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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2329, Czernowitz, 24.10.1911.

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Czernowitzer Allgemeine Zeitung 24 Oktober 1911.

[Spaltenumbruch]

-- da durften Sie wirklich unter dem Schutze der Immu-
nität verleumden! Es war Ihnen geglückt, auszukneifen.

Angesichts dieser Tatsachen bringen Sie die Verwe-
genheit auf, mir vorzuwerfen, daß ich mich aus dem Ge-
richtssaale flüchte? Habe ich nicht alle Artikel, die Sie per-
sönlich betrafen, mit vollem Namen gezeichnet und habe
ich mich nicht Herrn Aurel von Onciul, trotzdem meine
Unterschrift fehlte, im Gerichtssaale selbst gestellt? Oder
hätte ich etwa wegen des öden Geschimpfes, das Sie unter
dem Schutze der Anonymität und Immunität über mich
veröffentlichten, zu den Geschworenen laufen sollen?
Fürwahr, wackerer Streiter, Sie machen sich lächerlich. Ich
bekleide kein einziges öffentliches Amt, verwalte nicht
öffentliche Angelegenheiten und öffentliche Gelder, und
wer sich durch mich irgendwie geschädigt erachtet, fordere
mich vor den Zivil- oder Strafrichter. Sie verstehen ja
das Denunzieren meisterhaft, zeigen Sie mich nur getrost
an. Ich werde für die begangenen Verbrechen Sühne lei-
sten müssen. Daß die Richter mit mir beileibe keine Aus-
nahme machen, konnten Sie ja in Ihrem Blatte vor nicht
langer Zeit triumphierend melden, als ich auf eine mir
zugefügte Beschimpfung mit einem heftigen Worte er-
widerte und mir deswegen eine Strafe von sechshundert
Kronen rechtskräftig zudiktiert wurde.

Wie steht es aber mit Ihrer Vorliebe für den Ge-
richtssaal, ehrenfester Herr Dr. Straucher? Daß Sie als
Angeklagter auszukneifen belieben, habe ich mir bereits
erlaubt, Ihnen freundlichst in Erinnerung zu bringen.
Und als Ankläger und Retter Ihrer Ehre? Kennen Sie
Herrn Adolf Wallstein? Es ist der nämliche Herr Adolf
Wallstein, den Sie im Czernowitzer Gemeinderate jetzt
mit "verehrter Herr Kollega" ansprechen. Dieser Adolf
Wallstein hatte in einem Zeitungsartikel behauptet, Sie
seien kein Ehrenmann. Sie wurden gedrängt zu klagen
und waren unvorsichtig genug, diesem Drängen nachzu-
geben. Was weiter geschah, das niederzuschreiben sträubt
sich meine Feder. Herr Adolf Wallstein bot einen Wahr-
heitsbeweis an, in welchem Ihnen die diffamierendsten
Taten, auch strafgesetzlich in hohem Maße verpönte, (aller-
dings nicht solche, zu deren Begehung auch ein gewisser
persönlicher Mut gehört) vorgeworfen wurden. Sie wur-
den, als die Untersuchung sich verzögerte, wild und be-
schwerten sich darüber im Strafgerichtspräsidium. Ein
neuer, äußerst tüchtiger Untersuchungsrichter erhielt die
Sache zugewiesen. Alle Beweise, auch Ihre Gegenbeweise
(sie lauteten zumeist: Beweis Privatankläger Dr. Strau-
cher als Zeuge) wurden sorgfältig erhoben, und als alles
fertig war und Ihre lieben Freunde überall erzählten,
Sie würden bald stolz erhobenen Hauptes in den Gerichts-
saal treten, -- erinnern Sie sich noch des schönen Tages?
-- gingen Sie hin und schrieben in einer Eingabe an den
Untersuchungsrichter, daß Sie "aus Gesundheitsrücksich-
ten" von der Anklage zurücktreten. Sollten Sie da nicht
ein klein wenig aus dem Gerichtssaale geflohen sein?
Aber Krankheit ist Krankheit, und die Gesundheit ist eine
kostbare Sache, die man nicht aufs Spiel setzen kann und
Sie entschlossen sich deshalb, Ihre bürgerliche Ehre auf
dem Altar Ihrer Gesundheit zu opfern. Sie erholten sich
aber glücklicher Weise recht bald und Sie erfreuten sich
-- der Himmel schenke sie Ihnen noch recht lange! --
einer blühenden Gesundheit, als Ihnen in dem Kampfe,
der zu Ihrer politischen Niederwerfung führte, neuerlich
unerhörte Dinge öffentlich und zumeist mit voller Na-
mensfertigung vorgeworfen wurden. Ich lese diese Sachen
nur sporadisch und auch da nur sehr flüchtig, ich erinnere
mich aber noch recht deutlich, wie Ihnen klar und unum-
wunden gesagt wurde, daß Sie als "Anwalt" der Spar-
kasse diese selbst und die Parteien (darunter namentlich
kleine Beamte) ausplündern, daß Sie Kultussteuergelder
zu Ihren persönlichen Agitationszwecken verwenden, daß
Sie, als eine Revision der Kultusgemeinde drohte, bei
Nacht hinter verschlossenen Türen Bücher "anlegen" und
präparieren ließen; man sagte, daß es mit der Verwal-
tung des Pensionsfonds der Kultusgemeinde nicht ganz
in Ordnung sei, man brachte Sie mit der sogenannten
Schaueraffäre in einen sehr intimen Zusammenhang,
man rechnete Ihnen ungerechtfertigten Gewinn aus
öffentlichen Geldern vor, kurz man bezüchtigte Sie der
Habgier, des Vertrauensmißbrauches und anderer ganz
abscheulicher Dinge und forderte Sie auf, zu klagen. Sie
taten es nicht. Und nun sagen Sie es doch selbst: Wer flüch-
tet sich aus dem Gerichtssaale -- ich, der Privatmann, der
niemand Rede und Antwort zu stehen hat, oder Sie, der
ehren- und stellenreichste Mann Europas? So sagen Sie
es doch. Sie werden keine befriedigende Antwort erteilen.

Ich sehe auf meine Uhr und finde, daß die Stunde,
die ich Ihnen in einer heiteren Laune widmen wollte,
(obwohl ich mit Ihnen schon längst fertig geworden bin)
beinahe vorüber ist. Weil es aber der allerletzte Brief ist,
den ich Ihrer geneigten Lektüre unterbreite, so sei ihm
auch die Länge verziehen. Ich hoffe übrigens bald zum
Schlusse zu gelangen. Was sollte ich übrigens noch sagen?
Soll ich an Ihrem politischen Grabe Jubelhymnen an-
stimmen, oder soll ich noch einmal das wiederholen, was
ich von Ihrer gottseligen politischen Wirksamkeit zu sagen
wußte? Soll ich darauf hinweisen, daß Sie gleich einer
alten Kokotte, deren Reize schon abgestorben sind, sich
Jedermann an den Hals zu werfen suchen und jüngst
wieder die hungrigen Magen der Beamten mit fetten,
aber übelriechenden Phrasen füllten? Soll ich auf Ihre
abgeschmackten und wirkungslosen demagogischen Künste
hinweisen? Wer hat sie nicht als solche erkannt und wer
beachtet sie noch? Fragen Sie doch "Ihre" Magistratsbe-
amten, ob sie nicht wissen, daß Sie ja gerne die Gehälter
erhöhen und das Zeitavancement zugestehen wollen, aber
-- wie sagen Sie nur2 -- richtig: der Flemminger will
nicht und Sie können gegen ihn nichts ausrichten. Soll
ich Ihnen andererseits noch von mir erzählen, daß ich
in aufreibender Arbeit einen anständigen bürgerlichen
Erwerb finde, obwohl Sie meinen Klienten auf der Gasse
[Spaltenumbruch] die Vernichtung androhen, wenn sie in meiner Kanzlei
weiter arbeiten sollten und daß ich mit meinem Los zu-
frieden bin, obwohl ich einen sehr großen Teil meines
Einkommens (meine Freunde sagen: in sträflichem
Leichtsinn) für Verwandte und Fremde aufopfere und
mir so immer neue Sorgen aufhäufe, -- das alles zu er-
fahren halte ich Sie nicht für würdig. Ich habe Ihnen
übrigens schon einmal gesagt, daß mich beispielsweise das
Judentum ebenso viel kostet, als es Ihnen abwirft. Aber
richtig! Sie sollen ja auch angedeutet haben, daß ich mit
Depotgeldern und Wechseln irgendwie unredlich vorgehe.
Nun denn: Ich will mit Ihnen noch einmal den letzten Ver-
such machen. Ich klage Sie noch einmal ein. Sollten Sie
nicht selbst für Ihre Auslieferung sorgen, ehe die Ver-
jährungsfrist abgelaufen ist, so .... Doch nein, Zorn
ist ein viel zu edles Gefühl für Sie. Die Blutwelle ist
schon abgelaufen. Aber ich kann nicht umhin, Ihnen zu
bemerken, daß Sie im Falle neuerlichen Auskneifens auch
den Anspruch auf meine Verachtung verwirkt haben wer-
den. Bis dahin und auch noch später können Sie also über
mich schreiben, was Sie wollen, ich werde mich durch Sie
nie mehr beleidigt erachten.




Vom Tage.


Herrenhaus.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Zu Beginn der Sitzung bringt der Präsident Fürst Win-
dischgrätz
die wärmsten Segenwünsche des Hauses
anläßlich der Hochzeit im Kaiserhause zum Ausdruck.

Ueber Antrag des Fürsten Schönburg wird eine
ständige 21gliedrige Kommission zur Beratung der Teu-
erungsfrage
gewählt.

Die auf der Tagesordnung stehenden Gesetzentwürfe
wurden den Ausschüssen zugewiesen, worauf die Sitzung
geschlossen wurde.




Czechische Ministerkandidaten.

Vorgestern fanden hier zahlreiche
Besprechungen führender czechischer Politiker statt. Die
Besprechungen galten der bevorstehenden Rekonstruktion
des Kabinetts und den Vorschlägen des Ministerpräsiden-
ten an die czechische Delegation. Wie verlautet, hat der
gewesene Ackerbauminister Hofrat Prof. Dr. Braf eine
an ihn ergangene Aufforderung zum Eintritt ins Ka-
binett als Ackerbauminister mit Rücksicht auf seinen Ge-
sundheitszustand abgelehnt. Es wurde weiter das Gerücht
kolportiert, daß Vizepräsident Vojacek zum czechischen
Landsmannminister designiert und als sein Nachfolger
Hofrat Kosina ausersehen sei.




Die Fleischverhandlungen mit Ungarn.

Morgen (Montag) werden in
Budapest die Verhandlungen über die Zulassung von
Fleischimporten nach Oesterreich wieder aufgenommen, zu
welchem Zwecke sich die österreichischen Delegierten nach
Budapest begeben. Es ist anzunehmen, daß die mehrmo-
natlichen Verhandlungen, die teils in Wien, teils in Buda-
pest geführt wurden, in naher Zeit zur Entscheidung kom-
men werden. Mittlereweile hat der Import von Fleisch aus
Serbien begonnen.




Die Reichsratsergänzungswahlen in
Zloczow.

Im hiesigen Wahlkreise wur-
den bisher folgende Kandidaturen angemeldet: Exminister
Dr. Dulemba, Dr. Starzynski, Dr. Gold,
Reizes
und Dr. Mahler (Zionist). Bekanntlich fin-
det die bezügliche Reichsratsergänzungswahl am 28. d. M.
statt.




Der Ruthenenklub

Die hiesige "Slawische Korres-
pondenz" veröffentlicht folgendes Kommuniquee: In der
gestrigen Sitzung des Ruthenenklubs erstattete das Prä-
sidium Bericht über seine letzten Beratungen mit Baron
Gautsch. Darauf fand hierüber eine Debatte statt, wo-
bei sämtliche Mitglieder des Klubs feststellten, daß die
Stellungnahme der Regierung zur ruthenischen Frage die
Ruthenen nicht befriedigen könne. Die Ruthenen fordern
die alsbaldige Befriedigung der begründeten ruthenischen
Postulate und können darauf nicht eingehen, daß die
Erfüllung dieser Postulate von einer Verständigung mit
dem Polenklub oder von dem Zustandekommen des pol-
nisch-ruthenischen Ausgleichs abhängig gemacht werde. In-
folge dieses Verhaltens der Regierung werden die Ruthe-
nen im Parlamente in der Opposition verharren und dem-
gemäß in der Budgetdebatte auftreten.




Die Rumänen in Ungarn.

Der Kultusminister pflog
eifrige Unterhandlungen mit dem Bischof von Arad be-
züglich der Einführung einer gemeinschaftlichen Kontrolle
der religiösen Institutionen. In der Plenarsitzung des
Konsistoriums verkündete der Bischof Pap, daß von nun
an die Priester nicht mehr Schulinspektoren ihres Spren-
[Spaltenumbruch] gels sein dürfen, sondern daß spezielle Schulinspektoren
für die Durchführung der religiösen Institutionen ernannt
werden.




Die deutsch-französischen Verhandlungen.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Bei dem heute abends stattgefundenen Jahresbankett der
englischen Handelskammer in Paris hielt der General-
postmeister Samuel eine Rede, in welcher er in formel-
ler Weise in Abrede stellte, daß England im Laufe der
deutsch-französischen Marokkoverhandlungen Schwierig-
keiten hervorzurufen trachtete, um eine definitive Rege-
lung zu hindern und daß es sich in keiner Weise in die
deutsch-französischen Verhandlungen eingemengt habe.
Die englische Regierung habe stets aufrichtig eine rasche
und ehrenhafte Lösung der Marokkofrage gewünscht.




König Peter in Paris.

Die Reise des Königs von Ser-
bien nach Paris ist für den 9. November festgesetzt. Der
Aufenthalt in Paris ist auf drei Tage in Aussicht genom-
men. Der König wird vom Ministerpräsidenten Milowa-
nowitsch begleitet.




Der italienisch-türkische Krieg.
Die Einnahme von Homs.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Die "Agenzia Stefani" meldet aus Tripolis unterm
21. Oktober: Die Beschießung Homs forderte unter der
Bevölkerung keine Opfer. Heute wurde auf der Citadelle
die italienische Fahne gehißt. Die Landung der Truppen
und Kriegsmaterial dauert fort.

Die Cholera unter den italienischen Truppen. -- 260
Todesfälle.
KB. (Tel. der "Cz. Allg.
Ztg.")

Nach Meldungen der Blätter wütet die Cholera
unter den italienischen Truppen fort. Seit Beginn des
Krieges kamen 260 Todesfälle an Cholera vor.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Der "Agenzia Stefani" wird aus Tripolis unter dem
21. d. gemeldet: Gestern war hier das Gerücht verbreitet,
daß die Türken einen neuerlichen Angriff auf die Stel-
lungen der Italiener unternommen haben. Dieses Gerücht
entbehrt jedoch jeder Grundlage; es herrscht hier voll-
kommene Ruhe. Etwa 400 Kriegsgefangene wurden an
Bord des Dampfers "Nilo" gebracht, der nach Neapel ab-
gehen soll. Einige Eingeborene, die gegen italienische Pa-
tronillen feindselige Handlungen begangen haben, wurden
verhaftet.

Friedensaussichten?

Wie versichert wird, soll
der Minister des Aeußern in den Wandelgängen der
Kammer erklärt haben, daß der Frieden nahe bevorstehe
und unter für die Türkei befriedigenden Bedingungen er-
folgen wird.

"Echo de Paris" berichtet aus
Rom: Rifaat Pascha, der türkische Botschafter in Paris,
soll von seiner Regierung beauftragt worden sein, die
Friedenspräliminarien einzuleiten.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Entgegen den Irrtümern auswärtiger und deutscher Blät-
ter, stellt die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" fest, daß
Freiherr von Marschall keineswegs zu einem möglichst
raschen Friedensschluß unter bedingungs-
losen Verzicht auf Tripolis gedrängt, sich vielmehr dar-
auf beschränkt habe, die Absichten der Pforte zu erkunden
und ihre Mitteilungen entgegenzunehmen. Unter diesen
Mitteilungen befanden sich auch Wünsche wegen einer Ver-
mittlung. Da ihnen jedoch keine positiven Vorschläge der
Pforte zugrunde lagen, konnte Freiherr von Marschall
nicht auf sie eingehen.

Die Stellungnahme des Vatikans.

"Osservatore Romano" schreibt:
Mehrere Blätter, die sich zu den katholischen rechnen, so-
wie mehrere Redner, Geistliche wie Laien, äußern sich in
einer Besprechung des italienisch-türkischen Konflikts auf
eine Art und Weise, die fast an einem heiligen Krieg glau-
ben läßt, der im Namen und mit Unterstützung von Reli-
gion und Kirche unternommen wäre. Wir sind ermächtigt,
zu erklären, daß der heilige Stuhl nicht nur keine Verant-
wortlichkeit für diese Auslegungen übernimmt, sondern sie
nicht billigen kann, und sie bedauert, da er außerhalb des
gegenwärtigen Konflikts bleiben muß.

Die angeblichen Bündnispläne der Türkei.

Hinter den Kulissen
der hohen Politik wird sehr aktiv gearbeitet. Die Andeu-
tung des Großveziers, die Türkei wolle Anschluß an eine
der beiden großen europäischen Mächtegruppen suchen,
veranlaßte heute sowohl den deutschen wie den österreichi-
schen Botschafter, den Großvezier aufzusuchen. Freiherr
Marschall konferierte mit ihm fast zwei Stunden. Darauf
sprachen beide Botschafter mit dem Minister des Aeußern.
Said Pascha soll erklärt haben, seine Aeußerung vor der
Kammer sei ein Versuchsballon gewesen. Von anderer
Seite wird behauptet, der Großvezier pflege eifrige Ver-

Czernowitzer Allgemeine Zeitung 24 Oktober 1911.

[Spaltenumbruch]

— da durften Sie wirklich unter dem Schutze der Immu-
nität verleumden! Es war Ihnen geglückt, auszukneifen.

Angeſichts dieſer Tatſachen bringen Sie die Verwe-
genheit auf, mir vorzuwerfen, daß ich mich aus dem Ge-
richtsſaale flüchte? Habe ich nicht alle Artikel, die Sie per-
ſönlich betrafen, mit vollem Namen gezeichnet und habe
ich mich nicht Herrn Aurel von Onciul, trotzdem meine
Unterſchrift fehlte, im Gerichtsſaale ſelbſt geſtellt? Oder
hätte ich etwa wegen des öden Geſchimpfes, das Sie unter
dem Schutze der Anonymität und Immunität über mich
veröffentlichten, zu den Geſchworenen laufen ſollen?
Fürwahr, wackerer Streiter, Sie machen ſich lächerlich. Ich
bekleide kein einziges öffentliches Amt, verwalte nicht
öffentliche Angelegenheiten und öffentliche Gelder, und
wer ſich durch mich irgendwie geſchädigt erachtet, fordere
mich vor den Zivil- oder Strafrichter. Sie verſtehen ja
das Denunzieren meiſterhaft, zeigen Sie mich nur getroſt
an. Ich werde für die begangenen Verbrechen Sühne lei-
ſten müſſen. Daß die Richter mit mir beileibe keine Aus-
nahme machen, konnten Sie ja in Ihrem Blatte vor nicht
langer Zeit triumphierend melden, als ich auf eine mir
zugefügte Beſchimpfung mit einem heftigen Worte er-
widerte und mir deswegen eine Strafe von ſechshundert
Kronen rechtskräftig zudiktiert wurde.

Wie ſteht es aber mit Ihrer Vorliebe für den Ge-
richtsſaal, ehrenfeſter Herr Dr. Straucher? Daß Sie als
Angeklagter auszukneifen belieben, habe ich mir bereits
erlaubt, Ihnen freundlichſt in Erinnerung zu bringen.
Und als Ankläger und Retter Ihrer Ehre? Kennen Sie
Herrn Adolf Wallſtein? Es iſt der nämliche Herr Adolf
Wallſtein, den Sie im Czernowitzer Gemeinderate jetzt
mit „verehrter Herr Kollega“ anſprechen. Dieſer Adolf
Wallſtein hatte in einem Zeitungsartikel behauptet, Sie
ſeien kein Ehrenmann. Sie wurden gedrängt zu klagen
und waren unvorſichtig genug, dieſem Drängen nachzu-
geben. Was weiter geſchah, das niederzuſchreiben ſträubt
ſich meine Feder. Herr Adolf Wallſtein bot einen Wahr-
heitsbeweis an, in welchem Ihnen die diffamierendſten
Taten, auch ſtrafgeſetzlich in hohem Maße verpönte, (aller-
dings nicht ſolche, zu deren Begehung auch ein gewiſſer
perſönlicher Mut gehört) vorgeworfen wurden. Sie wur-
den, als die Unterſuchung ſich verzögerte, wild und be-
ſchwerten ſich darüber im Strafgerichtspräſidium. Ein
neuer, äußerſt tüchtiger Unterſuchungsrichter erhielt die
Sache zugewieſen. Alle Beweiſe, auch Ihre Gegenbeweiſe
(ſie lauteten zumeiſt: Beweis Privatankläger Dr. Strau-
cher als Zeuge) wurden ſorgfältig erhoben, und als alles
fertig war und Ihre lieben Freunde überall erzählten,
Sie würden bald ſtolz erhobenen Hauptes in den Gerichts-
ſaal treten, — erinnern Sie ſich noch des ſchönen Tages?
— gingen Sie hin und ſchrieben in einer Eingabe an den
Unterſuchungsrichter, daß Sie „aus Geſundheitsrückſich-
ten“ von der Anklage zurücktreten. Sollten Sie da nicht
ein klein wenig aus dem Gerichtsſaale geflohen ſein?
Aber Krankheit iſt Krankheit, und die Geſundheit iſt eine
koſtbare Sache, die man nicht aufs Spiel ſetzen kann und
Sie entſchloſſen ſich deshalb, Ihre bürgerliche Ehre auf
dem Altar Ihrer Geſundheit zu opfern. Sie erholten ſich
aber glücklicher Weiſe recht bald und Sie erfreuten ſich
— der Himmel ſchenke ſie Ihnen noch recht lange! —
einer blühenden Geſundheit, als Ihnen in dem Kampfe,
der zu Ihrer politiſchen Niederwerfung führte, neuerlich
unerhörte Dinge öffentlich und zumeiſt mit voller Na-
mensfertigung vorgeworfen wurden. Ich leſe dieſe Sachen
nur ſporadiſch und auch da nur ſehr flüchtig, ich erinnere
mich aber noch recht deutlich, wie Ihnen klar und unum-
wunden geſagt wurde, daß Sie als „Anwalt“ der Spar-
kaſſe dieſe ſelbſt und die Parteien (darunter namentlich
kleine Beamte) ausplündern, daß Sie Kultusſteuergelder
zu Ihren perſönlichen Agitationszwecken verwenden, daß
Sie, als eine Reviſion der Kultusgemeinde drohte, bei
Nacht hinter verſchloſſenen Türen Bücher „anlegen“ und
präparieren ließen; man ſagte, daß es mit der Verwal-
tung des Penſionsfonds der Kultusgemeinde nicht ganz
in Ordnung ſei, man brachte Sie mit der ſogenannten
Schaueraffäre in einen ſehr intimen Zuſammenhang,
man rechnete Ihnen ungerechtfertigten Gewinn aus
öffentlichen Geldern vor, kurz man bezüchtigte Sie der
Habgier, des Vertrauensmißbrauches und anderer ganz
abſcheulicher Dinge und forderte Sie auf, zu klagen. Sie
taten es nicht. Und nun ſagen Sie es doch ſelbſt: Wer flüch-
tet ſich aus dem Gerichtsſaale — ich, der Privatmann, der
niemand Rede und Antwort zu ſtehen hat, oder Sie, der
ehren- und ſtellenreichſte Mann Europas? So ſagen Sie
es doch. Sie werden keine befriedigende Antwort erteilen.

Ich ſehe auf meine Uhr und finde, daß die Stunde,
die ich Ihnen in einer heiteren Laune widmen wollte,
(obwohl ich mit Ihnen ſchon längſt fertig geworden bin)
beinahe vorüber iſt. Weil es aber der allerletzte Brief iſt,
den ich Ihrer geneigten Lektüre unterbreite, ſo ſei ihm
auch die Länge verziehen. Ich hoffe übrigens bald zum
Schluſſe zu gelangen. Was ſollte ich übrigens noch ſagen?
Soll ich an Ihrem politiſchen Grabe Jubelhymnen an-
ſtimmen, oder ſoll ich noch einmal das wiederholen, was
ich von Ihrer gottſeligen politiſchen Wirkſamkeit zu ſagen
wußte? Soll ich darauf hinweiſen, daß Sie gleich einer
alten Kokotte, deren Reize ſchon abgeſtorben ſind, ſich
Jedermann an den Hals zu werfen ſuchen und jüngſt
wieder die hungrigen Magen der Beamten mit fetten,
aber übelriechenden Phraſen füllten? Soll ich auf Ihre
abgeſchmackten und wirkungsloſen demagogiſchen Künſte
hinweiſen? Wer hat ſie nicht als ſolche erkannt und wer
beachtet ſie noch? Fragen Sie doch „Ihre“ Magiſtratsbe-
amten, ob ſie nicht wiſſen, daß Sie ja gerne die Gehälter
erhöhen und das Zeitavancement zugeſtehen wollen, aber
— wie ſagen Sie nur2 — richtig: der Flemminger will
nicht und Sie können gegen ihn nichts ausrichten. Soll
ich Ihnen andererſeits noch von mir erzählen, daß ich
in aufreibender Arbeit einen anſtändigen bürgerlichen
Erwerb finde, obwohl Sie meinen Klienten auf der Gaſſe
[Spaltenumbruch] die Vernichtung androhen, wenn ſie in meiner Kanzlei
weiter arbeiten ſollten und daß ich mit meinem Los zu-
frieden bin, obwohl ich einen ſehr großen Teil meines
Einkommens (meine Freunde ſagen: in ſträflichem
Leichtſinn) für Verwandte und Fremde aufopfere und
mir ſo immer neue Sorgen aufhäufe, — das alles zu er-
fahren halte ich Sie nicht für würdig. Ich habe Ihnen
übrigens ſchon einmal geſagt, daß mich beiſpielsweiſe das
Judentum ebenſo viel koſtet, als es Ihnen abwirft. Aber
richtig! Sie ſollen ja auch angedeutet haben, daß ich mit
Depotgeldern und Wechſeln irgendwie unredlich vorgehe.
Nun denn: Ich will mit Ihnen noch einmal den letzten Ver-
ſuch machen. Ich klage Sie noch einmal ein. Sollten Sie
nicht ſelbſt für Ihre Auslieferung ſorgen, ehe die Ver-
jährungsfriſt abgelaufen iſt, ſo .... Doch nein, Zorn
iſt ein viel zu edles Gefühl für Sie. Die Blutwelle iſt
ſchon abgelaufen. Aber ich kann nicht umhin, Ihnen zu
bemerken, daß Sie im Falle neuerlichen Auskneifens auch
den Anſpruch auf meine Verachtung verwirkt haben wer-
den. Bis dahin und auch noch ſpäter können Sie alſo über
mich ſchreiben, was Sie wollen, ich werde mich durch Sie
nie mehr beleidigt erachten.




Vom Tage.


Herrenhaus.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Zu Beginn der Sitzung bringt der Präſident Fürſt Win-
diſchgrätz
die wärmſten Segenwünſche des Hauſes
anläßlich der Hochzeit im Kaiſerhauſe zum Ausdruck.

Ueber Antrag des Fürſten Schönburg wird eine
ſtändige 21gliedrige Kommiſſion zur Beratung der Teu-
erungsfrage
gewählt.

Die auf der Tagesordnung ſtehenden Geſetzentwürfe
wurden den Ausſchüſſen zugewieſen, worauf die Sitzung
geſchloſſen wurde.




Czechiſche Miniſterkandidaten.

Vorgeſtern fanden hier zahlreiche
Beſprechungen führender czechiſcher Politiker ſtatt. Die
Beſprechungen galten der bevorſtehenden Rekonſtruktion
des Kabinetts und den Vorſchlägen des Miniſterpräſiden-
ten an die czechiſche Delegation. Wie verlautet, hat der
geweſene Ackerbauminiſter Hofrat Prof. Dr. Braf eine
an ihn ergangene Aufforderung zum Eintritt ins Ka-
binett als Ackerbauminiſter mit Rückſicht auf ſeinen Ge-
ſundheitszuſtand abgelehnt. Es wurde weiter das Gerücht
kolportiert, daß Vizepräſident Vojacek zum czechiſchen
Landsmannminiſter deſigniert und als ſein Nachfolger
Hofrat Koſina auserſehen ſei.




Die Fleiſchverhandlungen mit Ungarn.

Morgen (Montag) werden in
Budapeſt die Verhandlungen über die Zulaſſung von
Fleiſchimporten nach Oeſterreich wieder aufgenommen, zu
welchem Zwecke ſich die öſterreichiſchen Delegierten nach
Budapeſt begeben. Es iſt anzunehmen, daß die mehrmo-
natlichen Verhandlungen, die teils in Wien, teils in Buda-
peſt geführt wurden, in naher Zeit zur Entſcheidung kom-
men werden. Mittlereweile hat der Import von Fleiſch aus
Serbien begonnen.




Die Reichsratsergänzungswahlen in
Zloczow.

Im hieſigen Wahlkreiſe wur-
den bisher folgende Kandidaturen angemeldet: Exminiſter
Dr. Dulemba, Dr. Starzynski, Dr. Gold,
Reizes
und Dr. Mahler (Zioniſt). Bekanntlich fin-
det die bezügliche Reichsratsergänzungswahl am 28. d. M.
ſtatt.




Der Ruthenenklub

Die hieſige „Slawiſche Korreſ-
pondenz“ veröffentlicht folgendes Kommuniquee: In der
geſtrigen Sitzung des Ruthenenklubs erſtattete das Prä-
ſidium Bericht über ſeine letzten Beratungen mit Baron
Gautſch. Darauf fand hierüber eine Debatte ſtatt, wo-
bei ſämtliche Mitglieder des Klubs feſtſtellten, daß die
Stellungnahme der Regierung zur rutheniſchen Frage die
Ruthenen nicht befriedigen könne. Die Ruthenen fordern
die alsbaldige Befriedigung der begründeten rutheniſchen
Poſtulate und können darauf nicht eingehen, daß die
Erfüllung dieſer Poſtulate von einer Verſtändigung mit
dem Polenklub oder von dem Zuſtandekommen des pol-
niſch-rutheniſchen Ausgleichs abhängig gemacht werde. In-
folge dieſes Verhaltens der Regierung werden die Ruthe-
nen im Parlamente in der Oppoſition verharren und dem-
gemäß in der Budgetdebatte auftreten.




Die Rumänen in Ungarn.

Der Kultusminiſter pflog
eifrige Unterhandlungen mit dem Biſchof von Arad be-
züglich der Einführung einer gemeinſchaftlichen Kontrolle
der religiöſen Inſtitutionen. In der Plenarſitzung des
Konſiſtoriums verkündete der Biſchof Pap, daß von nun
an die Prieſter nicht mehr Schulinſpektoren ihres Spren-
[Spaltenumbruch] gels ſein dürfen, ſondern daß ſpezielle Schulinſpektoren
für die Durchführung der religiöſen Inſtitutionen ernannt
werden.




Die deutſch-franzöſiſchen Verhandlungen.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Bei dem heute abends ſtattgefundenen Jahresbankett der
engliſchen Handelskammer in Paris hielt der General-
poſtmeiſter Samuel eine Rede, in welcher er in formel-
ler Weiſe in Abrede ſtellte, daß England im Laufe der
deutſch-franzöſiſchen Marokkoverhandlungen Schwierig-
keiten hervorzurufen trachtete, um eine definitive Rege-
lung zu hindern und daß es ſich in keiner Weiſe in die
deutſch-franzöſiſchen Verhandlungen eingemengt habe.
Die engliſche Regierung habe ſtets aufrichtig eine raſche
und ehrenhafte Löſung der Marokkofrage gewünſcht.




König Peter in Paris.

Die Reiſe des Königs von Ser-
bien nach Paris iſt für den 9. November feſtgeſetzt. Der
Aufenthalt in Paris iſt auf drei Tage in Ausſicht genom-
men. Der König wird vom Miniſterpräſidenten Milowa-
nowitſch begleitet.




Der italieniſch-türkiſche Krieg.
Die Einnahme von Homs.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Die „Agenzia Stefani“ meldet aus Tripolis unterm
21. Oktober: Die Beſchießung Homs forderte unter der
Bevölkerung keine Opfer. Heute wurde auf der Citadelle
die italieniſche Fahne gehißt. Die Landung der Truppen
und Kriegsmaterial dauert fort.

Die Cholera unter den italieniſchen Truppen. — 260
Todesfälle.
KB. (Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Nach Meldungen der Blätter wütet die Cholera
unter den italieniſchen Truppen fort. Seit Beginn des
Krieges kamen 260 Todesfälle an Cholera vor.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Der „Agenzia Stefani“ wird aus Tripolis unter dem
21. d. gemeldet: Geſtern war hier das Gerücht verbreitet,
daß die Türken einen neuerlichen Angriff auf die Stel-
lungen der Italiener unternommen haben. Dieſes Gerücht
entbehrt jedoch jeder Grundlage; es herrſcht hier voll-
kommene Ruhe. Etwa 400 Kriegsgefangene wurden an
Bord des Dampfers „Nilo“ gebracht, der nach Neapel ab-
gehen ſoll. Einige Eingeborene, die gegen italieniſche Pa-
tronillen feindſelige Handlungen begangen haben, wurden
verhaftet.

Friedensausſichten?

Wie verſichert wird, ſoll
der Miniſter des Aeußern in den Wandelgängen der
Kammer erklärt haben, daß der Frieden nahe bevorſtehe
und unter für die Türkei befriedigenden Bedingungen er-
folgen wird.

„Echo de Paris“ berichtet aus
Rom: Rifaat Paſcha, der türkiſche Botſchafter in Paris,
ſoll von ſeiner Regierung beauftragt worden ſein, die
Friedenspräliminarien einzuleiten.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Entgegen den Irrtümern auswärtiger und deutſcher Blät-
ter, ſtellt die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“ feſt, daß
Freiherr von Marſchall keineswegs zu einem möglichſt
raſchen Friedensſchluß unter bedingungs-
loſen Verzicht auf Tripolis gedrängt, ſich vielmehr dar-
auf beſchränkt habe, die Abſichten der Pforte zu erkunden
und ihre Mitteilungen entgegenzunehmen. Unter dieſen
Mitteilungen befanden ſich auch Wünſche wegen einer Ver-
mittlung. Da ihnen jedoch keine poſitiven Vorſchläge der
Pforte zugrunde lagen, konnte Freiherr von Marſchall
nicht auf ſie eingehen.

Die Stellungnahme des Vatikans.

„Oſſervatore Romano“ ſchreibt:
Mehrere Blätter, die ſich zu den katholiſchen rechnen, ſo-
wie mehrere Redner, Geiſtliche wie Laien, äußern ſich in
einer Beſprechung des italieniſch-türkiſchen Konflikts auf
eine Art und Weiſe, die faſt an einem heiligen Krieg glau-
ben läßt, der im Namen und mit Unterſtützung von Reli-
gion und Kirche unternommen wäre. Wir ſind ermächtigt,
zu erklären, daß der heilige Stuhl nicht nur keine Verant-
wortlichkeit für dieſe Auslegungen übernimmt, ſondern ſie
nicht billigen kann, und ſie bedauert, da er außerhalb des
gegenwärtigen Konflikts bleiben muß.

Die angeblichen Bündnispläne der Türkei.

Hinter den Kuliſſen
der hohen Politik wird ſehr aktiv gearbeitet. Die Andeu-
tung des Großveziers, die Türkei wolle Anſchluß an eine
der beiden großen europäiſchen Mächtegruppen ſuchen,
veranlaßte heute ſowohl den deutſchen wie den öſterreichi-
ſchen Botſchafter, den Großvezier aufzuſuchen. Freiherr
Marſchall konferierte mit ihm faſt zwei Stunden. Darauf
ſprachen beide Botſchafter mit dem Miniſter des Aeußern.
Said Paſcha ſoll erklärt haben, ſeine Aeußerung vor der
Kammer ſei ein Verſuchsballon geweſen. Von anderer
Seite wird behauptet, der Großvezier pflege eifrige Ver-

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[2/0002] Czernowitzer Allgemeine Zeitung 24 Oktober 1911. — da durften Sie wirklich unter dem Schutze der Immu- nität verleumden! Es war Ihnen geglückt, auszukneifen. Angeſichts dieſer Tatſachen bringen Sie die Verwe- genheit auf, mir vorzuwerfen, daß ich mich aus dem Ge- richtsſaale flüchte? Habe ich nicht alle Artikel, die Sie per- ſönlich betrafen, mit vollem Namen gezeichnet und habe ich mich nicht Herrn Aurel von Onciul, trotzdem meine Unterſchrift fehlte, im Gerichtsſaale ſelbſt geſtellt? Oder hätte ich etwa wegen des öden Geſchimpfes, das Sie unter dem Schutze der Anonymität und Immunität über mich veröffentlichten, zu den Geſchworenen laufen ſollen? Fürwahr, wackerer Streiter, Sie machen ſich lächerlich. Ich bekleide kein einziges öffentliches Amt, verwalte nicht öffentliche Angelegenheiten und öffentliche Gelder, und wer ſich durch mich irgendwie geſchädigt erachtet, fordere mich vor den Zivil- oder Strafrichter. Sie verſtehen ja das Denunzieren meiſterhaft, zeigen Sie mich nur getroſt an. Ich werde für die begangenen Verbrechen Sühne lei- ſten müſſen. Daß die Richter mit mir beileibe keine Aus- nahme machen, konnten Sie ja in Ihrem Blatte vor nicht langer Zeit triumphierend melden, als ich auf eine mir zugefügte Beſchimpfung mit einem heftigen Worte er- widerte und mir deswegen eine Strafe von ſechshundert Kronen rechtskräftig zudiktiert wurde. Wie ſteht es aber mit Ihrer Vorliebe für den Ge- richtsſaal, ehrenfeſter Herr Dr. Straucher? Daß Sie als Angeklagter auszukneifen belieben, habe ich mir bereits erlaubt, Ihnen freundlichſt in Erinnerung zu bringen. Und als Ankläger und Retter Ihrer Ehre? Kennen Sie Herrn Adolf Wallſtein? Es iſt der nämliche Herr Adolf Wallſtein, den Sie im Czernowitzer Gemeinderate jetzt mit „verehrter Herr Kollega“ anſprechen. Dieſer Adolf Wallſtein hatte in einem Zeitungsartikel behauptet, Sie ſeien kein Ehrenmann. Sie wurden gedrängt zu klagen und waren unvorſichtig genug, dieſem Drängen nachzu- geben. Was weiter geſchah, das niederzuſchreiben ſträubt ſich meine Feder. Herr Adolf Wallſtein bot einen Wahr- heitsbeweis an, in welchem Ihnen die diffamierendſten Taten, auch ſtrafgeſetzlich in hohem Maße verpönte, (aller- dings nicht ſolche, zu deren Begehung auch ein gewiſſer perſönlicher Mut gehört) vorgeworfen wurden. Sie wur- den, als die Unterſuchung ſich verzögerte, wild und be- ſchwerten ſich darüber im Strafgerichtspräſidium. Ein neuer, äußerſt tüchtiger Unterſuchungsrichter erhielt die Sache zugewieſen. Alle Beweiſe, auch Ihre Gegenbeweiſe (ſie lauteten zumeiſt: Beweis Privatankläger Dr. Strau- cher als Zeuge) wurden ſorgfältig erhoben, und als alles fertig war und Ihre lieben Freunde überall erzählten, Sie würden bald ſtolz erhobenen Hauptes in den Gerichts- ſaal treten, — erinnern Sie ſich noch des ſchönen Tages? — gingen Sie hin und ſchrieben in einer Eingabe an den Unterſuchungsrichter, daß Sie „aus Geſundheitsrückſich- ten“ von der Anklage zurücktreten. Sollten Sie da nicht ein klein wenig aus dem Gerichtsſaale geflohen ſein? Aber Krankheit iſt Krankheit, und die Geſundheit iſt eine koſtbare Sache, die man nicht aufs Spiel ſetzen kann und Sie entſchloſſen ſich deshalb, Ihre bürgerliche Ehre auf dem Altar Ihrer Geſundheit zu opfern. Sie erholten ſich aber glücklicher Weiſe recht bald und Sie erfreuten ſich — der Himmel ſchenke ſie Ihnen noch recht lange! — einer blühenden Geſundheit, als Ihnen in dem Kampfe, der zu Ihrer politiſchen Niederwerfung führte, neuerlich unerhörte Dinge öffentlich und zumeiſt mit voller Na- mensfertigung vorgeworfen wurden. Ich leſe dieſe Sachen nur ſporadiſch und auch da nur ſehr flüchtig, ich erinnere mich aber noch recht deutlich, wie Ihnen klar und unum- wunden geſagt wurde, daß Sie als „Anwalt“ der Spar- kaſſe dieſe ſelbſt und die Parteien (darunter namentlich kleine Beamte) ausplündern, daß Sie Kultusſteuergelder zu Ihren perſönlichen Agitationszwecken verwenden, daß Sie, als eine Reviſion der Kultusgemeinde drohte, bei Nacht hinter verſchloſſenen Türen Bücher „anlegen“ und präparieren ließen; man ſagte, daß es mit der Verwal- tung des Penſionsfonds der Kultusgemeinde nicht ganz in Ordnung ſei, man brachte Sie mit der ſogenannten Schaueraffäre in einen ſehr intimen Zuſammenhang, man rechnete Ihnen ungerechtfertigten Gewinn aus öffentlichen Geldern vor, kurz man bezüchtigte Sie der Habgier, des Vertrauensmißbrauches und anderer ganz abſcheulicher Dinge und forderte Sie auf, zu klagen. Sie taten es nicht. Und nun ſagen Sie es doch ſelbſt: Wer flüch- tet ſich aus dem Gerichtsſaale — ich, der Privatmann, der niemand Rede und Antwort zu ſtehen hat, oder Sie, der ehren- und ſtellenreichſte Mann Europas? So ſagen Sie es doch. Sie werden keine befriedigende Antwort erteilen. Ich ſehe auf meine Uhr und finde, daß die Stunde, die ich Ihnen in einer heiteren Laune widmen wollte, (obwohl ich mit Ihnen ſchon längſt fertig geworden bin) beinahe vorüber iſt. Weil es aber der allerletzte Brief iſt, den ich Ihrer geneigten Lektüre unterbreite, ſo ſei ihm auch die Länge verziehen. Ich hoffe übrigens bald zum Schluſſe zu gelangen. Was ſollte ich übrigens noch ſagen? Soll ich an Ihrem politiſchen Grabe Jubelhymnen an- ſtimmen, oder ſoll ich noch einmal das wiederholen, was ich von Ihrer gottſeligen politiſchen Wirkſamkeit zu ſagen wußte? Soll ich darauf hinweiſen, daß Sie gleich einer alten Kokotte, deren Reize ſchon abgeſtorben ſind, ſich Jedermann an den Hals zu werfen ſuchen und jüngſt wieder die hungrigen Magen der Beamten mit fetten, aber übelriechenden Phraſen füllten? Soll ich auf Ihre abgeſchmackten und wirkungsloſen demagogiſchen Künſte hinweiſen? Wer hat ſie nicht als ſolche erkannt und wer beachtet ſie noch? Fragen Sie doch „Ihre“ Magiſtratsbe- amten, ob ſie nicht wiſſen, daß Sie ja gerne die Gehälter erhöhen und das Zeitavancement zugeſtehen wollen, aber — wie ſagen Sie nur2 — richtig: der Flemminger will nicht und Sie können gegen ihn nichts ausrichten. Soll ich Ihnen andererſeits noch von mir erzählen, daß ich in aufreibender Arbeit einen anſtändigen bürgerlichen Erwerb finde, obwohl Sie meinen Klienten auf der Gaſſe die Vernichtung androhen, wenn ſie in meiner Kanzlei weiter arbeiten ſollten und daß ich mit meinem Los zu- frieden bin, obwohl ich einen ſehr großen Teil meines Einkommens (meine Freunde ſagen: in ſträflichem Leichtſinn) für Verwandte und Fremde aufopfere und mir ſo immer neue Sorgen aufhäufe, — das alles zu er- fahren halte ich Sie nicht für würdig. Ich habe Ihnen übrigens ſchon einmal geſagt, daß mich beiſpielsweiſe das Judentum ebenſo viel koſtet, als es Ihnen abwirft. Aber richtig! Sie ſollen ja auch angedeutet haben, daß ich mit Depotgeldern und Wechſeln irgendwie unredlich vorgehe. Nun denn: Ich will mit Ihnen noch einmal den letzten Ver- ſuch machen. Ich klage Sie noch einmal ein. Sollten Sie nicht ſelbſt für Ihre Auslieferung ſorgen, ehe die Ver- jährungsfriſt abgelaufen iſt, ſo .... Doch nein, Zorn iſt ein viel zu edles Gefühl für Sie. Die Blutwelle iſt ſchon abgelaufen. Aber ich kann nicht umhin, Ihnen zu bemerken, daß Sie im Falle neuerlichen Auskneifens auch den Anſpruch auf meine Verachtung verwirkt haben wer- den. Bis dahin und auch noch ſpäter können Sie alſo über mich ſchreiben, was Sie wollen, ich werde mich durch Sie nie mehr beleidigt erachten. Ph. M. Vom Tage. Czernowitz, 23. Oktober. Herrenhaus. KB. Wien, 22. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Zu Beginn der Sitzung bringt der Präſident Fürſt Win- diſchgrätz die wärmſten Segenwünſche des Hauſes anläßlich der Hochzeit im Kaiſerhauſe zum Ausdruck. Ueber Antrag des Fürſten Schönburg wird eine ſtändige 21gliedrige Kommiſſion zur Beratung der Teu- erungsfrage gewählt. Die auf der Tagesordnung ſtehenden Geſetzentwürfe wurden den Ausſchüſſen zugewieſen, worauf die Sitzung geſchloſſen wurde. Czechiſche Miniſterkandidaten. Prag, 22. Oktober. Vorgeſtern fanden hier zahlreiche Beſprechungen führender czechiſcher Politiker ſtatt. Die Beſprechungen galten der bevorſtehenden Rekonſtruktion des Kabinetts und den Vorſchlägen des Miniſterpräſiden- ten an die czechiſche Delegation. Wie verlautet, hat der geweſene Ackerbauminiſter Hofrat Prof. Dr. Braf eine an ihn ergangene Aufforderung zum Eintritt ins Ka- binett als Ackerbauminiſter mit Rückſicht auf ſeinen Ge- ſundheitszuſtand abgelehnt. Es wurde weiter das Gerücht kolportiert, daß Vizepräſident Vojacek zum czechiſchen Landsmannminiſter deſigniert und als ſein Nachfolger Hofrat Koſina auserſehen ſei. Die Fleiſchverhandlungen mit Ungarn. Wien, 22. Oktober. Morgen (Montag) werden in Budapeſt die Verhandlungen über die Zulaſſung von Fleiſchimporten nach Oeſterreich wieder aufgenommen, zu welchem Zwecke ſich die öſterreichiſchen Delegierten nach Budapeſt begeben. Es iſt anzunehmen, daß die mehrmo- natlichen Verhandlungen, die teils in Wien, teils in Buda- peſt geführt wurden, in naher Zeit zur Entſcheidung kom- men werden. Mittlereweile hat der Import von Fleiſch aus Serbien begonnen. Die Reichsratsergänzungswahlen in Zloczow. Zloczow, 22. Oktober. Im hieſigen Wahlkreiſe wur- den bisher folgende Kandidaturen angemeldet: Exminiſter Dr. Dulemba, Dr. Starzynski, Dr. Gold, Reizes und Dr. Mahler (Zioniſt). Bekanntlich fin- det die bezügliche Reichsratsergänzungswahl am 28. d. M. ſtatt. Der Ruthenenklub Wien, 22. Oktober. Die hieſige „Slawiſche Korreſ- pondenz“ veröffentlicht folgendes Kommuniquee: In der geſtrigen Sitzung des Ruthenenklubs erſtattete das Prä- ſidium Bericht über ſeine letzten Beratungen mit Baron Gautſch. Darauf fand hierüber eine Debatte ſtatt, wo- bei ſämtliche Mitglieder des Klubs feſtſtellten, daß die Stellungnahme der Regierung zur rutheniſchen Frage die Ruthenen nicht befriedigen könne. Die Ruthenen fordern die alsbaldige Befriedigung der begründeten rutheniſchen Poſtulate und können darauf nicht eingehen, daß die Erfüllung dieſer Poſtulate von einer Verſtändigung mit dem Polenklub oder von dem Zuſtandekommen des pol- niſch-rutheniſchen Ausgleichs abhängig gemacht werde. In- folge dieſes Verhaltens der Regierung werden die Ruthe- nen im Parlamente in der Oppoſition verharren und dem- gemäß in der Budgetdebatte auftreten. Die Rumänen in Ungarn. Budapeſt, 22. Oktober. Der Kultusminiſter pflog eifrige Unterhandlungen mit dem Biſchof von Arad be- züglich der Einführung einer gemeinſchaftlichen Kontrolle der religiöſen Inſtitutionen. In der Plenarſitzung des Konſiſtoriums verkündete der Biſchof Pap, daß von nun an die Prieſter nicht mehr Schulinſpektoren ihres Spren- gels ſein dürfen, ſondern daß ſpezielle Schulinſpektoren für die Durchführung der religiöſen Inſtitutionen ernannt werden. Die deutſch-franzöſiſchen Verhandlungen. KB. Paris, 22. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Bei dem heute abends ſtattgefundenen Jahresbankett der engliſchen Handelskammer in Paris hielt der General- poſtmeiſter Samuel eine Rede, in welcher er in formel- ler Weiſe in Abrede ſtellte, daß England im Laufe der deutſch-franzöſiſchen Marokkoverhandlungen Schwierig- keiten hervorzurufen trachtete, um eine definitive Rege- lung zu hindern und daß es ſich in keiner Weiſe in die deutſch-franzöſiſchen Verhandlungen eingemengt habe. Die engliſche Regierung habe ſtets aufrichtig eine raſche und ehrenhafte Löſung der Marokkofrage gewünſcht. König Peter in Paris. Paris, 22. Oktober. Die Reiſe des Königs von Ser- bien nach Paris iſt für den 9. November feſtgeſetzt. Der Aufenthalt in Paris iſt auf drei Tage in Ausſicht genom- men. Der König wird vom Miniſterpräſidenten Milowa- nowitſch begleitet. Der italieniſch-türkiſche Krieg. Die Einnahme von Homs. KB. Rom, 22. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Die „Agenzia Stefani“ meldet aus Tripolis unterm 21. Oktober: Die Beſchießung Homs forderte unter der Bevölkerung keine Opfer. Heute wurde auf der Citadelle die italieniſche Fahne gehißt. Die Landung der Truppen und Kriegsmaterial dauert fort. Die Cholera unter den italieniſchen Truppen. — 260 Todesfälle. KB. Konſtantinopel, 22. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Nach Meldungen der Blätter wütet die Cholera unter den italieniſchen Truppen fort. Seit Beginn des Krieges kamen 260 Todesfälle an Cholera vor. KB. Rom, 22. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der „Agenzia Stefani“ wird aus Tripolis unter dem 21. d. gemeldet: Geſtern war hier das Gerücht verbreitet, daß die Türken einen neuerlichen Angriff auf die Stel- lungen der Italiener unternommen haben. Dieſes Gerücht entbehrt jedoch jeder Grundlage; es herrſcht hier voll- kommene Ruhe. Etwa 400 Kriegsgefangene wurden an Bord des Dampfers „Nilo“ gebracht, der nach Neapel ab- gehen ſoll. Einige Eingeborene, die gegen italieniſche Pa- tronillen feindſelige Handlungen begangen haben, wurden verhaftet. Friedensausſichten? Konſtantinopel, 22. Oktober. Wie verſichert wird, ſoll der Miniſter des Aeußern in den Wandelgängen der Kammer erklärt haben, daß der Frieden nahe bevorſtehe und unter für die Türkei befriedigenden Bedingungen er- folgen wird. Paris, 22. Oktober. „Echo de Paris“ berichtet aus Rom: Rifaat Paſcha, der türkiſche Botſchafter in Paris, ſoll von ſeiner Regierung beauftragt worden ſein, die Friedenspräliminarien einzuleiten. KB. Berlin, 22. Oktober. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Entgegen den Irrtümern auswärtiger und deutſcher Blät- ter, ſtellt die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“ feſt, daß Freiherr von Marſchall keineswegs zu einem möglichſt raſchen Friedensſchluß unter bedingungs- loſen Verzicht auf Tripolis gedrängt, ſich vielmehr dar- auf beſchränkt habe, die Abſichten der Pforte zu erkunden und ihre Mitteilungen entgegenzunehmen. Unter dieſen Mitteilungen befanden ſich auch Wünſche wegen einer Ver- mittlung. Da ihnen jedoch keine poſitiven Vorſchläge der Pforte zugrunde lagen, konnte Freiherr von Marſchall nicht auf ſie eingehen. Die Stellungnahme des Vatikans. Rom, 22. Oktober. „Oſſervatore Romano“ ſchreibt: Mehrere Blätter, die ſich zu den katholiſchen rechnen, ſo- wie mehrere Redner, Geiſtliche wie Laien, äußern ſich in einer Beſprechung des italieniſch-türkiſchen Konflikts auf eine Art und Weiſe, die faſt an einem heiligen Krieg glau- ben läßt, der im Namen und mit Unterſtützung von Reli- gion und Kirche unternommen wäre. Wir ſind ermächtigt, zu erklären, daß der heilige Stuhl nicht nur keine Verant- wortlichkeit für dieſe Auslegungen übernimmt, ſondern ſie nicht billigen kann, und ſie bedauert, da er außerhalb des gegenwärtigen Konflikts bleiben muß. Die angeblichen Bündnispläne der Türkei. Konſtantinopel, 22. Oktober. Hinter den Kuliſſen der hohen Politik wird ſehr aktiv gearbeitet. Die Andeu- tung des Großveziers, die Türkei wolle Anſchluß an eine der beiden großen europäiſchen Mächtegruppen ſuchen, veranlaßte heute ſowohl den deutſchen wie den öſterreichi- ſchen Botſchafter, den Großvezier aufzuſuchen. Freiherr Marſchall konferierte mit ihm faſt zwei Stunden. Darauf ſprachen beide Botſchafter mit dem Miniſter des Aeußern. Said Paſcha ſoll erklärt haben, ſeine Aeußerung vor der Kammer ſei ein Verſuchsballon geweſen. Von anderer Seite wird behauptet, der Großvezier pflege eifrige Ver-

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2329, Czernowitz, 24.10.1911, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer2329_1911/2>, abgerufen am 23.11.2024.