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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2667, Czernowitz, 28.10.1912.

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28. Oktober 1912. "Czernowitzer Allgemeine Zeitung"

[Spaltenumbruch]

laufenen Session im allgemeinen schildert und den Stand-
punkt des jüdischen Klubs in der Sanierungsfrage dar-
legt. Redner verweist auf den Beschluß des Landtages in
der Schänkerfrage, auf die hohen Subventionen, die der
Landtag für die Kreditgenossenschaften der Gewerbetrei-
benden und der Kaufleute bewilligte und meint, daß der
jüdische Klub in der abgelaufenen Session alles getan
habe, was er in dieser kurzen Zeit für die Judenschaft des
Landes habe tun können. (Lebhafter Beifall.)

Während der Schlußworte des Abg. Dr. Wender
erschien Abg. Dr. Straucher im Saale. Er wird von
seinen Angehörigen mit Hochrufen begrüßt, was zu stür-
mischen Gegendemonstration von Seien der anderen Ver-
sammlungsteilnehmer Anlaß gibt. Es herrscht ein fürchter-
licher Lärm. Schrille Pfiffe und Pfuirufe übertönen die
Hochrufe des kleinen Häufleins. Nachdem sich der Lärm ge-
legt hatte, ergreift Abg. Vizebürgermeister Dr. Weißel-
berger
das Wort, der dem Abg. Dr. Straucher vor-
wirft, den anderen Abgeordneten die Möglichkeit zum
Sprechen genommen zu haben. (Abg. Dr. Straucher:
"Das ist nicht wahr! Das ist eine Lüge!" -- Abg. Dr.
Fokschaner: "Wer hat Sie gerufen? Schauen Sie,
daß Sie weiter kommen!" -- Abg. Dr. Straucher:
"Das ist eine Frechheit! Das ist eine Unverschämtheit!")
Weiter fortfahrend bespricht Abg. Dr. Weißelber-
ger,
ebenfalls immer wieder von den Angehörigen Dr.
Strauchers unterbrochen, die Schulverländerungs- und
Sanierungsfrage und schließt seine Rede unter stürmischem
Beifalle der Versammlung. Abg. Dr. Straucher hat sich
inzwischen wieder entfernt.

Nach einigen kurzen Worten des Abg. Hecht ergreift
dann Abg. Prof. Dr. Kellner das Wort, um, von leb-
haftem Beifall begleitet, u. a. auch das Vorgehen des Abg.
Dr. Straucher, des gewesenen Obmannes des jüdischen
Klubs zu verurteilen, der trotz mehrmaligen Ersuchens es
nicht für nötig fand, den Klub zu einer Sitzung einzube-
rufen, damit er sich über die Sanierungsfrage informiere
und wegen dieser Angelegenheit Beschlüsse fasse.

Die nächsten Redner Dr. Pistiner und Trop-
per
übten unter dem Beifalle ihrer Parteigenossen an der
Tätigkeit des Klubs scharfe Kritik.

Als Dr. Fokschaner auf diese erwidern will, wird
er von mehreren Sozialdemokraten, denen sich auch einige
Staucherleute anschlossen, am Sprechen gehindert. Trotz-
dem vermochte sich Abg. Dr. Fokschaner für kurze Zeit
Gehör zu verschaffen. Er wies nach, daß die Anwürfe der
Vorredner nicht auf Richtigkeit beruhen und daß der
Standpunkt der jüdischen Landtagsabgeordneten in der
Sanierungsfrage der einzig richtige sei. Redner macht auch
barauf aufmerksam, daß er der erste gewesen sei, der die
Schänkerfrage ins Rollen gebracht habe, die dann einer
günstigen Erledigung zugeführt wurde. (Lebhafter Bei-
fall.)

Als nunmehr der Anhänger des Abg. Dr. Strau-
cher,
der Agent Donnensaft das Wort ergreifen will
entsteht ein derartiger Lärm, daß die Vesammlung vom
Vorsitzenden geschlossen werden muß. Unter stürmi-
schen Ovationen für die Abgeordneten leert sich langsam
der Saal.




Der Rücktritt des Landeshauptmann-Stellvertreters
Dr. v. Smal-Stocki. Wir erhalten folgendes Kommuni-
quee: Gestern fand unterm Vorsitz des Obmannes Abg.
v. Wassilko eine Besprechung der parlamentarischen
Kommission des landtäglichen Ruthenenklubs statt, an
welcher die Landtagsabgeordneten Pihuliak, O. Po-
[Spaltenumbruch] powicz, Lessan,
Dr. Halip, Spenul und Lu-
kaszewicz
teilnahmen. Es wurde einhellig beschlossen,
für Dienstag, den 29. d. M. eine Vollversammlung
des ukrainischen Landtagsklubs nach Czernowitz einzube-
rufen, welcher eine solenne Dankeskundgebung für die
20jährige so verdienstvolle Tätigkeit des bisherigen Lan-
deshauptmannstellvertreters Dr. v. Stocki zur Be-
schlußfassung vorgelegt und in der der Antrag der parla-
mentarischen Kommission wegen Besetzung der durch den
Rücktritt Dr. v. Stockis frei gewordenen Landeshaupt-
mannstellvertreterstelle in Beratung gezogen werden wird.




Theater, Kunst und Literatur.


Kammermusik-Abend.

(Brahms.) Der Verein zur
Förderung der Tonkunst in der Bukowina erfüllt mit der
Veranstaltung von Kammermusik-Abenden eine Aufgabe,
die sich ähnliche Vereine anderwärts von privaten oder
offiziellen Sonder-Vereinigungen abnehmen lassen. Kam-
mer-Musik: Eine Musik, die für den intimeren Kreis,
für die "Kammer" der musikliebenden Großen gemacht
worden ist; die zu ihrer Wirkung eines bestimmten Rau-
mes und einer Zuhörerschaft bedarf, die aus wahrhaft
Musikalischen besteht; die reine Musik ist. In Wien
übernahmen zu Beginn des verflossenen Jahrhundertes
Bürgerkreise, sogenennte Patrizierhäuser die Mission von
feudalen Mäzenen. In letzter Zeit hat der Dürerbund in
seinen musikalischen Bestrebungen die Pflege der Haus-
musik besonders gefördert. Als Hausmusik bezeichnet er
besonders Lieder (mit Klavier, zur Laute, a capella-Quar-
tette u. s. w.) und von Instrumentalmusik Klavier und
Harmonium. Der Verein zur Förderung der Tonkunst
vereinigt nun die alte Kammer-Musik mit der Hausmusik,
wie sie der Dürer-Bund propagiert. Die Wahl des Pro-
grammes fiel auf Brahms. Ein hohes Ziel steckten sich die
Ausführenden. Brahms ist einer von den Künstlern, deren
Werke am schwierigsten wiederzugeben sind und überdies
dem Verständnis des Hörers nicht leicht nahegebracht wer-
den können. Daß die -- allerdings lange nicht vollzählig
erschienene -- musikalische Gemeinde immerhin reichlich
Grund zum Beifall fand, ist ein gutes Zeichen für das auf-
merksame Mitgehen und natürlich ein besonders gutes
für die Mitwirkenden. -- Die Sonate in G-Dur für Kla-
vier und Violine sowie das Streichquartett in A-Moll
gaben ein charakteristisches Bild von der eigenwilligen
Art des Meisters; in der Sonate haben beide Instru-
mente ungefähr gleichen Anteil an der Führung, gehen
bald neben- bald gegen-, dann wieder miteinander. Be-
merkenswert für die Differenziertheit sind die Bezeich-
nungen Vivace manontroppo, Allegro moltomo-
derato;
nur das Adagio bleibt im überlieferten Tempo.
Ebenso tragen die 4 Sätze des Streich-Quartettes ein-
schränkende Tempi: Allegro non troppo, Andante
moderato, Guasi Minuetto moderato, Allegro
non assai. Im Bau sind beide Werke in den Sätzen
ein wenig frei, in der Erfindung von einer Fülle des
Reichtums, die berückend wirkt; alle Farben nimmt der
Zusammenklang an, die herbe, keusche waltet vor, so daß
man versucht ist, Brahms etwa mit Kleist zu vergleichen
oder auch mit Hebbel, zumal die Haltung der Motive un-
leugbar dramatisch anmutet. Die Violin-Sonate wurde von
Herrn Direktorstellvertreter A. Schlüter und Frau
Aglaia Klug wiedergegeben. Die Hauptlinien kamen
schön heraus, nur trat eine dynamische Verschiebung ein,




[Spaltenumbruch]

spräche, bereit, jeden beliebigen Preis -- bis zu tausend
Franks zu zahlen, wenn ihm Madame d'Elphis heute
abend die Sitzung, an der ihm so sehr viel liege, gewähren
wolle.

Zu Vanderlyns Verdruß und Ueberraschung folgte
eine lange Pause.

Endlich kam die Antwort, die erwartete Zustim-
mung; aber in Worte gekleidet, die ihn unsicher machten
und beunruhigten.

"Gut denn, mein Herr, meine Schwester wird sich
heute abend um acht Uhr für Sie bereit halten; aber da
sie ausgehen muß, kann sie Ihnen keine lange Sitzung
geben."

Er hatte also nicht mit der Wahrsagerin selbst ge-
sprochen! Das beunruhigte ihn wieder, obgleich er selbst
nicht recht wußte weshalb. Er hatte darauf gerechnet, nur
eine Person ins Vertrauen ziehen zu müssen; und dann
-- nun er hätte sich am Telephon gesagt, daß er wohl ohne
Schwierigkeiten den gewünschten Handel mit der Frau,
deren hohe dünne affektierte Stimme ihn auf eine käuf-
liche Person schließen ließ, würde abschließen können.

Der amerikanische Diplomat war recht aufgeregt und
neugierig, als er am Abend desselben Tages die stille, jetzt
verlassene Straße hinabging, in der die berühmte Wahr-
sagerin wohnte.

Madame d'Elphis hatte sich einen schlichten Rahmen
für ihre Geheimnisse gewählt, denn das große weiße, sehr
neu aussehende Haus machte den Eindruck eines riesigen
häßlichen Keils, der in die hübsche alte Straße einge-
lassen war, dessen Häßlichkeit durch die Nähe eines jener
belaubten Gärten, die in den älteren Teilen der Stadt
stille, duftende Oasen bilden, noch mehr ins Auge fiel.

Der Portier gab auf Vanderlyns Frage nach Ma-
dame d'Elphis kurz zur Antwort: "Gehen Sie über den
Hof; die Person, nach der Sie fragen, wohnt im Zwischen-
stock des Hauses, das Sie dort sehen werden."

Und nun sah er, daß weit zurückliegend, von der
Straße aus nicht w[ahrnehmba]r, ein zweites Gebäude von
[Spaltenumbruch] ganz andrem Aussehen lag, das viel passender war für die
Zwecke selbst einer modernen Wahrsagerin.

Wie er über den schwach erleuchteten, schlecht gepfla-
sterten Hof schritt, der das neue, der Straße zugekehrte
Gebäude von dem Hause aus dem siebzehnten Jahrhun-
dert trennte, wurde es Vanderlyn klar, daß sein erster
Eindruck ganz falsch gewesen war. Madame d'Elphis hatte
augenscheinlich die Wirkung genau berechnet, die sie auf
ihre Kunden zu machen wünschte. Sogar am Tage mußte
das Haus mit den Mansarden, das jetzt vor seinen Blicken
erschien, unheimlich und geheimnisvoll wirken. Cagliostro
mochte hinter solch engen, vergitterten Fenstern gewohnt
haben, oder, noch früher, die noch viel düstere La Voison.

Aber dieser Eindruck verlor an Heftigkeit, als er
durch die Türe in das alte Haus eintrat; und während
er ide schäbige, gasbeleuchtete Treppe hinaufging, hatte er
die Empfindung, daß seine abstoßende Aufgabe keine
schwere sein würde. Die Frau, die sich den Luxus eines
Liebhabers wie den Marquis de Florac gestatten konnte,
würde -- konnte nicht zögern, ein Anerbieten von zehn-
tausend Franks anzunehmen.

Es führte nur eine Türe in den Zwischenstock und auf
ihrem Schilde war in kleinen, goldenen Buchstaben der
Namen "d'Elphis zu lesen. Der seltsame Name schimmerte
im Gaslicht, als Vanderlyn die Glocke zog.

Nach einer ganzen Weile sah er endlich ein Gesicht,
das ihn durch das kleine Gitter, das den bezeichnenden
Namen Judas führt, anblickte. Diese kleinen Guckfenster,
die zweifellos aus der Revolutionszeit stammen, sind noch
an den Eingangstüren vieler altmodischer Pariser Häuser
zu finden.

Da die Beobachtung befriedigend zu sein schien,
öffnete sich die Türe und eine junge Bonne a tout faire
ließ ihn in einem mit starkem Küchengeruch erfüllten
Korridor treten. Aus dem Geruch schloß Vanderlyn, daß
Madame d'Elphis und ihre Familie die Vorliebe des
echten Südländers für den Knoblauch teilten.

(Fortsetzung folgt.)


[Spaltenumbruch]

das Klavier hätte mehr zurück- und die Violine mehr her-
vortreten müssen und der Rhytmus des Allegro wäre noch
straffer -- nicht schneller -- zu nehmen gewesen. Im
Streichquartett zeigten die Herren Schlüter, Professor
Krämer, Mr. Storfer und Diekto Horner ein
rundes Zusammenspiel, das stellenweise geradezu voll-
endet schön klang; nur das Violoncell wünschten wir
durchwegs weicher. Frau Hanna Pleß sang zwei ernste
und zwei heitere Lieder und gab noch ein heiteres zu. Die
Auswahl war glücklich, wir vermuten wohl mit Recht, daß
Kapellmeister Dr. Hans Pleß sie getroffen, in dem wir
einen ungemein feinen Begleiter kennen gelernt haben;
das Begleiten ist eine Kunst für sich, eine der am schwer-
sten zu meisternden. Das gute Material in der Stimme
von Frau Hanna Pleß vertrauen wir ruhig der weiteren
Ausbildung durch den bewährten Gatten an. -- Der un-
geheure Eifer und die Hingabe an ihre Arbeit läßt uns
aus vollem Herzen den Veranstaltern und Mitwirkenden
Dank sagen.




Abfahrtszeit der Züge von Czernowitz i[n]
der Richtung gegen:

[]
[]
28. Oktober 1912. „Czernowitzer Allgemeine Zeitung“

[Spaltenumbruch]

laufenen Seſſion im allgemeinen ſchildert und den Stand-
punkt des jüdiſchen Klubs in der Sanierungsfrage dar-
legt. Redner verweiſt auf den Beſchluß des Landtages in
der Schänkerfrage, auf die hohen Subventionen, die der
Landtag für die Kreditgenoſſenſchaften der Gewerbetrei-
benden und der Kaufleute bewilligte und meint, daß der
jüdiſche Klub in der abgelaufenen Seſſion alles getan
habe, was er in dieſer kurzen Zeit für die Judenſchaft des
Landes habe tun können. (Lebhafter Beifall.)

Während der Schlußworte des Abg. Dr. Wender
erſchien Abg. Dr. Straucher im Saale. Er wird von
ſeinen Angehörigen mit Hochrufen begrüßt, was zu ſtür-
miſchen Gegendemonſtration von Seien der anderen Ver-
ſammlungsteilnehmer Anlaß gibt. Es herrſcht ein fürchter-
licher Lärm. Schrille Pfiffe und Pfuirufe übertönen die
Hochrufe des kleinen Häufleins. Nachdem ſich der Lärm ge-
legt hatte, ergreift Abg. Vizebürgermeiſter Dr. Weißel-
berger
das Wort, der dem Abg. Dr. Straucher vor-
wirft, den anderen Abgeordneten die Möglichkeit zum
Sprechen genommen zu haben. (Abg. Dr. Straucher:
„Das iſt nicht wahr! Das iſt eine Lüge!“ — Abg. Dr.
Fokſchaner: „Wer hat Sie gerufen? Schauen Sie,
daß Sie weiter kommen!“ — Abg. Dr. Straucher:
„Das iſt eine Frechheit! Das iſt eine Unverſchämtheit!“)
Weiter fortfahrend beſpricht Abg. Dr. Weißelber-
ger,
ebenfalls immer wieder von den Angehörigen Dr.
Strauchers unterbrochen, die Schulverländerungs- und
Sanierungsfrage und ſchließt ſeine Rede unter ſtürmiſchem
Beifalle der Verſammlung. Abg. Dr. Straucher hat ſich
inzwiſchen wieder entfernt.

Nach einigen kurzen Worten des Abg. Hecht ergreift
dann Abg. Prof. Dr. Kellner das Wort, um, von leb-
haftem Beifall begleitet, u. a. auch das Vorgehen des Abg.
Dr. Straucher, des geweſenen Obmannes des jüdiſchen
Klubs zu verurteilen, der trotz mehrmaligen Erſuchens es
nicht für nötig fand, den Klub zu einer Sitzung einzube-
rufen, damit er ſich über die Sanierungsfrage informiere
und wegen dieſer Angelegenheit Beſchlüſſe faſſe.

Die nächſten Redner Dr. Piſtiner und Trop-
per
übten unter dem Beifalle ihrer Parteigenoſſen an der
Tätigkeit des Klubs ſcharfe Kritik.

Als Dr. Fokſchaner auf dieſe erwidern will, wird
er von mehreren Sozialdemokraten, denen ſich auch einige
Staucherleute anſchloſſen, am Sprechen gehindert. Trotz-
dem vermochte ſich Abg. Dr. Fokſchaner für kurze Zeit
Gehör zu verſchaffen. Er wies nach, daß die Anwürfe der
Vorredner nicht auf Richtigkeit beruhen und daß der
Standpunkt der jüdiſchen Landtagsabgeordneten in der
Sanierungsfrage der einzig richtige ſei. Redner macht auch
barauf aufmerkſam, daß er der erſte geweſen ſei, der die
Schänkerfrage ins Rollen gebracht habe, die dann einer
günſtigen Erledigung zugeführt wurde. (Lebhafter Bei-
fall.)

Als nunmehr der Anhänger des Abg. Dr. Strau-
cher,
der Agent Donnenſaft das Wort ergreifen will
entſteht ein derartiger Lärm, daß die Veſammlung vom
Vorſitzenden geſchloſſen werden muß. Unter ſtürmi-
ſchen Ovationen für die Abgeordneten leert ſich langſam
der Saal.




Der Rücktritt des Landeshauptmann-Stellvertreters
Dr. v. Smal-Stocki. Wir erhalten folgendes Kommuni-
quee: Geſtern fand unterm Vorſitz des Obmannes Abg.
v. Waſſilko eine Beſprechung der parlamentariſchen
Kommiſſion des landtäglichen Ruthenenklubs ſtatt, an
welcher die Landtagsabgeordneten Pihuliak, O. Po-
[Spaltenumbruch] powicz, Leſſan,
Dr. Halip, Spenul und Lu-
kaszewicz
teilnahmen. Es wurde einhellig beſchloſſen,
für Dienſtag, den 29. d. M. eine Vollverſammlung
des ukrainiſchen Landtagsklubs nach Czernowitz einzube-
rufen, welcher eine ſolenne Dankeskundgebung für die
20jährige ſo verdienſtvolle Tätigkeit des bisherigen Lan-
deshauptmannſtellvertreters Dr. v. Stocki zur Be-
ſchlußfaſſung vorgelegt und in der der Antrag der parla-
mentariſchen Kommiſſion wegen Beſetzung der durch den
Rücktritt Dr. v. Stockis frei gewordenen Landeshaupt-
mannſtellvertreterſtelle in Beratung gezogen werden wird.




Theater, Kunſt und Literatur.


Kammermuſik-Abend.

(Brahms.) Der Verein zur
Förderung der Tonkunſt in der Bukowina erfüllt mit der
Veranſtaltung von Kammermuſik-Abenden eine Aufgabe,
die ſich ähnliche Vereine anderwärts von privaten oder
offiziellen Sonder-Vereinigungen abnehmen laſſen. Kam-
mer-Muſik: Eine Muſik, die für den intimeren Kreis,
für die „Kammer“ der muſikliebenden Großen gemacht
worden iſt; die zu ihrer Wirkung eines beſtimmten Rau-
mes und einer Zuhörerſchaft bedarf, die aus wahrhaft
Muſikaliſchen beſteht; die reine Muſik iſt. In Wien
übernahmen zu Beginn des verfloſſenen Jahrhundertes
Bürgerkreiſe, ſogenennte Patrizierhäuſer die Miſſion von
feudalen Mäzenen. In letzter Zeit hat der Dürerbund in
ſeinen muſikaliſchen Beſtrebungen die Pflege der Haus-
muſik beſonders gefördert. Als Hausmuſik bezeichnet er
beſonders Lieder (mit Klavier, zur Laute, a capella-Quar-
tette u. ſ. w.) und von Inſtrumentalmuſik Klavier und
Harmonium. Der Verein zur Förderung der Tonkunſt
vereinigt nun die alte Kammer-Muſik mit der Hausmuſik,
wie ſie der Dürer-Bund propagiert. Die Wahl des Pro-
grammes fiel auf Brahms. Ein hohes Ziel ſteckten ſich die
Ausführenden. Brahms iſt einer von den Künſtlern, deren
Werke am ſchwierigſten wiederzugeben ſind und überdies
dem Verſtändnis des Hörers nicht leicht nahegebracht wer-
den können. Daß die — allerdings lange nicht vollzählig
erſchienene — muſikaliſche Gemeinde immerhin reichlich
Grund zum Beifall fand, iſt ein gutes Zeichen für das auf-
merkſame Mitgehen und natürlich ein beſonders gutes
für die Mitwirkenden. — Die Sonate in G-Dur für Kla-
vier und Violine ſowie das Streichquartett in A-Moll
gaben ein charakteriſtiſches Bild von der eigenwilligen
Art des Meiſters; in der Sonate haben beide Inſtru-
mente ungefähr gleichen Anteil an der Führung, gehen
bald neben- bald gegen-, dann wieder miteinander. Be-
merkenswert für die Differenziertheit ſind die Bezeich-
nungen Vivace manontroppo, Allegro moltomo-
derato;
nur das Adagio bleibt im überlieferten Tempo.
Ebenſo tragen die 4 Sätze des Streich-Quartettes ein-
ſchränkende Tempi: Allegro non troppo, Andante
moderato, Guaſi Minuetto moderato, Allegro
non aſſai. Im Bau ſind beide Werke in den Sätzen
ein wenig frei, in der Erfindung von einer Fülle des
Reichtums, die berückend wirkt; alle Farben nimmt der
Zuſammenklang an, die herbe, keuſche waltet vor, ſo daß
man verſucht iſt, Brahms etwa mit Kleiſt zu vergleichen
oder auch mit Hebbel, zumal die Haltung der Motive un-
leugbar dramatiſch anmutet. Die Violin-Sonate wurde von
Herrn Direktorſtellvertreter A. Schlüter und Frau
Aglaia Klug wiedergegeben. Die Hauptlinien kamen
ſchön heraus, nur trat eine dynamiſche Verſchiebung ein,




[Spaltenumbruch]

ſpräche, bereit, jeden beliebigen Preis — bis zu tauſend
Franks zu zahlen, wenn ihm Madame d’Elphis heute
abend die Sitzung, an der ihm ſo ſehr viel liege, gewähren
wolle.

Zu Vanderlyns Verdruß und Ueberraſchung folgte
eine lange Pauſe.

Endlich kam die Antwort, die erwartete Zuſtim-
mung; aber in Worte gekleidet, die ihn unſicher machten
und beunruhigten.

„Gut denn, mein Herr, meine Schweſter wird ſich
heute abend um acht Uhr für Sie bereit halten; aber da
ſie ausgehen muß, kann ſie Ihnen keine lange Sitzung
geben.“

Er hatte alſo nicht mit der Wahrſagerin ſelbſt ge-
ſprochen! Das beunruhigte ihn wieder, obgleich er ſelbſt
nicht recht wußte weshalb. Er hatte darauf gerechnet, nur
eine Perſon ins Vertrauen ziehen zu müſſen; und dann
— nun er hätte ſich am Telephon geſagt, daß er wohl ohne
Schwierigkeiten den gewünſchten Handel mit der Frau,
deren hohe dünne affektierte Stimme ihn auf eine käuf-
liche Perſon ſchließen ließ, würde abſchließen können.

Der amerikaniſche Diplomat war recht aufgeregt und
neugierig, als er am Abend desſelben Tages die ſtille, jetzt
verlaſſene Straße hinabging, in der die berühmte Wahr-
ſagerin wohnte.

Madame d’Elphis hatte ſich einen ſchlichten Rahmen
für ihre Geheimniſſe gewählt, denn das große weiße, ſehr
neu ausſehende Haus machte den Eindruck eines rieſigen
häßlichen Keils, der in die hübſche alte Straße einge-
laſſen war, deſſen Häßlichkeit durch die Nähe eines jener
belaubten Gärten, die in den älteren Teilen der Stadt
ſtille, duftende Oaſen bilden, noch mehr ins Auge fiel.

Der Portier gab auf Vanderlyns Frage nach Ma-
dame d’Elphis kurz zur Antwort: „Gehen Sie über den
Hof; die Perſon, nach der Sie fragen, wohnt im Zwiſchen-
ſtock des Hauſes, das Sie dort ſehen werden.“

Und nun ſah er, daß weit zurückliegend, von der
Straße aus nicht w[ahrnehmba]r, ein zweites Gebäude von
[Spaltenumbruch] ganz andrem Ausſehen lag, das viel paſſender war für die
Zwecke ſelbſt einer modernen Wahrſagerin.

Wie er über den ſchwach erleuchteten, ſchlecht gepfla-
ſterten Hof ſchritt, der das neue, der Straße zugekehrte
Gebäude von dem Hauſe aus dem ſiebzehnten Jahrhun-
dert trennte, wurde es Vanderlyn klar, daß ſein erſter
Eindruck ganz falſch geweſen war. Madame d’Elphis hatte
augenſcheinlich die Wirkung genau berechnet, die ſie auf
ihre Kunden zu machen wünſchte. Sogar am Tage mußte
das Haus mit den Manſarden, das jetzt vor ſeinen Blicken
erſchien, unheimlich und geheimnisvoll wirken. Caglioſtro
mochte hinter ſolch engen, vergitterten Fenſtern gewohnt
haben, oder, noch früher, die noch viel düſtere La Voiſon.

Aber dieſer Eindruck verlor an Heftigkeit, als er
durch die Türe in das alte Haus eintrat; und während
er ide ſchäbige, gasbeleuchtete Treppe hinaufging, hatte er
die Empfindung, daß ſeine abſtoßende Aufgabe keine
ſchwere ſein würde. Die Frau, die ſich den Luxus eines
Liebhabers wie den Marquis de Florac geſtatten konnte,
würde — konnte nicht zögern, ein Anerbieten von zehn-
tauſend Franks anzunehmen.

Es führte nur eine Türe in den Zwiſchenſtock und auf
ihrem Schilde war in kleinen, goldenen Buchſtaben der
Namen „d’Elphis zu leſen. Der ſeltſame Name ſchimmerte
im Gaslicht, als Vanderlyn die Glocke zog.

Nach einer ganzen Weile ſah er endlich ein Geſicht,
das ihn durch das kleine Gitter, das den bezeichnenden
Namen Judas führt, anblickte. Dieſe kleinen Guckfenſter,
die zweifellos aus der Revolutionszeit ſtammen, ſind noch
an den Eingangstüren vieler altmodiſcher Pariſer Häuſer
zu finden.

Da die Beobachtung befriedigend zu ſein ſchien,
öffnete ſich die Türe und eine junge Bonne a tout faire
ließ ihn in einem mit ſtarkem Küchengeruch erfüllten
Korridor treten. Aus dem Geruch ſchloß Vanderlyn, daß
Madame d’Elphis und ihre Familie die Vorliebe des
echten Südländers für den Knoblauch teilten.

(Fortſetzung folgt.)


[Spaltenumbruch]

das Klavier hätte mehr zurück- und die Violine mehr her-
vortreten müſſen und der Rhytmus des Allegro wäre noch
ſtraffer — nicht ſchneller — zu nehmen geweſen. Im
Streichquartett zeigten die Herren Schlüter, Profeſſor
Krämer, Mr. Storfer und Diekto Horner ein
rundes Zuſammenſpiel, das ſtellenweiſe geradezu voll-
endet ſchön klang; nur das Violoncell wünſchten wir
durchwegs weicher. Frau Hanna Pleß ſang zwei ernſte
und zwei heitere Lieder und gab noch ein heiteres zu. Die
Auswahl war glücklich, wir vermuten wohl mit Recht, daß
Kapellmeiſter Dr. Hans Pleß ſie getroffen, in dem wir
einen ungemein feinen Begleiter kennen gelernt haben;
das Begleiten iſt eine Kunſt für ſich, eine der am ſchwer-
ſten zu meiſternden. Das gute Material in der Stimme
von Frau Hanna Pleß vertrauen wir ruhig der weiteren
Ausbildung durch den bewährten Gatten an. — Der un-
geheure Eifer und die Hingabe an ihre Arbeit läßt uns
aus vollem Herzen den Veranſtaltern und Mitwirkenden
Dank ſagen.




Abfahrtszeit der Züge von Czernowitz i[n]
der Richtung gegen:

[]
[]
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[3/0003] 28. Oktober 1912. „Czernowitzer Allgemeine Zeitung“ laufenen Seſſion im allgemeinen ſchildert und den Stand- punkt des jüdiſchen Klubs in der Sanierungsfrage dar- legt. Redner verweiſt auf den Beſchluß des Landtages in der Schänkerfrage, auf die hohen Subventionen, die der Landtag für die Kreditgenoſſenſchaften der Gewerbetrei- benden und der Kaufleute bewilligte und meint, daß der jüdiſche Klub in der abgelaufenen Seſſion alles getan habe, was er in dieſer kurzen Zeit für die Judenſchaft des Landes habe tun können. (Lebhafter Beifall.) Während der Schlußworte des Abg. Dr. Wender erſchien Abg. Dr. Straucher im Saale. Er wird von ſeinen Angehörigen mit Hochrufen begrüßt, was zu ſtür- miſchen Gegendemonſtration von Seien der anderen Ver- ſammlungsteilnehmer Anlaß gibt. Es herrſcht ein fürchter- licher Lärm. Schrille Pfiffe und Pfuirufe übertönen die Hochrufe des kleinen Häufleins. Nachdem ſich der Lärm ge- legt hatte, ergreift Abg. Vizebürgermeiſter Dr. Weißel- berger das Wort, der dem Abg. Dr. Straucher vor- wirft, den anderen Abgeordneten die Möglichkeit zum Sprechen genommen zu haben. (Abg. Dr. Straucher: „Das iſt nicht wahr! Das iſt eine Lüge!“ — Abg. Dr. Fokſchaner: „Wer hat Sie gerufen? Schauen Sie, daß Sie weiter kommen!“ — Abg. Dr. Straucher: „Das iſt eine Frechheit! Das iſt eine Unverſchämtheit!“) Weiter fortfahrend beſpricht Abg. Dr. Weißelber- ger, ebenfalls immer wieder von den Angehörigen Dr. Strauchers unterbrochen, die Schulverländerungs- und Sanierungsfrage und ſchließt ſeine Rede unter ſtürmiſchem Beifalle der Verſammlung. Abg. Dr. Straucher hat ſich inzwiſchen wieder entfernt. Nach einigen kurzen Worten des Abg. Hecht ergreift dann Abg. Prof. Dr. Kellner das Wort, um, von leb- haftem Beifall begleitet, u. a. auch das Vorgehen des Abg. Dr. Straucher, des geweſenen Obmannes des jüdiſchen Klubs zu verurteilen, der trotz mehrmaligen Erſuchens es nicht für nötig fand, den Klub zu einer Sitzung einzube- rufen, damit er ſich über die Sanierungsfrage informiere und wegen dieſer Angelegenheit Beſchlüſſe faſſe. Die nächſten Redner Dr. Piſtiner und Trop- per übten unter dem Beifalle ihrer Parteigenoſſen an der Tätigkeit des Klubs ſcharfe Kritik. Als Dr. Fokſchaner auf dieſe erwidern will, wird er von mehreren Sozialdemokraten, denen ſich auch einige Staucherleute anſchloſſen, am Sprechen gehindert. Trotz- dem vermochte ſich Abg. Dr. Fokſchaner für kurze Zeit Gehör zu verſchaffen. Er wies nach, daß die Anwürfe der Vorredner nicht auf Richtigkeit beruhen und daß der Standpunkt der jüdiſchen Landtagsabgeordneten in der Sanierungsfrage der einzig richtige ſei. Redner macht auch barauf aufmerkſam, daß er der erſte geweſen ſei, der die Schänkerfrage ins Rollen gebracht habe, die dann einer günſtigen Erledigung zugeführt wurde. (Lebhafter Bei- fall.) Als nunmehr der Anhänger des Abg. Dr. Strau- cher, der Agent Donnenſaft das Wort ergreifen will entſteht ein derartiger Lärm, daß die Veſammlung vom Vorſitzenden geſchloſſen werden muß. Unter ſtürmi- ſchen Ovationen für die Abgeordneten leert ſich langſam der Saal. Der Rücktritt des Landeshauptmann-Stellvertreters Dr. v. Smal-Stocki. Wir erhalten folgendes Kommuni- quee: Geſtern fand unterm Vorſitz des Obmannes Abg. v. Waſſilko eine Beſprechung der parlamentariſchen Kommiſſion des landtäglichen Ruthenenklubs ſtatt, an welcher die Landtagsabgeordneten Pihuliak, O. Po- powicz, Leſſan, Dr. Halip, Spenul und Lu- kaszewicz teilnahmen. Es wurde einhellig beſchloſſen, für Dienſtag, den 29. d. M. eine Vollverſammlung des ukrainiſchen Landtagsklubs nach Czernowitz einzube- rufen, welcher eine ſolenne Dankeskundgebung für die 20jährige ſo verdienſtvolle Tätigkeit des bisherigen Lan- deshauptmannſtellvertreters Dr. v. Stocki zur Be- ſchlußfaſſung vorgelegt und in der der Antrag der parla- mentariſchen Kommiſſion wegen Beſetzung der durch den Rücktritt Dr. v. Stockis frei gewordenen Landeshaupt- mannſtellvertreterſtelle in Beratung gezogen werden wird. Theater, Kunſt und Literatur. Czernowitz, 28. Oktober. Kammermuſik-Abend. (Brahms.) Der Verein zur Förderung der Tonkunſt in der Bukowina erfüllt mit der Veranſtaltung von Kammermuſik-Abenden eine Aufgabe, die ſich ähnliche Vereine anderwärts von privaten oder offiziellen Sonder-Vereinigungen abnehmen laſſen. Kam- mer-Muſik: Eine Muſik, die für den intimeren Kreis, für die „Kammer“ der muſikliebenden Großen gemacht worden iſt; die zu ihrer Wirkung eines beſtimmten Rau- mes und einer Zuhörerſchaft bedarf, die aus wahrhaft Muſikaliſchen beſteht; die reine Muſik iſt. In Wien übernahmen zu Beginn des verfloſſenen Jahrhundertes Bürgerkreiſe, ſogenennte Patrizierhäuſer die Miſſion von feudalen Mäzenen. In letzter Zeit hat der Dürerbund in ſeinen muſikaliſchen Beſtrebungen die Pflege der Haus- muſik beſonders gefördert. Als Hausmuſik bezeichnet er beſonders Lieder (mit Klavier, zur Laute, a capella-Quar- tette u. ſ. w.) und von Inſtrumentalmuſik Klavier und Harmonium. Der Verein zur Förderung der Tonkunſt vereinigt nun die alte Kammer-Muſik mit der Hausmuſik, wie ſie der Dürer-Bund propagiert. Die Wahl des Pro- grammes fiel auf Brahms. Ein hohes Ziel ſteckten ſich die Ausführenden. Brahms iſt einer von den Künſtlern, deren Werke am ſchwierigſten wiederzugeben ſind und überdies dem Verſtändnis des Hörers nicht leicht nahegebracht wer- den können. Daß die — allerdings lange nicht vollzählig erſchienene — muſikaliſche Gemeinde immerhin reichlich Grund zum Beifall fand, iſt ein gutes Zeichen für das auf- merkſame Mitgehen und natürlich ein beſonders gutes für die Mitwirkenden. — Die Sonate in G-Dur für Kla- vier und Violine ſowie das Streichquartett in A-Moll gaben ein charakteriſtiſches Bild von der eigenwilligen Art des Meiſters; in der Sonate haben beide Inſtru- mente ungefähr gleichen Anteil an der Führung, gehen bald neben- bald gegen-, dann wieder miteinander. Be- merkenswert für die Differenziertheit ſind die Bezeich- nungen Vivace manontroppo, Allegro moltomo- derato; nur das Adagio bleibt im überlieferten Tempo. Ebenſo tragen die 4 Sätze des Streich-Quartettes ein- ſchränkende Tempi: Allegro non troppo, Andante moderato, Guaſi Minuetto moderato, Allegro non aſſai. Im Bau ſind beide Werke in den Sätzen ein wenig frei, in der Erfindung von einer Fülle des Reichtums, die berückend wirkt; alle Farben nimmt der Zuſammenklang an, die herbe, keuſche waltet vor, ſo daß man verſucht iſt, Brahms etwa mit Kleiſt zu vergleichen oder auch mit Hebbel, zumal die Haltung der Motive un- leugbar dramatiſch anmutet. Die Violin-Sonate wurde von Herrn Direktorſtellvertreter A. Schlüter und Frau Aglaia Klug wiedergegeben. Die Hauptlinien kamen ſchön heraus, nur trat eine dynamiſche Verſchiebung ein, ſpräche, bereit, jeden beliebigen Preis — bis zu tauſend Franks zu zahlen, wenn ihm Madame d’Elphis heute abend die Sitzung, an der ihm ſo ſehr viel liege, gewähren wolle. Zu Vanderlyns Verdruß und Ueberraſchung folgte eine lange Pauſe. Endlich kam die Antwort, die erwartete Zuſtim- mung; aber in Worte gekleidet, die ihn unſicher machten und beunruhigten. „Gut denn, mein Herr, meine Schweſter wird ſich heute abend um acht Uhr für Sie bereit halten; aber da ſie ausgehen muß, kann ſie Ihnen keine lange Sitzung geben.“ Er hatte alſo nicht mit der Wahrſagerin ſelbſt ge- ſprochen! Das beunruhigte ihn wieder, obgleich er ſelbſt nicht recht wußte weshalb. Er hatte darauf gerechnet, nur eine Perſon ins Vertrauen ziehen zu müſſen; und dann — nun er hätte ſich am Telephon geſagt, daß er wohl ohne Schwierigkeiten den gewünſchten Handel mit der Frau, deren hohe dünne affektierte Stimme ihn auf eine käuf- liche Perſon ſchließen ließ, würde abſchließen können. Der amerikaniſche Diplomat war recht aufgeregt und neugierig, als er am Abend desſelben Tages die ſtille, jetzt verlaſſene Straße hinabging, in der die berühmte Wahr- ſagerin wohnte. Madame d’Elphis hatte ſich einen ſchlichten Rahmen für ihre Geheimniſſe gewählt, denn das große weiße, ſehr neu ausſehende Haus machte den Eindruck eines rieſigen häßlichen Keils, der in die hübſche alte Straße einge- laſſen war, deſſen Häßlichkeit durch die Nähe eines jener belaubten Gärten, die in den älteren Teilen der Stadt ſtille, duftende Oaſen bilden, noch mehr ins Auge fiel. Der Portier gab auf Vanderlyns Frage nach Ma- dame d’Elphis kurz zur Antwort: „Gehen Sie über den Hof; die Perſon, nach der Sie fragen, wohnt im Zwiſchen- ſtock des Hauſes, das Sie dort ſehen werden.“ Und nun ſah er, daß weit zurückliegend, von der Straße aus nicht wahrnehmbar, ein zweites Gebäude von ganz andrem Ausſehen lag, das viel paſſender war für die Zwecke ſelbſt einer modernen Wahrſagerin. Wie er über den ſchwach erleuchteten, ſchlecht gepfla- ſterten Hof ſchritt, der das neue, der Straße zugekehrte Gebäude von dem Hauſe aus dem ſiebzehnten Jahrhun- dert trennte, wurde es Vanderlyn klar, daß ſein erſter Eindruck ganz falſch geweſen war. Madame d’Elphis hatte augenſcheinlich die Wirkung genau berechnet, die ſie auf ihre Kunden zu machen wünſchte. Sogar am Tage mußte das Haus mit den Manſarden, das jetzt vor ſeinen Blicken erſchien, unheimlich und geheimnisvoll wirken. Caglioſtro mochte hinter ſolch engen, vergitterten Fenſtern gewohnt haben, oder, noch früher, die noch viel düſtere La Voiſon. Aber dieſer Eindruck verlor an Heftigkeit, als er durch die Türe in das alte Haus eintrat; und während er ide ſchäbige, gasbeleuchtete Treppe hinaufging, hatte er die Empfindung, daß ſeine abſtoßende Aufgabe keine ſchwere ſein würde. Die Frau, die ſich den Luxus eines Liebhabers wie den Marquis de Florac geſtatten konnte, würde — konnte nicht zögern, ein Anerbieten von zehn- tauſend Franks anzunehmen. Es führte nur eine Türe in den Zwiſchenſtock und auf ihrem Schilde war in kleinen, goldenen Buchſtaben der Namen „d’Elphis zu leſen. Der ſeltſame Name ſchimmerte im Gaslicht, als Vanderlyn die Glocke zog. Nach einer ganzen Weile ſah er endlich ein Geſicht, das ihn durch das kleine Gitter, das den bezeichnenden Namen Judas führt, anblickte. Dieſe kleinen Guckfenſter, die zweifellos aus der Revolutionszeit ſtammen, ſind noch an den Eingangstüren vieler altmodiſcher Pariſer Häuſer zu finden. Da die Beobachtung befriedigend zu ſein ſchien, öffnete ſich die Türe und eine junge Bonne a tout faire ließ ihn in einem mit ſtarkem Küchengeruch erfüllten Korridor treten. Aus dem Geruch ſchloß Vanderlyn, daß Madame d’Elphis und ihre Familie die Vorliebe des echten Südländers für den Knoblauch teilten. (Fortſetzung folgt.) das Klavier hätte mehr zurück- und die Violine mehr her- vortreten müſſen und der Rhytmus des Allegro wäre noch ſtraffer — nicht ſchneller — zu nehmen geweſen. Im Streichquartett zeigten die Herren Schlüter, Profeſſor Krämer, Mr. Storfer und Diekto Horner ein rundes Zuſammenſpiel, das ſtellenweiſe geradezu voll- endet ſchön klang; nur das Violoncell wünſchten wir durchwegs weicher. Frau Hanna Pleß ſang zwei ernſte und zwei heitere Lieder und gab noch ein heiteres zu. Die Auswahl war glücklich, wir vermuten wohl mit Recht, daß Kapellmeiſter Dr. Hans Pleß ſie getroffen, in dem wir einen ungemein feinen Begleiter kennen gelernt haben; das Begleiten iſt eine Kunſt für ſich, eine der am ſchwer- ſten zu meiſternden. Das gute Material in der Stimme von Frau Hanna Pleß vertrauen wir ruhig der weiteren Ausbildung durch den bewährten Gatten an. — Der un- geheure Eifer und die Hingabe an ihre Arbeit läßt uns aus vollem Herzen den Veranſtaltern und Mitwirkenden Dank ſagen. F. M. Abfahrtszeit der Züge von Czernowitz in der Richtung gegen: _ _

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2667, Czernowitz, 28.10.1912, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer2667_1912/3>, abgerufen am 23.11.2024.