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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2216, Czernowitz, 07.06.1911.

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Czernowitzer Allgemeine Zeitung 7. Juni 1911.

[Spaltenumbruch]

noch beim Ministerium entsprechend behandelt werden
muß, so kann man füglich von einer ungeheuren Ver-
geudung der Arbeitskraft sprechen. Natürlich müssen da-
runter die verschiedenen Aufgaben leiden, die den einander
übergordneten Behörden eigentlich zustehen und ganz un-
gleiche Arbeitsfelder erschließen.

Als wichtigster Behelf für die Abstellung der schwersten
Mißstände erscheint Professor Brockhausen die Einrichtung
einer Kreisorganisation, und damit verbunden die Aen-
derung des Instanzenganges. Heute gibt es in Oesterreich
für verschiedene verwaltungsrechtliche Agenden, genau
gerechnet, fünf Instanzen, was des guten wahrlich zu viel
ist. Das Schwergewicht wäre allerdings auf die Herstellung
einer modernen Verwaltungstechnik zu legen. Professor
Brockhausen verlangt energisch, daß sich die Verwaltung
vor Augen halte, um wieviel mehr unsere Zeit Taten als
Entscheidung fordere. Seiner Meinung nach sollte man an
den Beamten künftig nicht die Frage richten: Wie würden
Sie entscheiden? sondern: Was würden Sie tun? Ferner
müßte mit einem Unfug aufgeräumt werden, der darin
besteht, daß in Oesterreich jede vorgesetzte Behörde berech-
tigt ist, der untergeordneten Behörde allgemein giltige
und bindnde Weisungen zu erteilen, ja, daß jeder Amtschef
seinem Personal feste Marschrouten vorzeichnen kann.
Diese einmal erlassenen Anleitungen wirken formell Jahre
und Jahrzehnte fort, und da immer neue Weisungen von
den verschiedensten Stellen aus erlassen werden, entsteht
schließlich ein Chaos, in dem der Beamte untergeht. Ueber-
haupt müßte es das Ziel sein, die Arbeit so zu regeln, daß
der einzelne Beamte Muße findet, sich neben der Erledi-
gung des Einlaufes noch mit nützlichen Aktionen zu be-
fassen, und daß in ihm das Gefühl der Verantwortlichkeit
wachgerufen wird, was gegenwärtig nicht der Fall ist, weil
jeder Akt eine Menge Unterschriften trägt, so daß einer
sich auf den andern verläßt. Eine Schrift über die öster-
reichische Verwaltungsreform muß einen Abschnitt mit der
Ueberschrift: "Beamtentum und Protektion" enthalten.
Ja, Professor Brockhausen widmet diesem Problem am
meisten Raum, und man kann ihm dies nur zugute halten.
Wer das Uebel ausmerzen will, darf sich nicht scheuen, den
Kampf mit dem Ungetüm "Protektion" -- und zwar mit
der schädlichen Protektion, denn es gibt auch eine nützliche
-- aufzunehmen.

Mag sein, daß man in diesen Vorschlägen Großzü-
gigkeit vermißt! Aber der Praktiker, der wenigstens einige
Schritte nach vorwärts ermöglichen will, darf nicht nach
den Sternen greifen. Schon kleine Verbesserungen wären
hochwillkommen. Doch nicht bloß die Verwaltung im
engeren Sinne bedarf -- wie schon erwähnt -- einer Auf-
frischung und Erneuerung. Man muß den Staat auch
lehren, Unternehmer zu sein. Die Riesensummen, die in
seinen wirtschaftlichen Unternehmungen stecken, wollen
mit kaufmännischem Geiste verwertet sein. Damit ist frei-
lich etwas anderes gemeint, als jener stumpfsinnige Fis-
kalismus, zu dem man sich in Oesterreich gerne bekennt.
So gibt es denn für die neue Kommission zur Verbesser-
ung der Verwaltung reichliches Material, das einer ein-
gehenden Bearbeitung und Erwägung würdig ist. Oester-
reich, das durch die Einführung des allgemeinen, gleichen
Wahlrechtes der Demokratie die Tore geöffnet hat, soll
nun endlich dahin kommen, seine Geschäfte und den Ver-
kehr mit seinen Bürgern mit demokratischem Geiste, mit
dem nötigen Feingefühl für das Interesse der Bewohner
zu erledigen.




Vom Tage.


Unser Kaiser.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Die
"Korrespondenz Wilhelm" meldet: Der Kaiser fühlte sich
an den beiden Feiertagen ausnehmend wohl und ist durch-
aus nicht als Patient zu betrachten. Der Monarch schläft
nachts andauernd und ungestört und ist bei bestem Appetit.

Der Pfingstmontag war größtenteils von einer
Reihe von Audienzen ausgefüllt. Um 11 Uhr vor-
mittags wurde Prinz Friedrich von Schaumburg-
Lippe
in besonderer Audienz empfangen, hierauf der
Obersthofmarschall Graf Zichy und sodann der gewesene
Präsident der Akademie der Wissenschaften Professor Dr.
Sueß, beide in halbstündiger besonderer Audienz, schließ-
lich der Vizepräsident des Reichsgerichts von Grab-
mayer
mit dem Professor Dr. Baron Schey die dem
Kaiser die anläßlich des hundertjährigen Jubiläums des
bürgerlichen Gesetzbuches herausgegebene Festschrift über-
reichten, ebenfalls in halbstündiger Audienz. Alle waren
von der Leutseligkeit und Frische des Monarchen entzückt.
und fanden sein Befinden trefflich.

Nach den Audienzen unternahm der Kaiser einen
Spaziergang im Kammergarten.




Die Wiederaufnahme der deutsch-czechischen
Ausgleichsverhandlungen.
Auflösung des Landtages in Sicht.

Die "Deutschna.. Korr." meldet: Nach
den Aeußerungen eines wohlinformierten deutsch-böhmischen
Politikers sollen die deutsch[-]czechischen Ausgleichsverhandlungen
zu Beginn des Herbstes wieder aufgenommen werden
und zwar werden diesmal die Verhandlungen unter dem Druck
der materiellen Forderungen der Lehrerschaft stehen. Von der-
selben Seite wird versichert, daß im Falle auch diese Konferenzen
ohne positives Ergebnis verlaufen sollten, die Auflösung
des Landtages erfolgen wird.




[Spaltenumbruch]
Die Reise König Peters nach Paris.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Einer halbamtlichen Mitteilung zufolge, beschloß heute
der Ministerrat in einer Sitzung die Reise des Kö-
nigs nach Paris
aus staatsgeschäftlichen Gründen
bis zum Herbst zu verschieben.




Zur bevorstehenden Krönung des Königs
von England.
Ein Handschreiben des Sultans.

KB. (Tel. der "Cz. Allg.
Ztg.")

Gestern reiste der Thronfolger ab, um dem König
von England ein Handschreiben des Sultans zu
überbringen.

Eine abbestellte Huldigungsdeputation.

Mehreren Blättern zufolge ließ die
englische Regierung dem hier weilenden marokkanischen Minister
des Aeußern, El Mokri, der als Vertreter des Sultans den
Londoner Krönungsfeierlichkeiten beiwohnen sollte, durch die
hiesige Botschaft mitteilen, daß die Anwesenheit der marokkanischen
Abordnung bei den Londoner Festlichkeiten nicht erwünscht sei.
Der Schritt wird damit begründet, daß die Grausamkeiten, die
die von französischen Offizieren befehligte scherifische Mahalla
-- namentlich bei den letzten Ausfällen -- gegen Weiber und
Kinder beging, als entehrend für die Regierung des Sultans
angesehen würden. Es sei zu befürchten, daß die öffentliche
Meinung Englands den Vertretern Mulay Hasids einen un-
freundlichen Empfang bereite, was man aus Courtoisie ver-
meiden möchte.




Russische Rüstungen.

Zuverlässige Petersburger Nachrichten
melden eine große Beschleunigung der russischen
Rüstungen.
Die Flotte soll über das bisherige Bau-
programm hinaus um vier Dreadnonghts von 22.000 Tonnen
vermehrt werden. Da die russischen Werke allein die Lieferungen
nicht bestreiten können, soll die Fabrik Skoda in Pilsen große
Gußstahllieferungen und Krupp die Lieferung von Haubitzen
schwersten Kalibers erhalten. Die Befestigungen am Schwarzen
Meere sollen stark ausgebaut werden.

China will die Erneuerung
des russisch-chinesischen Vertrages vom Jahre 1881 in der von
Rußland gewollten Form nicht annehmen.




Rußland.
KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Der Ministerrat sprach sich gelegentlich der Beratung über die
Organisation der Kreditgewährung an Städte und Semstwos
für die Gründung einer besonderen Staatsbank zur Erreichung
dieses Zweckes, aus.

Dem Senat ist in den letzten
Tagen die umfangreiche Vorlage der Regierung zugegangen auf
Aufhebung des finnischen Generalgouvernements und die Ein-
setzung eines kaiserlichen Statthalters in Helfingfors.




Rumänien.
Feierliche Eröffnung des neuen Bukarester Handels-
kammergebäudes.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

In Gegenwart des Königs, der Ministers und der Be-
hörden fand heute die Eröffnung des neuen Handels-
kammergebäudes statt.

Der König hielt eine Ansprache, in welcher die
Tätigkeit der Handelskammer gewürdigt und der Wunsch
ausgesprochen wird, daß die Handelskammer ein lebendi-
ges Beispiel patriotischer Bemühungen auf dem Gebiete
des Handels und der Industrie werde und ihre Tätigkeit
auf wirtschaftlichem Gebiete stets von dem allgemeinen
Interesse des Landes inspiriert und fruchtbar sei.




Bewaffnete Zusammenstöße an der griechisch-
türkischen Grenze.
Vier türkische Soldaten getötet.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg".)

Die
"Agence Havas" meldet aus Athen: An der Grenze kam es
zu einem Zusammenstoß zwischen griechischen und
türkischen Soldaten. Vier türkische Soldaten
wurden getötet.

Ein zweiter Zwischenfall.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Am 2. Juni schoß ein türkischer Posten auf einen Montenegriner
in Uikitsch.

Die Regierung machte neuerlich Schritte bei der
Pforte,
da dies der zweite Fall der Verletzung des monte-
negrinischen Gebietes seitens türkischer Soldaten innerhalb weniger
Tage ist.

Entsendung türkischer Kriegsschiffe an die
albauische Küste.

KB. (Tel. der "Cz. Allg.
Ztg.")

Der Torpedokreuzer "Berfisatvet" traf in San Giovanni
[Spaltenumbruch] di Medua ein, wo sich bereits drei Torpedoboote befinden. Ein
weiteres Torpedoboot wurde gestern dorthin entsendet.




Türkei.
Ermordung des Oberststaatsanwaltes in Monastir.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Der Monastirer Oberstaatsanwalt wurde von
von einem Unbekannten erschossen. Das Motiv ist unbe-
kannt. In Monastir herrscht große Aufregung.

Das Bandenunwesen.
KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Der gefürchtete bulgarische Bandenchef Bratsche wurde
im Kloster Zordsche umzingelt und niedergemacht. Seine
Genossen sind entkommen.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

In Prenitza (Bezirk Köprülü) wurden seitens der Behör-
den 42 Kilogramm Dynamit sowie Werkzeuge
zur Herstellung von Bomben entdeckt. Eine Anzahl
von Bulgaren wurde verhaftet.




Die Reise des Sultans nach Macedonien
und Albanien.

KB. (Tel. der "Cz. Allg.
Ztg.")

Der Sultan ist heute nachmittags auf dem S[e]ewege
nach Saloniki abgereist und wurde von der Be-
völkerung stürmisch akklamiert. In Begleitung des Sultans be-
finden sich dessen zwei Söhne, der Großvesier, der Marineminister,
der Minister des Innern, der Unterrichtsminister, der frühere
Finanzminister Dschawid und zahlreiche Hofwürdenträger.

Der Kriegsminister, der den Sultan hätte be-
gleiten sollen, verschob im letzten Momente die
Reise,
wie verlautet, auf einen späteren Zeitpunkt.




Der Aufstand in Albanien.
Ein Erfolg drr Aufständischen.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Die Rebellen nahmen das kleine Fort von Lesch
ein,
welches von ungefähr 100 Soldaten verteidigt war.

Sie bedrohten die Ortschaft, zerstörten die Telegraphen-
leitung zwischen Lesch-Skutari und Tirana, wurden aber nach
längerem Kampfe durch das Militär und die bewaffnete Be-
völkerung unter empfindlichen Verlusten vertrieben.




Spanische Truppentrausporte nach
Marokko.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Infolge der Bewegung in der Umgebung von Elksar und
Larasch sind die Kriegsschiffe "Admirante Lobo" und
"Cataluna", mit ungefähr 200 Mann Marine-Infan-
terie am Bord nach Larasch abgegangen. Die Schiffe
müssen bereits in Larasch eingetroffen sein, wo die Trup-
pen jedoch nur ausgeschifft werden, wenn der spanische
Konsul es für nötig hält.

Kompetenzkonflikt zwischen Kammer und Senat.

KB. (Tel. der "Cz. Allg.
Ztg.")

Die Nachtsitzung der Kammer und des Senats
dauerte abwechselnd bis über 4 Uhr morgens. Die Kam-
mer bestand auf dem Rechte der ausschließlichen Kompe-
tenz, über Budgetfragen zu entscheiden. Schließlich lehnte
es der Senat ab, weiter darüber zu beraten, worauf der
Großvezier das Dekret, womit die Session des Parlaments
geschlossen wird, verlas. Die strittigen Artikel des Budget-
gesetzes bleiben offen.

Stellungnahme der "Temps."

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Der
"Temps" unterzieht die spanischen Bestrebungen in Ma-
rokko einer sehr scharfen Kritik und schreibt: Es unterliegt
nunmehr keinem Zweifel, daß sich die Spanier bei ihren
Unternehmungen in Marokko von einer franzosenfeind-
lichen Eifersucht leiten lassen, welche mit den in den
Verträgen vorgesehenen Zusammenwirken nichts gemein
hat. Diese Verträge sind übrigens durch die Art und Weise
wie sie Spanien auslegt, ein zweischneidige Waffe. Die
spanische Regierung würde, bevor die Verletzung der In-
tegrität Marokkos zu weit geht, gut daran tun, den Ar-
tikel 123 der Algercirasakte zu lesen, worauf im Falle des
Widerstandes zwischen Bestimmungen der früheren Ver-
träge und der Algecirasakte die Bestimmungen der Letz-
teren überwiegen.




Persien.
Etufall eines Kurdenheeres unter Führung eines
Thronprätendenten.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Der Bruder des früheren Schah, Salar ed Dan[l]eh ist an
der Spitze eines großen Kurdenheeres aus Sakis
in Bukan eingerückt, von wo er über Miandoab nach Maraga
zu ziehen beabsichtigt, Die Bewohner von Maraga haben tele-
graphich von Teheran Hilfe erbeten und befestigen eiligst die
Stadt.




Kurze Nachrichten.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Der
Professor der Geologie Dr. Viktor Uhlig ist gestern in
Karlsbad gestorben.




Czernowitzer Allgemeine Zeitung 7. Juni 1911.

[Spaltenumbruch]

noch beim Miniſterium entſprechend behandelt werden
muß, ſo kann man füglich von einer ungeheuren Ver-
geudung der Arbeitskraft ſprechen. Natürlich müſſen da-
runter die verſchiedenen Aufgaben leiden, die den einander
übergordneten Behörden eigentlich zuſtehen und ganz un-
gleiche Arbeitsfelder erſchließen.

Als wichtigſter Behelf für die Abſtellung der ſchwerſten
Mißſtände erſcheint Profeſſor Brockhauſen die Einrichtung
einer Kreisorganiſation, und damit verbunden die Aen-
derung des Inſtanzenganges. Heute gibt es in Oeſterreich
für verſchiedene verwaltungsrechtliche Agenden, genau
gerechnet, fünf Inſtanzen, was des guten wahrlich zu viel
iſt. Das Schwergewicht wäre allerdings auf die Herſtellung
einer modernen Verwaltungstechnik zu legen. Profeſſor
Brockhauſen verlangt energiſch, daß ſich die Verwaltung
vor Augen halte, um wieviel mehr unſere Zeit Taten als
Entſcheidung fordere. Seiner Meinung nach ſollte man an
den Beamten künftig nicht die Frage richten: Wie würden
Sie entſcheiden? ſondern: Was würden Sie tun? Ferner
müßte mit einem Unfug aufgeräumt werden, der darin
beſteht, daß in Oeſterreich jede vorgeſetzte Behörde berech-
tigt iſt, der untergeordneten Behörde allgemein giltige
und bindnde Weiſungen zu erteilen, ja, daß jeder Amtschef
ſeinem Perſonal feſte Marſchrouten vorzeichnen kann.
Dieſe einmal erlaſſenen Anleitungen wirken formell Jahre
und Jahrzehnte fort, und da immer neue Weiſungen von
den verſchiedenſten Stellen aus erlaſſen werden, entſteht
ſchließlich ein Chaos, in dem der Beamte untergeht. Ueber-
haupt müßte es das Ziel ſein, die Arbeit ſo zu regeln, daß
der einzelne Beamte Muße findet, ſich neben der Erledi-
gung des Einlaufes noch mit nützlichen Aktionen zu be-
faſſen, und daß in ihm das Gefühl der Verantwortlichkeit
wachgerufen wird, was gegenwärtig nicht der Fall iſt, weil
jeder Akt eine Menge Unterſchriften trägt, ſo daß einer
ſich auf den andern verläßt. Eine Schrift über die öſter-
reichiſche Verwaltungsreform muß einen Abſchnitt mit der
Ueberſchrift: „Beamtentum und Protektion“ enthalten.
Ja, Profeſſor Brockhauſen widmet dieſem Problem am
meiſten Raum, und man kann ihm dies nur zugute halten.
Wer das Uebel ausmerzen will, darf ſich nicht ſcheuen, den
Kampf mit dem Ungetüm „Protektion“ — und zwar mit
der ſchädlichen Protektion, denn es gibt auch eine nützliche
— aufzunehmen.

Mag ſein, daß man in dieſen Vorſchlägen Großzü-
gigkeit vermißt! Aber der Praktiker, der wenigſtens einige
Schritte nach vorwärts ermöglichen will, darf nicht nach
den Sternen greifen. Schon kleine Verbeſſerungen wären
hochwillkommen. Doch nicht bloß die Verwaltung im
engeren Sinne bedarf — wie ſchon erwähnt — einer Auf-
friſchung und Erneuerung. Man muß den Staat auch
lehren, Unternehmer zu ſein. Die Rieſenſummen, die in
ſeinen wirtſchaftlichen Unternehmungen ſtecken, wollen
mit kaufmänniſchem Geiſte verwertet ſein. Damit iſt frei-
lich etwas anderes gemeint, als jener ſtumpfſinnige Fis-
kalismus, zu dem man ſich in Oeſterreich gerne bekennt.
So gibt es denn für die neue Kommiſſion zur Verbeſſer-
ung der Verwaltung reichliches Material, das einer ein-
gehenden Bearbeitung und Erwägung würdig iſt. Oeſter-
reich, das durch die Einführung des allgemeinen, gleichen
Wahlrechtes der Demokratie die Tore geöffnet hat, ſoll
nun endlich dahin kommen, ſeine Geſchäfte und den Ver-
kehr mit ſeinen Bürgern mit demokratiſchem Geiſte, mit
dem nötigen Feingefühl für das Intereſſe der Bewohner
zu erledigen.




Vom Tage.


Unſer Kaiſer.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Die
„Korreſpondenz Wilhelm“ meldet: Der Kaiſer fühlte ſich
an den beiden Feiertagen ausnehmend wohl und iſt durch-
aus nicht als Patient zu betrachten. Der Monarch ſchläft
nachts andauernd und ungeſtört und iſt bei beſtem Appetit.

Der Pfingſtmontag war größtenteils von einer
Reihe von Audienzen ausgefüllt. Um 11 Uhr vor-
mittags wurde Prinz Friedrich von Schaumburg-
Lippe
in beſonderer Audienz empfangen, hierauf der
Oberſthofmarſchall Graf Zichy und ſodann der geweſene
Präſident der Akademie der Wiſſenſchaften Profeſſor Dr.
Sueß, beide in halbſtündiger beſonderer Audienz, ſchließ-
lich der Vizepräſident des Reichsgerichts von Grab-
mayer
mit dem Profeſſor Dr. Baron Schey die dem
Kaiſer die anläßlich des hundertjährigen Jubiläums des
bürgerlichen Geſetzbuches herausgegebene Feſtſchrift über-
reichten, ebenfalls in halbſtündiger Audienz. Alle waren
von der Leutſeligkeit und Friſche des Monarchen entzückt.
und fanden ſein Befinden trefflich.

Nach den Audienzen unternahm der Kaiſer einen
Spaziergang im Kammergarten.




Die Wiederaufnahme der deutſch-czechiſchen
Ausgleichsverhandlungen.
Auflöſung des Landtages in Sicht.

Die „Deutſchna.. Korr.“ meldet: Nach
den Aeußerungen eines wohlinformierten deutſch-böhmiſchen
Politikers ſollen die deutſch[-]czechiſchen Ausgleichsverhandlungen
zu Beginn des Herbſtes wieder aufgenommen werden
und zwar werden diesmal die Verhandlungen unter dem Druck
der materiellen Forderungen der Lehrerſchaft ſtehen. Von der-
ſelben Seite wird verſichert, daß im Falle auch dieſe Konferenzen
ohne poſitives Ergebnis verlaufen ſollten, die Auflöſung
des Landtages erfolgen wird.




[Spaltenumbruch]
Die Reiſe König Peters nach Paris.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Einer halbamtlichen Mitteilung zufolge, beſchloß heute
der Miniſterrat in einer Sitzung die Reiſe des Kö-
nigs nach Paris
aus ſtaatsgeſchäftlichen Gründen
bis zum Herbſt zu verſchieben.




Zur bevorſtehenden Krönung des Königs
von England.
Ein Handſchreiben des Sultans.

KB. (Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Geſtern reiſte der Thronfolger ab, um dem König
von England ein Handſchreiben des Sultans zu
überbringen.

Eine abbeſtellte Huldigungsdeputation.

Mehreren Blättern zufolge ließ die
engliſche Regierung dem hier weilenden marokkaniſchen Miniſter
des Aeußern, El Mokri, der als Vertreter des Sultans den
Londoner Krönungsfeierlichkeiten beiwohnen ſollte, durch die
hieſige Botſchaft mitteilen, daß die Anweſenheit der marokkaniſchen
Abordnung bei den Londoner Feſtlichkeiten nicht erwünſcht ſei.
Der Schritt wird damit begründet, daß die Grauſamkeiten, die
die von franzöſiſchen Offizieren befehligte ſcherifiſche Mahalla
— namentlich bei den letzten Ausfällen — gegen Weiber und
Kinder beging, als entehrend für die Regierung des Sultans
angeſehen würden. Es ſei zu befürchten, daß die öffentliche
Meinung Englands den Vertretern Mulay Haſids einen un-
freundlichen Empfang bereite, was man aus Courtoiſie ver-
meiden möchte.




Ruſſiſche Rüſtungen.

Zuverläſſige Petersburger Nachrichten
melden eine große Beſchleunigung der ruſſiſchen
Rüſtungen.
Die Flotte ſoll über das bisherige Bau-
programm hinaus um vier Dreadnonghts von 22.000 Tonnen
vermehrt werden. Da die ruſſiſchen Werke allein die Lieferungen
nicht beſtreiten können, ſoll die Fabrik Skoda in Pilſen große
Gußſtahllieferungen und Krupp die Lieferung von Haubitzen
ſchwerſten Kalibers erhalten. Die Befeſtigungen am Schwarzen
Meere ſollen ſtark ausgebaut werden.

China will die Erneuerung
des ruſſiſch-chineſiſchen Vertrages vom Jahre 1881 in der von
Rußland gewollten Form nicht annehmen.




Rußland.
KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Der Miniſterrat ſprach ſich gelegentlich der Beratung über die
Organiſation der Kreditgewährung an Städte und Semſtwos
für die Gründung einer beſonderen Staatsbank zur Erreichung
dieſes Zweckes, aus.

Dem Senat iſt in den letzten
Tagen die umfangreiche Vorlage der Regierung zugegangen auf
Aufhebung des finniſchen Generalgouvernements und die Ein-
ſetzung eines kaiſerlichen Statthalters in Helfingfors.




Rumänien.
Feierliche Eröffnung des neuen Bukareſter Handels-
kammergebäudes.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

In Gegenwart des Königs, der Miniſters und der Be-
hörden fand heute die Eröffnung des neuen Handels-
kammergebäudes ſtatt.

Der König hielt eine Anſprache, in welcher die
Tätigkeit der Handelskammer gewürdigt und der Wunſch
ausgeſprochen wird, daß die Handelskammer ein lebendi-
ges Beiſpiel patriotiſcher Bemühungen auf dem Gebiete
des Handels und der Induſtrie werde und ihre Tätigkeit
auf wirtſchaftlichem Gebiete ſtets von dem allgemeinen
Intereſſe des Landes inſpiriert und fruchtbar ſei.




Bewaffnete Zuſammenſtöße an der griechiſch-
türkiſchen Grenze.
Vier türkiſche Soldaten getötet.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg“.)

Die
„Agence Havas“ meldet aus Athen: An der Grenze kam es
zu einem Zuſammenſtoß zwiſchen griechiſchen und
türkiſchen Soldaten. Vier türkiſche Soldaten
wurden getötet.

Ein zweiter Zwiſchenfall.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Am 2. Juni ſchoß ein türkiſcher Poſten auf einen Montenegriner
in Uikitſch.

Die Regierung machte neuerlich Schritte bei der
Pforte,
da dies der zweite Fall der Verletzung des monte-
negriniſchen Gebietes ſeitens türkiſcher Soldaten innerhalb weniger
Tage iſt.

Entſendung türkiſcher Kriegsſchiffe an die
albauiſche Küſte.

KB. (Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Der Torpedokreuzer „Berfiſatvet“ traf in San Giovanni
[Spaltenumbruch] di Medua ein, wo ſich bereits drei Torpedoboote befinden. Ein
weiteres Torpedoboot wurde geſtern dorthin entſendet.




Türkei.
Ermordung des Oberſtſtaatsanwaltes in Monaſtir.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Der Monaſtirer Oberſtaatsanwalt wurde von
von einem Unbekannten erſchoſſen. Das Motiv iſt unbe-
kannt. In Monaſtir herrſcht große Aufregung.

Das Bandenunweſen.
KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Der gefürchtete bulgariſche Bandenchef Bratſche wurde
im Kloſter Zordſche umzingelt und niedergemacht. Seine
Genoſſen ſind entkommen.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

In Prenitza (Bezirk Köprülü) wurden ſeitens der Behör-
den 42 Kilogramm Dynamit ſowie Werkzeuge
zur Herſtellung von Bomben entdeckt. Eine Anzahl
von Bulgaren wurde verhaftet.




Die Reiſe des Sultans nach Macedonien
und Albanien.

KB. (Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Der Sultan iſt heute nachmittags auf dem S[e]ewege
nach Saloniki abgereiſt und wurde von der Be-
völkerung ſtürmiſch akklamiert. In Begleitung des Sultans be-
finden ſich deſſen zwei Söhne, der Großveſier, der Marineminiſter,
der Miniſter des Innern, der Unterrichtsminiſter, der frühere
Finanzminiſter Dſchawid und zahlreiche Hofwürdenträger.

Der Kriegsminiſter, der den Sultan hätte be-
gleiten ſollen, verſchob im letzten Momente die
Reiſe,
wie verlautet, auf einen ſpäteren Zeitpunkt.




Der Aufſtand in Albanien.
Ein Erfolg drr Aufſtändiſchen.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Die Rebellen nahmen das kleine Fort von Leſch
ein,
welches von ungefähr 100 Soldaten verteidigt war.

Sie bedrohten die Ortſchaft, zerſtörten die Telegraphen-
leitung zwiſchen Leſch-Skutari und Tirana, wurden aber nach
längerem Kampfe durch das Militär und die bewaffnete Be-
völkerung unter empfindlichen Verluſten vertrieben.




Spaniſche Truppentrausporte nach
Marokko.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Infolge der Bewegung in der Umgebung von Elkſar und
Laraſch ſind die Kriegsſchiffe „Admirante Lobo“ und
„Cataluna“, mit ungefähr 200 Mann Marine-Infan-
terie am Bord nach Laraſch abgegangen. Die Schiffe
müſſen bereits in Laraſch eingetroffen ſein, wo die Trup-
pen jedoch nur ausgeſchifft werden, wenn der ſpaniſche
Konſul es für nötig hält.

Kompetenzkonflikt zwiſchen Kammer und Senat.

KB. (Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Die Nachtſitzung der Kammer und des Senats
dauerte abwechſelnd bis über 4 Uhr morgens. Die Kam-
mer beſtand auf dem Rechte der ausſchließlichen Kompe-
tenz, über Budgetfragen zu entſcheiden. Schließlich lehnte
es der Senat ab, weiter darüber zu beraten, worauf der
Großvezier das Dekret, womit die Seſſion des Parlaments
geſchloſſen wird, verlas. Die ſtrittigen Artikel des Budget-
geſetzes bleiben offen.

Stellungnahme der „Temps.“

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Der
„Temps“ unterzieht die ſpaniſchen Beſtrebungen in Ma-
rokko einer ſehr ſcharfen Kritik und ſchreibt: Es unterliegt
nunmehr keinem Zweifel, daß ſich die Spanier bei ihren
Unternehmungen in Marokko von einer franzoſenfeind-
lichen Eiferſucht leiten laſſen, welche mit den in den
Verträgen vorgeſehenen Zuſammenwirken nichts gemein
hat. Dieſe Verträge ſind übrigens durch die Art und Weiſe
wie ſie Spanien auslegt, ein zweiſchneidige Waffe. Die
ſpaniſche Regierung würde, bevor die Verletzung der In-
tegrität Marokkos zu weit geht, gut daran tun, den Ar-
tikel 123 der Algercirasakte zu leſen, worauf im Falle des
Widerſtandes zwiſchen Beſtimmungen der früheren Ver-
träge und der Algecirasakte die Beſtimmungen der Letz-
teren überwiegen.




Perſien.
Etufall eines Kurdenheeres unter Führung eines
Thronprätendenten.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Der Bruder des früheren Schah, Salar ed Dan[l]eh iſt an
der Spitze eines großen Kurdenheeres aus Sakis
in Bukan eingerückt, von wo er über Miandoab nach Maraga
zu ziehen beabſichtigt, Die Bewohner von Maraga haben tele-
graphich von Teheran Hilfe erbeten und befeſtigen eiligſt die
Stadt.




Kurze Nachrichten.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Der
Profeſſor der Geologie Dr. Viktor Uhlig iſt geſtern in
Karlsbad geſtorben.




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[2/0002] Czernowitzer Allgemeine Zeitung 7. Juni 1911. noch beim Miniſterium entſprechend behandelt werden muß, ſo kann man füglich von einer ungeheuren Ver- geudung der Arbeitskraft ſprechen. Natürlich müſſen da- runter die verſchiedenen Aufgaben leiden, die den einander übergordneten Behörden eigentlich zuſtehen und ganz un- gleiche Arbeitsfelder erſchließen. Als wichtigſter Behelf für die Abſtellung der ſchwerſten Mißſtände erſcheint Profeſſor Brockhauſen die Einrichtung einer Kreisorganiſation, und damit verbunden die Aen- derung des Inſtanzenganges. Heute gibt es in Oeſterreich für verſchiedene verwaltungsrechtliche Agenden, genau gerechnet, fünf Inſtanzen, was des guten wahrlich zu viel iſt. Das Schwergewicht wäre allerdings auf die Herſtellung einer modernen Verwaltungstechnik zu legen. Profeſſor Brockhauſen verlangt energiſch, daß ſich die Verwaltung vor Augen halte, um wieviel mehr unſere Zeit Taten als Entſcheidung fordere. Seiner Meinung nach ſollte man an den Beamten künftig nicht die Frage richten: Wie würden Sie entſcheiden? ſondern: Was würden Sie tun? Ferner müßte mit einem Unfug aufgeräumt werden, der darin beſteht, daß in Oeſterreich jede vorgeſetzte Behörde berech- tigt iſt, der untergeordneten Behörde allgemein giltige und bindnde Weiſungen zu erteilen, ja, daß jeder Amtschef ſeinem Perſonal feſte Marſchrouten vorzeichnen kann. Dieſe einmal erlaſſenen Anleitungen wirken formell Jahre und Jahrzehnte fort, und da immer neue Weiſungen von den verſchiedenſten Stellen aus erlaſſen werden, entſteht ſchließlich ein Chaos, in dem der Beamte untergeht. Ueber- haupt müßte es das Ziel ſein, die Arbeit ſo zu regeln, daß der einzelne Beamte Muße findet, ſich neben der Erledi- gung des Einlaufes noch mit nützlichen Aktionen zu be- faſſen, und daß in ihm das Gefühl der Verantwortlichkeit wachgerufen wird, was gegenwärtig nicht der Fall iſt, weil jeder Akt eine Menge Unterſchriften trägt, ſo daß einer ſich auf den andern verläßt. Eine Schrift über die öſter- reichiſche Verwaltungsreform muß einen Abſchnitt mit der Ueberſchrift: „Beamtentum und Protektion“ enthalten. Ja, Profeſſor Brockhauſen widmet dieſem Problem am meiſten Raum, und man kann ihm dies nur zugute halten. Wer das Uebel ausmerzen will, darf ſich nicht ſcheuen, den Kampf mit dem Ungetüm „Protektion“ — und zwar mit der ſchädlichen Protektion, denn es gibt auch eine nützliche — aufzunehmen. Mag ſein, daß man in dieſen Vorſchlägen Großzü- gigkeit vermißt! Aber der Praktiker, der wenigſtens einige Schritte nach vorwärts ermöglichen will, darf nicht nach den Sternen greifen. Schon kleine Verbeſſerungen wären hochwillkommen. Doch nicht bloß die Verwaltung im engeren Sinne bedarf — wie ſchon erwähnt — einer Auf- friſchung und Erneuerung. Man muß den Staat auch lehren, Unternehmer zu ſein. Die Rieſenſummen, die in ſeinen wirtſchaftlichen Unternehmungen ſtecken, wollen mit kaufmänniſchem Geiſte verwertet ſein. Damit iſt frei- lich etwas anderes gemeint, als jener ſtumpfſinnige Fis- kalismus, zu dem man ſich in Oeſterreich gerne bekennt. So gibt es denn für die neue Kommiſſion zur Verbeſſer- ung der Verwaltung reichliches Material, das einer ein- gehenden Bearbeitung und Erwägung würdig iſt. Oeſter- reich, das durch die Einführung des allgemeinen, gleichen Wahlrechtes der Demokratie die Tore geöffnet hat, ſoll nun endlich dahin kommen, ſeine Geſchäfte und den Ver- kehr mit ſeinen Bürgern mit demokratiſchem Geiſte, mit dem nötigen Feingefühl für das Intereſſe der Bewohner zu erledigen. Vom Tage. Czernowitz, 6. Juni. Unſer Kaiſer. KB. Wien, 5. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Die „Korreſpondenz Wilhelm“ meldet: Der Kaiſer fühlte ſich an den beiden Feiertagen ausnehmend wohl und iſt durch- aus nicht als Patient zu betrachten. Der Monarch ſchläft nachts andauernd und ungeſtört und iſt bei beſtem Appetit. Der Pfingſtmontag war größtenteils von einer Reihe von Audienzen ausgefüllt. Um 11 Uhr vor- mittags wurde Prinz Friedrich von Schaumburg- Lippe in beſonderer Audienz empfangen, hierauf der Oberſthofmarſchall Graf Zichy und ſodann der geweſene Präſident der Akademie der Wiſſenſchaften Profeſſor Dr. Sueß, beide in halbſtündiger beſonderer Audienz, ſchließ- lich der Vizepräſident des Reichsgerichts von Grab- mayer mit dem Profeſſor Dr. Baron Schey die dem Kaiſer die anläßlich des hundertjährigen Jubiläums des bürgerlichen Geſetzbuches herausgegebene Feſtſchrift über- reichten, ebenfalls in halbſtündiger Audienz. Alle waren von der Leutſeligkeit und Friſche des Monarchen entzückt. und fanden ſein Befinden trefflich. Nach den Audienzen unternahm der Kaiſer einen Spaziergang im Kammergarten. Die Wiederaufnahme der deutſch-czechiſchen Ausgleichsverhandlungen. Auflöſung des Landtages in Sicht. Wien, 4. Juni. Die „Deutſchna.. Korr.“ meldet: Nach den Aeußerungen eines wohlinformierten deutſch-böhmiſchen Politikers ſollen die deutſch-czechiſchen Ausgleichsverhandlungen zu Beginn des Herbſtes wieder aufgenommen werden und zwar werden diesmal die Verhandlungen unter dem Druck der materiellen Forderungen der Lehrerſchaft ſtehen. Von der- ſelben Seite wird verſichert, daß im Falle auch dieſe Konferenzen ohne poſitives Ergebnis verlaufen ſollten, die Auflöſung des Landtages erfolgen wird. Die Reiſe König Peters nach Paris. KB. Belgrad, 5. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Einer halbamtlichen Mitteilung zufolge, beſchloß heute der Miniſterrat in einer Sitzung die Reiſe des Kö- nigs nach Paris aus ſtaatsgeſchäftlichen Gründen bis zum Herbſt zu verſchieben. Zur bevorſtehenden Krönung des Königs von England. Ein Handſchreiben des Sultans. KB. Konſtantinopel, 5. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Geſtern reiſte der Thronfolger ab, um dem König von England ein Handſchreiben des Sultans zu überbringen. Eine abbeſtellte Huldigungsdeputation. Paris, 4. Juni Mehreren Blättern zufolge ließ die engliſche Regierung dem hier weilenden marokkaniſchen Miniſter des Aeußern, El Mokri, der als Vertreter des Sultans den Londoner Krönungsfeierlichkeiten beiwohnen ſollte, durch die hieſige Botſchaft mitteilen, daß die Anweſenheit der marokkaniſchen Abordnung bei den Londoner Feſtlichkeiten nicht erwünſcht ſei. Der Schritt wird damit begründet, daß die Grauſamkeiten, die die von franzöſiſchen Offizieren befehligte ſcherifiſche Mahalla — namentlich bei den letzten Ausfällen — gegen Weiber und Kinder beging, als entehrend für die Regierung des Sultans angeſehen würden. Es ſei zu befürchten, daß die öffentliche Meinung Englands den Vertretern Mulay Haſids einen un- freundlichen Empfang bereite, was man aus Courtoiſie ver- meiden möchte. Ruſſiſche Rüſtungen. Wien, 4. Juni. Zuverläſſige Petersburger Nachrichten melden eine große Beſchleunigung der ruſſiſchen Rüſtungen. Die Flotte ſoll über das bisherige Bau- programm hinaus um vier Dreadnonghts von 22.000 Tonnen vermehrt werden. Da die ruſſiſchen Werke allein die Lieferungen nicht beſtreiten können, ſoll die Fabrik Skoda in Pilſen große Gußſtahllieferungen und Krupp die Lieferung von Haubitzen ſchwerſten Kalibers erhalten. Die Befeſtigungen am Schwarzen Meere ſollen ſtark ausgebaut werden. Petersburg, 4. Juni. China will die Erneuerung des ruſſiſch-chineſiſchen Vertrages vom Jahre 1881 in der von Rußland gewollten Form nicht annehmen. Rußland. KB. Petersburg, 6. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der Miniſterrat ſprach ſich gelegentlich der Beratung über die Organiſation der Kreditgewährung an Städte und Semſtwos für die Gründung einer beſonderen Staatsbank zur Erreichung dieſes Zweckes, aus. Petersburg, 5. Juni. Dem Senat iſt in den letzten Tagen die umfangreiche Vorlage der Regierung zugegangen auf Aufhebung des finniſchen Generalgouvernements und die Ein- ſetzung eines kaiſerlichen Statthalters in Helfingfors. Rumänien. Feierliche Eröffnung des neuen Bukareſter Handels- kammergebäudes. KB. Bukareſt, 5. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) In Gegenwart des Königs, der Miniſters und der Be- hörden fand heute die Eröffnung des neuen Handels- kammergebäudes ſtatt. Der König hielt eine Anſprache, in welcher die Tätigkeit der Handelskammer gewürdigt und der Wunſch ausgeſprochen wird, daß die Handelskammer ein lebendi- ges Beiſpiel patriotiſcher Bemühungen auf dem Gebiete des Handels und der Induſtrie werde und ihre Tätigkeit auf wirtſchaftlichem Gebiete ſtets von dem allgemeinen Intereſſe des Landes inſpiriert und fruchtbar ſei. Bewaffnete Zuſammenſtöße an der griechiſch- türkiſchen Grenze. Vier türkiſche Soldaten getötet. KB. Paris, 6. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg“.) Die „Agence Havas“ meldet aus Athen: An der Grenze kam es zu einem Zuſammenſtoß zwiſchen griechiſchen und türkiſchen Soldaten. Vier türkiſche Soldaten wurden getötet. Ein zweiter Zwiſchenfall. KB. Cetiuje, 6. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Am 2. Juni ſchoß ein türkiſcher Poſten auf einen Montenegriner in Uikitſch. 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Ztg.“) In Prenitza (Bezirk Köprülü) wurden ſeitens der Behör- den 42 Kilogramm Dynamit ſowie Werkzeuge zur Herſtellung von Bomben entdeckt. Eine Anzahl von Bulgaren wurde verhaftet. Die Reiſe des Sultans nach Macedonien und Albanien. KB. Konſtantinopel, 5. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der Sultan iſt heute nachmittags auf dem Seewege nach Saloniki abgereiſt und wurde von der Be- völkerung ſtürmiſch akklamiert. In Begleitung des Sultans be- finden ſich deſſen zwei Söhne, der Großveſier, der Marineminiſter, der Miniſter des Innern, der Unterrichtsminiſter, der frühere Finanzminiſter Dſchawid und zahlreiche Hofwürdenträger. Der Kriegsminiſter, der den Sultan hätte be- gleiten ſollen, verſchob im letzten Momente die Reiſe, wie verlautet, auf einen ſpäteren Zeitpunkt. Der Aufſtand in Albanien. Ein Erfolg drr Aufſtändiſchen. KB. Saloniki, 6. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Die Rebellen nahmen das kleine Fort von Leſch ein, welches von ungefähr 100 Soldaten verteidigt war. Sie bedrohten die Ortſchaft, zerſtörten die Telegraphen- leitung zwiſchen Leſch-Skutari und Tirana, wurden aber nach längerem Kampfe durch das Militär und die bewaffnete Be- völkerung unter empfindlichen Verluſten vertrieben. Spaniſche Truppentrausporte nach Marokko. KB. Madrid, 4. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Infolge der Bewegung in der Umgebung von Elkſar und Laraſch ſind die Kriegsſchiffe „Admirante Lobo“ und „Cataluna“, mit ungefähr 200 Mann Marine-Infan- terie am Bord nach Laraſch abgegangen. Die Schiffe müſſen bereits in Laraſch eingetroffen ſein, wo die Trup- pen jedoch nur ausgeſchifft werden, wenn der ſpaniſche Konſul es für nötig hält. Kompetenzkonflikt zwiſchen Kammer und Senat. KB. Konſtantinopel, 4. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Die Nachtſitzung der Kammer und des Senats dauerte abwechſelnd bis über 4 Uhr morgens. Die Kam- mer beſtand auf dem Rechte der ausſchließlichen Kompe- tenz, über Budgetfragen zu entſcheiden. Schließlich lehnte es der Senat ab, weiter darüber zu beraten, worauf der Großvezier das Dekret, womit die Seſſion des Parlaments geſchloſſen wird, verlas. Die ſtrittigen Artikel des Budget- geſetzes bleiben offen. Stellungnahme der „Temps.“ KB. Paris, 4. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der „Temps“ unterzieht die ſpaniſchen Beſtrebungen in Ma- rokko einer ſehr ſcharfen Kritik und ſchreibt: Es unterliegt nunmehr keinem Zweifel, daß ſich die Spanier bei ihren Unternehmungen in Marokko von einer franzoſenfeind- lichen Eiferſucht leiten laſſen, welche mit den in den Verträgen vorgeſehenen Zuſammenwirken nichts gemein hat. Dieſe Verträge ſind übrigens durch die Art und Weiſe wie ſie Spanien auslegt, ein zweiſchneidige Waffe. Die ſpaniſche Regierung würde, bevor die Verletzung der In- tegrität Marokkos zu weit geht, gut daran tun, den Ar- tikel 123 der Algercirasakte zu leſen, worauf im Falle des Widerſtandes zwiſchen Beſtimmungen der früheren Ver- träge und der Algecirasakte die Beſtimmungen der Letz- teren überwiegen. Perſien. Etufall eines Kurdenheeres unter Führung eines Thronprätendenten. KB. Täbris, 6. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der Bruder des früheren Schah, Salar ed Danleh iſt an der Spitze eines großen Kurdenheeres aus Sakis in Bukan eingerückt, von wo er über Miandoab nach Maraga zu ziehen beabſichtigt, Die Bewohner von Maraga haben tele- graphich von Teheran Hilfe erbeten und befeſtigen eiligſt die Stadt. Kurze Nachrichten. KB. Wien, 5. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der Profeſſor der Geologie Dr. Viktor Uhlig iſt geſtern in Karlsbad geſtorben.

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2216, Czernowitz, 07.06.1911, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer2216_1911/2>, abgerufen am 21.11.2024.