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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 3502, Czernowitz, 22.07.1914.

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Redaktion und Administration
Ringplatz 4, 2. Stock.




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für Rumänien und den Balkan.
vierteljährig .... 11 Lei.




Telegramme: "Allgemeine" Czernowitz.


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Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

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Es kostet im gewöhnlichen Inse-
ratenteil 12 h die 6mal gespaltene
Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei
mehrmaliger Einschaltung, für Re
klame 40 h die Petitzeile. Inserate
nehmen alle in- und ausländischen
Inseratenbureaus sowie die Ad-
ministration entgegen. -- Einzel-
exemplare sind in allen Zeitungs-
verschleißen, Trasiken, der k. k. Uni-
versitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Administration (Ring-
platz 4, 2. St.) erhältlich. In Wien
im Zeitungsbureau Goldschmied,
Wollzeile 11.

Einzelexemplare 10 Heller.
Manuskripte werden in keinem Fall
zurückgesendet, unfrankierte Briefe nich
angenommen.




Nr. 3502. Czernowitz, Mittwoch, den 22. Juli. 1914



[Spaltenumbruch]
Uebersicht.

Vom Tage.

Die Trinksprüche des Zaren und Poincarees in Pe-
tersburg betonen die Friedensliebe des Zweibundes. --
Die serbische Presse verbreitet neue Lügen. -- Ueber die
großserbische Bewegung gibt die Anklageschrift gegen den
Attentäter Hercigonja sensationelle Aufschlüsse. -- Die
Großmächtevertreter in Durazzo verlangen als Verhand-
lungsort mit den Aufständischen Durazzo oder ein Kriegs-
schiff der Mächte.

Letzte Telegramme.

Die Note Oesterreich-Ungarns soll noch im Laufe die-
ser Woche in Belgrad überreicht werden, sie ist in der
Form höflich, im Inhalt sehr dringlich und befristet; der
Belgrader Gesandte hat wichtige Berichte nach Wien ge-
schickt, die dem Kaiser vorgelegt wurden; Graf Berchtold
erstattete dem Kaiser in Ischl neuerdings Bericht. -- Die
Aufständischen in Albanien beharren auf Schiak als Ver-
handlungsort.




Die Entrevue in Petersburg.


Herr Poincaree ist vom Zaren feierlich empfangen
worden, in Peterhof fand eine Galatafel statt, bei der die
beiden Staatsoberhäupter Trinksprüche wechselten. Wenn
man die Tischreden, soweit ihr Inhalt bis nun durch
Vermittlung des offiziellen Korrespondenzbureaus vor-
liegt, zusammenhält mit den in der Presse der Triple-
entente als Vorspiel volltönenden Trompetenstößen, so
hat man das unwiderlegbare Gefühl, daß die scharfmachen-
den Strömungen in Rußland und Frankreich enttäuscht
sein müssen. Der Zar und sein republikanischer Gastfreund
sprachen wenig über die imponierende Wucht ihrer im
Ernstfalle vereinigten Heeresmassen, sprachen dagegen
viel von dem Friedensbedürfnis und der Friedensliebe.
Das fällt umso mehr auf, als Herr Poincaree nicht zum
erstenmale in Petersburg weilt; noch ist keine große
Spanne Zeit verflossen, seit der Ministerpräsident Poin-
caree an der Newa geschäftig konferierte; und nach seiner
Rückkehr wurden gewaltige Rüstungsvorlagen den fran-
zösischen Gesetzgebern vorgelegt, darunter die vielumstrit-
tene und heute wieder unpopuläre und sogar zum Teil in
Frage gestellte Rückkehr zur dreijährigen Dienstzeit. Po-
[Spaltenumbruch] incaree, der, nebenbei bemerkt, persönlich in der russischen
Oeffentlichkeit nicht absonderlich beliebt ist, dürfte in die-
ser Woche der Feste und der Konferenzen aus diesem
Grund sich nicht immer sehr behaglich fühlen, weil man
ihm gewiß Vorwürfe machen wird. Seine Aufgabe liegt
diesmal, wie ziemlich offen zugegeben wird, darin, zwi-
schen den beiden Freunden, Rußland und England, den
"ehrlichen Makler" (das Wort stammt von Bismarck, der
es von sich selbst gebraucht hat, es haftet ihm also kein
ironischer Beigeschmack an) zu spielen. Rußland gibt die
neueste Lieblingsidee einer Marinekonvention mit Eng-
land nicht auf. Insofern ist die Entrevue des Zaren mit
dem Präsidenten Frankreichs eine Fortsetzung des engli-
schen Flottenbesuches. In dem oppositionellen und dem
nichtchauvinistisch-nationalen Teil der russischen Presse
wird unverhohlen zugegeben, daß etwas geschehen müsse,
um den fortschreitenden Rüstungen Einhalt zu tun, sonst
würden Rußland und Frankreich bald am Ende ihrer
Kraft sein. In Paris faßt man die Teilnahme des Direk-
tors des politischen Departements des französischen
Außenministeriums an der Reise Poincarees und des
Ministerpräsidenten und Außenministers Viviani als ein
sicheres Zeichen dafür auf, daß in Petersburg positive di-
plomatische Abmachungen getroffen werden, die auch
schriftlich festgelegt werden sollen. Sogar die Nowoje
Wremja bläst diesmal ins Friedenshorn, natürlich nicht
ohne dem "ewigen Friedensstörer", Deutschland, Hiebe
zu erteilen.

Also, die Trinksprüche bringen außer den Versiche-
rungen der Treue und Festigkeit des Bündnisses mit dem
Hinweis auf das bevorstehende 25jährige Jubiläum der
Allianz hauptsächlich Beteuerungen der Friedensliebe.
Man ist versucht zu sagen. "Der Not gehorchend, nicht dem
eigenen Triebe". -- Aber täuschen wir uns nicht. Die
Friedensschalmeien an der Tafel werden geblasen, um
Albion einzufangen. Was wäre das aber auch für ein
glänzender Effekt, wenn jetzt, wo die furchtbar gewaltige
maritime Heerschau des Königs von England über mehrere
hundert Kriegsfahrzeuge ein imponierendes Schauspiel
bot, dem Franzosen die Vermittlung der englisch-russischen
Marinekonvention gelänge. Diese Vereinigung wäre na-
türlich in erster Linie gegen Deutschland gerichtet. So we-
nigstens stellen die Zweibündler sich das vor. Aber Eng-
land i[s]t ein so absolut realpolitisch denkender Staat und
[Spaltenumbruch] vermöge seiner Interessen grundsätzlich an die Politik der
freien Hand mit möglichst viel Freundschaften und kei-
nem fix engagierenden einseitigen Bündnis gebunden,
daß auch der geriebene Makler Poincaree nicht mehr er-
reichen wird, als was unbeschadet des jetzigen Kräftever-
hältnisses der Mächtegruppen erreicht werden kann.

Nach dem für Rußland trotz aller gegenteiligen Mel-
dungen nicht voll befriedigenden Resultat der Entrevue
in Constantza erwartet den Zaren demnach auch jetzt eine
Enttäuschung, wird auch jetzt in Peterhof die Politik der
Einkreisung des Dreibundes nicht triumphieren.




Vom Tage.


Die Petersburger Entrevue.
Die Trinksprüche der beiden Staats-
oberhäupter.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Präsident Poincaree ist an Bord der "France" um
3 Uhr nachmittags hier eingetroffen. Der Kaiser
begrüßte ihn an Bord der Kaiseryacht "Alexandra". Von
der kleinen Rheede wurde an Bord der "Alexandra" die
Fahrt nach Peterhof angetreten, wo Poincaree von
der Kaiserin empfangen wurde. Im kaiserlichen Pa-
lais fand abends eine Galatafel statt. Kaiser Ni-
kolaus
brachte einen Trinkspruch aus, in welchem
er unter anderem sagte:

"Vereint seit langem, durch gegenseitige Sympathie
der Völker und durch gemeinsame Interessen sind Frank-
reich und Rußland seit bald einem Vierteljahrhundert
eng verknüpft, um das gleiche Ziel besser zu verfolgen,
das darin besteht, ihre Interessen zu wahren, indem sie
an der Erhaltung des Gleichgewichtes und des Friedens
in Europa zusammenarbeiten."

Der Kaiser zweifle nicht, daß beide Länder treu
ihrem Friedensideal, und sich auf ihre erprobte
Allianz sowie auf gemeinsame Freundschaften stützend,
auch weiterhin sich der Wohltaten durch die Fülle
ihrer Kräfte eines gesicherten Friedens er-




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Bade- und Bäderpoesie.

Wer wol badet und wol bett,
Es gerü jn selten was er tett.
(Altd. Spruch.)

Zu den ältesten Erquickungs- und Heilmitteln der
vielgeplagten Menschheit gehört auch das Baden, und es
ist daher nicht zu verwundern, wenn bereits im grauen
Altertum fleißig davon Gebrauch gemacht wurde. Natür-
lich kam anfänglich nur das heute schon seltenere Tauch-
bad unter freiem Himmel in Betracht.

Bächlein, dich lob' ich,
Bächlein, dich preis' ich;
Wo ich vergesse
Die Hitze des Tages.
Kaum dich erseh' ich,
Gleich in dich spring ich;
Tief in dein Wasser
Tauch ich mit Lust mich!

So lautet ein altes Volkslied des slavischen Ostens.
Homer, der uralte Sänger Griechenlands, erwähnt auch
schon das künstlichere "Kufenbad", das sich dem natür-
lichen anschloß und jedenfalls mit warmem Wasser berei-
tet wurde, denn in der Ilias (10, 574 ff.) heißt es von
Diomedes und Odysseus:

Drauf entwuschen sich beide den vielen Schweiß, in die
Meerflut
Eingetaucht, von den Beinen, vom Hals umher und den
Schenkeln.
Aber nachdem die Woge den vielen Schweiß der Arbeit
Ganz den Gliedern entspült, und ihr mutiges Herz sich
erlabet,
Stiegen sie ein zum Bad in schöngeglättete Wannen.
Beide vom Bad erwärmt und gesalbt mit geschmeidigem
Oele usw.

[Spaltenumbruch]

Bei unseren germanischen Altvordern waren eben-
falls beide Bademethoden schon beliebt, doch scheinen sie
Warmwasserbäder erst von den zivilisierten Römern "er-
erbt" zu haben. Zur Franken- und Alemannenzeit befand
sich auf jedem größeren Gutshofe ein einfaches hölzernes
Badegemach, stuba, und als sich später auf den deutschen
Ritterburgen das häusliche Leben in behaglicher Fülle und
geschmackvoller Feinheit entwickelte, galt ein warmes Bad
als exquickendfter und unentbehrlichster Genuß, der auch
jedem eingetretenen Fremden gastfreundlich dargeboten
wurde. Als Parsifal auf seiner abenteuerlichen Fahr[t] in
einem fremden Schloß bis zum Tageslicht schlief,

Da ließ der edle Fürst beizeiten
Ein Bad für ihn bereiten,
Doch nicht zu früh am Vormittag,
Dicht vor dem Bett, in dem er lag,
Ganz wie es Sitte und Brauch gebeut;
Auch Rosen wurden eingestreut.

Nach Beendigung der kulturfördernden Kreuzzüge
kamen auch Dampfbäder in Gebrauch: in eine Wanne
wurden glühende Steine geworfen, mit Wasser überschüt-
tet, worauf sich der Badende, mit Tüchern wohlverpackt, in
den aufsteigenden Dampf setzte. Oftmals war es aber
darin nicht warm genug, weshalb z. B. ein Spottgedicht
von 1536 beginnt:

Ach Bader, lieber Meister mein,
Ich bitt' Euch, seht ein wenig darauf,
Daß man mir doch tu heizen ein,
Und lasset darnach gießen auf.
Wie lange soll ich hier sitzen?
Hu! es ist kalt!
Brächt' man mir doch bald
Ein Pelz, ob ich möcht' schwitzen!

Nachdem der knauserige Bader wegen des sparsamen
Holzverbrauches getadelt worden ist, heißt es [dann] im
versöhnlichen Schluß:

Bader, ich tu nur spotten,
Habt mir für gut.
Im Bad man tut
Oft reißen solche Zotten.

[Spaltenumbruch]

Diese ergötzliche Szene trug sich zu in einer öffent-
lichen Badestube, die man im 14. Jahrhundert schon mas-
senhaft auf deutschem Boden antraf, denn es war "keine
Stadt, kein Markt, kein Dorf (zu) gering, welches nicht
sein Bad habe". Es gehörte zum feinen Ton, am Schlusse
eines Festes die eingeladenen Gäste in eine einheimische
Badeanstalt zu führen. Mit zunehmendem Wohlstand
gings hier bald sehr lustig zu; man aß an schwimmenden
Tischchen, trank sich zu, führte saftige Unterhaltungen, bis
Trommel und Pfeife zum Tanze aufspielten. Als dann im
ersten Viertel des 16. Jahrhunderts die umgestaltende Re-
formation auch hier mit kräftiger Hand eingriff, wurde es
zunehmend "anständiger" in den städtischen Bädern,
deren Konstanz z. B. allein dreißig aufwies. Man beob-
achtete damals auch schon gewisse Baderegeln, und hielt sie
für so wichtig, daß sie selbst in mittelalterliche Gebetbücher
aufgenommen wurden. Als hauptsächlichste Vorschrift für
den Badenden galt nach Gutachten der alten Schola Sa-
lernitana:

Zunächst: er hab ein fröhliches Gemüt,
Und sich für Trauern wol behüt,
Denn solches stärkt und frischt das Leben,
Wenn es geschieht, doch soll darneben
Gesucht sein mit Fleiß die Ruh.
Kein Sorge, kein Angst nit taugt dazu.
In täglicher Speis und auch in Trank.
Kein Uebermaß soll gehn im Schwank.

"Ein fröhliches Gemüt" war von jeher erforderlich
bei Badekuren, und schon der römische Kaiser Antonius
Pius ließ über eine öffentliche Wasserheilanstalt schreiben:

Frei von Sorgen betritt diesen Ort,
Damit Du ihn frei von Krankheit verlassen kannst.
Wer Sorgen hegt, wird nicht gesund.

"Wasser tut's freilich nicht"; das wußte man von
jeher schon, ja es wurde sogar behauptet: "Wer krätzig ins
Bad geht, kommt räudig wieder heim." Die gewöhnlichste
"Maxime" lautete:

Nach dem Bade warm,
Nach der (Ader-) Lässe kait;
Tust du das, so wirst du alt.

[Spaltenumbruch]

Redaktion und Adminiſtration
Ringplatz 4, 2. Stock.




Telephon-Nummer 161.
Druckerei-Telephon-Nr. [33]2.




Abonnementsbedingungen

Für Czernowitz
(mit Zuſtellung ins Haus)
monatl. K 2.10, vierteljähr. K 6·30,
halbj. K 12·60, ganzjähr. K 25·20,
(mit täglicher Poſtverſendung):
monatlich K 2.35, vierteljähr. K 7,
halbjähr. K 14, ganzjähr. K. 28.

Für Deutſchland:
vierteljährig ... Mark 7·50.

für Rumänien und den Balkan.
vierteljährig .... 11 Lei.




Telegramme: „Allgemeine“ Czernowitz.


[Spaltenumbruch]
Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

[Spaltenumbruch]

Ankündigungen
Es koſtet im gewöhnlichen Inſe-
ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene
Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei
mehrmaliger Einſchaltung, für Re
klame 40 h die Petitzeile. Inſerate
nehmen alle in- und ausländiſchen
Inſeratenbureaus ſowie die Ad-
miniſtration entgegen. — Einzel-
exemplare ſind in allen Zeitungs-
verſchleißen, Traſiken, der k. k. Uni-
verſitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Adminiſtration (Ring-
platz 4, 2. St.) erhältlich. In Wien
im Zeitungsbureau Goldſchmied,
Wollzeile 11.

Einzelexemplare 10 Heller.
Manuſkripte werden in keinem Fall
zurückgeſendet, unfrankierte Briefe nich
angenommen.




Nr. 3502. Czernowitz, Mittwoch, den 22. Juli. 1914



[Spaltenumbruch]
Ueberſicht.

Vom Tage.

Die Trinkſprüche des Zaren und Poincarees in Pe-
tersburg betonen die Friedensliebe des Zweibundes. —
Die ſerbiſche Preſſe verbreitet neue Lügen. — Ueber die
großſerbiſche Bewegung gibt die Anklageſchrift gegen den
Attentäter Hercigonja ſenſationelle Aufſchlüſſe. — Die
Großmächtevertreter in Durazzo verlangen als Verhand-
lungsort mit den Aufſtändiſchen Durazzo oder ein Kriegs-
ſchiff der Mächte.

Letzte Telegramme.

Die Note Oeſterreich-Ungarns ſoll noch im Laufe die-
ſer Woche in Belgrad überreicht werden, ſie iſt in der
Form höflich, im Inhalt ſehr dringlich und befriſtet; der
Belgrader Geſandte hat wichtige Berichte nach Wien ge-
ſchickt, die dem Kaiſer vorgelegt wurden; Graf Berchtold
erſtattete dem Kaiſer in Iſchl neuerdings Bericht. — Die
Aufſtändiſchen in Albanien beharren auf Schiak als Ver-
handlungsort.




Die Entrevue in Petersburg.


Herr Poincaree iſt vom Zaren feierlich empfangen
worden, in Peterhof fand eine Galatafel ſtatt, bei der die
beiden Staatsoberhäupter Trinkſprüche wechſelten. Wenn
man die Tiſchreden, ſoweit ihr Inhalt bis nun durch
Vermittlung des offiziellen Korreſpondenzbureaus vor-
liegt, zuſammenhält mit den in der Preſſe der Triple-
entente als Vorſpiel volltönenden Trompetenſtößen, ſo
hat man das unwiderlegbare Gefühl, daß die ſcharfmachen-
den Strömungen in Rußland und Frankreich enttäuſcht
ſein müſſen. Der Zar und ſein republikaniſcher Gaſtfreund
ſprachen wenig über die imponierende Wucht ihrer im
Ernſtfalle vereinigten Heeresmaſſen, ſprachen dagegen
viel von dem Friedensbedürfnis und der Friedensliebe.
Das fällt umſo mehr auf, als Herr Poincaree nicht zum
erſtenmale in Petersburg weilt; noch iſt keine große
Spanne Zeit verfloſſen, ſeit der Miniſterpräſident Poin-
caree an der Newa geſchäftig konferierte; und nach ſeiner
Rückkehr wurden gewaltige Rüſtungsvorlagen den fran-
zöſiſchen Geſetzgebern vorgelegt, darunter die vielumſtrit-
tene und heute wieder unpopuläre und ſogar zum Teil in
Frage geſtellte Rückkehr zur dreijährigen Dienſtzeit. Po-
[Spaltenumbruch] incaree, der, nebenbei bemerkt, perſönlich in der ruſſiſchen
Oeffentlichkeit nicht abſonderlich beliebt iſt, dürfte in die-
ſer Woche der Feſte und der Konferenzen aus dieſem
Grund ſich nicht immer ſehr behaglich fühlen, weil man
ihm gewiß Vorwürfe machen wird. Seine Aufgabe liegt
diesmal, wie ziemlich offen zugegeben wird, darin, zwi-
ſchen den beiden Freunden, Rußland und England, den
„ehrlichen Makler“ (das Wort ſtammt von Bismarck, der
es von ſich ſelbſt gebraucht hat, es haftet ihm alſo kein
ironiſcher Beigeſchmack an) zu ſpielen. Rußland gibt die
neueſte Lieblingsidee einer Marinekonvention mit Eng-
land nicht auf. Inſofern iſt die Entrevue des Zaren mit
dem Präſidenten Frankreichs eine Fortſetzung des engli-
ſchen Flottenbeſuches. In dem oppoſitionellen und dem
nichtchauviniſtiſch-nationalen Teil der ruſſiſchen Preſſe
wird unverhohlen zugegeben, daß etwas geſchehen müſſe,
um den fortſchreitenden Rüſtungen Einhalt zu tun, ſonſt
würden Rußland und Frankreich bald am Ende ihrer
Kraft ſein. In Paris faßt man die Teilnahme des Direk-
tors des politiſchen Departements des franzöſiſchen
Außenminiſteriums an der Reiſe Poincarees und des
Miniſterpräſidenten und Außenminiſters Viviani als ein
ſicheres Zeichen dafür auf, daß in Petersburg poſitive di-
plomatiſche Abmachungen getroffen werden, die auch
ſchriftlich feſtgelegt werden ſollen. Sogar die Nowoje
Wremja bläſt diesmal ins Friedenshorn, natürlich nicht
ohne dem „ewigen Friedensſtörer“, Deutſchland, Hiebe
zu erteilen.

Alſo, die Trinkſprüche bringen außer den Verſiche-
rungen der Treue und Feſtigkeit des Bündniſſes mit dem
Hinweis auf das bevorſtehende 25jährige Jubiläum der
Allianz hauptſächlich Beteuerungen der Friedensliebe.
Man iſt verſucht zu ſagen. „Der Not gehorchend, nicht dem
eigenen Triebe“. — Aber täuſchen wir uns nicht. Die
Friedensſchalmeien an der Tafel werden geblaſen, um
Albion einzufangen. Was wäre das aber auch für ein
glänzender Effekt, wenn jetzt, wo die furchtbar gewaltige
maritime Heerſchau des Königs von England über mehrere
hundert Kriegsfahrzeuge ein imponierendes Schauſpiel
bot, dem Franzoſen die Vermittlung der engliſch-ruſſiſchen
Marinekonvention gelänge. Dieſe Vereinigung wäre na-
türlich in erſter Linie gegen Deutſchland gerichtet. So we-
nigſtens ſtellen die Zweibündler ſich das vor. Aber Eng-
land i[ſ]t ein ſo abſolut realpolitiſch denkender Staat und
[Spaltenumbruch] vermöge ſeiner Intereſſen grundſätzlich an die Politik der
freien Hand mit möglichſt viel Freundſchaften und kei-
nem fix engagierenden einſeitigen Bündnis gebunden,
daß auch der geriebene Makler Poincaree nicht mehr er-
reichen wird, als was unbeſchadet des jetzigen Kräftever-
hältniſſes der Mächtegruppen erreicht werden kann.

Nach dem für Rußland trotz aller gegenteiligen Mel-
dungen nicht voll befriedigenden Reſultat der Entrevue
in Conſtantza erwartet den Zaren demnach auch jetzt eine
Enttäuſchung, wird auch jetzt in Peterhof die Politik der
Einkreiſung des Dreibundes nicht triumphieren.




Vom Tage.


Die Petersburger Entrevue.
Die Trinkſprüche der beiden Staats-
oberhäupter.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Präſident Poincaree iſt an Bord der „France“ um
3 Uhr nachmittags hier eingetroffen. Der Kaiſer
begrüßte ihn an Bord der Kaiſeryacht „Alexandra“. Von
der kleinen Rheede wurde an Bord der „Alexandra“ die
Fahrt nach Peterhof angetreten, wo Poincaree von
der Kaiſerin empfangen wurde. Im kaiſerlichen Pa-
lais fand abends eine Galatafel ſtatt. Kaiſer Ni-
kolaus
brachte einen Trinkſpruch aus, in welchem
er unter anderem ſagte:

„Vereint ſeit langem, durch gegenſeitige Sympathie
der Völker und durch gemeinſame Intereſſen ſind Frank-
reich und Rußland ſeit bald einem Vierteljahrhundert
eng verknüpft, um das gleiche Ziel beſſer zu verfolgen,
das darin beſteht, ihre Intereſſen zu wahren, indem ſie
an der Erhaltung des Gleichgewichtes und des Friedens
in Europa zuſammenarbeiten.“

Der Kaiſer zweifle nicht, daß beide Länder treu
ihrem Friedensideal, und ſich auf ihre erprobte
Allianz ſowie auf gemeinſame Freundſchaften ſtützend,
auch weiterhin ſich der Wohltaten durch die Fülle
ihrer Kräfte eines geſicherten Friedens er-




[Spaltenumbruch]
Fėuilleton.
Bade- und Bäderpoeſie.

Wer wol badet und wol bett,
Es gerü jn ſelten was er tett.
(Altd. Spruch.)

Zu den älteſten Erquickungs- und Heilmitteln der
vielgeplagten Menſchheit gehört auch das Baden, und es
iſt daher nicht zu verwundern, wenn bereits im grauen
Altertum fleißig davon Gebrauch gemacht wurde. Natür-
lich kam anfänglich nur das heute ſchon ſeltenere Tauch-
bad unter freiem Himmel in Betracht.

Bächlein, dich lob’ ich,
Bächlein, dich preiſ’ ich;
Wo ich vergeſſe
Die Hitze des Tages.
Kaum dich erſeh’ ich,
Gleich in dich ſpring ich;
Tief in dein Waſſer
Tauch ich mit Luſt mich!

So lautet ein altes Volkslied des ſlaviſchen Oſtens.
Homer, der uralte Sänger Griechenlands, erwähnt auch
ſchon das künſtlichere „Kufenbad“, das ſich dem natür-
lichen anſchloß und jedenfalls mit warmem Waſſer berei-
tet wurde, denn in der Ilias (10, 574 ff.) heißt es von
Diomedes und Odyſſeus:

Drauf entwuſchen ſich beide den vielen Schweiß, in die
Meerflut
Eingetaucht, von den Beinen, vom Hals umher und den
Schenkeln.
Aber nachdem die Woge den vielen Schweiß der Arbeit
Ganz den Gliedern entſpült, und ihr mutiges Herz ſich
erlabet,
Stiegen ſie ein zum Bad in ſchöngeglättete Wannen.
Beide vom Bad erwärmt und geſalbt mit geſchmeidigem
Oele uſw.

[Spaltenumbruch]

Bei unſeren germaniſchen Altvordern waren eben-
falls beide Bademethoden ſchon beliebt, doch ſcheinen ſie
Warmwaſſerbäder erſt von den ziviliſierten Römern „er-
erbt“ zu haben. Zur Franken- und Alemannenzeit befand
ſich auf jedem größeren Gutshofe ein einfaches hölzernes
Badegemach, ſtuba, und als ſich ſpäter auf den deutſchen
Ritterburgen das häusliche Leben in behaglicher Fülle und
geſchmackvoller Feinheit entwickelte, galt ein warmes Bad
als exquickendfter und unentbehrlichſter Genuß, der auch
jedem eingetretenen Fremden gaſtfreundlich dargeboten
wurde. Als Parſifal auf ſeiner abenteuerlichen Fahr[t] in
einem fremden Schloß bis zum Tageslicht ſchlief,

Da ließ der edle Fürſt beizeiten
Ein Bad für ihn bereiten,
Doch nicht zu früh am Vormittag,
Dicht vor dem Bett, in dem er lag,
Ganz wie es Sitte und Brauch gebeut;
Auch Roſen wurden eingeſtreut.

Nach Beendigung der kulturfördernden Kreuzzüge
kamen auch Dampfbäder in Gebrauch: in eine Wanne
wurden glühende Steine geworfen, mit Waſſer überſchüt-
tet, worauf ſich der Badende, mit Tüchern wohlverpackt, in
den aufſteigenden Dampf ſetzte. Oftmals war es aber
darin nicht warm genug, weshalb z. B. ein Spottgedicht
von 1536 beginnt:

Ach Bader, lieber Meiſter mein,
Ich bitt’ Euch, ſeht ein wenig darauf,
Daß man mir doch tu heizen ein,
Und laſſet darnach gießen auf.
Wie lange ſoll ich hier ſitzen?
Hu! es iſt kalt!
Brächt’ man mir doch bald
Ein Pelz, ob ich möcht’ ſchwitzen!

Nachdem der knauſerige Bader wegen des ſparſamen
Holzverbrauches getadelt worden iſt, heißt es [dann] im
verſöhnlichen Schluß:

Bader, ich tu nur ſpotten,
Habt mir für gut.
Im Bad man tut
Oft reißen ſolche Zotten.

[Spaltenumbruch]

Dieſe ergötzliche Szene trug ſich zu in einer öffent-
lichen Badeſtube, die man im 14. Jahrhundert ſchon maſ-
ſenhaft auf deutſchem Boden antraf, denn es war „keine
Stadt, kein Markt, kein Dorf (zu) gering, welches nicht
ſein Bad habe“. Es gehörte zum feinen Ton, am Schluſſe
eines Feſtes die eingeladenen Gäſte in eine einheimiſche
Badeanſtalt zu führen. Mit zunehmendem Wohlſtand
gings hier bald ſehr luſtig zu; man aß an ſchwimmenden
Tiſchchen, trank ſich zu, führte ſaftige Unterhaltungen, bis
Trommel und Pfeife zum Tanze aufſpielten. Als dann im
erſten Viertel des 16. Jahrhunderts die umgeſtaltende Re-
formation auch hier mit kräftiger Hand eingriff, wurde es
zunehmend „anſtändiger“ in den ſtädtiſchen Bädern,
deren Konſtanz z. B. allein dreißig aufwies. Man beob-
achtete damals auch ſchon gewiſſe Baderegeln, und hielt ſie
für ſo wichtig, daß ſie ſelbſt in mittelalterliche Gebetbücher
aufgenommen wurden. Als hauptſächlichſte Vorſchrift für
den Badenden galt nach Gutachten der alten Schola Sa-
lernitana:

Zunächſt: er hab ein fröhliches Gemüt,
Und ſich für Trauern wol behüt,
Denn ſolches ſtärkt und friſcht das Leben,
Wenn es geſchieht, doch ſoll darneben
Geſucht ſein mit Fleiß die Ruh.
Kein Sorge, kein Angſt nit taugt dazu.
In täglicher Speis und auch in Trank.
Kein Uebermaß ſoll gehn im Schwank.

„Ein fröhliches Gemüt“ war von jeher erforderlich
bei Badekuren, und ſchon der römiſche Kaiſer Antonius
Pius ließ über eine öffentliche Waſſerheilanſtalt ſchreiben:

Frei von Sorgen betritt dieſen Ort,
Damit Du ihn frei von Krankheit verlaſſen kannſt.
Wer Sorgen hegt, wird nicht geſund.

„Waſſer tut’s freilich nicht“; das wußte man von
jeher ſchon, ja es wurde ſogar behauptet: „Wer krätzig ins
Bad geht, kommt räudig wieder heim.“ Die gewöhnlichſte
„Maxime“ lautete:

Nach dem Bade warm,
Nach der (Ader-) Läſſe kait;
Tuſt du das, ſo wirſt du alt.

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[[1]/0001] Redaktion und Adminiſtration Ringplatz 4, 2. Stock. Telephon-Nummer 161. Druckerei-Telephon-Nr. 332. Abonnementsbedingungen Für Czernowitz (mit Zuſtellung ins Haus) monatl. K 2.10, vierteljähr. K 6·30, halbj. K 12·60, ganzjähr. K 25·20, (mit täglicher Poſtverſendung): monatlich K 2.35, vierteljähr. K 7, halbjähr. K 14, ganzjähr. K. 28. Für Deutſchland: vierteljährig ... Mark 7·50. für Rumänien und den Balkan. vierteljährig .... 11 Lei. Telegramme: „Allgemeine“ Czernowitz. Czernowitzer Allgemeine Zeitung Ankündigungen Es koſtet im gewöhnlichen Inſe- ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei mehrmaliger Einſchaltung, für Re klame 40 h die Petitzeile. Inſerate nehmen alle in- und ausländiſchen Inſeratenbureaus ſowie die Ad- miniſtration entgegen. — Einzel- exemplare ſind in allen Zeitungs- verſchleißen, Traſiken, der k. k. Uni- verſitätsbuchhandlung H. Pardini und in der Adminiſtration (Ring- platz 4, 2. St.) erhältlich. In Wien im Zeitungsbureau Goldſchmied, Wollzeile 11. Einzelexemplare 10 Heller. Manuſkripte werden in keinem Fall zurückgeſendet, unfrankierte Briefe nich angenommen. Nr. 3502. Czernowitz, Mittwoch, den 22. Juli. 1914 Ueberſicht. Vom Tage. Die Trinkſprüche des Zaren und Poincarees in Pe- tersburg betonen die Friedensliebe des Zweibundes. — Die ſerbiſche Preſſe verbreitet neue Lügen. — Ueber die großſerbiſche Bewegung gibt die Anklageſchrift gegen den Attentäter Hercigonja ſenſationelle Aufſchlüſſe. — Die Großmächtevertreter in Durazzo verlangen als Verhand- lungsort mit den Aufſtändiſchen Durazzo oder ein Kriegs- ſchiff der Mächte. Letzte Telegramme. Die Note Oeſterreich-Ungarns ſoll noch im Laufe die- ſer Woche in Belgrad überreicht werden, ſie iſt in der Form höflich, im Inhalt ſehr dringlich und befriſtet; der Belgrader Geſandte hat wichtige Berichte nach Wien ge- ſchickt, die dem Kaiſer vorgelegt wurden; Graf Berchtold erſtattete dem Kaiſer in Iſchl neuerdings Bericht. — Die Aufſtändiſchen in Albanien beharren auf Schiak als Ver- handlungsort. Die Entrevue in Petersburg. Czernowitz, 21. Juli. Herr Poincaree iſt vom Zaren feierlich empfangen worden, in Peterhof fand eine Galatafel ſtatt, bei der die beiden Staatsoberhäupter Trinkſprüche wechſelten. Wenn man die Tiſchreden, ſoweit ihr Inhalt bis nun durch Vermittlung des offiziellen Korreſpondenzbureaus vor- liegt, zuſammenhält mit den in der Preſſe der Triple- entente als Vorſpiel volltönenden Trompetenſtößen, ſo hat man das unwiderlegbare Gefühl, daß die ſcharfmachen- den Strömungen in Rußland und Frankreich enttäuſcht ſein müſſen. Der Zar und ſein republikaniſcher Gaſtfreund ſprachen wenig über die imponierende Wucht ihrer im Ernſtfalle vereinigten Heeresmaſſen, ſprachen dagegen viel von dem Friedensbedürfnis und der Friedensliebe. Das fällt umſo mehr auf, als Herr Poincaree nicht zum erſtenmale in Petersburg weilt; noch iſt keine große Spanne Zeit verfloſſen, ſeit der Miniſterpräſident Poin- caree an der Newa geſchäftig konferierte; und nach ſeiner Rückkehr wurden gewaltige Rüſtungsvorlagen den fran- zöſiſchen Geſetzgebern vorgelegt, darunter die vielumſtrit- tene und heute wieder unpopuläre und ſogar zum Teil in Frage geſtellte Rückkehr zur dreijährigen Dienſtzeit. Po- incaree, der, nebenbei bemerkt, perſönlich in der ruſſiſchen Oeffentlichkeit nicht abſonderlich beliebt iſt, dürfte in die- ſer Woche der Feſte und der Konferenzen aus dieſem Grund ſich nicht immer ſehr behaglich fühlen, weil man ihm gewiß Vorwürfe machen wird. Seine Aufgabe liegt diesmal, wie ziemlich offen zugegeben wird, darin, zwi- ſchen den beiden Freunden, Rußland und England, den „ehrlichen Makler“ (das Wort ſtammt von Bismarck, der es von ſich ſelbſt gebraucht hat, es haftet ihm alſo kein ironiſcher Beigeſchmack an) zu ſpielen. Rußland gibt die neueſte Lieblingsidee einer Marinekonvention mit Eng- land nicht auf. Inſofern iſt die Entrevue des Zaren mit dem Präſidenten Frankreichs eine Fortſetzung des engli- ſchen Flottenbeſuches. In dem oppoſitionellen und dem nichtchauviniſtiſch-nationalen Teil der ruſſiſchen Preſſe wird unverhohlen zugegeben, daß etwas geſchehen müſſe, um den fortſchreitenden Rüſtungen Einhalt zu tun, ſonſt würden Rußland und Frankreich bald am Ende ihrer Kraft ſein. In Paris faßt man die Teilnahme des Direk- tors des politiſchen Departements des franzöſiſchen Außenminiſteriums an der Reiſe Poincarees und des Miniſterpräſidenten und Außenminiſters Viviani als ein ſicheres Zeichen dafür auf, daß in Petersburg poſitive di- plomatiſche Abmachungen getroffen werden, die auch ſchriftlich feſtgelegt werden ſollen. Sogar die Nowoje Wremja bläſt diesmal ins Friedenshorn, natürlich nicht ohne dem „ewigen Friedensſtörer“, Deutſchland, Hiebe zu erteilen. Alſo, die Trinkſprüche bringen außer den Verſiche- rungen der Treue und Feſtigkeit des Bündniſſes mit dem Hinweis auf das bevorſtehende 25jährige Jubiläum der Allianz hauptſächlich Beteuerungen der Friedensliebe. Man iſt verſucht zu ſagen. „Der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe“. — Aber täuſchen wir uns nicht. Die Friedensſchalmeien an der Tafel werden geblaſen, um Albion einzufangen. Was wäre das aber auch für ein glänzender Effekt, wenn jetzt, wo die furchtbar gewaltige maritime Heerſchau des Königs von England über mehrere hundert Kriegsfahrzeuge ein imponierendes Schauſpiel bot, dem Franzoſen die Vermittlung der engliſch-ruſſiſchen Marinekonvention gelänge. Dieſe Vereinigung wäre na- türlich in erſter Linie gegen Deutſchland gerichtet. So we- nigſtens ſtellen die Zweibündler ſich das vor. Aber Eng- land iſt ein ſo abſolut realpolitiſch denkender Staat und vermöge ſeiner Intereſſen grundſätzlich an die Politik der freien Hand mit möglichſt viel Freundſchaften und kei- nem fix engagierenden einſeitigen Bündnis gebunden, daß auch der geriebene Makler Poincaree nicht mehr er- reichen wird, als was unbeſchadet des jetzigen Kräftever- hältniſſes der Mächtegruppen erreicht werden kann. Nach dem für Rußland trotz aller gegenteiligen Mel- dungen nicht voll befriedigenden Reſultat der Entrevue in Conſtantza erwartet den Zaren demnach auch jetzt eine Enttäuſchung, wird auch jetzt in Peterhof die Politik der Einkreiſung des Dreibundes nicht triumphieren. Vom Tage. Czernowitz, 21. Juli. Die Petersburger Entrevue. Die Trinkſprüche der beiden Staats- oberhäupter. KB. Kronſtadt, 20. Juli. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Präſident Poincaree iſt an Bord der „France“ um 3 Uhr nachmittags hier eingetroffen. Der Kaiſer begrüßte ihn an Bord der Kaiſeryacht „Alexandra“. Von der kleinen Rheede wurde an Bord der „Alexandra“ die Fahrt nach Peterhof angetreten, wo Poincaree von der Kaiſerin empfangen wurde. Im kaiſerlichen Pa- lais fand abends eine Galatafel ſtatt. Kaiſer Ni- kolaus brachte einen Trinkſpruch aus, in welchem er unter anderem ſagte: „Vereint ſeit langem, durch gegenſeitige Sympathie der Völker und durch gemeinſame Intereſſen ſind Frank- reich und Rußland ſeit bald einem Vierteljahrhundert eng verknüpft, um das gleiche Ziel beſſer zu verfolgen, das darin beſteht, ihre Intereſſen zu wahren, indem ſie an der Erhaltung des Gleichgewichtes und des Friedens in Europa zuſammenarbeiten.“ Der Kaiſer zweifle nicht, daß beide Länder treu ihrem Friedensideal, und ſich auf ihre erprobte Allianz ſowie auf gemeinſame Freundſchaften ſtützend, auch weiterhin ſich der Wohltaten durch die Fülle ihrer Kräfte eines geſicherten Friedens er- Fėuilleton. Bade- und Bäderpoeſie. Von Friedrich Kunze (Suhl). Wer wol badet und wol bett, Es gerü jn ſelten was er tett. (Altd. Spruch.) Zu den älteſten Erquickungs- und Heilmitteln der vielgeplagten Menſchheit gehört auch das Baden, und es iſt daher nicht zu verwundern, wenn bereits im grauen Altertum fleißig davon Gebrauch gemacht wurde. Natür- lich kam anfänglich nur das heute ſchon ſeltenere Tauch- bad unter freiem Himmel in Betracht. Bächlein, dich lob’ ich, Bächlein, dich preiſ’ ich; Wo ich vergeſſe Die Hitze des Tages. Kaum dich erſeh’ ich, Gleich in dich ſpring ich; Tief in dein Waſſer Tauch ich mit Luſt mich! So lautet ein altes Volkslied des ſlaviſchen Oſtens. Homer, der uralte Sänger Griechenlands, erwähnt auch ſchon das künſtlichere „Kufenbad“, das ſich dem natür- lichen anſchloß und jedenfalls mit warmem Waſſer berei- tet wurde, denn in der Ilias (10, 574 ff.) heißt es von Diomedes und Odyſſeus: Drauf entwuſchen ſich beide den vielen Schweiß, in die Meerflut Eingetaucht, von den Beinen, vom Hals umher und den Schenkeln. Aber nachdem die Woge den vielen Schweiß der Arbeit Ganz den Gliedern entſpült, und ihr mutiges Herz ſich erlabet, Stiegen ſie ein zum Bad in ſchöngeglättete Wannen. Beide vom Bad erwärmt und geſalbt mit geſchmeidigem Oele uſw. Bei unſeren germaniſchen Altvordern waren eben- falls beide Bademethoden ſchon beliebt, doch ſcheinen ſie Warmwaſſerbäder erſt von den ziviliſierten Römern „er- erbt“ zu haben. Zur Franken- und Alemannenzeit befand ſich auf jedem größeren Gutshofe ein einfaches hölzernes Badegemach, ſtuba, und als ſich ſpäter auf den deutſchen Ritterburgen das häusliche Leben in behaglicher Fülle und geſchmackvoller Feinheit entwickelte, galt ein warmes Bad als exquickendfter und unentbehrlichſter Genuß, der auch jedem eingetretenen Fremden gaſtfreundlich dargeboten wurde. Als Parſifal auf ſeiner abenteuerlichen Fahrt in einem fremden Schloß bis zum Tageslicht ſchlief, Da ließ der edle Fürſt beizeiten Ein Bad für ihn bereiten, Doch nicht zu früh am Vormittag, Dicht vor dem Bett, in dem er lag, Ganz wie es Sitte und Brauch gebeut; Auch Roſen wurden eingeſtreut. Nach Beendigung der kulturfördernden Kreuzzüge kamen auch Dampfbäder in Gebrauch: in eine Wanne wurden glühende Steine geworfen, mit Waſſer überſchüt- tet, worauf ſich der Badende, mit Tüchern wohlverpackt, in den aufſteigenden Dampf ſetzte. Oftmals war es aber darin nicht warm genug, weshalb z. B. ein Spottgedicht von 1536 beginnt: Ach Bader, lieber Meiſter mein, Ich bitt’ Euch, ſeht ein wenig darauf, Daß man mir doch tu heizen ein, Und laſſet darnach gießen auf. Wie lange ſoll ich hier ſitzen? Hu! es iſt kalt! Brächt’ man mir doch bald Ein Pelz, ob ich möcht’ ſchwitzen! Nachdem der knauſerige Bader wegen des ſparſamen Holzverbrauches getadelt worden iſt, heißt es dann im verſöhnlichen Schluß: Bader, ich tu nur ſpotten, Habt mir für gut. Im Bad man tut Oft reißen ſolche Zotten. Dieſe ergötzliche Szene trug ſich zu in einer öffent- lichen Badeſtube, die man im 14. Jahrhundert ſchon maſ- ſenhaft auf deutſchem Boden antraf, denn es war „keine Stadt, kein Markt, kein Dorf (zu) gering, welches nicht ſein Bad habe“. Es gehörte zum feinen Ton, am Schluſſe eines Feſtes die eingeladenen Gäſte in eine einheimiſche Badeanſtalt zu führen. Mit zunehmendem Wohlſtand gings hier bald ſehr luſtig zu; man aß an ſchwimmenden Tiſchchen, trank ſich zu, führte ſaftige Unterhaltungen, bis Trommel und Pfeife zum Tanze aufſpielten. Als dann im erſten Viertel des 16. Jahrhunderts die umgeſtaltende Re- formation auch hier mit kräftiger Hand eingriff, wurde es zunehmend „anſtändiger“ in den ſtädtiſchen Bädern, deren Konſtanz z. B. allein dreißig aufwies. Man beob- achtete damals auch ſchon gewiſſe Baderegeln, und hielt ſie für ſo wichtig, daß ſie ſelbſt in mittelalterliche Gebetbücher aufgenommen wurden. Als hauptſächlichſte Vorſchrift für den Badenden galt nach Gutachten der alten Schola Sa- lernitana: Zunächſt: er hab ein fröhliches Gemüt, Und ſich für Trauern wol behüt, Denn ſolches ſtärkt und friſcht das Leben, Wenn es geſchieht, doch ſoll darneben Geſucht ſein mit Fleiß die Ruh. Kein Sorge, kein Angſt nit taugt dazu. In täglicher Speis und auch in Trank. Kein Uebermaß ſoll gehn im Schwank. „Ein fröhliches Gemüt“ war von jeher erforderlich bei Badekuren, und ſchon der römiſche Kaiſer Antonius Pius ließ über eine öffentliche Waſſerheilanſtalt ſchreiben: Frei von Sorgen betritt dieſen Ort, Damit Du ihn frei von Krankheit verlaſſen kannſt. Wer Sorgen hegt, wird nicht geſund. „Waſſer tut’s freilich nicht“; das wußte man von jeher ſchon, ja es wurde ſogar behauptet: „Wer krätzig ins Bad geht, kommt räudig wieder heim.“ Die gewöhnlichſte „Maxime“ lautete: Nach dem Bade warm, Nach der (Ader-) Läſſe kait; Tuſt du das, ſo wirſt du alt.

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 3502, Czernowitz, 22.07.1914, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer3502_1914/1>, abgerufen am 21.11.2024.