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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 379, Czernowitz, 04.04.1905.

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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 4. April 1905.

[Spaltenumbruch] niedriges kleines Häuschen, dessen Verwalter ein gewisser
Geringer sei. Dieser habe dem ehem. städtischen Tierarzte
Schmul und dem Baumeister Liquornik die Auf-
führung eines Neubaues übertragen. Weil nun die Parteien,
kleine Gewerbetreibende, nicht rechtzeitig gekündigt wurden,
habe man, anstatt ihnen Reugeld zu zahlen, zu dem bequemen
Mittel gegriffen, das Haus durch eine Magistratskommission
baufällig erklären zu lassen. Das wollte aber nicht recht gehen,
und so griff man, nachdem Baurat Fröschl allein sich für
die Baufälligkeit ausgesprochen hatte, zu Feuergefährlichkeiten
und erwirkte die Verfügung des Bauamtes, daß binnen
48 Stunden der Dachstuhl und die Parterredecken des Hauses
niederzureißen und die Parteien zu delogieren seien. --
Obendrein wurde ausgesprochen, daß ein Rekurs gegen diese
Verfügung keine aufschiebende Wirkung habe. Redner be-
antragt nun im Dringlichkeitswege, daß der nicht aufschiebende
Charakter des Rekurses, den er für die Parteien gleichzeitig
anmelde, aufgehoben und eine gemeinderätliche Ueberprüfungs-
kommission eingesetzt werde. -- Stadtrat Heinrich bemerkt,
er habe sich gegen die Baufälligkeit ausgesprochen, mußte
aber als Mitglied der Kommission sich dem Befunde derselben
anschließen, trotzdem er die Härte der Maßregel erkannt
habe. Hier als Mitglied des Gemeinderates müsse er, da
zwei Seelen in seiner Brust wohnen, den Antrag Onciul
unterstützen. -- GR. W. Tittinger spricht sich nach Ein-
holung einer Aufklärung gleichfalls für den Antrag aus,
ebenso GR. Elias Wender. -- Der Vors. Dr. Reiß
konstatiert, daß er in der Magistratssitzung, die diesen
Beschluß faßte, nicht zugegen war, Vizebürgermeister Gregor
habe den Vorsitz geführt. Der erste Teil des Antrages
Onciul wird hierauf einstimmig angenommen, der
zweite bleibt bis zur Erledigung des Rekurses in suspenso.
-- Nach dem Referate des GR. Tellmann über das
Theaterdarlehen vertrauliche Sitzung.

Die Ernennungen im gr.-or. Konsistorium.

Die "Wiener Zeitung" meldet: Seine k. und k. Majestät
haben mit Allerhöchster Entschließung vom 27. März d. J.
den Konstitorialrat Myron Calinescu zum Konsistorial-
Archimandriten des gr.-or. erzbischöflichen Konsistoriums in
Czernowitz, den Religions-Professor am Czernowitzer Ersten
Staatsgymnasium Calistrat Coca zum Protopresbyter der
gr.-vr. Kathedralkirche in Czernowitz und den Pfarrer in
Brodok Meletie Halip zum besoldeten Beisitzer des gr.-or.
erzbischöflichen Konsistoriums daselbst allergnädigst zu er-
nennen geruht.

Auszeichnung.

Aus Anlaß der Spiritus-Ausstellung
in Wien wurde Herr Professor Dr. Neumann Wender in
Czernowitz mit der französischen Offiziersdekoration pour
merite agricole
ausgezeichnet. -- Den gr.-or. Pfarrern The-
odor Semaniuk in Wiznitz und Viktor Zacharowski
in Unter-Lukawetz, wurde das Goldene Verdienstkreuz mit
der Krone verliehen.

Personalnachrichten.

Hofrat Ullmann und
Magistratsdirektor Regierungsrat Wiedmann, sind zu
kurzem Aufenthalte nach Wien gereist. -- Direktor Doktor
Philippowicz und Bauoberkommissär Charwat sind
von ihrer Reise zwecks Studiums der Einrichtungen größerer
Krankenanstalten zurückgekehrt. -- In einer gestern abgehaltenen
Festsitzung des Ausschusses des hiesigen Vereines zur Förderung
der Tonkunst, überreichte Regierungsrat Dr. v. Duzin-
kiewicz
dem Musikdirektor Hrimaly das demselben vom
Kaiser verliehene Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens.

Baron Szymonowicz +.

Unter zahlreicher Be-
teiligung aller Kreise der Bevölkerung und der Spitzen der
Behörden fand gestern nachmittags das Leichenbegängnis des
vorgestern hier verstorbenen Hofrates und Kreisgerichts-
präsidenten Johann Baron Szymonowicz statt. -- Im
Leichenzuge, den der hochwürdige Prälat Ehrendomherr
Kasprowicz unter Assistenz der Herren Katecheten Szy-
monowicz
und Moisesowicz aus Kuty führte, bemerkte
man u. A. Landespräsidenten Dr. von Bleyleben mit
Beamten der Landesregierung (Reg.-R. Krzeszniowski,
Duzinkiewicz
u. a.) Landesgerichtspräsidenten Klar und
[Spaltenumbruch] Vizepräsidenten Artymowicz mit den Oberräten und
Räten des hierortigen Landesgerichts, Vizebürgermeister
Reg.-R. Dr. Reiß, Hofrat und Kreisgerichtspräsidenten
Zierhofer mit Beamten des Suczawaer Kreisgerichts,
Vertreter der Bezirksgerichte in der Provinz, Vertreter der
anderen staatlichen Ressorts und des armeno-polnischen und
des rumänischen Großgrundbesitzes und Landesadels, Vertreter
der kath. akad. Verbindung "Unitas".

Zur Vergebung der sog. Professionisten-
arbeiten beim hierortigen Justizgebäude.

Im Sinne
des Gemeinderatsbeschlusses vom 23. März d. J. übermittelte
das Magistratspräsidium ein an das Justizministerium zu
richtendes Memorandum dem Abgeordneten der Stadt,
Dr. Straucher. Dieser überreichte persönlich Samstag, den
1. d. M. das besagte Memorandum dem Justizminister
Dr. Klein, dem Abg. Dr. Straucher auch mündlich den
Sachverhalt vortrug. Exzellenz Dr. Klein anerkannte die
Richtigkeit des von der Stadt Czernowitz eingenommenen
Standpunktes, besprach ausführlich die Angelegenheit mit
Dr. Straucher und versprach die sofortige Einleitung der
Erhebungen zwecks eingehender Information, worauf er dann
das Erforderliche verfügen werde. Exzellenz Dr. Klein be-
kundete großes Wohlwollen gegenüber der Stadt.

Die "Militärgründe".

Herr Landtagsabgeordneter
und Gemeinderat Bahnbaukommissär Titus Ritter v. Onciul
ersucht uns, festzustellen, daß seine in der vorletzten Gemeinde-
ratssitzung bei Beratung über die Schätzung der Militär-
gründe gemachte Aeußerung, wienach GR. Wegner in seiner
Oppositionsrede die Gedanken des k. k. Oberbaurates
Haberlandt wiedergegeben habe, auf einer irrigen
Information beruhte.

Vereinsnachricht.

Dienstag den 28. v. M. fand die
konstituierende Sitzung des Kommis- und Buchhalter-Unter-
stützungs-Vereines statt und wurden folgende Funktionäre ein-
stimmig wiedergewählt: Bernhard Schnee, Kassier; Wilhelm
Badian, Stellvertreter; Z. Pulmann, Schriftführer; Leib
Sandmann, Stellvertreter; Moritz Tirst, Buchhalter; Leon
König, Stellvertreter; Wilhelm Trichter, Kontrollor; Leon
Blum jun., Stellvertreter; Bernhard Haß, Sanitäts-Obmann;
Hermann Sacher, Stellvertreter; Karl Schiffer und J. Hoch-
städt, Sanitätsmitglieder. Bezüglich des zu erbauenden Vereins-
hauses erfahren wir, daß die Grundsteinlegung voraussichtlich
im Laufe dieses Monates erfolgen dürfte und die vollständige
Erreichung dieses schönen Zieles eines eigenen Heims lediglich
von der Opferwilligkeit der Gönner und Mitglieder des ge-
nannten Vereines durch Spenden zur Verstärkung des Bau-
fondes beizutragen, abhängt. Spenden nehmen die Herren:
Wilhelm Badian, Obmann des Baukomitees und Bernhard
Schnee, Vereinskassier, entgegen und werden in den Lokal-
blättern ausgewiesen.

Verkehrsnachricht.

Wie wir hören, wird das Vor-
mittags-Zugspaar Wama-Rußmoldawitza, welches jetzt nur
4 mal wöchentlich verkehrt, ab 1. Mai d. J. täglich ver-
kehren.

Gesellschaftsreise nach Konstantinopel.

Für die
am 16. April (Palmsonntag) stattfindende Gesellschaftsreise
sind bereits zahlreiche Anmeldungen eingetroffen. Die Führung
übernimmt Herr Direktor Lang vom Fremdenbureau, eine
Gewähr dafür, daß den Teilnehmern alles Sehenswerte ge-
boten werden wird. Die Teilnehmer II. Klasse erhalten aus-
nahmsweise am Schiff I. Kajütte. Es ist bestimmte Aussicht
vorhanden, daß der österr.-ung. Botschafter Baron Calice
einen von den Teilnehmern zu veranstaltenden Abend bei-
wohnen wird. Am 8. April werden die Anmeldungen ge-
schlossen, weshalb die P. T. Interessenten ersucht werden,
noch rechtzeitig ihre Pässe zur Besorgung des türkischen Paß-
visums im Reisebureau Hermann Mittelmann, Rathausstraße
Nr. 11, zu übergeben.

Neues chemisch-technisches Laboratorium.

Die
Herren, gewesener Universitäts-Assistent Apotheker Georg
[Spaltenumbruch] Gregor und gewesener Universitäts-Demonstrator Chem. Josef
Tennenhäuser, haben gemeinschaftlich ein chemisches
Laboratorium errichtet, in welchem die einschlägigen chemischen
Untersuchungen von gewerblichen, industriellen und Handels-
artikeln, sowie physiologisch-chemische Untersuchungen (Harn-
analysen) ausgeführt werden. Die Herren Gregor und Tennen-
häuser haben zu diesem Zwecke das bereits im Jahre 1889
gegründete Laboratorium des Prof. Dr. Neumann Wender
erworben, wesentlich erweitert und mit allen Behelfen zur
Ausführung chemisch-technischer Analysen ausgestattet. Das neue
Laboratorium wird ab 1. Mai in der Gymnasialgasse Nr. 8
errichtet und inzwischen das bisherige Laboratorium in der
Russischen Gasse Nr. 9, beibehalten. Als Annahmestelle für
sämtliche Untersuchungen wird auch die k. k. Kreisapotheke am
Ringplatz Nr. 4 fungieren, woselbst allfällige Auskünfte erteilt
werden. Mit Rücksicht darauf, daß zwei tüchtige Chemiker,
die über reiche Erfahrungen verfügen, sich zusammengetan,
steht zu erwarten, daß das junge Unternehmen prosperieren
wird.

Selbstmordversuch.

Der Polizeirapport meldet:
Gestern nachts wurde der Polizeiinspektion die Meldung
erstattet, daß die in der Rathausstraße bei der Czubata
wohnhafte Kassierin Julia Surmejczuk einen Selbstmord-
versuch unternommen, indem sie eine Lösung schwefelsauren
Kupfers zu sich genommen habe. Die avisierte Freiwillige
Rettungsgesellschaft entsandte einen Arzt an Ort und Stelle,
welcher die Lebensmüde nach entsprechender Behandlung in
Privatpflege belassen konnte.

Eine Unverbesserliche.

Der Polizeirapport meldet:
Die Gewohnheitsdiebin Anna Hanczaruk, welche seit
ihrem 9. Lebensjahre als verwegene Taschendiebin der Polizei
zu schaffen gibt und erst bis vor Kurzem eine größere
Freiheitsstrafe verbüßt hatte, wurde gestern wiederum wegen
Diebstahls und Diebstahlsversuches beanständet und in Haft
genommen. Die Verhaftete wurde nämlich von einer
Besucherin der röm.-kath. Kirche dabei ertappt. als sie ihre
Hand in die Rocktasche dieser steckte und die Geldbörse heraus-
zuziehen im Begriffe war. Als die Täterin deswegen der
Polizei überstellt wurde, erschien gleichzeitig eine zweite
Besucherin des gedachten Gotteshauses und erstattete gegen
die Ueberstellte die Anzeige, daß sie auch ihr aus der Tasche
ein Sacktuch, in welches ein geringer Geldbetrag sowie ein
Schlüssel eingebunden war, entwendet habe. Die leugnende
Täterin wird dem Strafgerichte eingeliefert und solcherart
wiederum für längere Zeit unschädlich gemacht werden.

Raufexzesse.

Der Polizeirapport meldet: Gestern
wurde der bekannte Raufbold Adolf Rotländer und sein
Partner Ernst Matuszczak, welche spät abends auf dem
Ringplatze eine Rauferei veranstalteten, vom Wachposten an-
gehalten und verhaftet.




Korrespondenzen.


Radantz. (Vereinsnachricht).

Am 24. v. M.
veranstaltete der Verein "Dorsche Zion" einen Kommers, der
einen glänzenden Verlauf nahm. Herr Rabbiner Baruch
Basseches aus Solka sprach hiebei über die Bedeutung
des Purimfestes, in der er auch auf Judentum überhaupt und
Zionismus einging und letzteren in schwungvoller Rede ver-
teidigte. An den Vorträgen beteiligten sich der Obmann des
Vereines Dr. Bierer, Rabbiner Kunstadt und Herr Israel
Menczel.




[Spaltenumbruch]
Kranke Seelen.

75]

(Nachdruck verboten.)

Kaum hatte der Artillerie-Oberleutnant, nachdem er im
Vorzimmer den Mantel angezogen, die Tür, die ins Treppen-
haus führte, hinter sich geschlossen, als Graf Arno Redern
durch die Garderobe gestürzt kam. -- "War das nicht der
Thawald, der da eben ging?" fragte er hastig. Die beiden
Bedienten bejahten.

Der Oberleutnant befand sich noch mitten auf der
Treppe, als er Rederns Stimme hinter sich vernahm:

"Oho! Da kneift einer aus!"

Er blieb stehen und drehte sich um. Oben stand bar-
haupt der Chevauleger, und hinter diesem erschienen zwei
neugierige Lakaiengesichter in der halb offen gebliebenen
Vorzimmertür.

"Meinen Sie wirklich mich, Herr Leutnant?"

"Wen sonst? Sie wissen, daß ich ein Hühnchen mit
Ihnen zu pflücken habe -- nach dem, was Sie mir gesagt
haben. Hätte ich gewußt, daß Sie sich davonmachen würden,
so hätte ich mich selbst durch die Gegenwart der schönen
Thea nicht abhalten lassen ..."

"Ich verbiete Ihnen diesen Ton, junger Mann!" unter-
brach ihn Thawald sehr energisch, "sowohl gegen mich, als
gegen die Dame, der Sie unbedingt Ehrerbietung schulden."

Redern kam unter einem höhnischen Lachen herab; man
konnte ihm ansehen, daß er die kurze Zwischenpause zu einem
abermaligen, sehr ausgiebigen "Stärkungstrunk" benützt hatte.

"Ich finde es nicht am Platze, Herr Oberleutnant, daß
Sie sich jetzt, wo Sie mir Rede stehen sollen, auf Ihre
höheren Alters- und Dienstjahre berufen. Und über die
[Spaltenumbruch] Ehrerbietung, die man von mir fordern kann, vermag ich
von Ihnen keine Belehrung anzunehmen. Wie käme es Ihnen
zu, der Sie es mit Ehre vereinbar zu halten scheinen, vor
mir -- davonzulaufen?"

"Darüber werden unsere Vorgesetzten zu urteilen Gelegen-
heit haben, ob es mir ansteht oder nicht, einem -- betrun-
kenen Stänkerer aus dem Wege zu gehen."

"Oho! Sie sind mir entschieden zu spät aus dem Wege
gegangen, Musjöh," schrie Redern, sinnlos vor Wut, "denn
Sie hätten mir -- uns allen in diesem Hause -- schon von
dem Tage an ausweichen müssen, da Ihre unsauberen
Familienverhältnisse ruchbar geworden sind."

Jetzt war es auch mit Thawalds mühsam bewahrter
Besonnenheit vorbei. Ein Griff -- und der schöne Arno flog
Hals über Kopf die Treppe hinunter.

In demselben Augenblick stürzten auch schon die Herren
herbei, die von den Bedienten da oben zur Beilegung des
Zwistes herausgerufen worden waren: ein halbes Dutzend
älterer und jüngerer Uniform- und Frackträger, die sich
ebenfalls zum Aufbruche gerüstet hatten. Die Herren vom
Zivil beschränkten sich darauf, alle Maßregeln einzuleiten,
daß der unerhörte Zwischenfall den übrigen Gästen im
Hause womöglich verborgen bliebe, während sich die Offiziere
zwischen dem Artilleristen und dem Chevauleger ins Mittel
legten.

Thawald hatte für ihre Bemühungen nur ein entsagungs-
volles Lächeln; er wußte ja, was jetzt unvermeidlich war.

"Ich bitte meine Herren, sorgen Sie nur, daß die
Hausfrau nichts davon erfährt!" lauteten seine Worte, mit
denen er dann zur unmittelbarsten Gegenwart zurückkehrte.

Graf Redern hatte sich indessen mit Hilfe zweier jungen
Kameraden von den Steinfließen des unteren Treppenab-
satzes erhoben, zähneknirschend vor Schmerz und Ingrimm.
[Spaltenumbruch] Er hatte sich die rechte Hand verstaucht und war außer
stande, sich den Armen seiner beiden Beschützer zu entwinden,
die ihn abhielten, sich auf den Widersacher zu stürzen.

"Ruhe, ich bitte nur um Ruhe!" rief der Aelteste in
der Versammlung, ein graubärtiger Infanterie-Major, mit
den Armbewegungen eines Kapellmeisters, der ein Pianissimo
dirigiert. "Lassen Sie uns in erster Linie nur darauf Rück-
sicht nehmen, daß ein Affront vor der Gesellschaft vermieden
werden muß!"

Endlich gelang es, den rasenden Arno in die Portier-
loge zu ziehen. Man lief, ihm die Garderobe herabzuholen,
und Thawald wurde von den wirr durcheinander redenden
Kameraden aus dem Hause geführt. Er hörte nicht, was
man ihm sagte. Waren es Zustimmungen oder Vorwürfe?
Endlich gelang es zweien, von denen er erst weit unterwegs,
unter einer Straßenlaterne, den einen als Angehörigen seiner
Batterie erkannte, sich ihm vernehmlich zu machen -- sie
trugen sich ihm als seine Sekundanten an.




Die zurückgebliebenen Gäste hatten von dem "haar-
sträubende Skandale" erst beim allgemeinen Aufbruch er-
erfahren, in der Garderobe, wo einer dem Andern die Bot-
schaft davon zurannte. Thea erfuhr es erst am Morgen --
durch die Zofe, die sie bei der Toilette bediente. Es traf sie
wie ein lähmender Schlag.

"Der Unglückselige!" war ihr erster Gedanke, -- "Gott
verderbe diesen Redern!" ihr zweiter. Dann sammelte sie
sich unter der Erwägung, daß man die Sache um jeden
Preis vor Papa verbergen müsse.

Die Dienerschaft befolgte denn auch die strenge Weisung
der jungen Hausfrau, und Graf Dörland erfuhr nichts von
dem Vorfalle der vergangenen Nacht.

(Fortsetzung folgt.)


Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 4. April 1905.

[Spaltenumbruch] niedriges kleines Häuschen, deſſen Verwalter ein gewiſſer
Geringer ſei. Dieſer habe dem ehem. ſtädtiſchen Tierarzte
Schmul und dem Baumeiſter Liquornik die Auf-
führung eines Neubaues übertragen. Weil nun die Parteien,
kleine Gewerbetreibende, nicht rechtzeitig gekündigt wurden,
habe man, anſtatt ihnen Reugeld zu zahlen, zu dem bequemen
Mittel gegriffen, das Haus durch eine Magiſtratskommiſſion
baufällig erklären zu laſſen. Das wollte aber nicht recht gehen,
und ſo griff man, nachdem Baurat Fröſchl allein ſich für
die Baufälligkeit ausgeſprochen hatte, zu Feuergefährlichkeiten
und erwirkte die Verfügung des Bauamtes, daß binnen
48 Stunden der Dachſtuhl und die Parterredecken des Hauſes
niederzureißen und die Parteien zu delogieren ſeien. —
Obendrein wurde ausgeſprochen, daß ein Rekurs gegen dieſe
Verfügung keine aufſchiebende Wirkung habe. Redner be-
antragt nun im Dringlichkeitswege, daß der nicht aufſchiebende
Charakter des Rekurſes, den er für die Parteien gleichzeitig
anmelde, aufgehoben und eine gemeinderätliche Ueberprüfungs-
kommiſſion eingeſetzt werde. — Stadtrat Heinrich bemerkt,
er habe ſich gegen die Baufälligkeit ausgeſprochen, mußte
aber als Mitglied der Kommiſſion ſich dem Befunde derſelben
anſchließen, trotzdem er die Härte der Maßregel erkannt
habe. Hier als Mitglied des Gemeinderates müſſe er, da
zwei Seelen in ſeiner Bruſt wohnen, den Antrag Onciul
unterſtützen. — GR. W. Tittinger ſpricht ſich nach Ein-
holung einer Aufklärung gleichfalls für den Antrag aus,
ebenſo GR. Elias Wender. — Der Vorſ. Dr. Reiß
konſtatiert, daß er in der Magiſtratsſitzung, die dieſen
Beſchluß faßte, nicht zugegen war, Vizebürgermeiſter Gregor
habe den Vorſitz geführt. Der erſte Teil des Antrages
Onciul wird hierauf einſtimmig angenommen, der
zweite bleibt bis zur Erledigung des Rekurſes in suspenso.
— Nach dem Referate des GR. Tellmann über das
Theaterdarlehen vertrauliche Sitzung.

Die Ernennungen im gr.-or. Konſiſtorium.

Die „Wiener Zeitung“ meldet: Seine k. und k. Majeſtät
haben mit Allerhöchſter Entſchließung vom 27. März d. J.
den Konſtitorialrat Myron Calinescu zum Konſiſtorial-
Archimandriten des gr.-or. erzbiſchöflichen Konſiſtoriums in
Czernowitz, den Religions-Profeſſor am Czernowitzer Erſten
Staatsgymnaſium Caliſtrat Coca zum Protopresbyter der
gr.-vr. Kathedralkirche in Czernowitz und den Pfarrer in
Brodok Meletie Halip zum beſoldeten Beiſitzer des gr.-or.
erzbiſchöflichen Konſiſtoriums daſelbſt allergnädigſt zu er-
nennen geruht.

Auszeichnung.

Aus Anlaß der Spiritus-Ausſtellung
in Wien wurde Herr Profeſſor Dr. Neumann Wender in
Czernowitz mit der franzöſiſchen Offiziersdekoration pour
mérite agricole
ausgezeichnet. — Den gr.-or. Pfarrern The-
odor Semaniuk in Wiznitz und Viktor Zacharowski
in Unter-Lukawetz, wurde das Goldene Verdienſtkreuz mit
der Krone verliehen.

Perſonalnachrichten.

Hofrat Ullmann und
Magiſtratsdirektor Regierungsrat Wiedmann, ſind zu
kurzem Aufenthalte nach Wien gereiſt. — Direktor Doktor
Philippowicz und Bauoberkommiſſär Charwat ſind
von ihrer Reiſe zwecks Studiums der Einrichtungen größerer
Krankenanſtalten zurückgekehrt. — In einer geſtern abgehaltenen
Feſtſitzung des Ausſchuſſes des hieſigen Vereines zur Förderung
der Tonkunſt, überreichte Regierungsrat Dr. v. Duzin-
kiewicz
dem Muſikdirektor Hrimaly das demſelben vom
Kaiſer verliehene Ritterkreuz des Franz Joſeph-Ordens.

Baron Szymonowicz †.

Unter zahlreicher Be-
teiligung aller Kreiſe der Bevölkerung und der Spitzen der
Behörden fand geſtern nachmittags das Leichenbegängnis des
vorgeſtern hier verſtorbenen Hofrates und Kreisgerichts-
präſidenten Johann Baron Szymonowicz ſtatt. — Im
Leichenzuge, den der hochwürdige Prälat Ehrendomherr
Kaſprowicz unter Aſſiſtenz der Herren Katecheten Szy-
monowicz
und Moiſeſowicz aus Kuty führte, bemerkte
man u. A. Landespräſidenten Dr. von Bleyleben mit
Beamten der Landesregierung (Reg.-R. Krzeszniowski,
Duzinkiewicz
u. a.) Landesgerichtspräſidenten Klar und
[Spaltenumbruch] Vizepräſidenten Artymowicz mit den Oberräten und
Räten des hierortigen Landesgerichts, Vizebürgermeiſter
Reg.-R. Dr. Reiß, Hofrat und Kreisgerichtspräſidenten
Zierhofer mit Beamten des Suczawaer Kreisgerichts,
Vertreter der Bezirksgerichte in der Provinz, Vertreter der
anderen ſtaatlichen Reſſorts und des armeno-polniſchen und
des rumäniſchen Großgrundbeſitzes und Landesadels, Vertreter
der kath. akad. Verbindung „Unitas“.

Zur Vergebung der ſog. Profeſſioniſten-
arbeiten beim hierortigen Juſtizgebäude.

Im Sinne
des Gemeinderatsbeſchluſſes vom 23. März d. J. übermittelte
das Magiſtratspräſidium ein an das Juſtizminiſterium zu
richtendes Memorandum dem Abgeordneten der Stadt,
Dr. Straucher. Dieſer überreichte perſönlich Samſtag, den
1. d. M. das beſagte Memorandum dem Juſtizminiſter
Dr. Klein, dem Abg. Dr. Straucher auch mündlich den
Sachverhalt vortrug. Exzellenz Dr. Klein anerkannte die
Richtigkeit des von der Stadt Czernowitz eingenommenen
Standpunktes, beſprach ausführlich die Angelegenheit mit
Dr. Straucher und verſprach die ſofortige Einleitung der
Erhebungen zwecks eingehender Information, worauf er dann
das Erforderliche verfügen werde. Exzellenz Dr. Klein be-
kundete großes Wohlwollen gegenüber der Stadt.

Die „Militärgründe“.

Herr Landtagsabgeordneter
und Gemeinderat Bahnbaukommiſſär Titus Ritter v. Onciul
erſucht uns, feſtzuſtellen, daß ſeine in der vorletzten Gemeinde-
ratsſitzung bei Beratung über die Schätzung der Militär-
gründe gemachte Aeußerung, wienach GR. Wegner in ſeiner
Oppoſitionsrede die Gedanken des k. k. Oberbaurates
Haberlandt wiedergegeben habe, auf einer irrigen
Information beruhte.

Vereinsnachricht.

Dienſtag den 28. v. M. fand die
konſtituierende Sitzung des Kommis- und Buchhalter-Unter-
ſtützungs-Vereines ſtatt und wurden folgende Funktionäre ein-
ſtimmig wiedergewählt: Bernhard Schnee, Kaſſier; Wilhelm
Badian, Stellvertreter; Z. Pulmann, Schriftführer; Leib
Sandmann, Stellvertreter; Moritz Tirſt, Buchhalter; Leon
König, Stellvertreter; Wilhelm Trichter, Kontrollor; Leon
Blum jun., Stellvertreter; Bernhard Haß, Sanitäts-Obmann;
Hermann Sacher, Stellvertreter; Karl Schiffer und J. Hoch-
ſtädt, Sanitätsmitglieder. Bezüglich des zu erbauenden Vereins-
hauſes erfahren wir, daß die Grundſteinlegung vorausſichtlich
im Laufe dieſes Monates erfolgen dürfte und die vollſtändige
Erreichung dieſes ſchönen Zieles eines eigenen Heims lediglich
von der Opferwilligkeit der Gönner und Mitglieder des ge-
nannten Vereines durch Spenden zur Verſtärkung des Bau-
fondes beizutragen, abhängt. Spenden nehmen die Herren:
Wilhelm Badian, Obmann des Baukomitees und Bernhard
Schnee, Vereinskaſſier, entgegen und werden in den Lokal-
blättern ausgewieſen.

Verkehrsnachricht.

Wie wir hören, wird das Vor-
mittags-Zugspaar Wama-Rußmoldawitza, welches jetzt nur
4 mal wöchentlich verkehrt, ab 1. Mai d. J. täglich ver-
kehren.

Geſellſchaftsreiſe nach Konſtantinopel.

Für die
am 16. April (Palmſonntag) ſtattfindende Geſellſchaftsreiſe
ſind bereits zahlreiche Anmeldungen eingetroffen. Die Führung
übernimmt Herr Direktor Lang vom Fremdenbureau, eine
Gewähr dafür, daß den Teilnehmern alles Sehenswerte ge-
boten werden wird. Die Teilnehmer II. Klaſſe erhalten aus-
nahmsweiſe am Schiff I. Kajütte. Es iſt beſtimmte Ausſicht
vorhanden, daß der öſterr.-ung. Botſchafter Baron Calice
einen von den Teilnehmern zu veranſtaltenden Abend bei-
wohnen wird. Am 8. April werden die Anmeldungen ge-
ſchloſſen, weshalb die P. T. Intereſſenten erſucht werden,
noch rechtzeitig ihre Päſſe zur Beſorgung des türkiſchen Paß-
viſums im Reiſebureau Hermann Mittelmann, Rathausſtraße
Nr. 11, zu übergeben.

Neues chemiſch-techniſches Laboratorium.

Die
Herren, geweſener Univerſitäts-Aſſiſtent Apotheker Georg
[Spaltenumbruch] Gregor und geweſener Univerſitäts-Demonſtrator Chem. Joſef
Tennenhäuſer, haben gemeinſchaftlich ein chemiſches
Laboratorium errichtet, in welchem die einſchlägigen chemiſchen
Unterſuchungen von gewerblichen, induſtriellen und Handels-
artikeln, ſowie phyſiologiſch-chemiſche Unterſuchungen (Harn-
analyſen) ausgeführt werden. Die Herren Gregor und Tennen-
häuſer haben zu dieſem Zwecke das bereits im Jahre 1889
gegründete Laboratorium des Prof. Dr. Neumann Wender
erworben, weſentlich erweitert und mit allen Behelfen zur
Ausführung chemiſch-techniſcher Analyſen ausgeſtattet. Das neue
Laboratorium wird ab 1. Mai in der Gymnaſialgaſſe Nr. 8
errichtet und inzwiſchen das bisherige Laboratorium in der
Ruſſiſchen Gaſſe Nr. 9, beibehalten. Als Annahmeſtelle für
ſämtliche Unterſuchungen wird auch die k. k. Kreisapotheke am
Ringplatz Nr. 4 fungieren, woſelbſt allfällige Auskünfte erteilt
werden. Mit Rückſicht darauf, daß zwei tüchtige Chemiker,
die über reiche Erfahrungen verfügen, ſich zuſammengetan,
ſteht zu erwarten, daß das junge Unternehmen proſperieren
wird.

Selbſtmordverſuch.

Der Polizeirapport meldet:
Geſtern nachts wurde der Polizeiinſpektion die Meldung
erſtattet, daß die in der Rathausſtraße bei der Czubata
wohnhafte Kaſſierin Julia Surmejczuk einen Selbſtmord-
verſuch unternommen, indem ſie eine Löſung ſchwefelſauren
Kupfers zu ſich genommen habe. Die aviſierte Freiwillige
Rettungsgeſellſchaft entſandte einen Arzt an Ort und Stelle,
welcher die Lebensmüde nach entſprechender Behandlung in
Privatpflege belaſſen konnte.

Eine Unverbeſſerliche.

Der Polizeirapport meldet:
Die Gewohnheitsdiebin Anna Hanczaruk, welche ſeit
ihrem 9. Lebensjahre als verwegene Taſchendiebin der Polizei
zu ſchaffen gibt und erſt bis vor Kurzem eine größere
Freiheitsſtrafe verbüßt hatte, wurde geſtern wiederum wegen
Diebſtahls und Diebſtahlsverſuches beanſtändet und in Haft
genommen. Die Verhaftete wurde nämlich von einer
Beſucherin der röm.-kath. Kirche dabei ertappt. als ſie ihre
Hand in die Rocktaſche dieſer ſteckte und die Geldbörſe heraus-
zuziehen im Begriffe war. Als die Täterin deswegen der
Polizei überſtellt wurde, erſchien gleichzeitig eine zweite
Beſucherin des gedachten Gotteshauſes und erſtattete gegen
die Ueberſtellte die Anzeige, daß ſie auch ihr aus der Taſche
ein Sacktuch, in welches ein geringer Geldbetrag ſowie ein
Schlüſſel eingebunden war, entwendet habe. Die leugnende
Täterin wird dem Strafgerichte eingeliefert und ſolcherart
wiederum für längere Zeit unſchädlich gemacht werden.

Raufexzeſſe.

Der Polizeirapport meldet: Geſtern
wurde der bekannte Raufbold Adolf Rotländer und ſein
Partner Ernſt Matuszczak, welche ſpät abends auf dem
Ringplatze eine Rauferei veranſtalteten, vom Wachpoſten an-
gehalten und verhaftet.




Korreſpondenzen.


Radantz. (Vereinsnachricht).

Am 24. v. M.
veranſtaltete der Verein „Dorſche Zion“ einen Kommers, der
einen glänzenden Verlauf nahm. Herr Rabbiner Baruch
Baſſeches aus Solka ſprach hiebei über die Bedeutung
des Purimfeſtes, in der er auch auf Judentum überhaupt und
Zionismus einging und letzteren in ſchwungvoller Rede ver-
teidigte. An den Vorträgen beteiligten ſich der Obmann des
Vereines Dr. Bierer, Rabbiner Kunſtadt und Herr Iſrael
Menczel.




[Spaltenumbruch]
Kranke Seelen.

75]

(Nachdruck verboten.)

Kaum hatte der Artillerie-Oberleutnant, nachdem er im
Vorzimmer den Mantel angezogen, die Tür, die ins Treppen-
haus führte, hinter ſich geſchloſſen, als Graf Arno Redern
durch die Garderobe geſtürzt kam. — „War das nicht der
Thawald, der da eben ging?“ fragte er haſtig. Die beiden
Bedienten bejahten.

Der Oberleutnant befand ſich noch mitten auf der
Treppe, als er Rederns Stimme hinter ſich vernahm:

„Oho! Da kneift einer aus!“

Er blieb ſtehen und drehte ſich um. Oben ſtand bar-
haupt der Chevauleger, und hinter dieſem erſchienen zwei
neugierige Lakaiengeſichter in der halb offen gebliebenen
Vorzimmertür.

„Meinen Sie wirklich mich, Herr Leutnant?“

„Wen ſonſt? Sie wiſſen, daß ich ein Hühnchen mit
Ihnen zu pflücken habe — nach dem, was Sie mir geſagt
haben. Hätte ich gewußt, daß Sie ſich davonmachen würden,
ſo hätte ich mich ſelbſt durch die Gegenwart der ſchönen
Thea nicht abhalten laſſen ...“

„Ich verbiete Ihnen dieſen Ton, junger Mann!“ unter-
brach ihn Thawald ſehr energiſch, „ſowohl gegen mich, als
gegen die Dame, der Sie unbedingt Ehrerbietung ſchulden.“

Redern kam unter einem höhniſchen Lachen herab; man
konnte ihm anſehen, daß er die kurze Zwiſchenpauſe zu einem
abermaligen, ſehr ausgiebigen „Stärkungstrunk“ benützt hatte.

„Ich finde es nicht am Platze, Herr Oberleutnant, daß
Sie ſich jetzt, wo Sie mir Rede ſtehen ſollen, auf Ihre
höheren Alters- und Dienſtjahre berufen. Und über die
[Spaltenumbruch] Ehrerbietung, die man von mir fordern kann, vermag ich
von Ihnen keine Belehrung anzunehmen. Wie käme es Ihnen
zu, der Sie es mit Ehre vereinbar zu halten ſcheinen, vor
mir — davonzulaufen?“

„Darüber werden unſere Vorgeſetzten zu urteilen Gelegen-
heit haben, ob es mir anſteht oder nicht, einem — betrun-
kenen Stänkerer aus dem Wege zu gehen.“

„Oho! Sie ſind mir entſchieden zu ſpät aus dem Wege
gegangen, Musjöh,“ ſchrie Redern, ſinnlos vor Wut, „denn
Sie hätten mir — uns allen in dieſem Hauſe — ſchon von
dem Tage an ausweichen müſſen, da Ihre unſauberen
Familienverhältniſſe ruchbar geworden ſind.“

Jetzt war es auch mit Thawalds mühſam bewahrter
Beſonnenheit vorbei. Ein Griff — und der ſchöne Arno flog
Hals über Kopf die Treppe hinunter.

In demſelben Augenblick ſtürzten auch ſchon die Herren
herbei, die von den Bedienten da oben zur Beilegung des
Zwiſtes herausgerufen worden waren: ein halbes Dutzend
älterer und jüngerer Uniform- und Frackträger, die ſich
ebenfalls zum Aufbruche gerüſtet hatten. Die Herren vom
Zivil beſchränkten ſich darauf, alle Maßregeln einzuleiten,
daß der unerhörte Zwiſchenfall den übrigen Gäſten im
Hauſe womöglich verborgen bliebe, während ſich die Offiziere
zwiſchen dem Artilleriſten und dem Chevauleger ins Mittel
legten.

Thawald hatte für ihre Bemühungen nur ein entſagungs-
volles Lächeln; er wußte ja, was jetzt unvermeidlich war.

„Ich bitte meine Herren, ſorgen Sie nur, daß die
Hausfrau nichts davon erfährt!“ lauteten ſeine Worte, mit
denen er dann zur unmittelbarſten Gegenwart zurückkehrte.

Graf Redern hatte ſich indeſſen mit Hilfe zweier jungen
Kameraden von den Steinfließen des unteren Treppenab-
ſatzes erhoben, zähneknirſchend vor Schmerz und Ingrimm.
[Spaltenumbruch] Er hatte ſich die rechte Hand verſtaucht und war außer
ſtande, ſich den Armen ſeiner beiden Beſchützer zu entwinden,
die ihn abhielten, ſich auf den Widerſacher zu ſtürzen.

„Ruhe, ich bitte nur um Ruhe!“ rief der Aelteſte in
der Verſammlung, ein graubärtiger Infanterie-Major, mit
den Armbewegungen eines Kapellmeiſters, der ein Pianiſſimo
dirigiert. „Laſſen Sie uns in erſter Linie nur darauf Rück-
ſicht nehmen, daß ein Affront vor der Geſellſchaft vermieden
werden muß!“

Endlich gelang es, den raſenden Arno in die Portier-
loge zu ziehen. Man lief, ihm die Garderobe herabzuholen,
und Thawald wurde von den wirr durcheinander redenden
Kameraden aus dem Hauſe geführt. Er hörte nicht, was
man ihm ſagte. Waren es Zuſtimmungen oder Vorwürfe?
Endlich gelang es zweien, von denen er erſt weit unterwegs,
unter einer Straßenlaterne, den einen als Angehörigen ſeiner
Batterie erkannte, ſich ihm vernehmlich zu machen — ſie
trugen ſich ihm als ſeine Sekundanten an.




Die zurückgebliebenen Gäſte hatten von dem „haar-
ſträubende Skandale“ erſt beim allgemeinen Aufbruch er-
erfahren, in der Garderobe, wo einer dem Andern die Bot-
ſchaft davon zurannte. Thea erfuhr es erſt am Morgen —
durch die Zofe, die ſie bei der Toilette bediente. Es traf ſie
wie ein lähmender Schlag.

„Der Unglückſelige!“ war ihr erſter Gedanke, — „Gott
verderbe dieſen Redern!“ ihr zweiter. Dann ſammelte ſie
ſich unter der Erwägung, daß man die Sache um jeden
Preis vor Papa verbergen müſſe.

Die Dienerſchaft befolgte denn auch die ſtrenge Weiſung
der jungen Hausfrau, und Graf Dörland erfuhr nichts von
dem Vorfalle der vergangenen Nacht.

(Fortſetzung folgt.)


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[4/0004] Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 4. April 1905. niedriges kleines Häuschen, deſſen Verwalter ein gewiſſer Geringer ſei. Dieſer habe dem ehem. ſtädtiſchen Tierarzte Schmul und dem Baumeiſter Liquornik die Auf- führung eines Neubaues übertragen. Weil nun die Parteien, kleine Gewerbetreibende, nicht rechtzeitig gekündigt wurden, habe man, anſtatt ihnen Reugeld zu zahlen, zu dem bequemen Mittel gegriffen, das Haus durch eine Magiſtratskommiſſion baufällig erklären zu laſſen. Das wollte aber nicht recht gehen, und ſo griff man, nachdem Baurat Fröſchl allein ſich für die Baufälligkeit ausgeſprochen hatte, zu Feuergefährlichkeiten und erwirkte die Verfügung des Bauamtes, daß binnen 48 Stunden der Dachſtuhl und die Parterredecken des Hauſes niederzureißen und die Parteien zu delogieren ſeien. — Obendrein wurde ausgeſprochen, daß ein Rekurs gegen dieſe Verfügung keine aufſchiebende Wirkung habe. Redner be- antragt nun im Dringlichkeitswege, daß der nicht aufſchiebende Charakter des Rekurſes, den er für die Parteien gleichzeitig anmelde, aufgehoben und eine gemeinderätliche Ueberprüfungs- kommiſſion eingeſetzt werde. — Stadtrat Heinrich bemerkt, er habe ſich gegen die Baufälligkeit ausgeſprochen, mußte aber als Mitglied der Kommiſſion ſich dem Befunde derſelben anſchließen, trotzdem er die Härte der Maßregel erkannt habe. Hier als Mitglied des Gemeinderates müſſe er, da zwei Seelen in ſeiner Bruſt wohnen, den Antrag Onciul unterſtützen. — GR. W. Tittinger ſpricht ſich nach Ein- holung einer Aufklärung gleichfalls für den Antrag aus, ebenſo GR. Elias Wender. — Der Vorſ. Dr. Reiß konſtatiert, daß er in der Magiſtratsſitzung, die dieſen Beſchluß faßte, nicht zugegen war, Vizebürgermeiſter Gregor habe den Vorſitz geführt. Der erſte Teil des Antrages Onciul wird hierauf einſtimmig angenommen, der zweite bleibt bis zur Erledigung des Rekurſes in suspenso. — Nach dem Referate des GR. Tellmann über das Theaterdarlehen vertrauliche Sitzung. Die Ernennungen im gr.-or. Konſiſtorium. Die „Wiener Zeitung“ meldet: Seine k. und k. Majeſtät haben mit Allerhöchſter Entſchließung vom 27. März d. J. den Konſtitorialrat Myron Calinescu zum Konſiſtorial- Archimandriten des gr.-or. erzbiſchöflichen Konſiſtoriums in Czernowitz, den Religions-Profeſſor am Czernowitzer Erſten Staatsgymnaſium Caliſtrat Coca zum Protopresbyter der gr.-vr. Kathedralkirche in Czernowitz und den Pfarrer in Brodok Meletie Halip zum beſoldeten Beiſitzer des gr.-or. erzbiſchöflichen Konſiſtoriums daſelbſt allergnädigſt zu er- nennen geruht. Auszeichnung. Aus Anlaß der Spiritus-Ausſtellung in Wien wurde Herr Profeſſor Dr. Neumann Wender in Czernowitz mit der franzöſiſchen Offiziersdekoration pour mérite agricole ausgezeichnet. — Den gr.-or. Pfarrern The- odor Semaniuk in Wiznitz und Viktor Zacharowski in Unter-Lukawetz, wurde das Goldene Verdienſtkreuz mit der Krone verliehen. Perſonalnachrichten. Hofrat Ullmann und Magiſtratsdirektor Regierungsrat Wiedmann, ſind zu kurzem Aufenthalte nach Wien gereiſt. — Direktor Doktor Philippowicz und Bauoberkommiſſär Charwat ſind von ihrer Reiſe zwecks Studiums der Einrichtungen größerer Krankenanſtalten zurückgekehrt. — In einer geſtern abgehaltenen Feſtſitzung des Ausſchuſſes des hieſigen Vereines zur Förderung der Tonkunſt, überreichte Regierungsrat Dr. v. Duzin- kiewicz dem Muſikdirektor Hrimaly das demſelben vom Kaiſer verliehene Ritterkreuz des Franz Joſeph-Ordens. Baron Szymonowicz †. Unter zahlreicher Be- teiligung aller Kreiſe der Bevölkerung und der Spitzen der Behörden fand geſtern nachmittags das Leichenbegängnis des vorgeſtern hier verſtorbenen Hofrates und Kreisgerichts- präſidenten Johann Baron Szymonowicz ſtatt. — Im Leichenzuge, den der hochwürdige Prälat Ehrendomherr Kaſprowicz unter Aſſiſtenz der Herren Katecheten Szy- monowicz und Moiſeſowicz aus Kuty führte, bemerkte man u. A. Landespräſidenten Dr. von Bleyleben mit Beamten der Landesregierung (Reg.-R. Krzeszniowski, Duzinkiewicz u. a.) Landesgerichtspräſidenten Klar und Vizepräſidenten Artymowicz mit den Oberräten und Räten des hierortigen Landesgerichts, Vizebürgermeiſter Reg.-R. Dr. Reiß, Hofrat und Kreisgerichtspräſidenten Zierhofer mit Beamten des Suczawaer Kreisgerichts, Vertreter der Bezirksgerichte in der Provinz, Vertreter der anderen ſtaatlichen Reſſorts und des armeno-polniſchen und des rumäniſchen Großgrundbeſitzes und Landesadels, Vertreter der kath. akad. Verbindung „Unitas“. Zur Vergebung der ſog. Profeſſioniſten- arbeiten beim hierortigen Juſtizgebäude. Im Sinne des Gemeinderatsbeſchluſſes vom 23. März d. J. übermittelte das Magiſtratspräſidium ein an das Juſtizminiſterium zu richtendes Memorandum dem Abgeordneten der Stadt, Dr. Straucher. Dieſer überreichte perſönlich Samſtag, den 1. d. M. das beſagte Memorandum dem Juſtizminiſter Dr. Klein, dem Abg. Dr. Straucher auch mündlich den Sachverhalt vortrug. Exzellenz Dr. Klein anerkannte die Richtigkeit des von der Stadt Czernowitz eingenommenen Standpunktes, beſprach ausführlich die Angelegenheit mit Dr. Straucher und verſprach die ſofortige Einleitung der Erhebungen zwecks eingehender Information, worauf er dann das Erforderliche verfügen werde. Exzellenz Dr. Klein be- kundete großes Wohlwollen gegenüber der Stadt. Die „Militärgründe“. Herr Landtagsabgeordneter und Gemeinderat Bahnbaukommiſſär Titus Ritter v. Onciul erſucht uns, feſtzuſtellen, daß ſeine in der vorletzten Gemeinde- ratsſitzung bei Beratung über die Schätzung der Militär- gründe gemachte Aeußerung, wienach GR. Wegner in ſeiner Oppoſitionsrede die Gedanken des k. k. Oberbaurates Haberlandt wiedergegeben habe, auf einer irrigen Information beruhte. Vereinsnachricht. Dienſtag den 28. v. M. fand die konſtituierende Sitzung des Kommis- und Buchhalter-Unter- ſtützungs-Vereines ſtatt und wurden folgende Funktionäre ein- ſtimmig wiedergewählt: Bernhard Schnee, Kaſſier; Wilhelm Badian, Stellvertreter; Z. Pulmann, Schriftführer; Leib Sandmann, Stellvertreter; Moritz Tirſt, Buchhalter; Leon König, Stellvertreter; Wilhelm Trichter, Kontrollor; Leon Blum jun., Stellvertreter; Bernhard Haß, Sanitäts-Obmann; Hermann Sacher, Stellvertreter; Karl Schiffer und J. Hoch- ſtädt, Sanitätsmitglieder. Bezüglich des zu erbauenden Vereins- hauſes erfahren wir, daß die Grundſteinlegung vorausſichtlich im Laufe dieſes Monates erfolgen dürfte und die vollſtändige Erreichung dieſes ſchönen Zieles eines eigenen Heims lediglich von der Opferwilligkeit der Gönner und Mitglieder des ge- nannten Vereines durch Spenden zur Verſtärkung des Bau- fondes beizutragen, abhängt. Spenden nehmen die Herren: Wilhelm Badian, Obmann des Baukomitees und Bernhard Schnee, Vereinskaſſier, entgegen und werden in den Lokal- blättern ausgewieſen. Verkehrsnachricht. Wie wir hören, wird das Vor- mittags-Zugspaar Wama-Rußmoldawitza, welches jetzt nur 4 mal wöchentlich verkehrt, ab 1. Mai d. J. täglich ver- kehren. Geſellſchaftsreiſe nach Konſtantinopel. Für die am 16. April (Palmſonntag) ſtattfindende Geſellſchaftsreiſe ſind bereits zahlreiche Anmeldungen eingetroffen. Die Führung übernimmt Herr Direktor Lang vom Fremdenbureau, eine Gewähr dafür, daß den Teilnehmern alles Sehenswerte ge- boten werden wird. Die Teilnehmer II. Klaſſe erhalten aus- nahmsweiſe am Schiff I. Kajütte. Es iſt beſtimmte Ausſicht vorhanden, daß der öſterr.-ung. Botſchafter Baron Calice einen von den Teilnehmern zu veranſtaltenden Abend bei- wohnen wird. Am 8. April werden die Anmeldungen ge- ſchloſſen, weshalb die P. T. Intereſſenten erſucht werden, noch rechtzeitig ihre Päſſe zur Beſorgung des türkiſchen Paß- viſums im Reiſebureau Hermann Mittelmann, Rathausſtraße Nr. 11, zu übergeben. Neues chemiſch-techniſches Laboratorium. Die Herren, geweſener Univerſitäts-Aſſiſtent Apotheker Georg Gregor und geweſener Univerſitäts-Demonſtrator Chem. Joſef Tennenhäuſer, haben gemeinſchaftlich ein chemiſches Laboratorium errichtet, in welchem die einſchlägigen chemiſchen Unterſuchungen von gewerblichen, induſtriellen und Handels- artikeln, ſowie phyſiologiſch-chemiſche Unterſuchungen (Harn- analyſen) ausgeführt werden. Die Herren Gregor und Tennen- häuſer haben zu dieſem Zwecke das bereits im Jahre 1889 gegründete Laboratorium des Prof. Dr. Neumann Wender erworben, weſentlich erweitert und mit allen Behelfen zur Ausführung chemiſch-techniſcher Analyſen ausgeſtattet. Das neue Laboratorium wird ab 1. Mai in der Gymnaſialgaſſe Nr. 8 errichtet und inzwiſchen das bisherige Laboratorium in der Ruſſiſchen Gaſſe Nr. 9, beibehalten. Als Annahmeſtelle für ſämtliche Unterſuchungen wird auch die k. k. Kreisapotheke am Ringplatz Nr. 4 fungieren, woſelbſt allfällige Auskünfte erteilt werden. Mit Rückſicht darauf, daß zwei tüchtige Chemiker, die über reiche Erfahrungen verfügen, ſich zuſammengetan, ſteht zu erwarten, daß das junge Unternehmen proſperieren wird. Selbſtmordverſuch. Der Polizeirapport meldet: Geſtern nachts wurde der Polizeiinſpektion die Meldung erſtattet, daß die in der Rathausſtraße bei der Czubata wohnhafte Kaſſierin Julia Surmejczuk einen Selbſtmord- verſuch unternommen, indem ſie eine Löſung ſchwefelſauren Kupfers zu ſich genommen habe. Die aviſierte Freiwillige Rettungsgeſellſchaft entſandte einen Arzt an Ort und Stelle, welcher die Lebensmüde nach entſprechender Behandlung in Privatpflege belaſſen konnte. Eine Unverbeſſerliche. Der Polizeirapport meldet: Die Gewohnheitsdiebin Anna Hanczaruk, welche ſeit ihrem 9. Lebensjahre als verwegene Taſchendiebin der Polizei zu ſchaffen gibt und erſt bis vor Kurzem eine größere Freiheitsſtrafe verbüßt hatte, wurde geſtern wiederum wegen Diebſtahls und Diebſtahlsverſuches beanſtändet und in Haft genommen. Die Verhaftete wurde nämlich von einer Beſucherin der röm.-kath. Kirche dabei ertappt. als ſie ihre Hand in die Rocktaſche dieſer ſteckte und die Geldbörſe heraus- zuziehen im Begriffe war. Als die Täterin deswegen der Polizei überſtellt wurde, erſchien gleichzeitig eine zweite Beſucherin des gedachten Gotteshauſes und erſtattete gegen die Ueberſtellte die Anzeige, daß ſie auch ihr aus der Taſche ein Sacktuch, in welches ein geringer Geldbetrag ſowie ein Schlüſſel eingebunden war, entwendet habe. Die leugnende Täterin wird dem Strafgerichte eingeliefert und ſolcherart wiederum für längere Zeit unſchädlich gemacht werden. Raufexzeſſe. Der Polizeirapport meldet: Geſtern wurde der bekannte Raufbold Adolf Rotländer und ſein Partner Ernſt Matuszczak, welche ſpät abends auf dem Ringplatze eine Rauferei veranſtalteten, vom Wachpoſten an- gehalten und verhaftet. Korreſpondenzen. Czernowitz, 3. April 1905. Radantz. (Vereinsnachricht). Am 24. v. M. veranſtaltete der Verein „Dorſche Zion“ einen Kommers, der einen glänzenden Verlauf nahm. Herr Rabbiner Baruch Baſſeches aus Solka ſprach hiebei über die Bedeutung des Purimfeſtes, in der er auch auf Judentum überhaupt und Zionismus einging und letzteren in ſchwungvoller Rede ver- teidigte. An den Vorträgen beteiligten ſich der Obmann des Vereines Dr. Bierer, Rabbiner Kunſtadt und Herr Iſrael Menczel. Kranke Seelen. Von Carl Ed. Klopfer. 75] (Nachdruck verboten.) Kaum hatte der Artillerie-Oberleutnant, nachdem er im Vorzimmer den Mantel angezogen, die Tür, die ins Treppen- haus führte, hinter ſich geſchloſſen, als Graf Arno Redern durch die Garderobe geſtürzt kam. — „War das nicht der Thawald, der da eben ging?“ fragte er haſtig. Die beiden Bedienten bejahten. Der Oberleutnant befand ſich noch mitten auf der Treppe, als er Rederns Stimme hinter ſich vernahm: „Oho! Da kneift einer aus!“ Er blieb ſtehen und drehte ſich um. Oben ſtand bar- haupt der Chevauleger, und hinter dieſem erſchienen zwei neugierige Lakaiengeſichter in der halb offen gebliebenen Vorzimmertür. „Meinen Sie wirklich mich, Herr Leutnant?“ „Wen ſonſt? Sie wiſſen, daß ich ein Hühnchen mit Ihnen zu pflücken habe — nach dem, was Sie mir geſagt haben. Hätte ich gewußt, daß Sie ſich davonmachen würden, ſo hätte ich mich ſelbſt durch die Gegenwart der ſchönen Thea nicht abhalten laſſen ...“ „Ich verbiete Ihnen dieſen Ton, junger Mann!“ unter- brach ihn Thawald ſehr energiſch, „ſowohl gegen mich, als gegen die Dame, der Sie unbedingt Ehrerbietung ſchulden.“ Redern kam unter einem höhniſchen Lachen herab; man konnte ihm anſehen, daß er die kurze Zwiſchenpauſe zu einem abermaligen, ſehr ausgiebigen „Stärkungstrunk“ benützt hatte. „Ich finde es nicht am Platze, Herr Oberleutnant, daß Sie ſich jetzt, wo Sie mir Rede ſtehen ſollen, auf Ihre höheren Alters- und Dienſtjahre berufen. Und über die Ehrerbietung, die man von mir fordern kann, vermag ich von Ihnen keine Belehrung anzunehmen. Wie käme es Ihnen zu, der Sie es mit Ehre vereinbar zu halten ſcheinen, vor mir — davonzulaufen?“ „Darüber werden unſere Vorgeſetzten zu urteilen Gelegen- heit haben, ob es mir anſteht oder nicht, einem — betrun- kenen Stänkerer aus dem Wege zu gehen.“ „Oho! Sie ſind mir entſchieden zu ſpät aus dem Wege gegangen, Musjöh,“ ſchrie Redern, ſinnlos vor Wut, „denn Sie hätten mir — uns allen in dieſem Hauſe — ſchon von dem Tage an ausweichen müſſen, da Ihre unſauberen Familienverhältniſſe ruchbar geworden ſind.“ Jetzt war es auch mit Thawalds mühſam bewahrter Beſonnenheit vorbei. Ein Griff — und der ſchöne Arno flog Hals über Kopf die Treppe hinunter. In demſelben Augenblick ſtürzten auch ſchon die Herren herbei, die von den Bedienten da oben zur Beilegung des Zwiſtes herausgerufen worden waren: ein halbes Dutzend älterer und jüngerer Uniform- und Frackträger, die ſich ebenfalls zum Aufbruche gerüſtet hatten. Die Herren vom Zivil beſchränkten ſich darauf, alle Maßregeln einzuleiten, daß der unerhörte Zwiſchenfall den übrigen Gäſten im Hauſe womöglich verborgen bliebe, während ſich die Offiziere zwiſchen dem Artilleriſten und dem Chevauleger ins Mittel legten. Thawald hatte für ihre Bemühungen nur ein entſagungs- volles Lächeln; er wußte ja, was jetzt unvermeidlich war. „Ich bitte meine Herren, ſorgen Sie nur, daß die Hausfrau nichts davon erfährt!“ lauteten ſeine Worte, mit denen er dann zur unmittelbarſten Gegenwart zurückkehrte. Graf Redern hatte ſich indeſſen mit Hilfe zweier jungen Kameraden von den Steinfließen des unteren Treppenab- ſatzes erhoben, zähneknirſchend vor Schmerz und Ingrimm. Er hatte ſich die rechte Hand verſtaucht und war außer ſtande, ſich den Armen ſeiner beiden Beſchützer zu entwinden, die ihn abhielten, ſich auf den Widerſacher zu ſtürzen. „Ruhe, ich bitte nur um Ruhe!“ rief der Aelteſte in der Verſammlung, ein graubärtiger Infanterie-Major, mit den Armbewegungen eines Kapellmeiſters, der ein Pianiſſimo dirigiert. „Laſſen Sie uns in erſter Linie nur darauf Rück- ſicht nehmen, daß ein Affront vor der Geſellſchaft vermieden werden muß!“ Endlich gelang es, den raſenden Arno in die Portier- loge zu ziehen. Man lief, ihm die Garderobe herabzuholen, und Thawald wurde von den wirr durcheinander redenden Kameraden aus dem Hauſe geführt. Er hörte nicht, was man ihm ſagte. Waren es Zuſtimmungen oder Vorwürfe? Endlich gelang es zweien, von denen er erſt weit unterwegs, unter einer Straßenlaterne, den einen als Angehörigen ſeiner Batterie erkannte, ſich ihm vernehmlich zu machen — ſie trugen ſich ihm als ſeine Sekundanten an. Die zurückgebliebenen Gäſte hatten von dem „haar- ſträubende Skandale“ erſt beim allgemeinen Aufbruch er- erfahren, in der Garderobe, wo einer dem Andern die Bot- ſchaft davon zurannte. Thea erfuhr es erſt am Morgen — durch die Zofe, die ſie bei der Toilette bediente. Es traf ſie wie ein lähmender Schlag. „Der Unglückſelige!“ war ihr erſter Gedanke, — „Gott verderbe dieſen Redern!“ ihr zweiter. Dann ſammelte ſie ſich unter der Erwägung, daß man die Sache um jeden Preis vor Papa verbergen müſſe. Die Dienerſchaft befolgte denn auch die ſtrenge Weiſung der jungen Hausfrau, und Graf Dörland erfuhr nichts von dem Vorfalle der vergangenen Nacht. (Fortſetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 379, Czernowitz, 04.04.1905, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer379_1905/4>, abgerufen am 03.12.2024.