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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 379, Czernowitz, 04.04.1905.

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4. April 1905. Czernowitzer Allgemeine Zeitung.

[Spaltenumbruch]
Vom Tage.


Die Krise in Ungarn.

Der Beschluß der Koalition wurde
dem Monarchen unverzüglich mitgeteilt. Es ist wahrscheinlich,
daß Graf Tisza vom Kaiser empfangen werden wird.
Der jähe Abbruch der Kompromißverhandlungen hat Kossuth
sehr verstimmt. Er entfernte sich aus der Sitzung mit dem
Bemerken, er müsse an einer Sitzung des Kossuth-Denkmal-
komitees teilnehmen. Angesichts der neuen Situation herrscht
allgemeine Ratlosigkeit. Es fiel auf, daß Graf Apponyi der
Sitzung des Exekutivkomitees fernblieb. Ugron hatte schon
vor der Sitzung erklärt, er werde mit allen Kräften gegen
die Ausschaltung der militärischen Wünsche kämpfen. Wenn
sich auch der leitende Ausschuß, erklärte er, einverstanden
erklären sollte, das Plenum der Koalition werde sicher da-
gegen sein.

Nach der Sitzung des Exekutiv-
komitees ist Finanzminister Lukacs mit den Führern der
Opposition abermals in Verhandlung getreten, um eine neue
Basis für die Entwirrung zu finden. Am Montag abends tritt
das Plenum der Opposition zu einer Sitzung zusammen, in
welcher der vom Grafen Apponyi ausgearbeitete Adreß-
entwurf in Beratung gezogen werden wird. Wenn bis zum
5. April kein Kabinett gebildet sein sollte, will die Opposition
diesen Adreßentwurf im Parlament zur Verhandlung bringen.

Auffallend ist der Umstand, daß
die meisten Parteien bei der Stellungnahme zu dem neuen
Plane eine Spaltung aufweisen. So sind von der früheren
Ugron-Partei mehrere Mitglieder für, andere gegen die
Annahme des Kompromisses. Von der Volkspartei sind
Baron Kaas, Graf Zichy und Rakovszky für die
Annahme. Von der Gruppe Apponyi sprachen sich
Gulner und Graf Batthyany dafür aus. Ebenso
herrschen unter den Mitgliedern der alten Kossuth-Partei
große Meinungsverschiedenheiten.




Deutschland, Frankreich und Marokko. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Zur
Rede Delcasses in der Sitzung des französischen Senats
vom 31. März schreibt die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung"
in ihrer Wochenschau: Wir haben zu den Ausführungen des
Ministers nur Folgendes zu bemerken: Auf die jederzeit zu
widerlegenden Behauptungen französischer Blätter über einen
angeblichen deutsch-französischen Meinungsaustausch oder gar
über deutsch-französische Verhandlungen wegen Marokkos --
Behauptungen, welche in den Preßerörterungen der letzten
Woche eine Rolle gespielt haben -- ist der französische Minister
des Aeußern nicht zurückgekommen. Auch deutete er mit keinem
Worte an, daß er in absehbarer Zeit die Anregung zu solchen
Verhandlungen erwarte oder geben werde. Die gegenwärtige
diplomatische Lage ist mithin die, daß beide Mächte, Deutsch-
land und Frankreich, in Fez aber ihre marokkanischen Interessen
mit der Regierung eines völkerrechtlich unabhängigen Staates
verhandeln. Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" bemerkt
ferner: Den Standort, von welchem aus die deutsche Politik
die marokkanische Angelegenheit beurteilt, bezeichnete der Reichs-
kanzler in seiner ersten Rede vom letzten Mittwoch klar in
dem Sinne, daß Deutschland keinerlei gegen die Integrität
oder Unabhängigkeit Marokkos gerichteten Absichten hege,
andererseits aber entschlossen sei, die erheblichen deutschen wirt-
schaftlichen Interessen zu wahren, ferner, daß es deshalb wegen
Sicherstellung dieser Interessen sich mit dem Sultan von
Marokko in Verbindung gesetzt habe.




Die rumänischen Kammerdebatten.

Die Debatten der Kammer über
die Thronrede sind ruhig verlaufen. Von den Liberalen hat
der ehemalige Minister des Aeußeren Jon Bratianu das
Wort ergriffen. Er hat sich darauf beschränkt, die Wahl-
beeinflussungen zu besprechen. Auch die Junimisten, also die
Konservativen Carp'scher Färbung, haben die Regierung nicht
allzu heftig angegriffen. Die Gaffer sind gar nicht auf ihre
Rechnung gekommen. Sie hatten erwartet, daß es zu einer
erregten Abrechnung zwischen Jung- und Altkonservativen
kommen wird. Die Junimisten faßten aber die Regierungs-
partei und ihre Führer sehr sanft an. Offenbar wollten sie
die Konservativen aus Tradition, die Bojaren, nicht vor den
Kopf stoßen und zwischen diesen und den jüngeren demo-
kratischen Elementen, welche sich der konservativen Partei an-
geschlossen haben, Uneinigkeit säen. Die Zielscheibe ihrer An-
griffe bildeten die Minister Tache Jonescu, Alexandru Badarau
und Michail Vladesku. Allein Herr Jonescu antwortete mit
einer seiner besten Reden -- und dies will etwas heißen,
wenn man bedenkt, daß Tache Jonescu zu den besten rumä-
nischen Parlamentariern gehört. Badarau aber hielt -- ein
[Spaltenumbruch] seltener Fall -- zugleich mit seiner ersten Ministerrede, auch
seine parlamentarische Jungfernrede. Zum Schlusse äußerte sich
auch der Ministerpräsident sehr energisch über die Stellung
seiner Partei zu den Junimisten. Dieselben wurden zwar
nicht vor den Kopf gestoßen, es wurde ihnen aber erklärt,
daß sie nur dann mit der Partei arbeiten könnten, wenn sie
sich entschlössen, ganz darin aufzugehen. Selbstverständlich
berührten die Minister auch einige wichtige Prinzipienfragen.
Der Berichterstatter über die Kammeradresse, Herr Virgil
Arion, wagte sich sogar an die heikle Judenfrage heran. Er
meinte, in der Verfassung sei vorgesehen, wie man in dieser
Frage vorgehen müsse. Es sollen also Bürgerrechte an Juden
verliehen werden, aber nicht ausschließlich an reiche, die zumeist
Ausbeuter seien, sondern auch an arme, die auf geistigem und
wirtschaftlichem Gebiete für das Wohl des Vaterlandes wirken.
Man darf diese Erklärung, obwohl nicht von der Ministerbank
ausgehend, als Ausdruck der Absichten, welche die Regierung
hat, betrachten. An eine wenn nicht endgiltige, so doch wenigstens
umfassendere Lösung der Frage ist also immer noch nicht zu
denken. Wenn aber auch hundert Juden im Jahre zur Regelung
ihrer rechtlichen Lage kommen, was bedeutet dies gegen
200.000 Juden, die immer noch rechtlos bleiben? Sehr
wichtige Erklärungen wurden auch in der Frage der staatlichen
Petroleumterrains abgegeben. Entgegen der Theorie des Herrn
Sturdza, welcher den "Schatz" unberührt den kommenden
Generationen überlassen möchte, will die jetzige Regierung zur
Hebung dieses Schatzes schreiten. Neue Perspektiven eröffnen
sich somit der Petroleumindustrie. Auch wurde betont, daß
die Regierung auf Durchführung der Entwürfe, betreffend die
Privateisenbahnen und das Verwaltungsgericht, bestehen wird.
Daß die ganze Debatte fruchtbar gewesen, kann man nicht
sagen. Sie hat aber die politische Situation geklärt: die Alt-
konservativen fühlen sich stark genug, allein zu regieren, die
schmollenden Junimisten erscheinen fast isoliert, und die Möglich-
keit, sie könnten als eigene Partei ans Staatsruder berufen
werden, erscheint nunmehr vollständig ausgeschlossen.




Bunte Chronik.


Ein Unfall der deutschen Kaiserin. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Das
Wolff'sche Bureau dementiert den Unfall der deutschen
Kaiserin in Taormina.




Eisenbahnunfall. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Heute
früh fuhr eine Lokomotive in einen in die Station ein-
fahrenden Güterzug, der drei Wagons mit Auswan-
derern
mitführte. Ein Schaffner wurde getötet, vier Per-
sonen schwer und etwa 30 leicht verletzt.




Neuerungen im Vatikan.

In den vatikanischen
Gärten wurde am 28. März mit großer Feierlichkeit eine
Lourdeskapelle eingeweiht. Sie befindet sich in einem sonst
dem Publikum nicht zugänglichen Teil der Gärten. Anläß-
lich der Zeremonie hatten sich in diesem etwa 20.000 Per-
sonen eingefunden. Dabei fiel es auf, doß die palatinische
Garde, die nur bei den Zeremonien des Vatikans Dienst
hat, den Weg bis zum Museum entlang zog, der von vielen
als zum italienischen Gebiet gehörig betrachtet wird. Das
veranlaßt den vatikanischen Berichterstatter des "Figaro" zu
der Bemerkung: Wenn es noch einige Zeit fortgesetzt wird,
so wird man nicht mehr daran verzweifeln dürfen, den Papst
noch in den Straßen Roms zu sehen. Derselbe Bericht-
erstatter glaubt ferner, gelegentlich auch auf die Abneigung
des gegenwärtigen Papstes gegen Pomp und Etikette hin-
weisen zu sollen. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß
Pius X. seine Pferde verkaufen ließ und daß es sein Wunsch
war, daß die Nobelgarde ihn bei den Zeremonien zu Fuß
begleiten sollte. Aber die Nobelgarde soll damit nicht recht
einverstanden gewesen sein. Sie erschien auch wirklich bei
der Zeremonie zu Pferd. Die Pferde sind aber, so glaubt
der Berichterstatter, zu der Zeremonie eigens beschafft worden.
Dem päpstlichen Hofe soll die Abneigung des Papstes gegen
Pomp und Etikette nicht recht gefallen, da er unter Leo XIII.
"an mehr Prestige" gewöhnt war.

Ein Theaterskandal in Bordeaux.

Während
des ersten Aktes der Oper "Manon" im Theater zu Bor-
deaux entstand, wie ein Privattelegramm meldet, in der
Kulisse zwischen dem Direktor Boyer und dem Bassisten
Blancard eine Schlägerei. Letzterer stürzte vor die Rampe
und bat das Publikum um Schutz. Blancards Gattin, die
gleichfalls auf der Bühne erschien, um den Vorfall zu er-
zählen, hatte einen Ohnmachtsanfall. Das Publikum glaubte
im ersten Augenblicke an einen Aprilscherz, dann wurde aber
Blancard von den in der Mehrzahl anwesenden Anhängern
des Direktors hinausgepfiffen.

Totgehungert.

Aus Buczacz wird uns geschrieben:
Vor einigen Tagen verbreitete sich in unserer Stadt das un-
glaubliche Gerücht, daß in der städtischen Arrestantenzelle
ein Bauer zu Tode ausgehungert worden sei. Ein mit dem
Bauer aus Pettikowice, Hryn Szmola, internierter Arrestant
Schwarz, welcher am 27. v. M., vor dem Tode des
ersteren, dem Landesgerichte übergeben wurde, erzählte dem
eskortierenden Gendarmen, daß sie in eine kalte und finstere
Zelle eingesperrt wurden. Vier Tage hindurch hörte er das
vergebliche Flehen seines Leidensgenossen um Brot und
Wasser. Aber beides blieb eben versagt. Die Polizei blieb
[Spaltenumbruch] hart wie ein Felsen, und am fünften Tage weckte man den
alten Bauer vergebens, er kehrte den marternden Hütern des
Rechtes und der Gerechtigkeit den Rücken und ging in das
bessere, schöne Jenseits. Schwarz alarmierte gleich die Wach-
leute, welche aber nichts mehr ausrichten konnten. Die Ange-
legenheit wurde dem Bezirksgerichte überwiesen. Wunderbar
an der Geschichte ist, daß der einzige Zeuge in dieser
traurigen Geschichte, der Arrestant Schwarz, plötzlich verschwand.
Die Untersuchung ist deshalb sehr erschwert worden und es
ist auch zweifelhaft, ob sie zu einem Resultate führen werde.

Mrs. Chadwick und ihr Gatte.

Die amerikanische
Frau Humbert, die auf Andrew Carnegies Namen bedeuten-
de Wechsel fälschte und die Bank von Oberlin ruinierte, ist
nunmehr auf längere Zeit unschädlich gemacht worden. Das
Gericht hat sie wegen mehrerer Hochstapeleien zu zehn Jahren
Gefängnis verurteilt und ihren Antrag, vor einen anderen
Gerichtshof gestellt zu werden, abgelehnt. -- Während sie
nun diese Strafe absitzt, beginnt ihr Gatte, dessen Mitwissen-
schaft an dem Betrug nicht nachzuweisen war, jetzt einen
Lebensunterhalt auf eine sehr eigentümliche Art zu verdienen,
wobei er als echter Amerikaner besonders aus der noch
frischen Sensation Kapital schlägt. Unter dem Inventar der
luxuriös ausgestatteten Villa des Ehepaares war nämlich
bei der Beschlagnahme ganz besonders ein überaus wertvolles
Harmonium aufgefallen, das 40.000 Mark gekostet haben
soll. Da dieses Instrument in den Verhandlungen mehrfach
als Beweis dafür angeführt wurde, daß Frau Chadwick
verschwenderisch gelebt hatte, so besaß es eine gewisse Popu-
larität, und es war ein genialer Gedanke von Herrn Chadwick,
dieses interessante Instrument nunmehr seinen Landsleuten
gegen entsprechendes Eintrittsgeld vorzuführen. Wie richtig
er hierbei mit der menschlichen Neugierde gerechnet hat, be-
weisen seine brillanten Geschäfte; denn obwohl Herr Chadwick
bisher niemand als Musiker bekannt war und er wahrschein-
lich als solcher auch nicht besonders hervorragt, so verdient
er doch mit seiner Schaustellung und musikalischen Bear-
beitung des ominösen Harmoniums monatlich an 1600 Mark.






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Czernowitzer Angelegenheiten.


Aus dem Rathause.

In der am Samstag stattge-
fundenen Gemeinderatssitzung wurde nach Anhörung der von
Prof. Schestauber und Rechnungsrat Busch abgegebenen
Gutachten endlich gemäß dem Sektions- und Magistrats-
antrage beschlossen, das Darlehen für den Theater-
bau
bei der Zentralbank der deutschen Sparkassen in Prag
aufzunehmen. -- In derselben Sitzung teilte der Vorsitzende
Vizebürgermeister Regierungsrat Dr. Reiß mit, daß der
Magistrat im Sinne des Gemeinderatsbeschlusses an das
Justizministerium ein Memorandum wegen der ohne zwingenden
Grund an auswärtige Gewerbetreibende erfolgten Vergebung
der Arbeiten im Justizministerium überreicht habe, auch habe
Abg. Dr. Straucher in diesem Sinne im Justizministerium
interveniert. -- Hierauf gelangt eine von Magistratskommissär
Gewölb gefertigte Interpellationsbeantwortung in Betreff der
von Dr. Norst zur Sprache gebrachten Fälle von Mädchen-
handel zur Verlesung. Aus der Beantwortung geht hervor,
daß die städtische Polizei durchaus korrekt blos ihre Pflicht
getan habe. -- Zur Verlesung gelangen sodann Gutachten
der Architekten Prof. Witek, Dell und Theaterbauleiters
Ing. Schreiber in Betreff der von GR. v. Onciul an-
geregten Bauvorschriften auf dem Elisabethplatze (Wir kommen
auf diese Frage noch zurück -- A. d. R.) -- Ferner wurden
zwei baupolizeiliche Angelegenheiten im Dringlichkeitswege in
Verhandlung gezogen und zwar stellte GR. Elias Wender
auf Grund einer Eingabe der Kaufmannschaft in der Enzenberg-
Hauptstraße den Antrag, daß eine dort für den Bau abge-
lagerte Ziegelreihe entfernt werde. Der Antrag wurde nach
längerer Debatte der geschäftsordnungsmäßigen Behandlung
zugeführt. -- GR. von Onciul brachte folgenden Fall vor:
An der Ecke Rathausstraße-Kochanowskigasse befinde sich ein

4. April 1905. Czernowitzer Allgemeine Zeitung.

[Spaltenumbruch]
Vom Tage.


Die Kriſe in Ungarn.

Der Beſchluß der Koalition wurde
dem Monarchen unverzüglich mitgeteilt. Es iſt wahrſcheinlich,
daß Graf Tisza vom Kaiſer empfangen werden wird.
Der jähe Abbruch der Kompromißverhandlungen hat Koſſuth
ſehr verſtimmt. Er entfernte ſich aus der Sitzung mit dem
Bemerken, er müſſe an einer Sitzung des Koſſuth-Denkmal-
komitees teilnehmen. Angeſichts der neuen Situation herrſcht
allgemeine Ratloſigkeit. Es fiel auf, daß Graf Apponyi der
Sitzung des Exekutivkomitees fernblieb. Ugron hatte ſchon
vor der Sitzung erklärt, er werde mit allen Kräften gegen
die Ausſchaltung der militäriſchen Wünſche kämpfen. Wenn
ſich auch der leitende Ausſchuß, erklärte er, einverſtanden
erklären ſollte, das Plenum der Koalition werde ſicher da-
gegen ſein.

Nach der Sitzung des Exekutiv-
komitees iſt Finanzminiſter Lukacs mit den Führern der
Oppoſition abermals in Verhandlung getreten, um eine neue
Baſis für die Entwirrung zu finden. Am Montag abends tritt
das Plenum der Oppoſition zu einer Sitzung zuſammen, in
welcher der vom Grafen Apponyi ausgearbeitete Adreß-
entwurf in Beratung gezogen werden wird. Wenn bis zum
5. April kein Kabinett gebildet ſein ſollte, will die Oppoſition
dieſen Adreßentwurf im Parlament zur Verhandlung bringen.

Auffallend iſt der Umſtand, daß
die meiſten Parteien bei der Stellungnahme zu dem neuen
Plane eine Spaltung aufweiſen. So ſind von der früheren
Ugron-Partei mehrere Mitglieder für, andere gegen die
Annahme des Kompromiſſes. Von der Volkspartei ſind
Baron Kaas, Graf Zichy und Rakovszky für die
Annahme. Von der Gruppe Apponyi ſprachen ſich
Gulner und Graf Batthyany dafür aus. Ebenſo
herrſchen unter den Mitgliedern der alten Koſſuth-Partei
große Meinungsverſchiedenheiten.




Deutſchland, Frankreich und Marokko. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Zur
Rede Delcaſſes in der Sitzung des franzöſiſchen Senats
vom 31. März ſchreibt die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“
in ihrer Wochenſchau: Wir haben zu den Ausführungen des
Miniſters nur Folgendes zu bemerken: Auf die jederzeit zu
widerlegenden Behauptungen franzöſiſcher Blätter über einen
angeblichen deutſch-franzöſiſchen Meinungsaustauſch oder gar
über deutſch-franzöſiſche Verhandlungen wegen Marokkos —
Behauptungen, welche in den Preßerörterungen der letzten
Woche eine Rolle geſpielt haben — iſt der franzöſiſche Miniſter
des Aeußern nicht zurückgekommen. Auch deutete er mit keinem
Worte an, daß er in abſehbarer Zeit die Anregung zu ſolchen
Verhandlungen erwarte oder geben werde. Die gegenwärtige
diplomatiſche Lage iſt mithin die, daß beide Mächte, Deutſch-
land und Frankreich, in Fez aber ihre marokkaniſchen Intereſſen
mit der Regierung eines völkerrechtlich unabhängigen Staates
verhandeln. Die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“ bemerkt
ferner: Den Standort, von welchem aus die deutſche Politik
die marokkaniſche Angelegenheit beurteilt, bezeichnete der Reichs-
kanzler in ſeiner erſten Rede vom letzten Mittwoch klar in
dem Sinne, daß Deutſchland keinerlei gegen die Integrität
oder Unabhängigkeit Marokkos gerichteten Abſichten hege,
andererſeits aber entſchloſſen ſei, die erheblichen deutſchen wirt-
ſchaftlichen Intereſſen zu wahren, ferner, daß es deshalb wegen
Sicherſtellung dieſer Intereſſen ſich mit dem Sultan von
Marokko in Verbindung geſetzt habe.




Die rumäniſchen Kammerdebatten.

Die Debatten der Kammer über
die Thronrede ſind ruhig verlaufen. Von den Liberalen hat
der ehemalige Miniſter des Aeußeren Jon Bratianu das
Wort ergriffen. Er hat ſich darauf beſchränkt, die Wahl-
beeinfluſſungen zu beſprechen. Auch die Junimiſten, alſo die
Konſervativen Carp’ſcher Färbung, haben die Regierung nicht
allzu heftig angegriffen. Die Gaffer ſind gar nicht auf ihre
Rechnung gekommen. Sie hatten erwartet, daß es zu einer
erregten Abrechnung zwiſchen Jung- und Altkonſervativen
kommen wird. Die Junimiſten faßten aber die Regierungs-
partei und ihre Führer ſehr ſanft an. Offenbar wollten ſie
die Konſervativen aus Tradition, die Bojaren, nicht vor den
Kopf ſtoßen und zwiſchen dieſen und den jüngeren demo-
kratiſchen Elementen, welche ſich der konſervativen Partei an-
geſchloſſen haben, Uneinigkeit ſäen. Die Zielſcheibe ihrer An-
griffe bildeten die Miniſter Tache Jonescu, Alexandru Badarau
und Michail Vladesku. Allein Herr Jonescu antwortete mit
einer ſeiner beſten Reden — und dies will etwas heißen,
wenn man bedenkt, daß Tache Jonescu zu den beſten rumä-
niſchen Parlamentariern gehört. Badarau aber hielt — ein
[Spaltenumbruch] ſeltener Fall — zugleich mit ſeiner erſten Miniſterrede, auch
ſeine parlamentariſche Jungfernrede. Zum Schluſſe äußerte ſich
auch der Miniſterpräſident ſehr energiſch über die Stellung
ſeiner Partei zu den Junimiſten. Dieſelben wurden zwar
nicht vor den Kopf geſtoßen, es wurde ihnen aber erklärt,
daß ſie nur dann mit der Partei arbeiten könnten, wenn ſie
ſich entſchlöſſen, ganz darin aufzugehen. Selbſtverſtändlich
berührten die Miniſter auch einige wichtige Prinzipienfragen.
Der Berichterſtatter über die Kammeradreſſe, Herr Virgil
Arion, wagte ſich ſogar an die heikle Judenfrage heran. Er
meinte, in der Verfaſſung ſei vorgeſehen, wie man in dieſer
Frage vorgehen müſſe. Es ſollen alſo Bürgerrechte an Juden
verliehen werden, aber nicht ausſchließlich an reiche, die zumeiſt
Ausbeuter ſeien, ſondern auch an arme, die auf geiſtigem und
wirtſchaftlichem Gebiete für das Wohl des Vaterlandes wirken.
Man darf dieſe Erklärung, obwohl nicht von der Miniſterbank
ausgehend, als Ausdruck der Abſichten, welche die Regierung
hat, betrachten. An eine wenn nicht endgiltige, ſo doch wenigſtens
umfaſſendere Löſung der Frage iſt alſo immer noch nicht zu
denken. Wenn aber auch hundert Juden im Jahre zur Regelung
ihrer rechtlichen Lage kommen, was bedeutet dies gegen
200.000 Juden, die immer noch rechtlos bleiben? Sehr
wichtige Erklärungen wurden auch in der Frage der ſtaatlichen
Petroleumterrains abgegeben. Entgegen der Theorie des Herrn
Sturdza, welcher den „Schatz“ unberührt den kommenden
Generationen überlaſſen möchte, will die jetzige Regierung zur
Hebung dieſes Schatzes ſchreiten. Neue Perſpektiven eröffnen
ſich ſomit der Petroleuminduſtrie. Auch wurde betont, daß
die Regierung auf Durchführung der Entwürfe, betreffend die
Privateiſenbahnen und das Verwaltungsgericht, beſtehen wird.
Daß die ganze Debatte fruchtbar geweſen, kann man nicht
ſagen. Sie hat aber die politiſche Situation geklärt: die Alt-
konſervativen fühlen ſich ſtark genug, allein zu regieren, die
ſchmollenden Junimiſten erſcheinen faſt iſoliert, und die Möglich-
keit, ſie könnten als eigene Partei ans Staatsruder berufen
werden, erſcheint nunmehr vollſtändig ausgeſchloſſen.




Bunte Chronik.


Ein Unfall der deutſchen Kaiſerin. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Das
Wolff’ſche Bureau dementiert den Unfall der deutſchen
Kaiſerin in Taormina.




Eiſenbahnunfall. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Heute
früh fuhr eine Lokomotive in einen in die Station ein-
fahrenden Güterzug, der drei Wagons mit Auswan-
derern
mitführte. Ein Schaffner wurde getötet, vier Per-
ſonen ſchwer und etwa 30 leicht verletzt.




Neuerungen im Vatikan.

In den vatikaniſchen
Gärten wurde am 28. März mit großer Feierlichkeit eine
Lourdeskapelle eingeweiht. Sie befindet ſich in einem ſonſt
dem Publikum nicht zugänglichen Teil der Gärten. Anläß-
lich der Zeremonie hatten ſich in dieſem etwa 20.000 Per-
ſonen eingefunden. Dabei fiel es auf, doß die palatiniſche
Garde, die nur bei den Zeremonien des Vatikans Dienſt
hat, den Weg bis zum Muſeum entlang zog, der von vielen
als zum italieniſchen Gebiet gehörig betrachtet wird. Das
veranlaßt den vatikaniſchen Berichterſtatter des „Figaro“ zu
der Bemerkung: Wenn es noch einige Zeit fortgeſetzt wird,
ſo wird man nicht mehr daran verzweifeln dürfen, den Papſt
noch in den Straßen Roms zu ſehen. Derſelbe Bericht-
erſtatter glaubt ferner, gelegentlich auch auf die Abneigung
des gegenwärtigen Papſtes gegen Pomp und Etikette hin-
weiſen zu ſollen. Es hat ſich nämlich herausgeſtellt, daß
Pius X. ſeine Pferde verkaufen ließ und daß es ſein Wunſch
war, daß die Nobelgarde ihn bei den Zeremonien zu Fuß
begleiten ſollte. Aber die Nobelgarde ſoll damit nicht recht
einverſtanden geweſen ſein. Sie erſchien auch wirklich bei
der Zeremonie zu Pferd. Die Pferde ſind aber, ſo glaubt
der Berichterſtatter, zu der Zeremonie eigens beſchafft worden.
Dem päpſtlichen Hofe ſoll die Abneigung des Papſtes gegen
Pomp und Etikette nicht recht gefallen, da er unter Leo XIII.
„an mehr Preſtige“ gewöhnt war.

Ein Theaterſkandal in Bordeaux.

Während
des erſten Aktes der Oper „Manon“ im Theater zu Bor-
deaux entſtand, wie ein Privattelegramm meldet, in der
Kuliſſe zwiſchen dem Direktor Boyer und dem Baſſiſten
Blancard eine Schlägerei. Letzterer ſtürzte vor die Rampe
und bat das Publikum um Schutz. Blancards Gattin, die
gleichfalls auf der Bühne erſchien, um den Vorfall zu er-
zählen, hatte einen Ohnmachtsanfall. Das Publikum glaubte
im erſten Augenblicke an einen Aprilſcherz, dann wurde aber
Blancard von den in der Mehrzahl anweſenden Anhängern
des Direktors hinausgepfiffen.

Totgehungert.

Aus Buczacz wird uns geſchrieben:
Vor einigen Tagen verbreitete ſich in unſerer Stadt das un-
glaubliche Gerücht, daß in der ſtädtiſchen Arreſtantenzelle
ein Bauer zu Tode ausgehungert worden ſei. Ein mit dem
Bauer aus Pettikowice, Hryn Szmola, internierter Arreſtant
Schwarz, welcher am 27. v. M., vor dem Tode des
erſteren, dem Landesgerichte übergeben wurde, erzählte dem
eskortierenden Gendarmen, daß ſie in eine kalte und finſtere
Zelle eingeſperrt wurden. Vier Tage hindurch hörte er das
vergebliche Flehen ſeines Leidensgenoſſen um Brot und
Waſſer. Aber beides blieb eben verſagt. Die Polizei blieb
[Spaltenumbruch] hart wie ein Felſen, und am fünften Tage weckte man den
alten Bauer vergebens, er kehrte den marternden Hütern des
Rechtes und der Gerechtigkeit den Rücken und ging in das
beſſere, ſchöne Jenſeits. Schwarz alarmierte gleich die Wach-
leute, welche aber nichts mehr ausrichten konnten. Die Ange-
legenheit wurde dem Bezirksgerichte überwieſen. Wunderbar
an der Geſchichte iſt, daß der einzige Zeuge in dieſer
traurigen Geſchichte, der Arreſtant Schwarz, plötzlich verſchwand.
Die Unterſuchung iſt deshalb ſehr erſchwert worden und es
iſt auch zweifelhaft, ob ſie zu einem Reſultate führen werde.

Mrs. Chadwick und ihr Gatte.

Die amerikaniſche
Frau Humbert, die auf Andrew Carnegies Namen bedeuten-
de Wechſel fälſchte und die Bank von Oberlin ruinierte, iſt
nunmehr auf längere Zeit unſchädlich gemacht worden. Das
Gericht hat ſie wegen mehrerer Hochſtapeleien zu zehn Jahren
Gefängnis verurteilt und ihren Antrag, vor einen anderen
Gerichtshof geſtellt zu werden, abgelehnt. — Während ſie
nun dieſe Strafe abſitzt, beginnt ihr Gatte, deſſen Mitwiſſen-
ſchaft an dem Betrug nicht nachzuweiſen war, jetzt einen
Lebensunterhalt auf eine ſehr eigentümliche Art zu verdienen,
wobei er als echter Amerikaner beſonders aus der noch
friſchen Senſation Kapital ſchlägt. Unter dem Inventar der
luxuriös ausgeſtatteten Villa des Ehepaares war nämlich
bei der Beſchlagnahme ganz beſonders ein überaus wertvolles
Harmonium aufgefallen, das 40.000 Mark gekoſtet haben
ſoll. Da dieſes Inſtrument in den Verhandlungen mehrfach
als Beweis dafür angeführt wurde, daß Frau Chadwick
verſchwenderiſch gelebt hatte, ſo beſaß es eine gewiſſe Popu-
larität, und es war ein genialer Gedanke von Herrn Chadwick,
dieſes intereſſante Inſtrument nunmehr ſeinen Landsleuten
gegen entſprechendes Eintrittsgeld vorzuführen. Wie richtig
er hierbei mit der menſchlichen Neugierde gerechnet hat, be-
weiſen ſeine brillanten Geſchäfte; denn obwohl Herr Chadwick
bisher niemand als Muſiker bekannt war und er wahrſchein-
lich als ſolcher auch nicht beſonders hervorragt, ſo verdient
er doch mit ſeiner Schauſtellung und muſikaliſchen Bear-
beitung des ominöſen Harmoniums monatlich an 1600 Mark.






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Czernowitzer Angelegenheiten.


Aus dem Rathauſe.

In der am Samſtag ſtattge-
fundenen Gemeinderatsſitzung wurde nach Anhörung der von
Prof. Scheſtauber und Rechnungsrat Buſch abgegebenen
Gutachten endlich gemäß dem Sektions- und Magiſtrats-
antrage beſchloſſen, das Darlehen für den Theater-
bau
bei der Zentralbank der deutſchen Sparkaſſen in Prag
aufzunehmen. — In derſelben Sitzung teilte der Vorſitzende
Vizebürgermeiſter Regierungsrat Dr. Reiß mit, daß der
Magiſtrat im Sinne des Gemeinderatsbeſchluſſes an das
Juſtizminiſterium ein Memorandum wegen der ohne zwingenden
Grund an auswärtige Gewerbetreibende erfolgten Vergebung
der Arbeiten im Juſtizminiſterium überreicht habe, auch habe
Abg. Dr. Straucher in dieſem Sinne im Juſtizminiſterium
interveniert. — Hierauf gelangt eine von Magiſtratskommiſſär
Gewölb gefertigte Interpellationsbeantwortung in Betreff der
von Dr. Norſt zur Sprache gebrachten Fälle von Mädchen-
handel zur Verleſung. Aus der Beantwortung geht hervor,
daß die ſtädtiſche Polizei durchaus korrekt blos ihre Pflicht
getan habe. — Zur Verleſung gelangen ſodann Gutachten
der Architekten Prof. Witek, Dell und Theaterbauleiters
Ing. Schreiber in Betreff der von GR. v. Onciul an-
geregten Bauvorſchriften auf dem Eliſabethplatze (Wir kommen
auf dieſe Frage noch zurück — A. d. R.) — Ferner wurden
zwei baupolizeiliche Angelegenheiten im Dringlichkeitswege in
Verhandlung gezogen und zwar ſtellte GR. Elias Wender
auf Grund einer Eingabe der Kaufmannſchaft in der Enzenberg-
Hauptſtraße den Antrag, daß eine dort für den Bau abge-
lagerte Ziegelreihe entfernt werde. Der Antrag wurde nach
längerer Debatte der geſchäftsordnungsmäßigen Behandlung
zugeführt. — GR. von Onciul brachte folgenden Fall vor:
An der Ecke Rathausſtraße-Kochanowskigaſſe befinde ſich ein

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[3/0003] 4. April 1905. Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Vom Tage. Czernowitz, 3. April 1905. Die Kriſe in Ungarn. Budapeſt, 2. April. Der Beſchluß der Koalition wurde dem Monarchen unverzüglich mitgeteilt. Es iſt wahrſcheinlich, daß Graf Tisza vom Kaiſer empfangen werden wird. Der jähe Abbruch der Kompromißverhandlungen hat Koſſuth ſehr verſtimmt. Er entfernte ſich aus der Sitzung mit dem Bemerken, er müſſe an einer Sitzung des Koſſuth-Denkmal- komitees teilnehmen. Angeſichts der neuen Situation herrſcht allgemeine Ratloſigkeit. Es fiel auf, daß Graf Apponyi der Sitzung des Exekutivkomitees fernblieb. Ugron hatte ſchon vor der Sitzung erklärt, er werde mit allen Kräften gegen die Ausſchaltung der militäriſchen Wünſche kämpfen. Wenn ſich auch der leitende Ausſchuß, erklärte er, einverſtanden erklären ſollte, das Plenum der Koalition werde ſicher da- gegen ſein. Budapeſt, 2. April. Nach der Sitzung des Exekutiv- komitees iſt Finanzminiſter Lukacs mit den Führern der Oppoſition abermals in Verhandlung getreten, um eine neue Baſis für die Entwirrung zu finden. Am Montag abends tritt das Plenum der Oppoſition zu einer Sitzung zuſammen, in welcher der vom Grafen Apponyi ausgearbeitete Adreß- entwurf in Beratung gezogen werden wird. Wenn bis zum 5. April kein Kabinett gebildet ſein ſollte, will die Oppoſition dieſen Adreßentwurf im Parlament zur Verhandlung bringen. Budapeſt, 2. April. Auffallend iſt der Umſtand, daß die meiſten Parteien bei der Stellungnahme zu dem neuen Plane eine Spaltung aufweiſen. So ſind von der früheren Ugron-Partei mehrere Mitglieder für, andere gegen die Annahme des Kompromiſſes. Von der Volkspartei ſind Baron Kaas, Graf Zichy und Rakovszky für die Annahme. Von der Gruppe Apponyi ſprachen ſich Gulner und Graf Batthyany dafür aus. Ebenſo herrſchen unter den Mitgliedern der alten Koſſuth-Partei große Meinungsverſchiedenheiten. Deutſchland, Frankreich und Marokko. Berlin, 2. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Zur Rede Delcaſſes in der Sitzung des franzöſiſchen Senats vom 31. März ſchreibt die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“ in ihrer Wochenſchau: Wir haben zu den Ausführungen des Miniſters nur Folgendes zu bemerken: Auf die jederzeit zu widerlegenden Behauptungen franzöſiſcher Blätter über einen angeblichen deutſch-franzöſiſchen Meinungsaustauſch oder gar über deutſch-franzöſiſche Verhandlungen wegen Marokkos — Behauptungen, welche in den Preßerörterungen der letzten Woche eine Rolle geſpielt haben — iſt der franzöſiſche Miniſter des Aeußern nicht zurückgekommen. Auch deutete er mit keinem Worte an, daß er in abſehbarer Zeit die Anregung zu ſolchen Verhandlungen erwarte oder geben werde. Die gegenwärtige diplomatiſche Lage iſt mithin die, daß beide Mächte, Deutſch- land und Frankreich, in Fez aber ihre marokkaniſchen Intereſſen mit der Regierung eines völkerrechtlich unabhängigen Staates verhandeln. Die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“ bemerkt ferner: Den Standort, von welchem aus die deutſche Politik die marokkaniſche Angelegenheit beurteilt, bezeichnete der Reichs- kanzler in ſeiner erſten Rede vom letzten Mittwoch klar in dem Sinne, daß Deutſchland keinerlei gegen die Integrität oder Unabhängigkeit Marokkos gerichteten Abſichten hege, andererſeits aber entſchloſſen ſei, die erheblichen deutſchen wirt- ſchaftlichen Intereſſen zu wahren, ferner, daß es deshalb wegen Sicherſtellung dieſer Intereſſen ſich mit dem Sultan von Marokko in Verbindung geſetzt habe. Die rumäniſchen Kammerdebatten. Bukareſt, 31. März. Die Debatten der Kammer über die Thronrede ſind ruhig verlaufen. Von den Liberalen hat der ehemalige Miniſter des Aeußeren Jon Bratianu das Wort ergriffen. Er hat ſich darauf beſchränkt, die Wahl- beeinfluſſungen zu beſprechen. Auch die Junimiſten, alſo die Konſervativen Carp’ſcher Färbung, haben die Regierung nicht allzu heftig angegriffen. Die Gaffer ſind gar nicht auf ihre Rechnung gekommen. Sie hatten erwartet, daß es zu einer erregten Abrechnung zwiſchen Jung- und Altkonſervativen kommen wird. Die Junimiſten faßten aber die Regierungs- partei und ihre Führer ſehr ſanft an. Offenbar wollten ſie die Konſervativen aus Tradition, die Bojaren, nicht vor den Kopf ſtoßen und zwiſchen dieſen und den jüngeren demo- kratiſchen Elementen, welche ſich der konſervativen Partei an- geſchloſſen haben, Uneinigkeit ſäen. Die Zielſcheibe ihrer An- griffe bildeten die Miniſter Tache Jonescu, Alexandru Badarau und Michail Vladesku. Allein Herr Jonescu antwortete mit einer ſeiner beſten Reden — und dies will etwas heißen, wenn man bedenkt, daß Tache Jonescu zu den beſten rumä- niſchen Parlamentariern gehört. Badarau aber hielt — ein ſeltener Fall — zugleich mit ſeiner erſten Miniſterrede, auch ſeine parlamentariſche Jungfernrede. Zum Schluſſe äußerte ſich auch der Miniſterpräſident ſehr energiſch über die Stellung ſeiner Partei zu den Junimiſten. Dieſelben wurden zwar nicht vor den Kopf geſtoßen, es wurde ihnen aber erklärt, daß ſie nur dann mit der Partei arbeiten könnten, wenn ſie ſich entſchlöſſen, ganz darin aufzugehen. Selbſtverſtändlich berührten die Miniſter auch einige wichtige Prinzipienfragen. Der Berichterſtatter über die Kammeradreſſe, Herr Virgil Arion, wagte ſich ſogar an die heikle Judenfrage heran. Er meinte, in der Verfaſſung ſei vorgeſehen, wie man in dieſer Frage vorgehen müſſe. Es ſollen alſo Bürgerrechte an Juden verliehen werden, aber nicht ausſchließlich an reiche, die zumeiſt Ausbeuter ſeien, ſondern auch an arme, die auf geiſtigem und wirtſchaftlichem Gebiete für das Wohl des Vaterlandes wirken. Man darf dieſe Erklärung, obwohl nicht von der Miniſterbank ausgehend, als Ausdruck der Abſichten, welche die Regierung hat, betrachten. An eine wenn nicht endgiltige, ſo doch wenigſtens umfaſſendere Löſung der Frage iſt alſo immer noch nicht zu denken. Wenn aber auch hundert Juden im Jahre zur Regelung ihrer rechtlichen Lage kommen, was bedeutet dies gegen 200.000 Juden, die immer noch rechtlos bleiben? Sehr wichtige Erklärungen wurden auch in der Frage der ſtaatlichen Petroleumterrains abgegeben. Entgegen der Theorie des Herrn Sturdza, welcher den „Schatz“ unberührt den kommenden Generationen überlaſſen möchte, will die jetzige Regierung zur Hebung dieſes Schatzes ſchreiten. Neue Perſpektiven eröffnen ſich ſomit der Petroleuminduſtrie. Auch wurde betont, daß die Regierung auf Durchführung der Entwürfe, betreffend die Privateiſenbahnen und das Verwaltungsgericht, beſtehen wird. Daß die ganze Debatte fruchtbar geweſen, kann man nicht ſagen. Sie hat aber die politiſche Situation geklärt: die Alt- konſervativen fühlen ſich ſtark genug, allein zu regieren, die ſchmollenden Junimiſten erſcheinen faſt iſoliert, und die Möglich- keit, ſie könnten als eigene Partei ans Staatsruder berufen werden, erſcheint nunmehr vollſtändig ausgeſchloſſen. Bunte Chronik. Czernowitz, 3. April 1905. Ein Unfall der deutſchen Kaiſerin. Berlin, 3. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Das Wolff’ſche Bureau dementiert den Unfall der deutſchen Kaiſerin in Taormina. Eiſenbahnunfall. Lieguitz, 3. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Heute früh fuhr eine Lokomotive in einen in die Station ein- fahrenden Güterzug, der drei Wagons mit Auswan- derern mitführte. Ein Schaffner wurde getötet, vier Per- ſonen ſchwer und etwa 30 leicht verletzt. Neuerungen im Vatikan. In den vatikaniſchen Gärten wurde am 28. März mit großer Feierlichkeit eine Lourdeskapelle eingeweiht. Sie befindet ſich in einem ſonſt dem Publikum nicht zugänglichen Teil der Gärten. Anläß- lich der Zeremonie hatten ſich in dieſem etwa 20.000 Per- ſonen eingefunden. Dabei fiel es auf, doß die palatiniſche Garde, die nur bei den Zeremonien des Vatikans Dienſt hat, den Weg bis zum Muſeum entlang zog, der von vielen als zum italieniſchen Gebiet gehörig betrachtet wird. Das veranlaßt den vatikaniſchen Berichterſtatter des „Figaro“ zu der Bemerkung: Wenn es noch einige Zeit fortgeſetzt wird, ſo wird man nicht mehr daran verzweifeln dürfen, den Papſt noch in den Straßen Roms zu ſehen. Derſelbe Bericht- erſtatter glaubt ferner, gelegentlich auch auf die Abneigung des gegenwärtigen Papſtes gegen Pomp und Etikette hin- weiſen zu ſollen. Es hat ſich nämlich herausgeſtellt, daß Pius X. ſeine Pferde verkaufen ließ und daß es ſein Wunſch war, daß die Nobelgarde ihn bei den Zeremonien zu Fuß begleiten ſollte. Aber die Nobelgarde ſoll damit nicht recht einverſtanden geweſen ſein. Sie erſchien auch wirklich bei der Zeremonie zu Pferd. Die Pferde ſind aber, ſo glaubt der Berichterſtatter, zu der Zeremonie eigens beſchafft worden. Dem päpſtlichen Hofe ſoll die Abneigung des Papſtes gegen Pomp und Etikette nicht recht gefallen, da er unter Leo XIII. „an mehr Preſtige“ gewöhnt war. Ein Theaterſkandal in Bordeaux. Während des erſten Aktes der Oper „Manon“ im Theater zu Bor- deaux entſtand, wie ein Privattelegramm meldet, in der Kuliſſe zwiſchen dem Direktor Boyer und dem Baſſiſten Blancard eine Schlägerei. Letzterer ſtürzte vor die Rampe und bat das Publikum um Schutz. Blancards Gattin, die gleichfalls auf der Bühne erſchien, um den Vorfall zu er- zählen, hatte einen Ohnmachtsanfall. Das Publikum glaubte im erſten Augenblicke an einen Aprilſcherz, dann wurde aber Blancard von den in der Mehrzahl anweſenden Anhängern des Direktors hinausgepfiffen. Totgehungert. Aus Buczacz wird uns geſchrieben: Vor einigen Tagen verbreitete ſich in unſerer Stadt das un- glaubliche Gerücht, daß in der ſtädtiſchen Arreſtantenzelle ein Bauer zu Tode ausgehungert worden ſei. Ein mit dem Bauer aus Pettikowice, Hryn Szmola, internierter Arreſtant Schwarz, welcher am 27. v. M., vor dem Tode des erſteren, dem Landesgerichte übergeben wurde, erzählte dem eskortierenden Gendarmen, daß ſie in eine kalte und finſtere Zelle eingeſperrt wurden. Vier Tage hindurch hörte er das vergebliche Flehen ſeines Leidensgenoſſen um Brot und Waſſer. Aber beides blieb eben verſagt. Die Polizei blieb hart wie ein Felſen, und am fünften Tage weckte man den alten Bauer vergebens, er kehrte den marternden Hütern des Rechtes und der Gerechtigkeit den Rücken und ging in das beſſere, ſchöne Jenſeits. Schwarz alarmierte gleich die Wach- leute, welche aber nichts mehr ausrichten konnten. Die Ange- legenheit wurde dem Bezirksgerichte überwieſen. Wunderbar an der Geſchichte iſt, daß der einzige Zeuge in dieſer traurigen Geſchichte, der Arreſtant Schwarz, plötzlich verſchwand. Die Unterſuchung iſt deshalb ſehr erſchwert worden und es iſt auch zweifelhaft, ob ſie zu einem Reſultate führen werde. Mrs. Chadwick und ihr Gatte. Die amerikaniſche Frau Humbert, die auf Andrew Carnegies Namen bedeuten- de Wechſel fälſchte und die Bank von Oberlin ruinierte, iſt nunmehr auf längere Zeit unſchädlich gemacht worden. Das Gericht hat ſie wegen mehrerer Hochſtapeleien zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt und ihren Antrag, vor einen anderen Gerichtshof geſtellt zu werden, abgelehnt. — Während ſie nun dieſe Strafe abſitzt, beginnt ihr Gatte, deſſen Mitwiſſen- ſchaft an dem Betrug nicht nachzuweiſen war, jetzt einen Lebensunterhalt auf eine ſehr eigentümliche Art zu verdienen, wobei er als echter Amerikaner beſonders aus der noch friſchen Senſation Kapital ſchlägt. Unter dem Inventar der luxuriös ausgeſtatteten Villa des Ehepaares war nämlich bei der Beſchlagnahme ganz beſonders ein überaus wertvolles Harmonium aufgefallen, das 40.000 Mark gekoſtet haben ſoll. Da dieſes Inſtrument in den Verhandlungen mehrfach als Beweis dafür angeführt wurde, daß Frau Chadwick verſchwenderiſch gelebt hatte, ſo beſaß es eine gewiſſe Popu- larität, und es war ein genialer Gedanke von Herrn Chadwick, dieſes intereſſante Inſtrument nunmehr ſeinen Landsleuten gegen entſprechendes Eintrittsgeld vorzuführen. Wie richtig er hierbei mit der menſchlichen Neugierde gerechnet hat, be- weiſen ſeine brillanten Geſchäfte; denn obwohl Herr Chadwick bisher niemand als Muſiker bekannt war und er wahrſchein- lich als ſolcher auch nicht beſonders hervorragt, ſo verdient er doch mit ſeiner Schauſtellung und muſikaliſchen Bear- beitung des ominöſen Harmoniums monatlich an 1600 Mark. Zum Quartalswechſel! Unſere bisherigen P. T. Abonnenten werden höflichſt erſucht, das Abonnement raſcheſtens zu erneueren. Neueintretende Abonnenten erhalten auf Ver- langen die Fortſetzungen der Romane „Gewagtes Spiel“ und „Ererbte Schmach“ gratis nach- geliefert. Hochachtungsvoll Die Adminiſtation. Czernowitzer Angelegenheiten. Czernowitz, 3. April 1905. Aus dem Rathauſe. In der am Samſtag ſtattge- fundenen Gemeinderatsſitzung wurde nach Anhörung der von Prof. Scheſtauber und Rechnungsrat Buſch abgegebenen Gutachten endlich gemäß dem Sektions- und Magiſtrats- antrage beſchloſſen, das Darlehen für den Theater- bau bei der Zentralbank der deutſchen Sparkaſſen in Prag aufzunehmen. — In derſelben Sitzung teilte der Vorſitzende Vizebürgermeiſter Regierungsrat Dr. Reiß mit, daß der Magiſtrat im Sinne des Gemeinderatsbeſchluſſes an das Juſtizminiſterium ein Memorandum wegen der ohne zwingenden Grund an auswärtige Gewerbetreibende erfolgten Vergebung der Arbeiten im Juſtizminiſterium überreicht habe, auch habe Abg. Dr. Straucher in dieſem Sinne im Juſtizminiſterium interveniert. — Hierauf gelangt eine von Magiſtratskommiſſär Gewölb gefertigte Interpellationsbeantwortung in Betreff der von Dr. Norſt zur Sprache gebrachten Fälle von Mädchen- handel zur Verleſung. Aus der Beantwortung geht hervor, daß die ſtädtiſche Polizei durchaus korrekt blos ihre Pflicht getan habe. — Zur Verleſung gelangen ſodann Gutachten der Architekten Prof. Witek, Dell und Theaterbauleiters Ing. Schreiber in Betreff der von GR. v. Onciul an- geregten Bauvorſchriften auf dem Eliſabethplatze (Wir kommen auf dieſe Frage noch zurück — A. d. R.) — Ferner wurden zwei baupolizeiliche Angelegenheiten im Dringlichkeitswege in Verhandlung gezogen und zwar ſtellte GR. Elias Wender auf Grund einer Eingabe der Kaufmannſchaft in der Enzenberg- Hauptſtraße den Antrag, daß eine dort für den Bau abge- lagerte Ziegelreihe entfernt werde. Der Antrag wurde nach längerer Debatte der geſchäftsordnungsmäßigen Behandlung zugeführt. — GR. von Onciul brachte folgenden Fall vor: An der Ecke Rathausſtraße-Kochanowskigaſſe befinde ſich ein

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 379, Czernowitz, 04.04.1905, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer379_1905/3>, abgerufen am 21.11.2024.