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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2400, Czernowitz, 23.01.1912.

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Telegramme Allgemeine, Czernowitz.


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Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

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Es kostet im gewöhnlichen Inse-
ratenteil 12 h die 6mal gespaltene
Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei
mehrmaliger Einschaltung, für Re-
klame 40 h die Petitzeile. Inserate
nehmen alle in- und ausländischen
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ministration entgegen. -- Einzel-
exemplare sind in allen Zeitungs-
verschleißen, Trafiken, der k. k. Uni-
versitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Administration (Ring-
platz 4, 2. St.) erhältlich. In Wien
im Zeitungsburean Goldschmidt,
Wollzeile 11.

Einzelexemplare
10 Heller für Czernowitz.

Manuskripte werden in keinem Falle zurück-
gesendet, unfrankierte Briefe nicht an-
genommen.




Nr. 2400. Czernowitz, Dienstag, den 23. Jänner 1912.



[Spaltenumbruch]
Uebersicht.

Vom Tage.

Wie das "N. Wr. Tagbl." meldet, dürfte Graf
Aehrenthal nach den Delegationen einen Urlaub nehmen
und nach der Rückkehr vom Urlaub, wenn seine Wiederher-
stellung so weit fortgeschritten sein wird, die Leitung der
Geschäfte übernehmen.

Czernowitzer Angelegenheiten.

Generalvikar Myron Calinescu ist gestern nach län-
gerem Leiden gestorben und wird morgen um 2 Uhr nach-
mittags beerdigt.

Letzte Telegramme.

Graf Apponyi erklärte im ung. Abgeordnetenhause,
daß er die Regierung unterstützen werde, wenn sie an den
Grundlagen der äußern Politik festhaltend mit Italien
das Bundesverhältnis fortsetzen werde.




Die Begebung der Anleihen.


In einer interessanten, ja man kann sagen, merkwür-
digen Zeit ist die Begebung der österreichischen Anleihen
erfolgt. Ein Gefühl der Unbehaglichkeit ergreift die poli-
tischen und namentlich die finanziellen Kreise. Jeder
Tag bringt in der äußeren Politik, wenn auch nicht gefahr-
drohende, so doch normalen Verhältnissen nicht entspre-
chende Tatsachen und Stimmungen. In den letzten Wo-
chen wird auch in Wien viel geflüstert und man hört davon
sprechen" daß sich das Verhältnis zu dem südlich gelegenen
Nachbar und Bundesstaat wesentlich verschlechtert habe.
Das alles sind Erscheinungen, die bei längerer Fortdauer
schließlich auch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht
ganz ohne Einfluß bleiben können. Ein geordnetes öko-
nomisches Leben hat zur ersten Voraussetzung politische
Stetigkeit. Wenn das Publikum einmal unruhig wird und
ihm die politische Furcht in den Gliedern liegt, dann zieht
die Besorgnis Wellenlinien und die Ansteckungsgefahr
wird sehr groß. Die Bevölkerung in Oesterreich will den
Frieden und er wird, das darf man wohl mit Zuversicht
behaupten, erhalten bleiben. Es ist aber charakteristisch,
daß das Konsortium, welches die Rente übernimmt, es
für vorsichtiger hielt, nur 200 Millionen zu bewilligen
und daß der Finanzminister sich eine Einschränkung des
Rentenbetrages um 50 Millionen auferlegen muß. Gewiß
waren die beruhigenden Erklärungen, die der Finanzmi-
[Spaltenumbruch] nister über die politische Frage gab, richtig, aber oft sind
Stimmungen in der Bevölkerung bedeutungsvoller als
offizielle Auffassungen, wenigstens was die Wirkung be-
trifft. Der Rentenmarkt braucht zu seiner Gesundung
volle Ruhe und es genügt nicht, wenn man keine Verwick-
lungen erwartet, sondern es muß der Himmel vollständig
frei von Wolken sein. Das ist nicht der Fall und das schä-
digt den Rentenmarkt und muß die Unternehmungslust
behindern.

Der Finanzminister kann übrigens zufrieden sein,
soweit dies die jetzigen Verhältnisse des Anlagemarktes,
für die er selbstverständlich nicht verantwortlich ist, ge-
statten. Erstens hat er die richtige Taktik verfolgt, die Be-
gebung von Schatzscheinen zu reduzieren, da 50 Millionen
durch Rente fundiert werden. Zweitens hat er einen Kurs
erzielt, den das Konsortium anfangs nicht bieten wollte.
Die Gruppe hat dagegen, darüber kann kein Zweifel sein,
die Durchführung einer Kreditoperation auf sich genom-
men, die nicht gewinnbringend ist, sehr bedeutende Mittel
einer fruchtbringenden Verwertung entzieht und in den
heutigen Zeitläuften nur schleppend abgewickelt werden
kann. Die Finanzoperation, bei der an Rente und Schatz-
scheinen 330 Millionen in Frage kommen, ist die größte,
die der österreichische Staat auf einmal in den letzten zwei
Dezennien vollzogen hat. Während man bei der Rente nur
einen allmählichen Absatz voraussehen kann, wird der
Umtausch der Schatzscheine keine Schwierigkeiten bieten,
zumal sich hiebei eine Prämie von mehr als einem Pro-
zent bietet.

Die jetzige Anleihetransaktion ist ein deutlicher Weg,
die staatliche Ausgabenpolitik zu begrenzen und das Par-
lament sollte daraus eine Lehre ziehen. Die Lasten, welche
die produzierenden Stände treffen, vermehren sich in
einem ungewöhnlichen Maße. Auf der einen Seite wird
in offiziellen Reden die Notwendigkeit verkündet, die Un-
ternehmungslust zu heben, auf der anderen Seite wird
alles dazu getan, um die Initiative in Oesterreich zu ver-
leiden. Ehe man hierzulande sich nicht darüber hinweg-
setzt, auf die Produktion Lawinen zu wälzen, wird man
nie zu der gleichen wirtschaftlichen Entfaltung kommen,
wie in den westlichen Nachbarstaaten. Wir haben leider
ein wirtschaftlich nicht genügend geschultes Parlament.
Es wählt für wichtige Aktionen unrichtige Mittel und un-
richtige Personen. Eine solche Methode kann nicht zu dem
erwünschten Ziele führen. Die österreichische Produktion
ist jedoch erstarkt und sie wird auch den Dilletantismus
besiegen, der sich in der Legislative bemerkbar macht.




[Spaltenumbruch]
Vom Tage.


Das Befinden des Kaisers.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Das Befinden des Kaisers ist vortrefflich.




Galizisch[e]r Landtag.

Zu Beginn der gestrigen Si-
tzung des galizischen Landtages, erklärte Landmarschall
Graf Badeni, daß das Protokoll der vorigen Sitzung
in der Kanzlei zur Einsicht aufliege und nicht verlesen
werde. Daraufhin legte Abg. Makuch namens des
ukrainischen Landtagsklubs sowohl gegen die Giltigkeit
dieses Protokolls als auch gegen die der vorigen Sitzung
Protest ein. Dasselbe tat Abg. Dr. Dudykiewicz
(Altruthene) namens seiner Anhänger, protestierte des
weiteren dagegen, daß seine Partei kein Mandat in der
Budgetkommission erhalten habe und auch den polnisch-
ruthenischen Ausgleichsverhandlungen nicht beigezogen
wurde, und erklärte schließlich, daß die russophilen Land-
tagsabgeordneten an den Sitzungen des Landtages künftig-
hin keinen Anteil nehmen werden, worauf Redner und
dessen Parteigenossen ostentativ den Sitzungssaal ver-
ließen. Abg. Korol (Altruthene) gab namens seiner
Fraktion eine gleichlautende Protesterklärung wie die
beiden Vorredner ab.

Landmarschall Graf Badeni brachte hierauf dem
Landtage zur Kenntis, daß er namens desselben der ver-
unglückten Erzherzogin Maria Theresia telegraphisch bal-
dige Besserung gewünscht habe. (Beifall.)

Vor Uebergang zur Tagesordnung stellte Abg. K.
Lewicki den formellen Antrag, in Würdigung des
Umstandes, daß die Lösung der Wahlreformfrage die wich-
tigste Aufgabe des Landtages bilde, möge die Sitzung ge-
schlossen werden und die nächste auf deren Tagesordnung
die Wahlreform zu setzen sei, am 25. d. M. stattfinden.
Abg. Abrahamowicz sprach sich gegen diesen Antrag
aus und forderte die Ruthenen zum Waffenstillstand für
die Zeit der Ausgleichsverhandlungen auf. Abgeordneter
Skwarko (Jungruthene) polemisierte mit seinem Vor-
redner und erklärte, daß die Ruthenen ihre Obstruktion
nicht einstellen würden. Abg. Staruch (Jungruthene)
bezeichnete das Vorgehen der Polen als Provokation des
ruthenischen Volkes und erklärte, daß in Galizien erst dann
nationaler Friede herrschen werde, wenn der Landtag aus




[Spaltenumbruch]
Leben.
Roman von George Dellavoß.

20] (Nachdruck verboten.)

"Was gibt es denn dort drüben?" fragte sie auf einmal
sehr lebhaft. Sie zeigte mit der Hand nach der gegenüber-
liegenden Straßenseite. Dort waren schon vor einiger Zeit
eine Menge Herren im feierlichen schwarzen Salonrock
erschienen und hatten sich erwartungsvoll vor das Tor
des Wirtshauses postiert. Jetzt kam ein großer, fast mili-
tärisch geordneter Zug die Straße herunter und schwenkte
von Zurufen und Hüteschwenken begrüßt, in das Tor ein.
Die Gäste im Speisesaal waren fast alle aufgestanden
und hatten neugierig hinübergeschaut, auch am Hellmann-
schen Tisch hatten sich die Herren erhoben.

"Das sind Arbeiter aus Jagenhofen!" sagte der kleine
blonde Lehrer halblaut.

"Ich begreife Clermont nicht", zürnte Georg, "wie
kann er so mit dem Feuer spielen lassen!"

"Gerade unsere reichen Leute verlieren so leicht das
Bewußtsein ihrer Pflicht gegen ihr Volk," sagte der Lehrer
der neben Frieda saß, "unsere Gegner sind in der Be-
ziehung viel besser daran."

"Es wird Clermont alle Toleranz nichts helfen,
wenn es einmal zu einem Streik kommt," meinte der
kleine Herr Groß, "ich hoffe viel von seinem Schwieger-
sohn, der ist ein guter Deutscher."

"Wir wolen die Politik für heute ruhen lassen,"
sagte Georg mit einem lächelnden Blick auf die Gesichter
der Damen, "wir sind doch gekommen, um die Kirchweih-
freuden zu genießen. Ich schlage vor, daß wir uns auf den
Weg machen?"

"Was gedenken die Herrschaften alles mitzumachen?"

"Alles!" antwortete Frieda dem blonden Lehrer, "da
wir einmal da sind!"

"Dürfen wir uns anschließen?"

Wenn Sie mit dem Sprichwort "mitgegangen, mit-
gefangen" einverstanden sind!"

Der Speisesaal war schon fast leer, als sie gingen.
[Spaltenumbruch] Von drüben kam lebhaftes Stimmengeräusch, die De-
batte schien sehr lebhaft zu sein. Ein paar Leute hatten sich
vor dem Hause angesammelt, die auf den Zehenspitzen
stehend und Hälse reckend versuchten, einen Blick in das
Versammlungslokal zu werfen. Sonst war alles schon
wieder nach dem Markte geströmt.

Als die Gesellschaft ihn erreichte, war der Jahrmarkts-
spektakel in vollem Gange, und nur mühsam konnte man
im Gedränge vorwärts kommen. Dadurch ergab sich ganz
von selbst eine paarweise Einteilung der Gesellschaft, und
ehe Annemarie wußte, wie ihr geschah, lag ihr Arm in
dem des Herrn Groß, während Hedwig mit Herrn Fabian
Georg folgte, der mit Frieda vorausging. Den Anblick
ihrer Schwester am Arme, Georgs empfand Annemarie
wie einen Schlag. Sie war so gewöhnt, Georgs Aufmerk-
samkeit ganz für sich in Anspruch zu nehmen, daß sie sich
wie in eigenen Rechten gekränkt vorkam und sich erst be-
sinnen mußte, daß sie solche gar nicht besaß. Zerstreut
hörte sie auf die Reden des kleinen Lehrers, der ihr Aussig,
seine Geburtsstadt, schilderte, wo sein Vater Werkmeister
in einer großen Fabrik war. Plötzlich begann auch sie zu
plaudern und zu lachen und den kleinen Lehrer zu necken,
der im Kreuzfeuer ihrer Worte und Blicke in nicht geringe
Verwirrung geriet.

Man wanderte von einer Bude zur anderen, machte
Einkäufe und beschenkte einander mit drolligen Kleinig-
keiten. Herr Fabian brachte jeder der Damen ein großes
Lebkuchenherz, und Herr Groß, der seinem Beispiel folgte,
wurde rot bis über die Ohren, als er Annemarie das ihrige
überreichte. Sie fädelte die Herzen auf eine Schnur und
hing sie lachend über den Griff ihres Sonnenschirmes, aber
als Ge[o]rg ihr einen großen Reiter brachte, riß sie dem
den Kopf ab und schleuderte ihn dann ins dichteste Ge-
dränge.

"Da!" sagte sie halb lachend, halb zornig.

Der verstümmelte Reiter war einer dicken Bäuerin
ins Gesicht geflogen, sie kreischte und schimpfte zum großen
Ergötzen der Umstehenden. Der Abend senkte sich schon
langsam nieder. Eine Wolke von Staub schwebte über dem
Platze, die Luft, ohnedies schwül und drückend, war voll
[Spaltenumbruch] von schweren, unangenehmen Gerüchen. In den Buden
flammten schon die Lichter auf, die Menge drängte sich
dichter bei den fliegenden Schenken, man sah schon viel
dunkelgerötete Gesichter und stiere Augen. Der quietschende
Lärm der Trommeln und Trompeten, Pfeifen und Rat-
schen erhob sich mit erneuerter Kraft, von den langgezo-
genen Tönen und Leierkästen zur schrillsten Dissonanz
verstärkt

"Wir könnten jetzt wirklich gehen!" meinte Hedwig
ungeduldig.

Sie hatte alle Einkäufe besorgt und dachte unruhig
daran, ob alles richtig im Gasthof, wo sie ausgespannt
hatten, abgeliefert worden war. Auch Franz, dem Kutscher
traute sie nicht ganz. Die Versuchung, sich zu betrinken,
war zu groß.

Ein Rollen und Schmettern nicht weit von ihnen --
drehte die Köpfe unwillkürlich nach den Tönen.

"Wir sollten eigentlich noch ein Tänzchen haben!"
meinte Herr Groß unternehmend.

Sie standen schon vor dem großen, von einem Leinen-
zelt überdachten Tanzboden, den farbige Lampions er-
leuchteten. Noch einmal gellte die Fanfare auf, dann setzte
ein rauschender Walzer ein --

"Ohne Tanz gibt's keine Kirchweih!" erklärte nun
auch Herr Fabian.

"Wir wollten doch nach Hause!" sagte Hedwig un-
geduldig.

Aber schon hatte sich Herr Fabian mit einem Paar
Glaces von zweifelhaftem Weiß bewaffnet und führte sie
auf das Podium, wo sich bereits Georg und Frieda zu den
tanzenden Paaren gesellt hatten.

Annemarie sah das wie durch einen Schleier, der
kleine Groß verbeugte sich vor ihr und wie im Traume
flog sie mit ihm dahin. Er tanzte ganz gut, trotzdem dankte
sie nach der ersten Runde, und sah erleichtert, wie er zu
Hedwig zu gelangen suchte, die auf der anderen Seite des
Tanzbodens von ihrem Tänzer abgesetzt worden war.

(Fortsetzung folgt).


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Redaktion und Adminiſtration:
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halbj. K 10·80, ganzjähr. K 21·60,
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monatlich K 2, vierteljähr. K 6,
halbjähr. K 12, ganzjähr. K 24.

Für Deutſchland:
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Telegramme Allgemeine, Czernowitz.


[Spaltenumbruch]
Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

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Ankündigungen:
Es koſtet im gewöhnlichen Inſe-
ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene
Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei
mehrmaliger Einſchaltung, für Re-
klame 40 h die Petitzeile. Inſerate
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Inſeratenbureaux ſowie die Ad-
miniſtration entgegen. — Einzel-
exemplare ſind in allen Zeitungs-
verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni-
verſitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Adminiſtration (Ring-
platz 4, 2. St.) erhältlich. In Wien
im Zeitungsburean Goldſchmidt,
Wollzeile 11.

Einzelexemplare
10 Heller für Czernowitz.

Manuſkripte werden in keinem Falle zurück-
geſendet, unfrankierte Briefe nicht an-
genommen.




Nr. 2400. Czernowitz, Dienstag, den 23. Jänner 1912.



[Spaltenumbruch]
Ueberſicht.

Vom Tage.

Wie das „N. Wr. Tagbl.“ meldet, dürfte Graf
Aehrenthal nach den Delegationen einen Urlaub nehmen
und nach der Rückkehr vom Urlaub, wenn ſeine Wiederher-
ſtellung ſo weit fortgeſchritten ſein wird, die Leitung der
Geſchäfte übernehmen.

Czernowitzer Angelegenheiten.

Generalvikar Myron Calinescu iſt geſtern nach län-
gerem Leiden geſtorben und wird morgen um 2 Uhr nach-
mittags beerdigt.

Letzte Telegramme.

Graf Apponyi erklärte im ung. Abgeordnetenhauſe,
daß er die Regierung unterſtützen werde, wenn ſie an den
Grundlagen der äußern Politik feſthaltend mit Italien
das Bundesverhältnis fortſetzen werde.




Die Begebung der Anleihen.


In einer intereſſanten, ja man kann ſagen, merkwür-
digen Zeit iſt die Begebung der öſterreichiſchen Anleihen
erfolgt. Ein Gefühl der Unbehaglichkeit ergreift die poli-
tiſchen und namentlich die finanziellen Kreiſe. Jeder
Tag bringt in der äußeren Politik, wenn auch nicht gefahr-
drohende, ſo doch normalen Verhältniſſen nicht entſpre-
chende Tatſachen und Stimmungen. In den letzten Wo-
chen wird auch in Wien viel geflüſtert und man hört davon
ſprechen„ daß ſich das Verhältnis zu dem ſüdlich gelegenen
Nachbar und Bundesſtaat weſentlich verſchlechtert habe.
Das alles ſind Erſcheinungen, die bei längerer Fortdauer
ſchließlich auch auf die wirtſchaftlichen Verhältniſſe nicht
ganz ohne Einfluß bleiben können. Ein geordnetes öko-
nomiſches Leben hat zur erſten Vorausſetzung politiſche
Stetigkeit. Wenn das Publikum einmal unruhig wird und
ihm die politiſche Furcht in den Gliedern liegt, dann zieht
die Beſorgnis Wellenlinien und die Anſteckungsgefahr
wird ſehr groß. Die Bevölkerung in Oeſterreich will den
Frieden und er wird, das darf man wohl mit Zuverſicht
behaupten, erhalten bleiben. Es iſt aber charakteriſtiſch,
daß das Konſortium, welches die Rente übernimmt, es
für vorſichtiger hielt, nur 200 Millionen zu bewilligen
und daß der Finanzminiſter ſich eine Einſchränkung des
Rentenbetrages um 50 Millionen auferlegen muß. Gewiß
waren die beruhigenden Erklärungen, die der Finanzmi-
[Spaltenumbruch] niſter über die politiſche Frage gab, richtig, aber oft ſind
Stimmungen in der Bevölkerung bedeutungsvoller als
offizielle Auffaſſungen, wenigſtens was die Wirkung be-
trifft. Der Rentenmarkt braucht zu ſeiner Geſundung
volle Ruhe und es genügt nicht, wenn man keine Verwick-
lungen erwartet, ſondern es muß der Himmel vollſtändig
frei von Wolken ſein. Das iſt nicht der Fall und das ſchä-
digt den Rentenmarkt und muß die Unternehmungsluſt
behindern.

Der Finanzminiſter kann übrigens zufrieden ſein,
ſoweit dies die jetzigen Verhältniſſe des Anlagemarktes,
für die er ſelbſtverſtändlich nicht verantwortlich iſt, ge-
ſtatten. Erſtens hat er die richtige Taktik verfolgt, die Be-
gebung von Schatzſcheinen zu reduzieren, da 50 Millionen
durch Rente fundiert werden. Zweitens hat er einen Kurs
erzielt, den das Konſortium anfangs nicht bieten wollte.
Die Gruppe hat dagegen, darüber kann kein Zweifel ſein,
die Durchführung einer Kreditoperation auf ſich genom-
men, die nicht gewinnbringend iſt, ſehr bedeutende Mittel
einer fruchtbringenden Verwertung entzieht und in den
heutigen Zeitläuften nur ſchleppend abgewickelt werden
kann. Die Finanzoperation, bei der an Rente und Schatz-
ſcheinen 330 Millionen in Frage kommen, iſt die größte,
die der öſterreichiſche Staat auf einmal in den letzten zwei
Dezennien vollzogen hat. Während man bei der Rente nur
einen allmählichen Abſatz vorausſehen kann, wird der
Umtauſch der Schatzſcheine keine Schwierigkeiten bieten,
zumal ſich hiebei eine Prämie von mehr als einem Pro-
zent bietet.

Die jetzige Anleihetransaktion iſt ein deutlicher Weg,
die ſtaatliche Ausgabenpolitik zu begrenzen und das Par-
lament ſollte daraus eine Lehre ziehen. Die Laſten, welche
die produzierenden Stände treffen, vermehren ſich in
einem ungewöhnlichen Maße. Auf der einen Seite wird
in offiziellen Reden die Notwendigkeit verkündet, die Un-
ternehmungsluſt zu heben, auf der anderen Seite wird
alles dazu getan, um die Initiative in Oeſterreich zu ver-
leiden. Ehe man hierzulande ſich nicht darüber hinweg-
ſetzt, auf die Produktion Lawinen zu wälzen, wird man
nie zu der gleichen wirtſchaftlichen Entfaltung kommen,
wie in den weſtlichen Nachbarſtaaten. Wir haben leider
ein wirtſchaftlich nicht genügend geſchultes Parlament.
Es wählt für wichtige Aktionen unrichtige Mittel und un-
richtige Perſonen. Eine ſolche Methode kann nicht zu dem
erwünſchten Ziele führen. Die öſterreichiſche Produktion
iſt jedoch erſtarkt und ſie wird auch den Dilletantismus
beſiegen, der ſich in der Legislative bemerkbar macht.




[Spaltenumbruch]
Vom Tage.


Das Befinden des Kaiſers.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Das Befinden des Kaiſers iſt vortrefflich.




Galiziſch[e]r Landtag.

Zu Beginn der geſtrigen Si-
tzung des galiziſchen Landtages, erklärte Landmarſchall
Graf Badeni, daß das Protokoll der vorigen Sitzung
in der Kanzlei zur Einſicht aufliege und nicht verleſen
werde. Daraufhin legte Abg. Makuch namens des
ukrainiſchen Landtagsklubs ſowohl gegen die Giltigkeit
dieſes Protokolls als auch gegen die der vorigen Sitzung
Proteſt ein. Dasſelbe tat Abg. Dr. Dudykiewicz
(Altruthene) namens ſeiner Anhänger, proteſtierte des
weiteren dagegen, daß ſeine Partei kein Mandat in der
Budgetkommiſſion erhalten habe und auch den polniſch-
rutheniſchen Ausgleichsverhandlungen nicht beigezogen
wurde, und erklärte ſchließlich, daß die ruſſophilen Land-
tagsabgeordneten an den Sitzungen des Landtages künftig-
hin keinen Anteil nehmen werden, worauf Redner und
deſſen Parteigenoſſen oſtentativ den Sitzungsſaal ver-
ließen. Abg. Korol (Altruthene) gab namens ſeiner
Fraktion eine gleichlautende Proteſterklärung wie die
beiden Vorredner ab.

Landmarſchall Graf Badeni brachte hierauf dem
Landtage zur Kenntis, daß er namens desſelben der ver-
unglückten Erzherzogin Maria Thereſia telegraphiſch bal-
dige Beſſerung gewünſcht habe. (Beifall.)

Vor Uebergang zur Tagesordnung ſtellte Abg. K.
Lewicki den formellen Antrag, in Würdigung des
Umſtandes, daß die Löſung der Wahlreformfrage die wich-
tigſte Aufgabe des Landtages bilde, möge die Sitzung ge-
ſchloſſen werden und die nächſte auf deren Tagesordnung
die Wahlreform zu ſetzen ſei, am 25. d. M. ſtattfinden.
Abg. Abrahamowicz ſprach ſich gegen dieſen Antrag
aus und forderte die Ruthenen zum Waffenſtillſtand für
die Zeit der Ausgleichsverhandlungen auf. Abgeordneter
Skwarko (Jungruthene) polemiſierte mit ſeinem Vor-
redner und erklärte, daß die Ruthenen ihre Obſtruktion
nicht einſtellen würden. Abg. Staruch (Jungruthene)
bezeichnete das Vorgehen der Polen als Provokation des
rutheniſchen Volkes und erklärte, daß in Galizien erſt dann
nationaler Friede herrſchen werde, wenn der Landtag aus




[Spaltenumbruch]
Leben.
Roman von George Dellavoß.

20] (Nachdruck verboten.)

„Was gibt es denn dort drüben?“ fragte ſie auf einmal
ſehr lebhaft. Sie zeigte mit der Hand nach der gegenüber-
liegenden Straßenſeite. Dort waren ſchon vor einiger Zeit
eine Menge Herren im feierlichen ſchwarzen Salonrock
erſchienen und hatten ſich erwartungsvoll vor das Tor
des Wirtshauſes poſtiert. Jetzt kam ein großer, faſt mili-
täriſch geordneter Zug die Straße herunter und ſchwenkte
von Zurufen und Hüteſchwenken begrüßt, in das Tor ein.
Die Gäſte im Speiſeſaal waren faſt alle aufgeſtanden
und hatten neugierig hinübergeſchaut, auch am Hellmann-
ſchen Tiſch hatten ſich die Herren erhoben.

„Das ſind Arbeiter aus Jagenhofen!“ ſagte der kleine
blonde Lehrer halblaut.

„Ich begreife Clermont nicht“, zürnte Georg, „wie
kann er ſo mit dem Feuer ſpielen laſſen!“

„Gerade unſere reichen Leute verlieren ſo leicht das
Bewußtſein ihrer Pflicht gegen ihr Volk,“ ſagte der Lehrer
der neben Frieda ſaß, „unſere Gegner ſind in der Be-
ziehung viel beſſer daran.“

„Es wird Clermont alle Toleranz nichts helfen,
wenn es einmal zu einem Streik kommt,“ meinte der
kleine Herr Groß, „ich hoffe viel von ſeinem Schwieger-
ſohn, der iſt ein guter Deutſcher.“

„Wir wolen die Politik für heute ruhen laſſen,“
ſagte Georg mit einem lächelnden Blick auf die Geſichter
der Damen, „wir ſind doch gekommen, um die Kirchweih-
freuden zu genießen. Ich ſchlage vor, daß wir uns auf den
Weg machen?“

„Was gedenken die Herrſchaften alles mitzumachen?“

„Alles!“ antwortete Frieda dem blonden Lehrer, „da
wir einmal da ſind!“

„Dürfen wir uns anſchließen?“

Wenn Sie mit dem Sprichwort „mitgegangen, mit-
gefangen“ einverſtanden ſind!“

Der Speiſeſaal war ſchon faſt leer, als ſie gingen.
[Spaltenumbruch] Von drüben kam lebhaftes Stimmengeräuſch, die De-
batte ſchien ſehr lebhaft zu ſein. Ein paar Leute hatten ſich
vor dem Hauſe angeſammelt, die auf den Zehenſpitzen
ſtehend und Hälſe reckend verſuchten, einen Blick in das
Verſammlungslokal zu werfen. Sonſt war alles ſchon
wieder nach dem Markte geſtrömt.

Als die Geſellſchaft ihn erreichte, war der Jahrmarkts-
ſpektakel in vollem Gange, und nur mühſam konnte man
im Gedränge vorwärts kommen. Dadurch ergab ſich ganz
von ſelbſt eine paarweiſe Einteilung der Geſellſchaft, und
ehe Annemarie wußte, wie ihr geſchah, lag ihr Arm in
dem des Herrn Groß, während Hedwig mit Herrn Fabian
Georg folgte, der mit Frieda vorausging. Den Anblick
ihrer Schweſter am Arme, Georgs empfand Annemarie
wie einen Schlag. Sie war ſo gewöhnt, Georgs Aufmerk-
ſamkeit ganz für ſich in Anſpruch zu nehmen, daß ſie ſich
wie in eigenen Rechten gekränkt vorkam und ſich erſt be-
ſinnen mußte, daß ſie ſolche gar nicht beſaß. Zerſtreut
hörte ſie auf die Reden des kleinen Lehrers, der ihr Auſſig,
ſeine Geburtsſtadt, ſchilderte, wo ſein Vater Werkmeiſter
in einer großen Fabrik war. Plötzlich begann auch ſie zu
plaudern und zu lachen und den kleinen Lehrer zu necken,
der im Kreuzfeuer ihrer Worte und Blicke in nicht geringe
Verwirrung geriet.

Man wanderte von einer Bude zur anderen, machte
Einkäufe und beſchenkte einander mit drolligen Kleinig-
keiten. Herr Fabian brachte jeder der Damen ein großes
Lebkuchenherz, und Herr Groß, der ſeinem Beiſpiel folgte,
wurde rot bis über die Ohren, als er Annemarie das ihrige
überreichte. Sie fädelte die Herzen auf eine Schnur und
hing ſie lachend über den Griff ihres Sonnenſchirmes, aber
als Ge[o]rg ihr einen großen Reiter brachte, riß ſie dem
den Kopf ab und ſchleuderte ihn dann ins dichteſte Ge-
dränge.

„Da!“ ſagte ſie halb lachend, halb zornig.

Der verſtümmelte Reiter war einer dicken Bäuerin
ins Geſicht geflogen, ſie kreiſchte und ſchimpfte zum großen
Ergötzen der Umſtehenden. Der Abend ſenkte ſich ſchon
langſam nieder. Eine Wolke von Staub ſchwebte über dem
Platze, die Luft, ohnedies ſchwül und drückend, war voll
[Spaltenumbruch] von ſchweren, unangenehmen Gerüchen. In den Buden
flammten ſchon die Lichter auf, die Menge drängte ſich
dichter bei den fliegenden Schenken, man ſah ſchon viel
dunkelgerötete Geſichter und ſtiere Augen. Der quietſchende
Lärm der Trommeln und Trompeten, Pfeifen und Rat-
ſchen erhob ſich mit erneuerter Kraft, von den langgezo-
genen Tönen und Leierkäſten zur ſchrillſten Diſſonanz
verſtärkt

„Wir könnten jetzt wirklich gehen!“ meinte Hedwig
ungeduldig.

Sie hatte alle Einkäufe beſorgt und dachte unruhig
daran, ob alles richtig im Gaſthof, wo ſie ausgeſpannt
hatten, abgeliefert worden war. Auch Franz, dem Kutſcher
traute ſie nicht ganz. Die Verſuchung, ſich zu betrinken,
war zu groß.

Ein Rollen und Schmettern nicht weit von ihnen —
drehte die Köpfe unwillkürlich nach den Tönen.

„Wir ſollten eigentlich noch ein Tänzchen haben!“
meinte Herr Groß unternehmend.

Sie ſtanden ſchon vor dem großen, von einem Leinen-
zelt überdachten Tanzboden, den farbige Lampions er-
leuchteten. Noch einmal gellte die Fanfare auf, dann ſetzte
ein rauſchender Walzer ein —

„Ohne Tanz gibt’s keine Kirchweih!“ erklärte nun
auch Herr Fabian.

„Wir wollten doch nach Hauſe!“ ſagte Hedwig un-
geduldig.

Aber ſchon hatte ſich Herr Fabian mit einem Paar
Glaces von zweifelhaftem Weiß bewaffnet und führte ſie
auf das Podium, wo ſich bereits Georg und Frieda zu den
tanzenden Paaren geſellt hatten.

Annemarie ſah das wie durch einen Schleier, der
kleine Groß verbeugte ſich vor ihr und wie im Traume
flog ſie mit ihm dahin. Er tanzte ganz gut, trotzdem dankte
ſie nach der erſten Runde, und ſah erleichtert, wie er zu
Hedwig zu gelangen ſuchte, die auf der anderen Seite des
Tanzbodens von ihrem Tänzer abgeſetzt worden war.

(Fortſetzung folgt).


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[[1]/0001] Redaktion und Adminiſtration: Ringplatz 4, 2. Stock. Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedüngungen: Für Czernowitz (mit Zuſtellung ins Haus): monatl. K 1·80, vierteljähr. K 5·40 halbj. K 10·80, ganzjähr. K 21·60, (mit täglicher Poſtverſendung): monatlich K 2, vierteljähr. K 6, halbjähr. K 12, ganzjähr. K 24. Für Deutſchland: vierteljährig ... 7 Mark. für Rumänien und den Balkan: vierteljährig .... 10 Lei. Telegramme Allgemeine, Czernowitz. Czernowitzer Allgemeine Zeitung Ankündigungen: Es koſtet im gewöhnlichen Inſe- ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei mehrmaliger Einſchaltung, für Re- klame 40 h die Petitzeile. Inſerate nehmen alle in- und ausländiſchen Inſeratenbureaux ſowie die Ad- miniſtration entgegen. — Einzel- exemplare ſind in allen Zeitungs- verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni- verſitätsbuchhandlung H. Pardini und in der Adminiſtration (Ring- platz 4, 2. St.) erhältlich. In Wien im Zeitungsburean Goldſchmidt, Wollzeile 11. Einzelexemplare 10 Heller für Czernowitz. Manuſkripte werden in keinem Falle zurück- geſendet, unfrankierte Briefe nicht an- genommen. Nr. 2400. Czernowitz, Dienstag, den 23. Jänner 1912. Ueberſicht. Vom Tage. Wie das „N. Wr. Tagbl.“ meldet, dürfte Graf Aehrenthal nach den Delegationen einen Urlaub nehmen und nach der Rückkehr vom Urlaub, wenn ſeine Wiederher- ſtellung ſo weit fortgeſchritten ſein wird, die Leitung der Geſchäfte übernehmen. Czernowitzer Angelegenheiten. Generalvikar Myron Calinescu iſt geſtern nach län- gerem Leiden geſtorben und wird morgen um 2 Uhr nach- mittags beerdigt. Letzte Telegramme. Graf Apponyi erklärte im ung. Abgeordnetenhauſe, daß er die Regierung unterſtützen werde, wenn ſie an den Grundlagen der äußern Politik feſthaltend mit Italien das Bundesverhältnis fortſetzen werde. Die Begebung der Anleihen. Wien, 20. Jänner. 1912. In einer intereſſanten, ja man kann ſagen, merkwür- digen Zeit iſt die Begebung der öſterreichiſchen Anleihen erfolgt. Ein Gefühl der Unbehaglichkeit ergreift die poli- tiſchen und namentlich die finanziellen Kreiſe. Jeder Tag bringt in der äußeren Politik, wenn auch nicht gefahr- drohende, ſo doch normalen Verhältniſſen nicht entſpre- chende Tatſachen und Stimmungen. In den letzten Wo- chen wird auch in Wien viel geflüſtert und man hört davon ſprechen„ daß ſich das Verhältnis zu dem ſüdlich gelegenen Nachbar und Bundesſtaat weſentlich verſchlechtert habe. Das alles ſind Erſcheinungen, die bei längerer Fortdauer ſchließlich auch auf die wirtſchaftlichen Verhältniſſe nicht ganz ohne Einfluß bleiben können. Ein geordnetes öko- nomiſches Leben hat zur erſten Vorausſetzung politiſche Stetigkeit. Wenn das Publikum einmal unruhig wird und ihm die politiſche Furcht in den Gliedern liegt, dann zieht die Beſorgnis Wellenlinien und die Anſteckungsgefahr wird ſehr groß. Die Bevölkerung in Oeſterreich will den Frieden und er wird, das darf man wohl mit Zuverſicht behaupten, erhalten bleiben. Es iſt aber charakteriſtiſch, daß das Konſortium, welches die Rente übernimmt, es für vorſichtiger hielt, nur 200 Millionen zu bewilligen und daß der Finanzminiſter ſich eine Einſchränkung des Rentenbetrages um 50 Millionen auferlegen muß. Gewiß waren die beruhigenden Erklärungen, die der Finanzmi- niſter über die politiſche Frage gab, richtig, aber oft ſind Stimmungen in der Bevölkerung bedeutungsvoller als offizielle Auffaſſungen, wenigſtens was die Wirkung be- trifft. Der Rentenmarkt braucht zu ſeiner Geſundung volle Ruhe und es genügt nicht, wenn man keine Verwick- lungen erwartet, ſondern es muß der Himmel vollſtändig frei von Wolken ſein. Das iſt nicht der Fall und das ſchä- digt den Rentenmarkt und muß die Unternehmungsluſt behindern. Der Finanzminiſter kann übrigens zufrieden ſein, ſoweit dies die jetzigen Verhältniſſe des Anlagemarktes, für die er ſelbſtverſtändlich nicht verantwortlich iſt, ge- ſtatten. Erſtens hat er die richtige Taktik verfolgt, die Be- gebung von Schatzſcheinen zu reduzieren, da 50 Millionen durch Rente fundiert werden. Zweitens hat er einen Kurs erzielt, den das Konſortium anfangs nicht bieten wollte. Die Gruppe hat dagegen, darüber kann kein Zweifel ſein, die Durchführung einer Kreditoperation auf ſich genom- men, die nicht gewinnbringend iſt, ſehr bedeutende Mittel einer fruchtbringenden Verwertung entzieht und in den heutigen Zeitläuften nur ſchleppend abgewickelt werden kann. Die Finanzoperation, bei der an Rente und Schatz- ſcheinen 330 Millionen in Frage kommen, iſt die größte, die der öſterreichiſche Staat auf einmal in den letzten zwei Dezennien vollzogen hat. Während man bei der Rente nur einen allmählichen Abſatz vorausſehen kann, wird der Umtauſch der Schatzſcheine keine Schwierigkeiten bieten, zumal ſich hiebei eine Prämie von mehr als einem Pro- zent bietet. Die jetzige Anleihetransaktion iſt ein deutlicher Weg, die ſtaatliche Ausgabenpolitik zu begrenzen und das Par- lament ſollte daraus eine Lehre ziehen. Die Laſten, welche die produzierenden Stände treffen, vermehren ſich in einem ungewöhnlichen Maße. Auf der einen Seite wird in offiziellen Reden die Notwendigkeit verkündet, die Un- ternehmungsluſt zu heben, auf der anderen Seite wird alles dazu getan, um die Initiative in Oeſterreich zu ver- leiden. Ehe man hierzulande ſich nicht darüber hinweg- ſetzt, auf die Produktion Lawinen zu wälzen, wird man nie zu der gleichen wirtſchaftlichen Entfaltung kommen, wie in den weſtlichen Nachbarſtaaten. Wir haben leider ein wirtſchaftlich nicht genügend geſchultes Parlament. Es wählt für wichtige Aktionen unrichtige Mittel und un- richtige Perſonen. Eine ſolche Methode kann nicht zu dem erwünſchten Ziele führen. Die öſterreichiſche Produktion iſt jedoch erſtarkt und ſie wird auch den Dilletantismus beſiegen, der ſich in der Legislative bemerkbar macht. Vom Tage. Czernowitz, 22. Jänner. Das Befinden des Kaiſers. KB. Wien, 21. Jänner. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Das Befinden des Kaiſers iſt vortrefflich. Galiziſcher Landtag. Lemberg, 21. Jänner. Zu Beginn der geſtrigen Si- tzung des galiziſchen Landtages, erklärte Landmarſchall Graf Badeni, daß das Protokoll der vorigen Sitzung in der Kanzlei zur Einſicht aufliege und nicht verleſen werde. Daraufhin legte Abg. Makuch namens des ukrainiſchen Landtagsklubs ſowohl gegen die Giltigkeit dieſes Protokolls als auch gegen die der vorigen Sitzung Proteſt ein. Dasſelbe tat Abg. Dr. Dudykiewicz (Altruthene) namens ſeiner Anhänger, proteſtierte des weiteren dagegen, daß ſeine Partei kein Mandat in der Budgetkommiſſion erhalten habe und auch den polniſch- rutheniſchen Ausgleichsverhandlungen nicht beigezogen wurde, und erklärte ſchließlich, daß die ruſſophilen Land- tagsabgeordneten an den Sitzungen des Landtages künftig- hin keinen Anteil nehmen werden, worauf Redner und deſſen Parteigenoſſen oſtentativ den Sitzungsſaal ver- ließen. Abg. Korol (Altruthene) gab namens ſeiner Fraktion eine gleichlautende Proteſterklärung wie die beiden Vorredner ab. Landmarſchall Graf Badeni brachte hierauf dem Landtage zur Kenntis, daß er namens desſelben der ver- unglückten Erzherzogin Maria Thereſia telegraphiſch bal- dige Beſſerung gewünſcht habe. (Beifall.) Vor Uebergang zur Tagesordnung ſtellte Abg. K. Lewicki den formellen Antrag, in Würdigung des Umſtandes, daß die Löſung der Wahlreformfrage die wich- tigſte Aufgabe des Landtages bilde, möge die Sitzung ge- ſchloſſen werden und die nächſte auf deren Tagesordnung die Wahlreform zu ſetzen ſei, am 25. d. M. ſtattfinden. Abg. Abrahamowicz ſprach ſich gegen dieſen Antrag aus und forderte die Ruthenen zum Waffenſtillſtand für die Zeit der Ausgleichsverhandlungen auf. Abgeordneter Skwarko (Jungruthene) polemiſierte mit ſeinem Vor- redner und erklärte, daß die Ruthenen ihre Obſtruktion nicht einſtellen würden. Abg. Staruch (Jungruthene) bezeichnete das Vorgehen der Polen als Provokation des rutheniſchen Volkes und erklärte, daß in Galizien erſt dann nationaler Friede herrſchen werde, wenn der Landtag aus Leben. Roman von George Dellavoß. 20] (Nachdruck verboten.) „Was gibt es denn dort drüben?“ fragte ſie auf einmal ſehr lebhaft. Sie zeigte mit der Hand nach der gegenüber- liegenden Straßenſeite. Dort waren ſchon vor einiger Zeit eine Menge Herren im feierlichen ſchwarzen Salonrock erſchienen und hatten ſich erwartungsvoll vor das Tor des Wirtshauſes poſtiert. Jetzt kam ein großer, faſt mili- täriſch geordneter Zug die Straße herunter und ſchwenkte von Zurufen und Hüteſchwenken begrüßt, in das Tor ein. Die Gäſte im Speiſeſaal waren faſt alle aufgeſtanden und hatten neugierig hinübergeſchaut, auch am Hellmann- ſchen Tiſch hatten ſich die Herren erhoben. „Das ſind Arbeiter aus Jagenhofen!“ ſagte der kleine blonde Lehrer halblaut. „Ich begreife Clermont nicht“, zürnte Georg, „wie kann er ſo mit dem Feuer ſpielen laſſen!“ „Gerade unſere reichen Leute verlieren ſo leicht das Bewußtſein ihrer Pflicht gegen ihr Volk,“ ſagte der Lehrer der neben Frieda ſaß, „unſere Gegner ſind in der Be- ziehung viel beſſer daran.“ „Es wird Clermont alle Toleranz nichts helfen, wenn es einmal zu einem Streik kommt,“ meinte der kleine Herr Groß, „ich hoffe viel von ſeinem Schwieger- ſohn, der iſt ein guter Deutſcher.“ „Wir wolen die Politik für heute ruhen laſſen,“ ſagte Georg mit einem lächelnden Blick auf die Geſichter der Damen, „wir ſind doch gekommen, um die Kirchweih- freuden zu genießen. Ich ſchlage vor, daß wir uns auf den Weg machen?“ „Was gedenken die Herrſchaften alles mitzumachen?“ „Alles!“ antwortete Frieda dem blonden Lehrer, „da wir einmal da ſind!“ „Dürfen wir uns anſchließen?“ Wenn Sie mit dem Sprichwort „mitgegangen, mit- gefangen“ einverſtanden ſind!“ Der Speiſeſaal war ſchon faſt leer, als ſie gingen. Von drüben kam lebhaftes Stimmengeräuſch, die De- batte ſchien ſehr lebhaft zu ſein. Ein paar Leute hatten ſich vor dem Hauſe angeſammelt, die auf den Zehenſpitzen ſtehend und Hälſe reckend verſuchten, einen Blick in das Verſammlungslokal zu werfen. Sonſt war alles ſchon wieder nach dem Markte geſtrömt. Als die Geſellſchaft ihn erreichte, war der Jahrmarkts- ſpektakel in vollem Gange, und nur mühſam konnte man im Gedränge vorwärts kommen. Dadurch ergab ſich ganz von ſelbſt eine paarweiſe Einteilung der Geſellſchaft, und ehe Annemarie wußte, wie ihr geſchah, lag ihr Arm in dem des Herrn Groß, während Hedwig mit Herrn Fabian Georg folgte, der mit Frieda vorausging. Den Anblick ihrer Schweſter am Arme, Georgs empfand Annemarie wie einen Schlag. Sie war ſo gewöhnt, Georgs Aufmerk- ſamkeit ganz für ſich in Anſpruch zu nehmen, daß ſie ſich wie in eigenen Rechten gekränkt vorkam und ſich erſt be- ſinnen mußte, daß ſie ſolche gar nicht beſaß. Zerſtreut hörte ſie auf die Reden des kleinen Lehrers, der ihr Auſſig, ſeine Geburtsſtadt, ſchilderte, wo ſein Vater Werkmeiſter in einer großen Fabrik war. Plötzlich begann auch ſie zu plaudern und zu lachen und den kleinen Lehrer zu necken, der im Kreuzfeuer ihrer Worte und Blicke in nicht geringe Verwirrung geriet. Man wanderte von einer Bude zur anderen, machte Einkäufe und beſchenkte einander mit drolligen Kleinig- keiten. Herr Fabian brachte jeder der Damen ein großes Lebkuchenherz, und Herr Groß, der ſeinem Beiſpiel folgte, wurde rot bis über die Ohren, als er Annemarie das ihrige überreichte. Sie fädelte die Herzen auf eine Schnur und hing ſie lachend über den Griff ihres Sonnenſchirmes, aber als Georg ihr einen großen Reiter brachte, riß ſie dem den Kopf ab und ſchleuderte ihn dann ins dichteſte Ge- dränge. „Da!“ ſagte ſie halb lachend, halb zornig. Der verſtümmelte Reiter war einer dicken Bäuerin ins Geſicht geflogen, ſie kreiſchte und ſchimpfte zum großen Ergötzen der Umſtehenden. Der Abend ſenkte ſich ſchon langſam nieder. Eine Wolke von Staub ſchwebte über dem Platze, die Luft, ohnedies ſchwül und drückend, war voll von ſchweren, unangenehmen Gerüchen. In den Buden flammten ſchon die Lichter auf, die Menge drängte ſich dichter bei den fliegenden Schenken, man ſah ſchon viel dunkelgerötete Geſichter und ſtiere Augen. Der quietſchende Lärm der Trommeln und Trompeten, Pfeifen und Rat- ſchen erhob ſich mit erneuerter Kraft, von den langgezo- genen Tönen und Leierkäſten zur ſchrillſten Diſſonanz verſtärkt „Wir könnten jetzt wirklich gehen!“ meinte Hedwig ungeduldig. Sie hatte alle Einkäufe beſorgt und dachte unruhig daran, ob alles richtig im Gaſthof, wo ſie ausgeſpannt hatten, abgeliefert worden war. Auch Franz, dem Kutſcher traute ſie nicht ganz. Die Verſuchung, ſich zu betrinken, war zu groß. Ein Rollen und Schmettern nicht weit von ihnen — drehte die Köpfe unwillkürlich nach den Tönen. „Wir ſollten eigentlich noch ein Tänzchen haben!“ meinte Herr Groß unternehmend. Sie ſtanden ſchon vor dem großen, von einem Leinen- zelt überdachten Tanzboden, den farbige Lampions er- leuchteten. Noch einmal gellte die Fanfare auf, dann ſetzte ein rauſchender Walzer ein — „Ohne Tanz gibt’s keine Kirchweih!“ erklärte nun auch Herr Fabian. „Wir wollten doch nach Hauſe!“ ſagte Hedwig un- geduldig. Aber ſchon hatte ſich Herr Fabian mit einem Paar Glaces von zweifelhaftem Weiß bewaffnet und führte ſie auf das Podium, wo ſich bereits Georg und Frieda zu den tanzenden Paaren geſellt hatten. Annemarie ſah das wie durch einen Schleier, der kleine Groß verbeugte ſich vor ihr und wie im Traume flog ſie mit ihm dahin. Er tanzte ganz gut, trotzdem dankte ſie nach der erſten Runde, und ſah erleichtert, wie er zu Hedwig zu gelangen ſuchte, die auf der anderen Seite des Tanzbodens von ihrem Tänzer abgeſetzt worden war. (Fortſetzung folgt).

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2400, Czernowitz, 23.01.1912, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer2400_1912/1>, abgerufen am 21.11.2024.