Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 3502, Czernowitz, 22.07.1914.[Spaltenumbruch]
Redaktion und Administration Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen Für Czernowitz Für Deutschland: für Rumänien und den Balkan. Telegramme: "Allgemeine" Czernowitz. [Spaltenumbruch] Czernowitzer Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] Ankündigungen Einzelexemplare 10 Heller. Nr. 3502. Czernowitz, Mittwoch, den 22. Juli. 1914 [Spaltenumbruch] Uebersicht. Vom Tage. Die Trinksprüche des Zaren und Poincarees in Pe- Letzte Telegramme. Die Note Oesterreich-Ungarns soll noch im Laufe die- Die Entrevue in Petersburg. Czernowitz, 21. Juli. Herr Poincaree ist vom Zaren feierlich empfangen Also, die Trinksprüche bringen außer den Versiche- Nach dem für Rußland trotz aller gegenteiligen Mel- Vom Tage. Czernowitz, 21. Juli. Die Petersburger Entrevue. Die Trinksprüche der beiden Staats- oberhäupter. KB. Kronstadt, 20. Juli. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.") Präsident Poincaree ist an Bord der "France" um "Vereint seit langem, durch gegenseitige Sympathie Der Kaiser zweifle nicht, daß beide Länder treu [Spaltenumbruch] Feuilleton. Bade- und Bäderpoesie. Wer wol badet und wol bett, Zu den ältesten Erquickungs- und Heilmitteln der Bächlein, dich lob' ich, Bächlein, dich preis' ich; Wo ich vergesse Die Hitze des Tages. Kaum dich erseh' ich, Gleich in dich spring ich; Tief in dein Wasser Tauch ich mit Lust mich! So lautet ein altes Volkslied des slavischen Ostens. Drauf entwuschen sich beide den vielen Schweiß, in die Meerflut Eingetaucht, von den Beinen, vom Hals umher und den Schenkeln. Aber nachdem die Woge den vielen Schweiß der Arbeit Ganz den Gliedern entspült, und ihr mutiges Herz sich erlabet, Stiegen sie ein zum Bad in schöngeglättete Wannen. Beide vom Bad erwärmt und gesalbt mit geschmeidigem Oele usw. [Spaltenumbruch] Bei unseren germanischen Altvordern waren eben- Da ließ der edle Fürst beizeiten Ein Bad für ihn bereiten, Doch nicht zu früh am Vormittag, Dicht vor dem Bett, in dem er lag, Ganz wie es Sitte und Brauch gebeut; Auch Rosen wurden eingestreut. Nach Beendigung der kulturfördernden Kreuzzüge Ach Bader, lieber Meister mein, Ich bitt' Euch, seht ein wenig darauf, Daß man mir doch tu heizen ein, Und lasset darnach gießen auf. Wie lange soll ich hier sitzen? Hu! es ist kalt! Brächt' man mir doch bald Ein Pelz, ob ich möcht' schwitzen! Nachdem der knauserige Bader wegen des sparsamen Bader, ich tu nur spotten, Habt mir für gut. Im Bad man tut Oft reißen solche Zotten. [Spaltenumbruch] Diese ergötzliche Szene trug sich zu in einer öffent- Zunächst: er hab ein fröhliches Gemüt, Und sich für Trauern wol behüt, Denn solches stärkt und frischt das Leben, Wenn es geschieht, doch soll darneben Gesucht sein mit Fleiß die Ruh. Kein Sorge, kein Angst nit taugt dazu. In täglicher Speis und auch in Trank. Kein Uebermaß soll gehn im Schwank. "Ein fröhliches Gemüt" war von jeher erforderlich Frei von Sorgen betritt diesen Ort, Damit Du ihn frei von Krankheit verlassen kannst. Wer Sorgen hegt, wird nicht gesund. "Wasser tut's freilich nicht"; das wußte man von Nach dem Bade warm, Nach der (Ader-) Lässe kait; Tust du das, so wirst du alt. [Spaltenumbruch]
Redaktion und Adminiſtration Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen Für Czernowitz Für Deutſchland: für Rumänien und den Balkan. Telegramme: „Allgemeine“ Czernowitz. [Spaltenumbruch] Czernowitzer Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch] Ankündigungen Einzelexemplare 10 Heller. Nr. 3502. Czernowitz, Mittwoch, den 22. Juli. 1914 [Spaltenumbruch] Ueberſicht. Vom Tage. Die Trinkſprüche des Zaren und Poincarees in Pe- Letzte Telegramme. Die Note Oeſterreich-Ungarns ſoll noch im Laufe die- Die Entrevue in Petersburg. Czernowitz, 21. Juli. Herr Poincaree iſt vom Zaren feierlich empfangen Alſo, die Trinkſprüche bringen außer den Verſiche- Nach dem für Rußland trotz aller gegenteiligen Mel- Vom Tage. Czernowitz, 21. Juli. Die Petersburger Entrevue. Die Trinkſprüche der beiden Staats- oberhäupter. KB. Kronſtadt, 20. Juli. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Präſident Poincaree iſt an Bord der „France“ um „Vereint ſeit langem, durch gegenſeitige Sympathie Der Kaiſer zweifle nicht, daß beide Länder treu [Spaltenumbruch] Fėuilleton. Bade- und Bäderpoeſie. Wer wol badet und wol bett, Zu den älteſten Erquickungs- und Heilmitteln der Bächlein, dich lob’ ich, Bächlein, dich preiſ’ ich; Wo ich vergeſſe Die Hitze des Tages. Kaum dich erſeh’ ich, Gleich in dich ſpring ich; Tief in dein Waſſer Tauch ich mit Luſt mich! So lautet ein altes Volkslied des ſlaviſchen Oſtens. Drauf entwuſchen ſich beide den vielen Schweiß, in die Meerflut Eingetaucht, von den Beinen, vom Hals umher und den Schenkeln. Aber nachdem die Woge den vielen Schweiß der Arbeit Ganz den Gliedern entſpült, und ihr mutiges Herz ſich erlabet, Stiegen ſie ein zum Bad in ſchöngeglättete Wannen. Beide vom Bad erwärmt und geſalbt mit geſchmeidigem Oele uſw. [Spaltenumbruch] Bei unſeren germaniſchen Altvordern waren eben- Da ließ der edle Fürſt beizeiten Ein Bad für ihn bereiten, Doch nicht zu früh am Vormittag, Dicht vor dem Bett, in dem er lag, Ganz wie es Sitte und Brauch gebeut; Auch Roſen wurden eingeſtreut. Nach Beendigung der kulturfördernden Kreuzzüge Ach Bader, lieber Meiſter mein, Ich bitt’ Euch, ſeht ein wenig darauf, Daß man mir doch tu heizen ein, Und laſſet darnach gießen auf. Wie lange ſoll ich hier ſitzen? Hu! es iſt kalt! Brächt’ man mir doch bald Ein Pelz, ob ich möcht’ ſchwitzen! Nachdem der knauſerige Bader wegen des ſparſamen Bader, ich tu nur ſpotten, Habt mir für gut. Im Bad man tut Oft reißen ſolche Zotten. [Spaltenumbruch] Dieſe ergötzliche Szene trug ſich zu in einer öffent- Zunächſt: er hab ein fröhliches Gemüt, Und ſich für Trauern wol behüt, Denn ſolches ſtärkt und friſcht das Leben, Wenn es geſchieht, doch ſoll darneben Geſucht ſein mit Fleiß die Ruh. Kein Sorge, kein Angſt nit taugt dazu. In täglicher Speis und auch in Trank. Kein Uebermaß ſoll gehn im Schwank. „Ein fröhliches Gemüt“ war von jeher erforderlich Frei von Sorgen betritt dieſen Ort, Damit Du ihn frei von Krankheit verlaſſen kannſt. Wer Sorgen hegt, wird nicht geſund. „Waſſer tut’s freilich nicht“; das wußte man von Nach dem Bade warm, Nach der (Ader-) Läſſe kait; Tuſt du das, ſo wirſt du alt. <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <cb/> <div type="jEditorialStaff"> <p> <hi rendition="#b">Redaktion und Adminiſtration<lb/> Ringplatz 4, 2. Stock.</hi> </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p> <hi rendition="#b">Telephon-Nummer 161.<lb/> Druckerei-Telephon-Nr. <supplied cert="high">33</supplied>2.</hi> </p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jExpedition"> <head> <hi rendition="#g">Abonnementsbedingungen</hi> </head><lb/> <p>Für Czernowitz<lb/> (mit Zuſtellung ins Haus)<lb/> monatl. K 2.10, vierteljähr. K 6·30,<lb/> halbj. K 12·60, ganzjähr. 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Inſerate<lb/> nehmen alle in- und ausländiſchen<lb/> Inſeratenbureaus ſowie die Ad-<lb/> miniſtration entgegen. — Einzel-<lb/> exemplare ſind in allen Zeitungs-<lb/> verſchleißen, Traſiken, der k. k. Uni-<lb/> verſitätsbuchhandlung H. Pardini<lb/> und in der Adminiſtration (Ring-<lb/> platz 4, 2. St.) erhältlich. In Wien<lb/> im Zeitungsbureau Goldſchmied,<lb/> Wollzeile 11.</p><lb/> <p>Einzelexemplare 10 Heller.<lb/> Manuſkripte werden in keinem Fall<lb/> zurückgeſendet, unfrankierte Briefe nich<lb/> angenommen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <titlePage xml:id="title2" prev="#title1" type="heading"> <docImprint> <docDate> <hi rendition="#b">Nr. 3502. Czernowitz, Mittwoch, den 22. 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Seine Aufgabe liegt<lb/> diesmal, wie ziemlich offen zugegeben wird, darin, zwi-<lb/> ſchen den beiden Freunden, Rußland und England, den<lb/> „ehrlichen Makler“ (das Wort ſtammt von Bismarck, der<lb/> es von ſich ſelbſt gebraucht hat, es haftet ihm alſo kein<lb/> ironiſcher Beigeſchmack an) zu ſpielen. Rußland gibt die<lb/> neueſte Lieblingsidee einer Marinekonvention mit Eng-<lb/> land nicht auf. Inſofern iſt die Entrevue des Zaren mit<lb/> dem Präſidenten Frankreichs eine Fortſetzung des engli-<lb/> ſchen Flottenbeſuches. In dem oppoſitionellen und dem<lb/> nichtchauviniſtiſch-nationalen Teil der ruſſiſchen Preſſe<lb/> wird unverhohlen zugegeben, daß etwas geſchehen müſſe,<lb/> um den fortſchreitenden Rüſtungen Einhalt zu tun, ſonſt<lb/> würden Rußland und Frankreich bald am Ende ihrer<lb/> Kraft ſein. In Paris faßt man die Teilnahme des Direk-<lb/> tors des politiſchen Departements des franzöſiſchen<lb/> Außenminiſteriums an der Reiſe Poincarees und des<lb/> Miniſterpräſidenten und Außenminiſters Viviani als ein<lb/> ſicheres Zeichen dafür auf, daß in Petersburg poſitive di-<lb/> plomatiſche Abmachungen getroffen werden, die auch<lb/> ſchriftlich feſtgelegt werden ſollen. Sogar die Nowoje<lb/> Wremja bläſt diesmal ins Friedenshorn, natürlich nicht<lb/> ohne dem „ewigen Friedensſtörer“, Deutſchland, Hiebe<lb/> zu erteilen.</p><lb/> <p>Alſo, die Trinkſprüche bringen außer den Verſiche-<lb/> rungen der Treue und Feſtigkeit des Bündniſſes mit dem<lb/> Hinweis auf das bevorſtehende 25jährige Jubiläum der<lb/> Allianz hauptſächlich Beteuerungen der Friedensliebe.<lb/> Man iſt verſucht zu ſagen. „Der Not gehorchend, nicht dem<lb/> eigenen Triebe“. — Aber täuſchen wir uns nicht. Die<lb/> Friedensſchalmeien an der Tafel werden geblaſen, um<lb/> Albion einzufangen. Was wäre das aber auch für ein<lb/> glänzender Effekt, wenn jetzt, wo die furchtbar gewaltige<lb/> maritime Heerſchau des Königs von England über mehrere<lb/> hundert Kriegsfahrzeuge ein imponierendes Schauſpiel<lb/> bot, dem Franzoſen die Vermittlung der engliſch-ruſſiſchen<lb/> Marinekonvention gelänge. Dieſe Vereinigung wäre na-<lb/> türlich in erſter Linie gegen Deutſchland gerichtet. So we-<lb/> nigſtens ſtellen die Zweibündler ſich das vor. Aber Eng-<lb/> land i<supplied>ſ</supplied>t ein ſo abſolut realpolitiſch denkender Staat und<lb/><cb/> vermöge ſeiner Intereſſen grundſätzlich an die Politik der<lb/> freien Hand mit möglichſt viel Freundſchaften und kei-<lb/> nem fix engagierenden einſeitigen Bündnis gebunden,<lb/> daß auch der geriebene Makler Poincaree nicht mehr er-<lb/> reichen wird, als was unbeſchadet des jetzigen Kräftever-<lb/> hältniſſes der Mächtegruppen erreicht werden kann.</p><lb/> <p>Nach dem für Rußland trotz aller gegenteiligen Mel-<lb/> dungen nicht voll befriedigenden Reſultat der Entrevue<lb/> in Conſtantza erwartet den Zaren demnach auch jetzt eine<lb/> Enttäuſchung, wird auch jetzt in Peterhof die Politik der<lb/> Einkreiſung des Dreibundes nicht triumphieren.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Vom Tage.</hi> </head><lb/> <dateline>Czernowitz, 21. 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Im kaiſerlichen Pa-<lb/> lais fand abends eine <hi rendition="#g">Galatafel</hi> ſtatt. <hi rendition="#g">Kaiſer Ni-<lb/> kolaus</hi> brachte einen <hi rendition="#g">Trinkſpruch</hi> aus, in welchem<lb/> er unter anderem ſagte:</p><lb/> <p> <hi rendition="#b">„Vereint ſeit langem, durch gegenſeitige Sympathie<lb/> der Völker und durch gemeinſame Intereſſen ſind Frank-<lb/> reich und Rußland ſeit bald einem Vierteljahrhundert<lb/> eng verknüpft, um das gleiche Ziel beſſer zu verfolgen,<lb/> das darin beſteht, ihre Intereſſen zu wahren, indem ſie<lb/> an der Erhaltung des Gleichgewichtes und des Friedens<lb/> in Europa zuſammenarbeiten.“</hi> </p><lb/> <p>Der Kaiſer zweifle nicht, daß beide Länder <hi rendition="#g">treu</hi><lb/> ihrem <hi rendition="#g">Friedensideal,</hi> und ſich auf ihre erprobte<lb/> Allianz ſowie auf gemeinſame Freundſchaften ſtützend,<lb/> auch weiterhin ſich der <hi rendition="#g">Wohltaten</hi> durch die Fülle<lb/> ihrer Kräfte eines <hi rendition="#g">geſicherten Friedens</hi> er-</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Fėuilleton.</hi> </head><lb/> <div xml:id="bäderpoesie1" next="#bäderpoesie2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Bade- und Bäderpoeſie.</hi> </head><lb/> <byline>Von <hi rendition="#b">Friedrich Kunze</hi> (Suhl).</byline><lb/> <p> <hi rendition="#et">Wer wol badet und wol bett,<lb/> Es gerü jn ſelten was er tett.<lb/> (Altd. Spruch.)</hi> </p><lb/> <p>Zu den älteſten Erquickungs- und Heilmitteln der<lb/> vielgeplagten Menſchheit gehört auch das Baden, und es<lb/> iſt daher nicht zu verwundern, wenn bereits im grauen<lb/> Altertum fleißig davon Gebrauch gemacht wurde. Natür-<lb/> lich kam anfänglich nur das heute ſchon ſeltenere Tauch-<lb/> bad unter freiem Himmel in Betracht.</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Bächlein, dich lob’ ich,</l><lb/> <l>Bächlein, dich preiſ’ ich;</l><lb/> <l>Wo ich vergeſſe</l><lb/> <l>Die Hitze des Tages.</l><lb/> <l>Kaum dich erſeh’ ich,</l><lb/> <l>Gleich in dich ſpring ich;</l><lb/> <l>Tief in dein Waſſer</l><lb/> <l>Tauch ich mit Luſt mich!</l> </lg><lb/> <p>So lautet ein altes Volkslied des ſlaviſchen Oſtens.<lb/> Homer, der uralte Sänger Griechenlands, erwähnt auch<lb/> ſchon das künſtlichere „Kufenbad“, das ſich dem natür-<lb/> lichen anſchloß und jedenfalls mit warmem Waſſer berei-<lb/> tet wurde, denn in der Ilias (10, 574 ff.) heißt es von<lb/> Diomedes und Odyſſeus:</p><lb/> <list> <item>Drauf entwuſchen ſich beide den vielen Schweiß, in die<lb/> Meerflut</item><lb/> <item>Eingetaucht, von den Beinen, vom Hals umher und den<lb/> Schenkeln.</item><lb/> <item>Aber nachdem die Woge den vielen Schweiß der Arbeit</item><lb/> <item>Ganz den Gliedern entſpült, und ihr mutiges Herz ſich<lb/> erlabet,</item><lb/> <item>Stiegen ſie ein zum Bad in ſchöngeglättete Wannen.</item><lb/> <item>Beide vom Bad erwärmt und geſalbt mit geſchmeidigem<lb/> Oele uſw.</item> </list><lb/> <cb/> <p>Bei unſeren germaniſchen Altvordern waren eben-<lb/> falls beide Bademethoden ſchon beliebt, doch ſcheinen ſie<lb/> Warmwaſſerbäder erſt von den ziviliſierten Römern „er-<lb/> erbt“ zu haben. Zur Franken- und Alemannenzeit befand<lb/> ſich auf jedem größeren Gutshofe ein einfaches hölzernes<lb/> Badegemach, ſtuba, und als ſich ſpäter auf den deutſchen<lb/> Ritterburgen das häusliche Leben in behaglicher Fülle und<lb/> geſchmackvoller Feinheit entwickelte, galt ein warmes Bad<lb/> als exquickendfter und unentbehrlichſter Genuß, der auch<lb/> jedem eingetretenen Fremden gaſtfreundlich dargeboten<lb/> wurde. Als Parſifal auf ſeiner abenteuerlichen Fahr<supplied>t</supplied> in<lb/> einem fremden Schloß bis zum Tageslicht ſchlief,</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Da ließ der edle Fürſt beizeiten</l><lb/> <l>Ein Bad für ihn bereiten,</l><lb/> <l>Doch nicht zu früh am Vormittag,</l><lb/> <l>Dicht vor dem Bett, in dem er lag,</l><lb/> <l>Ganz wie es Sitte und Brauch gebeut;</l><lb/> <l>Auch Roſen wurden eingeſtreut.</l> </lg><lb/> <p>Nach Beendigung der kulturfördernden Kreuzzüge<lb/> kamen auch Dampfbäder in Gebrauch: in eine Wanne<lb/> wurden glühende Steine geworfen, mit Waſſer überſchüt-<lb/> tet, worauf ſich der Badende, mit Tüchern wohlverpackt, in<lb/> den aufſteigenden Dampf ſetzte. Oftmals war es aber<lb/> darin nicht warm genug, weshalb z. B. ein Spottgedicht<lb/> von 1536 beginnt:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Ach Bader, lieber Meiſter mein,</l><lb/> <l>Ich bitt’ Euch, ſeht ein wenig darauf,</l><lb/> <l>Daß man mir doch tu heizen ein,</l><lb/> <l>Und laſſet darnach gießen auf.</l><lb/> <l>Wie lange ſoll ich hier ſitzen?</l><lb/> <l>Hu! es iſt kalt!</l><lb/> <l>Brächt’ man mir doch bald</l><lb/> <l>Ein Pelz, ob ich möcht’ ſchwitzen!</l> </lg><lb/> <p>Nachdem der knauſerige Bader wegen des ſparſamen<lb/> Holzverbrauches getadelt worden iſt, heißt es <supplied cert="low">dann</supplied> im<lb/> verſöhnlichen Schluß:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Bader, ich tu nur ſpotten,</l><lb/> <l>Habt mir für gut.</l><lb/> <l>Im Bad man tut</l><lb/> <l>Oft reißen ſolche Zotten.</l> </lg><lb/> <cb/> <p>Dieſe ergötzliche Szene trug ſich zu in einer öffent-<lb/> lichen Badeſtube, die man im 14. Jahrhundert ſchon maſ-<lb/> ſenhaft auf deutſchem Boden antraf, denn es war „keine<lb/> Stadt, kein Markt, kein Dorf (zu) gering, welches nicht<lb/> ſein Bad habe“. Es gehörte zum feinen Ton, am Schluſſe<lb/> eines Feſtes die eingeladenen Gäſte in eine einheimiſche<lb/> Badeanſtalt zu führen. Mit zunehmendem Wohlſtand<lb/> gings hier bald ſehr luſtig zu; man aß an ſchwimmenden<lb/> Tiſchchen, trank ſich zu, führte ſaftige Unterhaltungen, bis<lb/> Trommel und Pfeife zum Tanze aufſpielten. Als dann im<lb/> erſten Viertel des 16. Jahrhunderts die umgeſtaltende Re-<lb/> formation auch hier mit kräftiger Hand eingriff, wurde es<lb/> zunehmend „anſtändiger“ in den ſtädtiſchen Bädern,<lb/> deren Konſtanz z. B. allein dreißig aufwies. Man beob-<lb/> achtete damals auch ſchon gewiſſe Baderegeln, und hielt ſie<lb/> für ſo wichtig, daß ſie ſelbſt in mittelalterliche Gebetbücher<lb/> aufgenommen wurden. Als hauptſächlichſte Vorſchrift für<lb/> den Badenden galt nach Gutachten der alten Schola Sa-<lb/> lernitana:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Zunächſt: er hab ein fröhliches Gemüt,</l><lb/> <l>Und ſich für Trauern wol behüt,</l><lb/> <l>Denn ſolches ſtärkt und friſcht das Leben,</l><lb/> <l>Wenn es geſchieht, doch ſoll darneben</l><lb/> <l>Geſucht ſein mit Fleiß die Ruh.</l><lb/> <l>Kein Sorge, kein Angſt nit taugt dazu.</l><lb/> <l>In täglicher Speis und auch in Trank.</l><lb/> <l>Kein Uebermaß ſoll gehn im Schwank.</l> </lg><lb/> <p>„Ein fröhliches Gemüt“ war von jeher erforderlich<lb/> bei Badekuren, und ſchon der römiſche Kaiſer Antonius<lb/> Pius ließ über eine öffentliche Waſſerheilanſtalt ſchreiben:</p><lb/> <list> <item>Frei von Sorgen betritt dieſen Ort,</item><lb/> <item>Damit Du ihn frei von Krankheit verlaſſen kannſt.</item><lb/> <item>Wer Sorgen hegt, wird nicht geſund.</item> </list><lb/> <p>„Waſſer tut’s freilich nicht“; das wußte man von<lb/> jeher ſchon, ja es wurde ſogar behauptet: „Wer krätzig ins<lb/> Bad geht, kommt räudig wieder heim.“ Die gewöhnlichſte<lb/> „Maxime“ lautete:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Nach dem Bade warm,</l><lb/> <l>Nach der (Ader-) Läſſe kait;</l><lb/> <l>Tuſt du das, ſo wirſt du alt.</l> </lg> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
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klame 40 h die Petitzeile. Inſerate
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angenommen.
Nr. 3502. Czernowitz, Mittwoch, den 22. Juli. 1914
Ueberſicht.
Vom Tage.
Die Trinkſprüche des Zaren und Poincarees in Pe-
tersburg betonen die Friedensliebe des Zweibundes. —
Die ſerbiſche Preſſe verbreitet neue Lügen. — Ueber die
großſerbiſche Bewegung gibt die Anklageſchrift gegen den
Attentäter Hercigonja ſenſationelle Aufſchlüſſe. — Die
Großmächtevertreter in Durazzo verlangen als Verhand-
lungsort mit den Aufſtändiſchen Durazzo oder ein Kriegs-
ſchiff der Mächte.
Letzte Telegramme.
Die Note Oeſterreich-Ungarns ſoll noch im Laufe die-
ſer Woche in Belgrad überreicht werden, ſie iſt in der
Form höflich, im Inhalt ſehr dringlich und befriſtet; der
Belgrader Geſandte hat wichtige Berichte nach Wien ge-
ſchickt, die dem Kaiſer vorgelegt wurden; Graf Berchtold
erſtattete dem Kaiſer in Iſchl neuerdings Bericht. — Die
Aufſtändiſchen in Albanien beharren auf Schiak als Ver-
handlungsort.
Die Entrevue in Petersburg.
Czernowitz, 21. Juli.
Herr Poincaree iſt vom Zaren feierlich empfangen
worden, in Peterhof fand eine Galatafel ſtatt, bei der die
beiden Staatsoberhäupter Trinkſprüche wechſelten. Wenn
man die Tiſchreden, ſoweit ihr Inhalt bis nun durch
Vermittlung des offiziellen Korreſpondenzbureaus vor-
liegt, zuſammenhält mit den in der Preſſe der Triple-
entente als Vorſpiel volltönenden Trompetenſtößen, ſo
hat man das unwiderlegbare Gefühl, daß die ſcharfmachen-
den Strömungen in Rußland und Frankreich enttäuſcht
ſein müſſen. Der Zar und ſein republikaniſcher Gaſtfreund
ſprachen wenig über die imponierende Wucht ihrer im
Ernſtfalle vereinigten Heeresmaſſen, ſprachen dagegen
viel von dem Friedensbedürfnis und der Friedensliebe.
Das fällt umſo mehr auf, als Herr Poincaree nicht zum
erſtenmale in Petersburg weilt; noch iſt keine große
Spanne Zeit verfloſſen, ſeit der Miniſterpräſident Poin-
caree an der Newa geſchäftig konferierte; und nach ſeiner
Rückkehr wurden gewaltige Rüſtungsvorlagen den fran-
zöſiſchen Geſetzgebern vorgelegt, darunter die vielumſtrit-
tene und heute wieder unpopuläre und ſogar zum Teil in
Frage geſtellte Rückkehr zur dreijährigen Dienſtzeit. Po-
incaree, der, nebenbei bemerkt, perſönlich in der ruſſiſchen
Oeffentlichkeit nicht abſonderlich beliebt iſt, dürfte in die-
ſer Woche der Feſte und der Konferenzen aus dieſem
Grund ſich nicht immer ſehr behaglich fühlen, weil man
ihm gewiß Vorwürfe machen wird. Seine Aufgabe liegt
diesmal, wie ziemlich offen zugegeben wird, darin, zwi-
ſchen den beiden Freunden, Rußland und England, den
„ehrlichen Makler“ (das Wort ſtammt von Bismarck, der
es von ſich ſelbſt gebraucht hat, es haftet ihm alſo kein
ironiſcher Beigeſchmack an) zu ſpielen. Rußland gibt die
neueſte Lieblingsidee einer Marinekonvention mit Eng-
land nicht auf. Inſofern iſt die Entrevue des Zaren mit
dem Präſidenten Frankreichs eine Fortſetzung des engli-
ſchen Flottenbeſuches. In dem oppoſitionellen und dem
nichtchauviniſtiſch-nationalen Teil der ruſſiſchen Preſſe
wird unverhohlen zugegeben, daß etwas geſchehen müſſe,
um den fortſchreitenden Rüſtungen Einhalt zu tun, ſonſt
würden Rußland und Frankreich bald am Ende ihrer
Kraft ſein. In Paris faßt man die Teilnahme des Direk-
tors des politiſchen Departements des franzöſiſchen
Außenminiſteriums an der Reiſe Poincarees und des
Miniſterpräſidenten und Außenminiſters Viviani als ein
ſicheres Zeichen dafür auf, daß in Petersburg poſitive di-
plomatiſche Abmachungen getroffen werden, die auch
ſchriftlich feſtgelegt werden ſollen. Sogar die Nowoje
Wremja bläſt diesmal ins Friedenshorn, natürlich nicht
ohne dem „ewigen Friedensſtörer“, Deutſchland, Hiebe
zu erteilen.
Alſo, die Trinkſprüche bringen außer den Verſiche-
rungen der Treue und Feſtigkeit des Bündniſſes mit dem
Hinweis auf das bevorſtehende 25jährige Jubiläum der
Allianz hauptſächlich Beteuerungen der Friedensliebe.
Man iſt verſucht zu ſagen. „Der Not gehorchend, nicht dem
eigenen Triebe“. — Aber täuſchen wir uns nicht. Die
Friedensſchalmeien an der Tafel werden geblaſen, um
Albion einzufangen. Was wäre das aber auch für ein
glänzender Effekt, wenn jetzt, wo die furchtbar gewaltige
maritime Heerſchau des Königs von England über mehrere
hundert Kriegsfahrzeuge ein imponierendes Schauſpiel
bot, dem Franzoſen die Vermittlung der engliſch-ruſſiſchen
Marinekonvention gelänge. Dieſe Vereinigung wäre na-
türlich in erſter Linie gegen Deutſchland gerichtet. So we-
nigſtens ſtellen die Zweibündler ſich das vor. Aber Eng-
land iſt ein ſo abſolut realpolitiſch denkender Staat und
vermöge ſeiner Intereſſen grundſätzlich an die Politik der
freien Hand mit möglichſt viel Freundſchaften und kei-
nem fix engagierenden einſeitigen Bündnis gebunden,
daß auch der geriebene Makler Poincaree nicht mehr er-
reichen wird, als was unbeſchadet des jetzigen Kräftever-
hältniſſes der Mächtegruppen erreicht werden kann.
Nach dem für Rußland trotz aller gegenteiligen Mel-
dungen nicht voll befriedigenden Reſultat der Entrevue
in Conſtantza erwartet den Zaren demnach auch jetzt eine
Enttäuſchung, wird auch jetzt in Peterhof die Politik der
Einkreiſung des Dreibundes nicht triumphieren.
Vom Tage.
Czernowitz, 21. Juli.
Die Petersburger Entrevue.
Die Trinkſprüche der beiden Staats-
oberhäupter.
KB. Kronſtadt, 20. Juli. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)
Präſident Poincaree iſt an Bord der „France“ um
3 Uhr nachmittags hier eingetroffen. Der Kaiſer
begrüßte ihn an Bord der Kaiſeryacht „Alexandra“. Von
der kleinen Rheede wurde an Bord der „Alexandra“ die
Fahrt nach Peterhof angetreten, wo Poincaree von
der Kaiſerin empfangen wurde. Im kaiſerlichen Pa-
lais fand abends eine Galatafel ſtatt. Kaiſer Ni-
kolaus brachte einen Trinkſpruch aus, in welchem
er unter anderem ſagte:
„Vereint ſeit langem, durch gegenſeitige Sympathie
der Völker und durch gemeinſame Intereſſen ſind Frank-
reich und Rußland ſeit bald einem Vierteljahrhundert
eng verknüpft, um das gleiche Ziel beſſer zu verfolgen,
das darin beſteht, ihre Intereſſen zu wahren, indem ſie
an der Erhaltung des Gleichgewichtes und des Friedens
in Europa zuſammenarbeiten.“
Der Kaiſer zweifle nicht, daß beide Länder treu
ihrem Friedensideal, und ſich auf ihre erprobte
Allianz ſowie auf gemeinſame Freundſchaften ſtützend,
auch weiterhin ſich der Wohltaten durch die Fülle
ihrer Kräfte eines geſicherten Friedens er-
Fėuilleton.
Bade- und Bäderpoeſie.
Von Friedrich Kunze (Suhl).
Wer wol badet und wol bett,
Es gerü jn ſelten was er tett.
(Altd. Spruch.)
Zu den älteſten Erquickungs- und Heilmitteln der
vielgeplagten Menſchheit gehört auch das Baden, und es
iſt daher nicht zu verwundern, wenn bereits im grauen
Altertum fleißig davon Gebrauch gemacht wurde. Natür-
lich kam anfänglich nur das heute ſchon ſeltenere Tauch-
bad unter freiem Himmel in Betracht.
Bächlein, dich lob’ ich,
Bächlein, dich preiſ’ ich;
Wo ich vergeſſe
Die Hitze des Tages.
Kaum dich erſeh’ ich,
Gleich in dich ſpring ich;
Tief in dein Waſſer
Tauch ich mit Luſt mich!
So lautet ein altes Volkslied des ſlaviſchen Oſtens.
Homer, der uralte Sänger Griechenlands, erwähnt auch
ſchon das künſtlichere „Kufenbad“, das ſich dem natür-
lichen anſchloß und jedenfalls mit warmem Waſſer berei-
tet wurde, denn in der Ilias (10, 574 ff.) heißt es von
Diomedes und Odyſſeus:
Drauf entwuſchen ſich beide den vielen Schweiß, in die
Meerflut
Eingetaucht, von den Beinen, vom Hals umher und den
Schenkeln.
Aber nachdem die Woge den vielen Schweiß der Arbeit
Ganz den Gliedern entſpült, und ihr mutiges Herz ſich
erlabet,
Stiegen ſie ein zum Bad in ſchöngeglättete Wannen.
Beide vom Bad erwärmt und geſalbt mit geſchmeidigem
Oele uſw.
Bei unſeren germaniſchen Altvordern waren eben-
falls beide Bademethoden ſchon beliebt, doch ſcheinen ſie
Warmwaſſerbäder erſt von den ziviliſierten Römern „er-
erbt“ zu haben. Zur Franken- und Alemannenzeit befand
ſich auf jedem größeren Gutshofe ein einfaches hölzernes
Badegemach, ſtuba, und als ſich ſpäter auf den deutſchen
Ritterburgen das häusliche Leben in behaglicher Fülle und
geſchmackvoller Feinheit entwickelte, galt ein warmes Bad
als exquickendfter und unentbehrlichſter Genuß, der auch
jedem eingetretenen Fremden gaſtfreundlich dargeboten
wurde. Als Parſifal auf ſeiner abenteuerlichen Fahrt in
einem fremden Schloß bis zum Tageslicht ſchlief,
Da ließ der edle Fürſt beizeiten
Ein Bad für ihn bereiten,
Doch nicht zu früh am Vormittag,
Dicht vor dem Bett, in dem er lag,
Ganz wie es Sitte und Brauch gebeut;
Auch Roſen wurden eingeſtreut.
Nach Beendigung der kulturfördernden Kreuzzüge
kamen auch Dampfbäder in Gebrauch: in eine Wanne
wurden glühende Steine geworfen, mit Waſſer überſchüt-
tet, worauf ſich der Badende, mit Tüchern wohlverpackt, in
den aufſteigenden Dampf ſetzte. Oftmals war es aber
darin nicht warm genug, weshalb z. B. ein Spottgedicht
von 1536 beginnt:
Ach Bader, lieber Meiſter mein,
Ich bitt’ Euch, ſeht ein wenig darauf,
Daß man mir doch tu heizen ein,
Und laſſet darnach gießen auf.
Wie lange ſoll ich hier ſitzen?
Hu! es iſt kalt!
Brächt’ man mir doch bald
Ein Pelz, ob ich möcht’ ſchwitzen!
Nachdem der knauſerige Bader wegen des ſparſamen
Holzverbrauches getadelt worden iſt, heißt es dann im
verſöhnlichen Schluß:
Bader, ich tu nur ſpotten,
Habt mir für gut.
Im Bad man tut
Oft reißen ſolche Zotten.
Dieſe ergötzliche Szene trug ſich zu in einer öffent-
lichen Badeſtube, die man im 14. Jahrhundert ſchon maſ-
ſenhaft auf deutſchem Boden antraf, denn es war „keine
Stadt, kein Markt, kein Dorf (zu) gering, welches nicht
ſein Bad habe“. Es gehörte zum feinen Ton, am Schluſſe
eines Feſtes die eingeladenen Gäſte in eine einheimiſche
Badeanſtalt zu führen. Mit zunehmendem Wohlſtand
gings hier bald ſehr luſtig zu; man aß an ſchwimmenden
Tiſchchen, trank ſich zu, führte ſaftige Unterhaltungen, bis
Trommel und Pfeife zum Tanze aufſpielten. Als dann im
erſten Viertel des 16. Jahrhunderts die umgeſtaltende Re-
formation auch hier mit kräftiger Hand eingriff, wurde es
zunehmend „anſtändiger“ in den ſtädtiſchen Bädern,
deren Konſtanz z. B. allein dreißig aufwies. Man beob-
achtete damals auch ſchon gewiſſe Baderegeln, und hielt ſie
für ſo wichtig, daß ſie ſelbſt in mittelalterliche Gebetbücher
aufgenommen wurden. Als hauptſächlichſte Vorſchrift für
den Badenden galt nach Gutachten der alten Schola Sa-
lernitana:
Zunächſt: er hab ein fröhliches Gemüt,
Und ſich für Trauern wol behüt,
Denn ſolches ſtärkt und friſcht das Leben,
Wenn es geſchieht, doch ſoll darneben
Geſucht ſein mit Fleiß die Ruh.
Kein Sorge, kein Angſt nit taugt dazu.
In täglicher Speis und auch in Trank.
Kein Uebermaß ſoll gehn im Schwank.
„Ein fröhliches Gemüt“ war von jeher erforderlich
bei Badekuren, und ſchon der römiſche Kaiſer Antonius
Pius ließ über eine öffentliche Waſſerheilanſtalt ſchreiben:
Frei von Sorgen betritt dieſen Ort,
Damit Du ihn frei von Krankheit verlaſſen kannſt.
Wer Sorgen hegt, wird nicht geſund.
„Waſſer tut’s freilich nicht“; das wußte man von
jeher ſchon, ja es wurde ſogar behauptet: „Wer krätzig ins
Bad geht, kommt räudig wieder heim.“ Die gewöhnlichſte
„Maxime“ lautete:
Nach dem Bade warm,
Nach der (Ader-) Läſſe kait;
Tuſt du das, ſo wirſt du alt.
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