Re-<lb/> klame 40 h die Petitzeile. Inſerate<lb/> nehmen alle in- und ausländiſchen<lb/> Inſeratenbureaux ſowie die Ad-<lb/> miniſtration entgegen — Einzel-<lb/> exemplare ſind in allen Zeitungs-<lb/> verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni-<lb/> verſitätsbuchhandlung H. Pardini<lb/> und in der Adminiſtration (Ring-<lb/> platz 4, 2. St.) erhältlich. In Wien<lb/> im Zeitungsbureau Goldſchmidt,<lb/> Wollzeil<supplied>e</supplied> 11.</p><lb/> <p> <hi rendition="#b">Einzelexemplare<lb/> 10 Heller für Czernowitz.</hi> </p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <titlePage xml:id="title2" prev="#title1" type="heading"> <docImprint> <docDate> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Nr. 2216. Czernowitz, Mittwoch, den 7. 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Wird es den anerkannten Kapazitäten ge-<lb/> lingen, etwas Brauchbares und Ganzes zu ſchaffen? Ueber<lb/> die Schwierigkeiten des Werkes gibt man ſich keiner Täu-<lb/> ſchung hin; die Lebensdauer der Kommiſſion wurde auch<lb/> gleich von vornherein mit drei Jahren feſtgeſetzt. Sollte<lb/> ſich aber die Notwendigkeit ergeben, die Arbeitszeit zu<lb/> verlängern, dann kann dies durch eine neue kaiſerliche<lb/> Entſchließung geſchehen. An einem kräftigen Anſporn zur<lb/> zielbewußten Ueberwindung der Hinderniſſe fehlt es für<lb/> die ernſten Fachmänner gewiß nicht. Erſtens leidet die<lb/> öſterreichiſche Verwaltung heute noch darunter, daß ſie der<lb/> Bevölkerung zu ſehr entrückt iſt und in Traditionen fort-<lb/> wirkt, die in der Zeit, in der der Staat vor allem Polizei-<lb/> ſtaat war, begründet wurden. Zweitens zeigt ſich in der<lb/> kraſſeſten Weiſe das Unvermögen der öſterreichiſchen Ver-<lb/> waltung, große Wirtſchaftsbetriebe zu leiten, und das<lb/> Budget krankt ſehr, weil beträchtliche Summen vergeudet<lb/> werden. So haben alle Tarifreformen bei den Staats-<lb/> bahnen nicht dahin geführt, das große Defizit dieſer Unter-<lb/> nehmung zu beſeitigen, denn der Aufwand für das Perſo-<lb/> nal ſtieg mit unheimlicher Schnelligkeit.</p><lb/> <p>Aber ſelbſt, wenn man ſich der Hoffnung hingeben<lb/> will, daß die neue Kommiſſion mehr als einen intereſſan-<lb/> ten Bericht hervorbringen werde, tut man ſehr gut, be-<lb/> ſcheiden zu bleiben. Dr. v. Körber hat dargelegt, daß für<lb/> die ihm vorſchwebende Reform nicht weniger als 11 Reichs-<lb/> geſetze und je 7 Geſetze in den einzelnen Ländern notwen-<lb/> dig ſein werden. Man ſtelle ſich nun vor, welche enorme<lb/> Arbeit dadurch ſelbſt dann entſtünde, wenn das Zuſtande-<lb/> bringen dieſer Maßnahmen nicht durch unzählige Schwie-<lb/> rigkeiten gehemmt wäre, die einerſeits in der Rivalität<lb/> zwiſchen den autonomen Ländern und Gemeinden mit<lb/> dem Staate und in den alles behindernden nationalen<lb/> Streitigkeiten ihren Urſprung haben. Deshalb gibt es<lb/> ſehr viele angeſehene Fachmänner, die die Meinung ver-<lb/> treten, daß eine vollſtändige Ueberwindung der Uebel-<lb/> ſtände erſt dann möglich ſein würde, wenn die nationalen<lb/> Gegenſätze durch eine befriedigende Ordnung aller natio-<lb/> nalen Angelegenheiten aus der Welt geſchafft wären. Doch<lb/> wie weit ſind wir noch von der idealen Zeit entfernt, in<lb/> der die Deutſchen und Czechen, die Polen und Ruthenen,<lb/> die Slowenen und Italiener einander brüderlich umarmen<lb/> werden! Aus dieſem Grunde wird man zufrieden ſein<lb/> müſſen, wenn vorläufig wenigſtens einige Verbeſſerungen<lb/> herbeigeführt werden können.</p><lb/> <p>In welcher Richtung man ſich dabei bewegen müßte,<lb/><cb/> hat eben jetzt der Univerſitätsprofeſſor Regierungsrat<lb/> Dr. Karl Brockhauſen in einem Büchlein gezeigt, das<lb/> unter dem Titel „Oeſterreichiſche Verwaltungsreformen“<lb/> nicht nur eine herbe, aber gerechte Kritik der Mängel,<lb/> ſondern auch praktiſche Vorſchläge bringt. Schon das Motto<lb/> iſt beachtenswert: „Das Staatsrecht zerreißt Oeſterreich,<lb/> die Verwaltung hält es zuſammen.“ Damit iſt bereits<lb/> das Ziel für jede zweckmäßige Neueinrichtung der Admini-<lb/> ſtrative angedeutet. Die Verwaltung hat die Aufgabe, die<lb/> Glieder, die den Staat bilden, feſt aneinander zu ſchließen,<lb/> ſie muß jedoch andererſeits genug Elaſtizität beſitzen, um<lb/> ſich den Verſchiedenheiten und Eigenarten anzupaſſen.<lb/> Eine weſentliche Störung wird durch das Nebeneinander-<lb/> laufen und Sichdurchkreuzen der ſtaatlichen Adminiſtra-<lb/> tive und der Selbſtverwaltung der Länder und Gemeinden<lb/> herbeigeführt. Dabei ruht die Verwaltung des Staates<lb/> und die der Länder auf ganz verſchiedenen Grundlagen.<lb/> Das Reich, das über große Einnahmen verfügt, hat den<lb/> Provinzen den größten Teil der Sorgen für das allge-<lb/> meine Wohl überlaſſen, ohne ihnen die Mittel einzuräu-<lb/> men, um ihren Verpflichtungen nachkommen zu können.<lb/> Dadurch entſtand auch die chroniſche Geldnot der Länder<lb/> und ein unbedachtes finanzielles Wirtſchaften, ein „Wirt-<lb/> ſchaften auf Regimentsunkoſten“.</p><lb/> <p>Der Aufbau des ſtaatlichen Verwaltungsorganismus<lb/> weiſt empfindliche Fehler auf. Die Baſis bilden die ſog.<lb/> Bezirkshauptmannſchaften, die viel zu groß geraten ſind,<lb/> um mit der Bevölkerung einen lebendigen Kontakt unter-<lb/> halten zu können, und die ihre ganze Tätigkeit der Erle-<lb/> digung der Akten widmen müſſen. Im alten Polizeiſtaate<lb/> genügte dieſes paſſive Verhalten, dieſe Gepflogenheit, die<lb/> Geſchäfte an ſich herankommen zu laſſen. Im modernen<lb/> Staate aber fordert man von der Behörde viel Initiative<lb/> und mehr geiſtige, individualiſierte, als ſchablonenhafte<lb/> Arbeit. Wie der Unterbau, iſt auch der Oberbau verpfuſcht.<lb/> Oeſterreich beſteht aus 17 Kronländern, die allerdings zu<lb/> 14 Verwaltungseinheiten zuſammengelegt ſind. Dabei hat<lb/> jedoch die Rückſicht auf die praktiſchen Bedürfniſſe keine<lb/> Rolle geſpielt. Der eine Landeschef iſt verhältnismäßig<lb/> ungleich mehr belaſtet als der andere, keiner aber iſt bei<lb/> der gegenwärtigen Amtsorganiſation wirklich imſtande,<lb/> jene Verantwortung zu tragen, die er der Regierung ge-<lb/> genüber auf ſich nehmen muß. Er hat täglich Hunderte<lb/> von Akten zu unterſchreiben, ohne daß er die Zeit finden<lb/> würde ſich um ihren Inhalt zu kümmern. Zieht man nun<lb/> in Betracht, daß die Behörden der verſchiedenen Inſtanzen<lb/> in Oeſterreich gezwungen ſind, immer wieder dasſelbe zu<lb/> tun; daß ein Akt, der bei der Bezirkshauptmannſchaft ge-<lb/> arbeitet wurde, meiſtens bei der Statthalterei und dann</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Die Goldmühle.</hi> </hi> </head><lb/> <byline>Roman von <hi rendition="#b">Margarete Gehring.</hi> </byline><lb/> <p> <hi rendition="#b">16] <hi rendition="#et">(Nachdruck verboten.)</hi> </hi> </p><lb/> <p>Der Bach war noch angeſchwollen, aber er ließ ſein Bün-<lb/> del am Ufer liegen, und da, wo er in hohen Ufern ſchmal<lb/> und tief dahinſchießt, faßte er ſich ein Herz und ſprang<lb/> hinüber. Wohl löſte ſich der aufgeweichte Uferrand unter<lb/> der Laſt ſeines Anſprungs, ſo daß er hinabglitt und bis an<lb/> die Knie ins Waſſer geriet, aber er erreichte das Ufer und<lb/> ſtieg auf dem glitſcherigen Felsgeſtein des Hanges durch’s<lb/> blühende Günſtergeſtrüpp, das den Händen Halt bot, friſch<lb/> empor zur kahlen Felſenſpitze, die faſt ſenkrecht hinabfällt<lb/> zum Tale,, ſo daß man die Tannenwipfel tief zu Füßen<lb/> ſich wiegen ſieht, mit aufrechtſtehenden Zapfen beſät. Un-<lb/> verwandt blickte er hinüber zum Berghang, bis Eva über<lb/> den Tannen ſichbar wurde, mühſam den ſteilen Pfad em-<lb/> porklimmend. Er verfolgte ſie mit den Blicken, bis ſie im<lb/> Häuschen der Muhme verſchwunden war. Er ſah, wie ſie<lb/> eine ganze Weile zögerte, ehe ſie eintrat; endlich aber<lb/> öffnete ſie die Tür und ging hinein. Schweren Herzens<lb/> ſtieg er wieder hinab und wanderte talabwärts dem<lb/> Dorfe zu.</p><lb/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Elftes Kapitel.</hi> </hi> </p><lb/> <p>Das Häuschen der Jungfer Roſamunde Lautenſchlä-<lb/> ger, der Muhme Evas, bei der ſie Unterkunft ſuchte und<lb/> fand, lag in der Mitte zwiſchen dem Dorfe und der Mühle<lb/> oben am Berge, ganz einſam und ohne jeder Nachbar-<lb/> ſchaft. Niemand weiß, wie man auf den ſonderbaren Ge-<lb/> danken hat kommen können, oben in dieſer menſchenfer-<lb/> nen Bergeinſamkeit ein Haus hinzubauen. Durch eine<lb/> waldige Schlucht, in der ein klares Bächlein, der Abfluß<lb/> der neben dem Hauſe aus dem Boden ſpringenden Berg-<lb/> quelle, zwiſchen Moos und Farn über das dunkle Fels-<lb/> geſtein hinabhüpfte zum Tale, konnte man die Kirche und<lb/> die erſten Häuſer von Güldenthal erblicken, und auch das<lb/> Mühlenanweſen ſah man rechts unten im Grünen liegen.<lb/> Vernehmlich drang in ſtillen Nächten das Rauſchen des<lb/><cb/> waſſerreichen Goldbachs herauf und miſchte ſich in das<lb/> Toſen des fernen Mühlwehres. Im Winter gaben ſich<lb/> Fuchs und Haſe und Edelmarder dort oben oft ein nächt-<lb/> liches Stelldichein am Gartenzaune oder hinter dem Säll-<lb/> chen. Früh ſah man dann die Spuren im Schnee, mit-<lb/> unter auch rote, wenn das Treffen blutig verlaufen war.<lb/> Oberhalb dehnte ſich eine viele Morgen große Heidefläche,<lb/> in deren zartem Blütengezweig im Sommer die Bienen<lb/> ſchwärmten, ſo daß die ganze Luft von ihrem Summen er-<lb/> füllt war. Am Berghange unten ragten zwiſchen den dun-<lb/> keln, verwitterten und mit vielfarbigen Mooſen und Flech-<lb/> ten ſtellenweiſe dicht überzogene Felsklötzen, die überall<lb/> aus der Bergwand zutage traten, die alten grauſtämmi-<lb/> gen Edeltannen, majeſtätiſch rauſchend, wenn der Wind<lb/> vom Mühlberge herab oder von der felſigen Reiſerswand<lb/> herüberkam und durch die dunkelgrünen Wipfel fuhr. Ge-<lb/> genüber der waldige Hang mit den überall aus dem<lb/> Tannengrün hervortretenden grauen Felsſchroffen und<lb/> mit den grünbunten Feldſtreifen auf der Höhe — o es<lb/> war ganz ſchön da oben, wenigſtens ſommersüber. Frei-<lb/> lich im Winter war es oft recht einſam und unheimlich,<lb/> da heulte der Sturm um das Häuschen, deſſen Bewohnerin<lb/> oft tagelang von allem Verkehr mit der Mitwelt abgeſchloſ-<lb/> ſen war, wollte ſie nicht knietief im Schnee waten. Da<lb/> leuchtete dann das Licht der Muhme oft wie ein Stern<lb/> aus der Höhe herab ins Tal, wenn die Nacht ſo dunkel<lb/> war, daß die Umriſſe des Berges ſich nicht mehr vom<lb/> Himmel abhoben. Nur ein ſchmaler Pfad führte zum<lb/> Häuschen empor, das wie viele geringere Häuſer der Ge-<lb/> gend, noch mit Schindeln gedeckt war und nur eine einzige<lb/> große Wohnſtube mit einen umfangreichen Kachelofen<lb/> und zwei niedrigen Schiebfenſtern, daneben eine Kammer<lb/> und eine dunkle Küche und auf dem Boden direkt unter<lb/> dem Dache ein Bodenkämmerchen enthielt. Die untere<lb/> Kammer beſaß nur ein Fenſterloch dicht unter der Decke<lb/> das im Winter nicht ſelten zuſchneite, ſodaß es Tag und<lb/> Nacht völlig finſter in der Kammer war. Der kleine Ziegen-<lb/> und Hühnerſtall war gleich mit ins Haus eingebaut, und<lb/> man brauchte nur von der Wohnſtube zwei Schritte über<lb/> den ſchmalen, mit rohen Schieferplatten belegten Haus-<lb/><cb/> flur zu tun, um in den warmen Stall zu gelangen, in dem<lb/> die Liſe mit den langen Rehohren und den wunderlichen<lb/> Klunker am Halſe ſich wintersüber das würzige Bergheu<lb/> und Waldgras ſchmecken ließ. In den Sommermonaten<lb/> weidete ſie im Freien, zuſammen mit den weißen Kanin-<lb/> chen, die den ganzen Sommer und Herbſt hindurch ums<lb/> Haus herum im Grünen hüpften und ſchnupperten, und<lb/> den bunten Hühnern, die hier oben einen weiten, vortreff-<lb/> lichen Auslauf hatten und fleißig legten. Freilich fiel man-<lb/> ches von ihnen dem Fuchſe zur Beute. Die Liſe im Stalle<lb/> hatte es auch ſonſt gut; es fehlte ihr nicht ein trockener,<lb/> warmer Lagerſtreu, ſo daß die Muhme oft meinte:<lb/> „Wenn’s nur mancher Menſch ſo gut hätte!“</p><lb/> <p>Vor dem Häuschen ſtand ein großer Sauerkirſchbaum<lb/> und hinter dem Stalle ein alter, reichtragender Süßapfel-<lb/> baum, deſſen Früchte den ganzen Winter durch herhalten<lb/> mußten. Da roch es ums Häuschen her oft gar lieblich nach<lb/> friſchen Bratäpfeln und duftenden Pfannkuchen, die von<lb/> der Muhme „Röhrentötſcher“ genannt wurden. Auch ein<lb/> Garten war ſeitwärts am Hauſe, dem die Muhme die<lb/> größte Sorgfalt zuwandte, da er ihr nicht nur das nötige<lb/> Küchengemüſe, ſondern auch die vielen Schnittblumen<lb/> liefern mußte, deren ſie zu ihrer einträglichen Kranzbinderei<lb/> bei Hochzeiten und Begräbniſſen bedurfte, große Pfund-<lb/> roſen, Eiſenhut, Schwertlilien, „Herzchen“, Mutterviolen,<lb/> Jungfernblatt mit ſtarkduftenden Samtblättern, Salbei<lb/> und andere wohlriechende Kräuter, Zentifolien und weiße<lb/> Roſen, vor allem einen reichen Flor von allerlei Sommer-<lb/> blumen und ein großes Beet voll weißer und bunter Stroh-<lb/> blumen. Der größte Stolz der Muhme aber waren der<lb/> große alte Buchsbaum am Eingange, mit beinſtarkem<lb/> Stamme, und der große, vielverzweigte Rosmarinſtrauch<lb/> am Giebel, der mancher Brautjungfer und Taufpatin im<lb/> Dorfe ſeine wohlriechende Zweige ſpenden mußte für den<lb/> Kirchgang. Auf der anderen Seite ſtieß an das Häuschen<lb/> eine Wieſe und ein Stück Feld, auf dem die Muhme ihre<lb/> Kartoffeln und etwas Körner und Rüben baute.</p><lb/> <p> <ref> <hi rendition="#c">(Fortſetzung folgt).</hi> </ref> </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
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monatlich K 2, vierteljähr. K 6,
halbjähr. K 12, ganzjähr. K 24.
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Telegramme Allgemeine, Czernowitz.
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klame 40 h die Petitzeile. Inſerate
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und in der Adminiſtration (Ring-
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Wollzeile 11.
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10 Heller für Czernowitz.
Nr. 2216. Czernowitz, Mittwoch, den 7. Juni 1911.
Ueberſicht.
Vom Tage.
Der Sultan hat ſeine Reiſe nach Mazedonien und
Albanien angetreten. — An der griechiſch-türkiſchen
Grenze kam es zu bewaffneten Zwiſchenfällen. — Die
Reiſe des Königs von Serbien nach Paris wurde bis zum
Herbſt aufgeſchoben.
Bunte Chronik.
Die öſterreichiſchen Behörden haben an der Grenze
ſanitäre Vorſichtsmaßregeln gegen Provenienzen aus
Venedig angeordnet.
Letzte Telegramme.
Der Kaiſer hat ſich zur Erholung nach Lainz be-
geben. — Im Oberſthofmarſchallamte erfolgte heute die
Eröffnung des Teſtamentes Johann Orths.
Die Verwaltungsreform.
Wien, 2. Juni.
Durch ein kaiſerliches Kabinettsſchreiben wurde die-
ſer Tage eine Kommiſſion eingeſetzt, die ſich mit der Re-
form der Verwaltung beſchäftigen ſoll. In den letzten
Jahren gehörte es faſt zum guten politiſchen Ton, daß die
Regierungen ihre löbliche Abſicht bekundeten an die Neu-
ordnung der ſehr verwickelten, adminiſtrativen Verhält-
niſſe heranzutreten. Dr. v. Körber hat ſeine geradezu be-
rühmte „Studie“ über dieſe Frage veröffentlicht und in
ihr den Weg vorgezeichnet, der zu einem faſt idealen Zu-
ſtande führen würde. Leider haben ſich nicht die ſtaats-
männiſchen Techniker gefunden, die den Mut beſäßen und
die Kraft ihr eigen genannt hätten, das ſchöne Projekt zu
verwirklichen. Beſcheidener als ſein reformfreudiger Vor-
gänger war Freiherr v. Beck, der am 25. Juli 1906 ein
viel bemerktes Rundſchreiben erließ, das bloß eine kleine
Reform der Verwaltung — eine Verbeſſerung ohne grund-
ſätzliche Aenderungen — anbahnen wollte. Nun trat als
Dritter im Bunde der gegenwärtige Miniſterpräſident
auf den Plan.
Die Kommiſſion, die jetzt durch einen Entſchluß des
Kaiſers ins Leben gerufen wurde, weiſt die beſten Namen
auf, die Oeſterreich auf dem Gebiete der Verwaltungs-
praxis und des Verwaltungsrechtes ins Treffen führen
kann. An die Spitze der Kommiſſion wurde der ehemalige
Statthalter von Tirol, Baron Schwartzenau geſtellt; in die
Körperſchaft ſelbſt wurden Männer, wie der verdienſtvolle
Kenner der engliſchen Verfaſſung und Politik Dr. Joſef
Redlich, der geiſtreiche Wiener Univerſitätsprofeſſor Brock-
hauſen, der bekannte Nationalökonom Profeſſor v. Philip-
povich und der hervorragende Statiſtiker Profeſſor Rauch-
berg berufen. Wird es den anerkannten Kapazitäten ge-
lingen, etwas Brauchbares und Ganzes zu ſchaffen? Ueber
die Schwierigkeiten des Werkes gibt man ſich keiner Täu-
ſchung hin; die Lebensdauer der Kommiſſion wurde auch
gleich von vornherein mit drei Jahren feſtgeſetzt. Sollte
ſich aber die Notwendigkeit ergeben, die Arbeitszeit zu
verlängern, dann kann dies durch eine neue kaiſerliche
Entſchließung geſchehen. An einem kräftigen Anſporn zur
zielbewußten Ueberwindung der Hinderniſſe fehlt es für
die ernſten Fachmänner gewiß nicht. Erſtens leidet die
öſterreichiſche Verwaltung heute noch darunter, daß ſie der
Bevölkerung zu ſehr entrückt iſt und in Traditionen fort-
wirkt, die in der Zeit, in der der Staat vor allem Polizei-
ſtaat war, begründet wurden. Zweitens zeigt ſich in der
kraſſeſten Weiſe das Unvermögen der öſterreichiſchen Ver-
waltung, große Wirtſchaftsbetriebe zu leiten, und das
Budget krankt ſehr, weil beträchtliche Summen vergeudet
werden. So haben alle Tarifreformen bei den Staats-
bahnen nicht dahin geführt, das große Defizit dieſer Unter-
nehmung zu beſeitigen, denn der Aufwand für das Perſo-
nal ſtieg mit unheimlicher Schnelligkeit.
Aber ſelbſt, wenn man ſich der Hoffnung hingeben
will, daß die neue Kommiſſion mehr als einen intereſſan-
ten Bericht hervorbringen werde, tut man ſehr gut, be-
ſcheiden zu bleiben. Dr. v. Körber hat dargelegt, daß für
die ihm vorſchwebende Reform nicht weniger als 11 Reichs-
geſetze und je 7 Geſetze in den einzelnen Ländern notwen-
dig ſein werden. Man ſtelle ſich nun vor, welche enorme
Arbeit dadurch ſelbſt dann entſtünde, wenn das Zuſtande-
bringen dieſer Maßnahmen nicht durch unzählige Schwie-
rigkeiten gehemmt wäre, die einerſeits in der Rivalität
zwiſchen den autonomen Ländern und Gemeinden mit
dem Staate und in den alles behindernden nationalen
Streitigkeiten ihren Urſprung haben. Deshalb gibt es
ſehr viele angeſehene Fachmänner, die die Meinung ver-
treten, daß eine vollſtändige Ueberwindung der Uebel-
ſtände erſt dann möglich ſein würde, wenn die nationalen
Gegenſätze durch eine befriedigende Ordnung aller natio-
nalen Angelegenheiten aus der Welt geſchafft wären. Doch
wie weit ſind wir noch von der idealen Zeit entfernt, in
der die Deutſchen und Czechen, die Polen und Ruthenen,
die Slowenen und Italiener einander brüderlich umarmen
werden! Aus dieſem Grunde wird man zufrieden ſein
müſſen, wenn vorläufig wenigſtens einige Verbeſſerungen
herbeigeführt werden können.
In welcher Richtung man ſich dabei bewegen müßte,
hat eben jetzt der Univerſitätsprofeſſor Regierungsrat
Dr. Karl Brockhauſen in einem Büchlein gezeigt, das
unter dem Titel „Oeſterreichiſche Verwaltungsreformen“
nicht nur eine herbe, aber gerechte Kritik der Mängel,
ſondern auch praktiſche Vorſchläge bringt. Schon das Motto
iſt beachtenswert: „Das Staatsrecht zerreißt Oeſterreich,
die Verwaltung hält es zuſammen.“ Damit iſt bereits
das Ziel für jede zweckmäßige Neueinrichtung der Admini-
ſtrative angedeutet. Die Verwaltung hat die Aufgabe, die
Glieder, die den Staat bilden, feſt aneinander zu ſchließen,
ſie muß jedoch andererſeits genug Elaſtizität beſitzen, um
ſich den Verſchiedenheiten und Eigenarten anzupaſſen.
Eine weſentliche Störung wird durch das Nebeneinander-
laufen und Sichdurchkreuzen der ſtaatlichen Adminiſtra-
tive und der Selbſtverwaltung der Länder und Gemeinden
herbeigeführt. Dabei ruht die Verwaltung des Staates
und die der Länder auf ganz verſchiedenen Grundlagen.
Das Reich, das über große Einnahmen verfügt, hat den
Provinzen den größten Teil der Sorgen für das allge-
meine Wohl überlaſſen, ohne ihnen die Mittel einzuräu-
men, um ihren Verpflichtungen nachkommen zu können.
Dadurch entſtand auch die chroniſche Geldnot der Länder
und ein unbedachtes finanzielles Wirtſchaften, ein „Wirt-
ſchaften auf Regimentsunkoſten“.
Der Aufbau des ſtaatlichen Verwaltungsorganismus
weiſt empfindliche Fehler auf. Die Baſis bilden die ſog.
Bezirkshauptmannſchaften, die viel zu groß geraten ſind,
um mit der Bevölkerung einen lebendigen Kontakt unter-
halten zu können, und die ihre ganze Tätigkeit der Erle-
digung der Akten widmen müſſen. Im alten Polizeiſtaate
genügte dieſes paſſive Verhalten, dieſe Gepflogenheit, die
Geſchäfte an ſich herankommen zu laſſen. Im modernen
Staate aber fordert man von der Behörde viel Initiative
und mehr geiſtige, individualiſierte, als ſchablonenhafte
Arbeit. Wie der Unterbau, iſt auch der Oberbau verpfuſcht.
Oeſterreich beſteht aus 17 Kronländern, die allerdings zu
14 Verwaltungseinheiten zuſammengelegt ſind. Dabei hat
jedoch die Rückſicht auf die praktiſchen Bedürfniſſe keine
Rolle geſpielt. Der eine Landeschef iſt verhältnismäßig
ungleich mehr belaſtet als der andere, keiner aber iſt bei
der gegenwärtigen Amtsorganiſation wirklich imſtande,
jene Verantwortung zu tragen, die er der Regierung ge-
genüber auf ſich nehmen muß. Er hat täglich Hunderte
von Akten zu unterſchreiben, ohne daß er die Zeit finden
würde ſich um ihren Inhalt zu kümmern. Zieht man nun
in Betracht, daß die Behörden der verſchiedenen Inſtanzen
in Oeſterreich gezwungen ſind, immer wieder dasſelbe zu
tun; daß ein Akt, der bei der Bezirkshauptmannſchaft ge-
arbeitet wurde, meiſtens bei der Statthalterei und dann
Die Goldmühle.
Roman von Margarete Gehring.
16] (Nachdruck verboten.)
Der Bach war noch angeſchwollen, aber er ließ ſein Bün-
del am Ufer liegen, und da, wo er in hohen Ufern ſchmal
und tief dahinſchießt, faßte er ſich ein Herz und ſprang
hinüber. Wohl löſte ſich der aufgeweichte Uferrand unter
der Laſt ſeines Anſprungs, ſo daß er hinabglitt und bis an
die Knie ins Waſſer geriet, aber er erreichte das Ufer und
ſtieg auf dem glitſcherigen Felsgeſtein des Hanges durch’s
blühende Günſtergeſtrüpp, das den Händen Halt bot, friſch
empor zur kahlen Felſenſpitze, die faſt ſenkrecht hinabfällt
zum Tale,, ſo daß man die Tannenwipfel tief zu Füßen
ſich wiegen ſieht, mit aufrechtſtehenden Zapfen beſät. Un-
verwandt blickte er hinüber zum Berghang, bis Eva über
den Tannen ſichbar wurde, mühſam den ſteilen Pfad em-
porklimmend. Er verfolgte ſie mit den Blicken, bis ſie im
Häuschen der Muhme verſchwunden war. Er ſah, wie ſie
eine ganze Weile zögerte, ehe ſie eintrat; endlich aber
öffnete ſie die Tür und ging hinein. Schweren Herzens
ſtieg er wieder hinab und wanderte talabwärts dem
Dorfe zu.
Elftes Kapitel.
Das Häuschen der Jungfer Roſamunde Lautenſchlä-
ger, der Muhme Evas, bei der ſie Unterkunft ſuchte und
fand, lag in der Mitte zwiſchen dem Dorfe und der Mühle
oben am Berge, ganz einſam und ohne jeder Nachbar-
ſchaft. Niemand weiß, wie man auf den ſonderbaren Ge-
danken hat kommen können, oben in dieſer menſchenfer-
nen Bergeinſamkeit ein Haus hinzubauen. Durch eine
waldige Schlucht, in der ein klares Bächlein, der Abfluß
der neben dem Hauſe aus dem Boden ſpringenden Berg-
quelle, zwiſchen Moos und Farn über das dunkle Fels-
geſtein hinabhüpfte zum Tale, konnte man die Kirche und
die erſten Häuſer von Güldenthal erblicken, und auch das
Mühlenanweſen ſah man rechts unten im Grünen liegen.
Vernehmlich drang in ſtillen Nächten das Rauſchen des
waſſerreichen Goldbachs herauf und miſchte ſich in das
Toſen des fernen Mühlwehres. Im Winter gaben ſich
Fuchs und Haſe und Edelmarder dort oben oft ein nächt-
liches Stelldichein am Gartenzaune oder hinter dem Säll-
chen. Früh ſah man dann die Spuren im Schnee, mit-
unter auch rote, wenn das Treffen blutig verlaufen war.
Oberhalb dehnte ſich eine viele Morgen große Heidefläche,
in deren zartem Blütengezweig im Sommer die Bienen
ſchwärmten, ſo daß die ganze Luft von ihrem Summen er-
füllt war. Am Berghange unten ragten zwiſchen den dun-
keln, verwitterten und mit vielfarbigen Mooſen und Flech-
ten ſtellenweiſe dicht überzogene Felsklötzen, die überall
aus der Bergwand zutage traten, die alten grauſtämmi-
gen Edeltannen, majeſtätiſch rauſchend, wenn der Wind
vom Mühlberge herab oder von der felſigen Reiſerswand
herüberkam und durch die dunkelgrünen Wipfel fuhr. Ge-
genüber der waldige Hang mit den überall aus dem
Tannengrün hervortretenden grauen Felsſchroffen und
mit den grünbunten Feldſtreifen auf der Höhe — o es
war ganz ſchön da oben, wenigſtens ſommersüber. Frei-
lich im Winter war es oft recht einſam und unheimlich,
da heulte der Sturm um das Häuschen, deſſen Bewohnerin
oft tagelang von allem Verkehr mit der Mitwelt abgeſchloſ-
ſen war, wollte ſie nicht knietief im Schnee waten. Da
leuchtete dann das Licht der Muhme oft wie ein Stern
aus der Höhe herab ins Tal, wenn die Nacht ſo dunkel
war, daß die Umriſſe des Berges ſich nicht mehr vom
Himmel abhoben. Nur ein ſchmaler Pfad führte zum
Häuschen empor, das wie viele geringere Häuſer der Ge-
gend, noch mit Schindeln gedeckt war und nur eine einzige
große Wohnſtube mit einen umfangreichen Kachelofen
und zwei niedrigen Schiebfenſtern, daneben eine Kammer
und eine dunkle Küche und auf dem Boden direkt unter
dem Dache ein Bodenkämmerchen enthielt. Die untere
Kammer beſaß nur ein Fenſterloch dicht unter der Decke
das im Winter nicht ſelten zuſchneite, ſodaß es Tag und
Nacht völlig finſter in der Kammer war. Der kleine Ziegen-
und Hühnerſtall war gleich mit ins Haus eingebaut, und
man brauchte nur von der Wohnſtube zwei Schritte über
den ſchmalen, mit rohen Schieferplatten belegten Haus-
flur zu tun, um in den warmen Stall zu gelangen, in dem
die Liſe mit den langen Rehohren und den wunderlichen
Klunker am Halſe ſich wintersüber das würzige Bergheu
und Waldgras ſchmecken ließ. In den Sommermonaten
weidete ſie im Freien, zuſammen mit den weißen Kanin-
chen, die den ganzen Sommer und Herbſt hindurch ums
Haus herum im Grünen hüpften und ſchnupperten, und
den bunten Hühnern, die hier oben einen weiten, vortreff-
lichen Auslauf hatten und fleißig legten. Freilich fiel man-
ches von ihnen dem Fuchſe zur Beute. Die Liſe im Stalle
hatte es auch ſonſt gut; es fehlte ihr nicht ein trockener,
warmer Lagerſtreu, ſo daß die Muhme oft meinte:
„Wenn’s nur mancher Menſch ſo gut hätte!“
Vor dem Häuschen ſtand ein großer Sauerkirſchbaum
und hinter dem Stalle ein alter, reichtragender Süßapfel-
baum, deſſen Früchte den ganzen Winter durch herhalten
mußten. Da roch es ums Häuschen her oft gar lieblich nach
friſchen Bratäpfeln und duftenden Pfannkuchen, die von
der Muhme „Röhrentötſcher“ genannt wurden. Auch ein
Garten war ſeitwärts am Hauſe, dem die Muhme die
größte Sorgfalt zuwandte, da er ihr nicht nur das nötige
Küchengemüſe, ſondern auch die vielen Schnittblumen
liefern mußte, deren ſie zu ihrer einträglichen Kranzbinderei
bei Hochzeiten und Begräbniſſen bedurfte, große Pfund-
roſen, Eiſenhut, Schwertlilien, „Herzchen“, Mutterviolen,
Jungfernblatt mit ſtarkduftenden Samtblättern, Salbei
und andere wohlriechende Kräuter, Zentifolien und weiße
Roſen, vor allem einen reichen Flor von allerlei Sommer-
blumen und ein großes Beet voll weißer und bunter Stroh-
blumen. Der größte Stolz der Muhme aber waren der
große alte Buchsbaum am Eingange, mit beinſtarkem
Stamme, und der große, vielverzweigte Rosmarinſtrauch
am Giebel, der mancher Brautjungfer und Taufpatin im
Dorfe ſeine wohlriechende Zweige ſpenden mußte für den
Kirchgang. Auf der anderen Seite ſtieß an das Häuschen
eine Wieſe und ein Stück Feld, auf dem die Muhme ihre
Kartoffeln und etwas Körner und Rüben baute.
(Fortſetzung folgt).
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(2018-01-26T13:38:42Z)
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