Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 712, Czernowitz, 22.05.1906.Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 22. Mai 1906. [Spaltenumbruch] der Gegenwart sind stärker als historische Traditionen. Ein Die böhmische Statthalterei in Prag ist derart über- Sie besitzt nun dadurch das, was ihr bis jetzt gefehlt Die Vorgänge in Rußland. Rußland und Japan. Tokio, 20. Mai. (Reuter.) Lebhaftes Interesse ver- Der Zar und die Dumaadresse. Petersburg, 20. Mai. Auch heute ist es noch unbe- Vom Tage. Czernowitz, 21. Mai. Oesterreich und Ungarn. (Dr. Wekerle in Wien). Wien, 20. Mai. Die gestrige Konferenz der beiden [Spaltenumbruch] Empfindung, und weil er sich im Gehirne förmlich physisch ein- Unser Gehirn ist nun in der Lage, solche aus der äußeren Unser Gehirn ist aber auch in der Lage, solche Sinnes- Durch die Vergleichung von Berg und Tal entsteht der Diese Tätigkeit des Gehirns nennen wir die geistige Die geistige Tätigkeit schafft nun zweierlei Arten von Durch das willkürliche Denken krystallisiert sich die Idee Durch das unwillkürliche Denken, durch das schrankenlose [Spaltenumbruch] Die Tätigkeit der Phantasie wird im Gehirne auf eigen- Sinneseindrücke, welche von ähnlichen Reizen herrühren, Wird nun später einer dieser Eindrücke durch einen Wer hat es nicht schon an sich selbst erfahren, daß eine (Schluß folgt.) [Spaltenumbruch] ungarischen Parlamente als autonomen ungarischen Tarif Ferner gelangte auch die Frage der von Ungarn ge- Nach der Konferenz der beiden Ministerpräsidenten fand Dr. Wekerle begab sich nach der Konferenz mit dem Wien, 20. Mai. Wie verlautet, haben die heutigen Das Kompromiß in der Wahlreform. Wien, 20. Mai. Wie in den Kreisen der polnischen Die Lage in Ungarn. (Der Kaiser in Budapest.) Budapest, 21. Mai. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.") Der (Zur Eröffnung des Reichsrates.) Budapest, 20. Mai. Der gewesene Präsident des Ab- Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 22. Mai 1906. [Spaltenumbruch] der Gegenwart ſind ſtärker als hiſtoriſche Traditionen. Ein Die böhmiſche Statthalterei in Prag iſt derart über- Sie beſitzt nun dadurch das, was ihr bis jetzt gefehlt Die Vorgänge in Rußland. Rußland und Japan. Tokio, 20. Mai. (Reuter.) Lebhaftes Intereſſe ver- Der Zar und die Dumaadreſſe. Petersburg, 20. Mai. Auch heute iſt es noch unbe- Vom Tage. Czernowitz, 21. Mai. Oeſterreich und Ungarn. (Dr. Wekerle in Wien). Wien, 20. Mai. Die geſtrige Konferenz der beiden [Spaltenumbruch] Empfindung, und weil er ſich im Gehirne förmlich phyſiſch ein- Unſer Gehirn iſt nun in der Lage, ſolche aus der äußeren Unſer Gehirn iſt aber auch in der Lage, ſolche Sinnes- Durch die Vergleichung von Berg und Tal entſteht der Dieſe Tätigkeit des Gehirns nennen wir die geiſtige Die geiſtige Tätigkeit ſchafft nun zweierlei Arten von Durch das willkürliche Denken kryſtalliſiert ſich die Idee Durch das unwillkürliche Denken, durch das ſchrankenloſe [Spaltenumbruch] Die Tätigkeit der Phantaſie wird im Gehirne auf eigen- Sinneseindrücke, welche von ähnlichen Reizen herrühren, Wird nun ſpäter einer dieſer Eindrücke durch einen Wer hat es nicht ſchon an ſich ſelbſt erfahren, daß eine (Schluß folgt.) [Spaltenumbruch] ungariſchen Parlamente als autonomen ungariſchen Tarif Ferner gelangte auch die Frage der von Ungarn ge- Nach der Konferenz der beiden Miniſterpräſidenten fand Dr. Wekerle begab ſich nach der Konferenz mit dem Wien, 20. Mai. Wie verlautet, haben die heutigen Das Kompromiß in der Wahlreform. Wien, 20. Mai. Wie in den Kreiſen der polniſchen Die Lage in Ungarn. (Der Kaiſer in Budapeſt.) Budapeſt, 21. Mai. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der (Zur Eröffnung des Reichsrates.) Budapeſt, 20. Mai. Der geweſene Präſident des Ab- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 22. Mai 1906.</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="problem2" prev="#problem1" type="jArticle" n="2"> <p>der Gegenwart ſind ſtärker als hiſtoriſche Traditionen. Ein<lb/> hiſtoriſches Länderprivilegium, das ermöglicht, daß es eine<lb/> Provinz wie Böhmen mit faſt 7 Millionen Einwohnern<lb/> neben einer Provinz, wie etwa Salzburg, mit einigen hundert-<lb/> tauſend Menſchen gibt, und daß beide, ebenſo wie die<lb/> anderen Erblande, den gleichen Verwaltungsapparat mit je<lb/> einem Statthalter an der Spitze haben, eine ſolche Verteilung<lb/> iſt ſchon durch die numeriſche Ungleichheit eine mangelhafte<lb/> Einrichtung voll nachteiliger Wirkungen.</p><lb/> <p>Die böhmiſche Statthalterei in Prag iſt derart über-<lb/> laſtet, d<supplied>a</supplied>ß ihre Erledigungen Ewigkeiten dauern. Solche Zu-<lb/> ſtände drängen naturgemäß zur Zweiteilung der Verwaltung<lb/> und ſo zur Zweiteilung des Landes. Dieſe Zerſpaltung<lb/> Böhmens um jeden Preis: das iſt das Ziel, das ſich die<lb/> jüngere Generation geſetzt hat.</p><lb/> <p>Sie beſitzt nun dadurch das, was ihr bis jetzt gefehlt<lb/> hat: ein weithin leuchtendes Ideal, ein populäres Schlag-<lb/> wort. Der Wert der Reichenberger Ausſtellung als nationale<lb/> Heerſchau iſt darum unſchätzbar. Das Ziel muß und wird<lb/> erreicht werden, zumal man „oben“ der Bewegung nicht mehr<lb/> antipathiſch gegenüberſteht. Zum erſtenmale, und zwar bei der<lb/> Ausſtellungseröffnung, hat ein Mitglied des Kaiſerhauſes den<lb/> Ausdruck Deutſch-Böhmen gebraucht, ein Wort, das gegen<lb/> den heiligen Geiſt des czechiſchen Staatsrechtes gerichtet iſt<lb/> und bis jetzt vom Kaiſer, wie von den Prinzen, ängſtlich<lb/> vermieden wurde. <hi rendition="#g">Denn es konſtatiert die<lb/> nationale Zweiteilung.</hi> Wenn ſie politiſch er-<lb/> folgt, dann wird Böhmen auch geographiſch in jene zwei<lb/> Teile zerfallen, aus denen es ideell tatſächlich beſteht.<lb/> Entſchließt ſich die Regierung zu dieſem entſcheidenſten<lb/> Schritte, den ſie je in innerpolitiſchen Dingen unternommen,<lb/> dann iſt die ſogenannte Staatsrechtsfrage des „Königreiches“<lb/> Böhmen für immer erledigt. Das heutige Kronland Böhmen<lb/> zerfällt ſodann in zwei verſchiedene Provinzen, deren jede<lb/> ihre eigene Verwaltung hat. Iſt das erſt geſchehen, dann iſt<lb/> die wirkliche Grundlage für eine Neugeſtaltung der<lb/> Monarchie gefunden. Denn der Schritt hätte eine über<lb/> Böhmen weit hinauswirkende Bedeutung. Hat die Re-<lb/> gierung, oder vielmehr das Haus Habsburg, endlich auf ein<lb/> imaginäres „Königreich“ Böhmen verzichtet, dann wird ihr<lb/> wohl an den anderen Königreichen und Herzogtümern, die<lb/> alle ihre Wappen und eigenen Landesprivilegien haben, nicht<lb/> mehr viel liegen. Der Kaiſer von Oeſterreich wird dann nur<lb/> ein dutzend Titel: König von Böhmen, Markgraf von Mähren,<lb/> Herzog von Steiermark u. ſ. w. verlieren, ohne einen Zenti-<lb/> meter Land einzubüßen. Ein Dutzend verſtaubter Purpur-<lb/> mäntel wird in die hiſtoriſche Garderobe für abgelegte<lb/> Kleider wandern, nichts mehr. Die veraltete, willkürliche, dem<lb/> modernen Staatsweſen widerſprechende, die Entwicklung des<lb/> Reiches lähmende Abſonderung der kleinen Länder würde<lb/> weichen, und man könnte daran gehen, die ganze Monarchie<lb/> in Departements einzuteilen. In natürlichen Zuſammenhängen,<lb/> ohne den Widerſinn hiſtoriſcher Ueberlieferung. Hier wird es<lb/> ſodann auf eine geſchickte, weitausſchauende Geometrie an-<lb/> kommen. Nur wenn die Abzirkelung glückt, dann, und nur<lb/> dann iſt eine Löſung dieſes ſchwierigſten aller öſterreichiſchen<lb/> Probleme möglich. Einer der Faktoren, die den Beſtrebungen<lb/> zu einer Neugeſtaltung des baufälligen Hauſes günſtig entge-<lb/> genkommen, iſt die vom Kaiſer gewollte Wahlreform, die<lb/> darum von den Deutſchen nicht bekämpft werden wird. Auch<lb/> ſie iſt ein Problem, an dem ſich bereits ein Miniſterium<lb/><cb/> verblutet hat. Aber ſie kommt, und hat man erſt in Oeſterreich<lb/> begonnen, Liebgewordenes und Hergebrachtes aus Notwen-<lb/> digkeitsgründen zu vernichten, dann wird auch der Kronländer-<lb/> Zopf unter der neuen Schere fallen. Die Lostrennung Deutſch-<lb/> Böhmens wird den Anfang machen; da ſie unaufhaltbar iſt.<lb/> ſo wird ſie von ſelbſt — auch gegen die Abſicht der Dynaſtie<lb/> die wohl nicht gern ſo weit gehen möchte — die Neuordnung<lb/> der Provinzen nach ſich ziehen und dadurch ſicherlich eine<lb/> allgemeine Geſundung anbahnen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Die Vorgänge in Rußland.</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Rußland und Japan.</hi> </head> <dateline><hi rendition="#b">Tokio,</hi> 20. Mai.</dateline> <bibl> <hi rendition="#g">(Reuter.)</hi> </bibl> <p>Lebhaftes Intereſſe ver-<lb/> urſacht in den hieſigen kompetenten Kreiſen das Gerücht,<lb/> Japan ſei einem ſchwierigen diplomatiſchen Problem bezüglich<lb/> Koreas gegenübergeſtellt, da Rußland entſchloſſen ſei, den<lb/> japaniſch-koreaniſchen Vertrag und das Protektorat Japans<lb/> in Korea zu ignorieren mit der Begründung, daß im Ports-<lb/> mouther Vertrag die Unabhängigkeit Koreas anerkannt ſei.<lb/> England und Deutſchland ſollen Japan unterſtützen, während<lb/> die Vereinigten Staaten und Frankreich Stillſchweigen<lb/> beobachten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der Zar und die Dumaadreſſe.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Petersburg,</hi> 20. Mai.</dateline> <p>Auch heute iſt es noch unbe-<lb/> ſtimmt, wann die Audienz zur Uebergabe der Antwortadreſſe<lb/> der Reichsduma an den Zaren gewährt werden wird. Wie<lb/> verlautet, ſoll der Präſident Muromzew gleichzeitig mit dem<lb/> Grafen Solski, dem Präſidenten des Reichsrats, empfangen<lb/> werden, der dem Zaren die Adreſſe dieſer Körperſchaft über-<lb/> mitteln wird. In einer der nächſten Dumaſitzungen wird<lb/> Goremykin das Programm des Miniſterkabinetts einbringen.<lb/> Auf die Anfrage beim Hofmarſchallamte, wann der Kaiſer<lb/> das Präſidium der Reichsduma zur Ueberreichung der Antwort<lb/> auf die Thronrede empfangen wolle, iſt bis jetzt keine Antwort<lb/> erfolgt. Dafür wurde Muromzew aufgefordert, den Geburts-<lb/> tagsfeſtlichkeiten heute in Peterhof beizuwohnen. Für die<lb/> Präſidenten des Reichsrates und der Reichsduma wurden be-<lb/> ſondere Plätze in der Kirche, gleich hinter der kaiſerlichen<lb/> Familie, angewieſen. Muromzew wurde zur kaiſerlichen Früh-<lb/> ſtückstafel zugezogen, wie er überhaupt mit äußerlichen Ehren<lb/> überſchüttet wurde, doch hat der Kaiſer ſelbſt mit ihm kein<lb/> Wort geſprochen, weil man in Peterhof über die Annahme<lb/> der Antwort und die Gewährung der Amneſtie noch nicht<lb/> ſchlüſſig iſt.</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Vom Tage.</hi> </hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#g">Czernowitz,</hi> 21. Mai.</dateline><lb/> <div n="2"> <head><hi rendition="#b">Oeſterreich und Ungarn.</hi><lb/> (Dr. <hi rendition="#g">Wekerle in Wien</hi>).</head><lb/> <div xml:id="ungarn1" next="#ungarn2" type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 20. Mai.</dateline> <p>Die geſtrige Konferenz der <hi rendition="#g">beiden<lb/> Miniſterpräſidenten</hi> währte eineinhalb Stunden. Es<lb/> wurde die Frage des gemeinſamen Zolltarifes beſprochen. Be-<lb/> kanntlich beabſichtigt die ungariſche Regierung, den Zolltarif,<lb/> der in Oeſterreich parlamentariſch erledigt iſt und ſeit<lb/> 1. März auch von Ungarn praktiſch angewendet wird, im</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="schöne2" prev="#schöne1" type="jArticle" n="2"> <p>Empfindung, und weil er ſich im Gehirne förmlich phyſiſch ein-<lb/> prägt, wird er im Gehirne zum Eindrucke, zum Sinnesein-<lb/> drucke.</p><lb/> <p>Unſer Gehirn iſt nun in der Lage, ſolche aus der äußeren<lb/> Sinneswelt empfangenen Sinneseindrücke ſich beliebig oft aufs<lb/> Neue vorzuſtellen, in Erinnerung zu bringen, zu reproduzieren.<lb/> Und ein ſolcher aus der Außenwelt ins Gehirn gelangter, vom<lb/> Gehirne reproduzierter Sinneseindruck heißt Vorſtellung.</p><lb/> <p>Unſer Gehirn iſt aber auch in der Lage, ſolche Sinnes-<lb/> eindrücke und Vorſtellungen mit einander zu vergleichen. Dieſe<lb/> Tätigkeit des Gehirnes nennen wir Denken. Durch die Ver-<lb/> gleichungen von Vorſtellungen im Gehirne entſtehen Gedanken,<lb/> Ideen.</p><lb/> <p>Durch die Vergleichung von Berg und Tal entſteht der<lb/> Gedanke von hoch und tief. Durch die Vergleichung des Baumes<lb/> und ſeiner Zweige entſteht der Gedanke vom Ganzen und ſeiner<lb/> Teile. Solche im Gehirne entſtandenen Gedanken ſind nicht<lb/> mehr Kinder der Außenwelt, ſondern ſie ſind bereits ſelbſt-<lb/> ſtändige von unſerem Gehirne geſchaffene Produkte. Unſer<lb/> Gehirn iſt alſo in der Lage, ſelbſtändig produktiv zu ſein,<lb/> Gedanken, Ideen zu ſchaffen.</p><lb/> <p>Dieſe Tätigkeit des Gehirns nennen wir die geiſtige<lb/> Tätigkeit, den Geiſt. Wir ſind alſo fähig, unſer Gehirn iſt<lb/> alſo fähig, geiſtig zu ſchaffen. Unſer ganzes Gefühls- und<lb/> Gedankenleben, alle Errungenſchaften des menſchlichen Geiſtes<lb/> ſind auf ſolche Wege entſtanden.</p><lb/> <p>Die geiſtige Tätigkeit ſchafft nun zweierlei Arten von<lb/> Ideen.</p><lb/> <p>Durch das willkürliche Denken kryſtalliſiert ſich die Idee<lb/> zum Begriffe und führt zur wiſſenſchaftlichen Tätigkeit.</p><lb/> <p>Durch das unwillkürliche Denken, durch das ſchrankenloſe<lb/> Spiel des Gehirns mit Empfindungen und Vorſtellungen<lb/> entwickelt ſich die Idee zum Phantaſiegebilde und führt zur<lb/> Poeſie.</p><lb/> <cb/> <p>Die Tätigkeit der Phantaſie wird im Gehirne auf eigen-<lb/> tümliche Art angeregt:</p><lb/> <p>Sinneseindrücke, welche von ähnlichen Reizen herrühren,<lb/> gelangen auf denſelben oder auf nebeneinander liegenden Nerven-<lb/> leitungen ins Gehirn und werden im Gehirne an derſelben<lb/> Stelle abgelagert. Verwandte Eindrücke befinden ſich daher<lb/> im Gehirne nebeneinander. Desgleichen bleiben Sinneseindrücke,<lb/> welche gleichzeitig ins Gehirn eingelangt ſind, mit einander in<lb/> fortwährendem Nervenkontrakte.</p><lb/> <p>Wird nun ſpäter einer dieſer Eindrücke durch einen<lb/> äußeren Reiz wieder ins Gehirn telegraphiert, ſo bringt er<lb/> alle nebeneinanderliegenden verwandten Eindrücke, alle Ein-<lb/> drücke, die gleichzeitig ins Gehirn gelangt ſind, neuerlich in<lb/> Bewegung. Durch das Anſchlagen eines Nervs werden<lb/> Hunderte ihm verwandte im Gehirne tätig. Es erfolgt ein<lb/> Hin- und Hertelegraphieren von Empfindungen und Vor-<lb/> ſtellungen im Gehirne, ein unwillkürliches, ſelbſttätiges Er-<lb/> innern und Denken.</p><lb/> <p>Wer hat es nicht ſchon an ſich ſelbſt erfahren, daß eine<lb/> einſt gehörte, längſt vergeſſene Melodie, wenn man ſie plötzlich<lb/> wieder vernimmt, mit einem Schlage die ganze Situation<lb/> vor unſer geiſtiges Auge bringt, wie ſie damals war, als<lb/> wir dieſe Melodie zum erſten Mare hören. Das kommt da-<lb/> von, weil neben dem Eindrucke, welchen dieſe Melodie damals<lb/> in unſerem Gehirne gemacht hat, alle jene anderen Eindrücke<lb/> liegen, bezw. wieder angeregt werden, welche damals gleich-<lb/> zeitig mit dieſer Melodie in unſer Gehirn gekommen waren.<lb/> Es verhält ſich damit ähnlich wie mit dem Anſchlagen einer<lb/> Taſte an einem Klavier. Neben dem angeſchlagenen Tone,<lb/> tönen ſofort alle verwandten gleichgeſtimmten Töne mit. In<lb/> ähnlicher Weiſe regt oft eine einzige Empfindung eine ganze<lb/> Skala gleichartiger Empfindungen und Vorſtellungen in<lb/> unſerem Gehirn an.</p><lb/> <p> <ref> <hi rendition="#c">(Schluß folgt.)</hi> </ref> </p><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div xml:id="ungarn2" prev="#ungarn1" type="jArticle" n="3"> <p>ungariſchen Parlamente als autonomen ungariſchen Tarif<lb/> inartikulieren zu laſſen. Es gilt nun eine Vereinbarung dahin<lb/> zu treffen, daß die von der ungariſchen Regierung intendierte<lb/> legislatoriſche Methode im Einklange ſtehe mit dem Geiſte<lb/> des 1867 Ausgleiches und den tatſächlichen Verhältniſſen.</p><lb/> <p>Ferner gelangte auch die Frage der von Ungarn ge-<lb/> wünſchten <hi rendition="#g">Reviſon des Ausgleiches</hi> zur Beratung.<lb/> Hiebei wurde in Erwägung gezogen, ob und in welcher<lb/> Richtung überhaupt eine Annäherung der beiden Reichs-<lb/> hälften möglich und durchführbar iſt.</p><lb/> <p>Nach der Konferenz der beiden Miniſterpräſidenten fand<lb/> im Finanzminiſterum eine <hi rendition="#g">Konferenz der Reſſort-<lb/> miniſter</hi> ſtatt, an welcher Finanzminiſter Dr. <hi rendition="#g">Koſel,</hi><lb/> Ackerbauminiſter Graf <hi rendition="#g">Buquoy,</hi> der Leiter des Handels-<lb/> miniſteriums Graf <hi rendition="#g">Auersperg</hi> und die Ausgleichsreferenten<lb/> teilnahmen. Es handelte ſich offenbar darum, die Eröffnung<lb/> entgegenzunehmen, welche der ungariſche Miniſterpräſident<lb/> dem öſterreichiſchen Miniſterpräſidenten gemacht hatte und<lb/> über die dadurch geſchaffene Situation zu beraten. Von öſter-<lb/> reichiſcher Seite wird ein Kompromiß in der Frage des<lb/> Zolltarifes angeſtrebt. Ob dieſe Kompromißverhandlungen zu<lb/> einem Reſultate führen werden, iſt vorläuſig noch nicht abzu-<lb/> ſehen.</p><lb/> <p>Dr. <hi rendition="#g">Wekerle</hi> begab ſich nach der Konferenz mit dem<lb/> Prinzen <hi rendition="#g">Hohenlohe</hi> in die Hofburg, wo er vom Kaiſer<lb/> in beſonderer Audienz empfangen wurde. Nachmittags kehrte<lb/> Wekerle nach Budapeſt zurück.</p> </div> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 20. Mai.</dateline> <p>Wie verlautet, haben die heutigen<lb/> Verhandlungen zwiſchen Prinzen <hi rendition="#g">Hohenlohe</hi> und Doktor<lb/><hi rendition="#g">Wekerle kein poſitives Reſultat</hi> ergeben und es ſei<lb/> keinerlei Entſcheidung erfolgt. In parlamentariſchen Kreiſen<lb/> wird verſichert, daß ſich die öſterreichiſche Regierung gegen-<lb/> über dem Vorſchlage der ungariſchen Regierung, an Stelle<lb/> des Zoll- und Handelsbündniſſes einen Handelsvertrag zu<lb/> ſetzen, <hi rendition="#g">ablehnend</hi> verhält. Ebenſo vertritt die öſterreichiſche<lb/> Regierung den Standpunkt, daß nur eine vollſtändige Reviſion<lb/> des Ausgleiches platzgreifen dürfe und daß die Reviſion nur<lb/> eines Teiles des Ausgleiches gänzlich ausgeſchloſſen ſei.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das Kompromiß in der Wahlreform.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 20. Mai.</dateline> <p>Wie in den Kreiſen der polniſchen<lb/> Abgeordneten verlautet, ſteht das Kompromißanbot, welches<lb/> die Regierung den Parteiführern für den Fall, als die Ver-<lb/> handlungen zu einer Einigung nicht führen ſollten, vorſchlagen<lb/> wird, bereits feſt. Die Regierung wird folgende Abänderungen<lb/> der in der Gautſchſchen Wahlreformvorlage feſtgeſetzten<lb/> Mandatsaufteilung vornehmen. Galizien erhält ſtatt der<lb/> 88 Mandate, welche ihm in der in Verhandlung<lb/> ſtehenden Wahlreformvorlage zugewieſen wurden, 102<lb/> Mandate, alſo um 14 mehr. Die Czechen erhalten zwei<lb/> neue Mandate, ſo daß die Geſamtzahl ihrer Mandate von<lb/> 99 auf 101 ſteigt. Den Italienern werden zwei Mandate<lb/> zugewieſen, womit ſie ihren früheren Beſitzſtand von 18<lb/> Mandaten wieder erreichen. Die Deutſchen erhalten 16 neue<lb/> Mandate, wodurch die Zahl der deutſchen Abgeordneten ſich<lb/> von 205 auf 221 ſteigern wird. Dieſe Mandate ſollen in<lb/> folgender Weiſe verteilt werden: drei für deutſche Bezirke in<lb/> den Sudetenländern, ein Linzer Mandat, <hi rendition="#g">ein Mandat<lb/> für die deutſchen Landgemeinden in der Buko-<lb/> wina,</hi> eventuell ein weiteres Mandat für Salzburg und un-<lb/> gefähr zehn Mandate für Niederöſterreich. Die Spannung<lb/> zwiſchen dem ſlaviſchen Block und dem deutſch-romaniſchen<lb/> Block würde ſonach von fünf auf drei Mandate herabgeſetzt<lb/> werden. Die Geſamtzahl der Abgeordneten würde ſich nach<lb/> dieſem Vorſchlage auf 489 erhöhen, alſo um 34 höher ſein,<lb/> als ſie in dem Gautſchſchen Entwurfe feſtgeſetzt iſt. Den<lb/> Slaven werden in dem Kompromißvorſchlag der Regierung<lb/> 246, den Deutſchen 221, den Italienern 18 und den Ru-<lb/> mänen 4 Mandate eingeräumt.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Lage in Ungarn.</hi><lb/> <hi rendition="#g">(Der Kaiſer in Budapeſt.)</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Budapeſt,</hi> 21. Mai.</dateline> <bibl>(Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)</bibl> <p>Der<lb/><hi rendition="#g">Kaiſer</hi> iſt abends hier eingetroffen und wurde auf der<lb/> Fahrt in die Hofburg von einer großen Menſchenmenge<lb/> enthuſiaſtiſch mit Eljenrufen begrüßt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#g">(Zur Eröffnung des Reichsrates.)</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Budapeſt,</hi> 20. Mai.</dateline> <p>Der geweſene Präſident des Ab-<lb/> geordnetenhauſes und wahrſcheinlich auch des zukünftigen,<lb/> Julius <hi rendition="#g">Juſth,</hi> hat ſich heute über die Frage geäußert, ob<lb/> die Unabhängigkeitspartei bei der Verleſung der Thronrede<lb/> in der Hofburg erſcheinen werde, und zw. folgendermaßen:<lb/> „Ich werde der Thronrede in der Hofburg jedenfalls bei-<lb/> wohnen. Die Anſichten der übrigen Mitglieder meiner Partei<lb/> ſind mir nicht bekannt. Ich bin jedoch überzeugt, daß es eine<lb/> Verletzung der Höflichkeit, ja mehr wäre, wenn wir der<lb/> Thronrede fern bleiben würden. Der König hat der Majo-<lb/> rität des Hauſes ſein Vertrauen geſchenkt, aus ihrer Mitte<lb/> Mitglieder ſeines Kabinetts entnommen und kommt zur Er-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 22. Mai 1906.
der Gegenwart ſind ſtärker als hiſtoriſche Traditionen. Ein
hiſtoriſches Länderprivilegium, das ermöglicht, daß es eine
Provinz wie Böhmen mit faſt 7 Millionen Einwohnern
neben einer Provinz, wie etwa Salzburg, mit einigen hundert-
tauſend Menſchen gibt, und daß beide, ebenſo wie die
anderen Erblande, den gleichen Verwaltungsapparat mit je
einem Statthalter an der Spitze haben, eine ſolche Verteilung
iſt ſchon durch die numeriſche Ungleichheit eine mangelhafte
Einrichtung voll nachteiliger Wirkungen.
Die böhmiſche Statthalterei in Prag iſt derart über-
laſtet, daß ihre Erledigungen Ewigkeiten dauern. Solche Zu-
ſtände drängen naturgemäß zur Zweiteilung der Verwaltung
und ſo zur Zweiteilung des Landes. Dieſe Zerſpaltung
Böhmens um jeden Preis: das iſt das Ziel, das ſich die
jüngere Generation geſetzt hat.
Sie beſitzt nun dadurch das, was ihr bis jetzt gefehlt
hat: ein weithin leuchtendes Ideal, ein populäres Schlag-
wort. Der Wert der Reichenberger Ausſtellung als nationale
Heerſchau iſt darum unſchätzbar. Das Ziel muß und wird
erreicht werden, zumal man „oben“ der Bewegung nicht mehr
antipathiſch gegenüberſteht. Zum erſtenmale, und zwar bei der
Ausſtellungseröffnung, hat ein Mitglied des Kaiſerhauſes den
Ausdruck Deutſch-Böhmen gebraucht, ein Wort, das gegen
den heiligen Geiſt des czechiſchen Staatsrechtes gerichtet iſt
und bis jetzt vom Kaiſer, wie von den Prinzen, ängſtlich
vermieden wurde. Denn es konſtatiert die
nationale Zweiteilung. Wenn ſie politiſch er-
folgt, dann wird Böhmen auch geographiſch in jene zwei
Teile zerfallen, aus denen es ideell tatſächlich beſteht.
Entſchließt ſich die Regierung zu dieſem entſcheidenſten
Schritte, den ſie je in innerpolitiſchen Dingen unternommen,
dann iſt die ſogenannte Staatsrechtsfrage des „Königreiches“
Böhmen für immer erledigt. Das heutige Kronland Böhmen
zerfällt ſodann in zwei verſchiedene Provinzen, deren jede
ihre eigene Verwaltung hat. Iſt das erſt geſchehen, dann iſt
die wirkliche Grundlage für eine Neugeſtaltung der
Monarchie gefunden. Denn der Schritt hätte eine über
Böhmen weit hinauswirkende Bedeutung. Hat die Re-
gierung, oder vielmehr das Haus Habsburg, endlich auf ein
imaginäres „Königreich“ Böhmen verzichtet, dann wird ihr
wohl an den anderen Königreichen und Herzogtümern, die
alle ihre Wappen und eigenen Landesprivilegien haben, nicht
mehr viel liegen. Der Kaiſer von Oeſterreich wird dann nur
ein dutzend Titel: König von Böhmen, Markgraf von Mähren,
Herzog von Steiermark u. ſ. w. verlieren, ohne einen Zenti-
meter Land einzubüßen. Ein Dutzend verſtaubter Purpur-
mäntel wird in die hiſtoriſche Garderobe für abgelegte
Kleider wandern, nichts mehr. Die veraltete, willkürliche, dem
modernen Staatsweſen widerſprechende, die Entwicklung des
Reiches lähmende Abſonderung der kleinen Länder würde
weichen, und man könnte daran gehen, die ganze Monarchie
in Departements einzuteilen. In natürlichen Zuſammenhängen,
ohne den Widerſinn hiſtoriſcher Ueberlieferung. Hier wird es
ſodann auf eine geſchickte, weitausſchauende Geometrie an-
kommen. Nur wenn die Abzirkelung glückt, dann, und nur
dann iſt eine Löſung dieſes ſchwierigſten aller öſterreichiſchen
Probleme möglich. Einer der Faktoren, die den Beſtrebungen
zu einer Neugeſtaltung des baufälligen Hauſes günſtig entge-
genkommen, iſt die vom Kaiſer gewollte Wahlreform, die
darum von den Deutſchen nicht bekämpft werden wird. Auch
ſie iſt ein Problem, an dem ſich bereits ein Miniſterium
verblutet hat. Aber ſie kommt, und hat man erſt in Oeſterreich
begonnen, Liebgewordenes und Hergebrachtes aus Notwen-
digkeitsgründen zu vernichten, dann wird auch der Kronländer-
Zopf unter der neuen Schere fallen. Die Lostrennung Deutſch-
Böhmens wird den Anfang machen; da ſie unaufhaltbar iſt.
ſo wird ſie von ſelbſt — auch gegen die Abſicht der Dynaſtie
die wohl nicht gern ſo weit gehen möchte — die Neuordnung
der Provinzen nach ſich ziehen und dadurch ſicherlich eine
allgemeine Geſundung anbahnen.
Die Vorgänge in Rußland.
Rußland und Japan. Tokio, 20. Mai. (Reuter.) Lebhaftes Intereſſe ver-
urſacht in den hieſigen kompetenten Kreiſen das Gerücht,
Japan ſei einem ſchwierigen diplomatiſchen Problem bezüglich
Koreas gegenübergeſtellt, da Rußland entſchloſſen ſei, den
japaniſch-koreaniſchen Vertrag und das Protektorat Japans
in Korea zu ignorieren mit der Begründung, daß im Ports-
mouther Vertrag die Unabhängigkeit Koreas anerkannt ſei.
England und Deutſchland ſollen Japan unterſtützen, während
die Vereinigten Staaten und Frankreich Stillſchweigen
beobachten.
Der Zar und die Dumaadreſſe.
Petersburg, 20. Mai. Auch heute iſt es noch unbe-
ſtimmt, wann die Audienz zur Uebergabe der Antwortadreſſe
der Reichsduma an den Zaren gewährt werden wird. Wie
verlautet, ſoll der Präſident Muromzew gleichzeitig mit dem
Grafen Solski, dem Präſidenten des Reichsrats, empfangen
werden, der dem Zaren die Adreſſe dieſer Körperſchaft über-
mitteln wird. In einer der nächſten Dumaſitzungen wird
Goremykin das Programm des Miniſterkabinetts einbringen.
Auf die Anfrage beim Hofmarſchallamte, wann der Kaiſer
das Präſidium der Reichsduma zur Ueberreichung der Antwort
auf die Thronrede empfangen wolle, iſt bis jetzt keine Antwort
erfolgt. Dafür wurde Muromzew aufgefordert, den Geburts-
tagsfeſtlichkeiten heute in Peterhof beizuwohnen. Für die
Präſidenten des Reichsrates und der Reichsduma wurden be-
ſondere Plätze in der Kirche, gleich hinter der kaiſerlichen
Familie, angewieſen. Muromzew wurde zur kaiſerlichen Früh-
ſtückstafel zugezogen, wie er überhaupt mit äußerlichen Ehren
überſchüttet wurde, doch hat der Kaiſer ſelbſt mit ihm kein
Wort geſprochen, weil man in Peterhof über die Annahme
der Antwort und die Gewährung der Amneſtie noch nicht
ſchlüſſig iſt.
Vom Tage.
Czernowitz, 21. Mai.
Oeſterreich und Ungarn.
(Dr. Wekerle in Wien).
Wien, 20. Mai. Die geſtrige Konferenz der beiden
Miniſterpräſidenten währte eineinhalb Stunden. Es
wurde die Frage des gemeinſamen Zolltarifes beſprochen. Be-
kanntlich beabſichtigt die ungariſche Regierung, den Zolltarif,
der in Oeſterreich parlamentariſch erledigt iſt und ſeit
1. März auch von Ungarn praktiſch angewendet wird, im
Empfindung, und weil er ſich im Gehirne förmlich phyſiſch ein-
prägt, wird er im Gehirne zum Eindrucke, zum Sinnesein-
drucke.
Unſer Gehirn iſt nun in der Lage, ſolche aus der äußeren
Sinneswelt empfangenen Sinneseindrücke ſich beliebig oft aufs
Neue vorzuſtellen, in Erinnerung zu bringen, zu reproduzieren.
Und ein ſolcher aus der Außenwelt ins Gehirn gelangter, vom
Gehirne reproduzierter Sinneseindruck heißt Vorſtellung.
Unſer Gehirn iſt aber auch in der Lage, ſolche Sinnes-
eindrücke und Vorſtellungen mit einander zu vergleichen. Dieſe
Tätigkeit des Gehirnes nennen wir Denken. Durch die Ver-
gleichungen von Vorſtellungen im Gehirne entſtehen Gedanken,
Ideen.
Durch die Vergleichung von Berg und Tal entſteht der
Gedanke von hoch und tief. Durch die Vergleichung des Baumes
und ſeiner Zweige entſteht der Gedanke vom Ganzen und ſeiner
Teile. Solche im Gehirne entſtandenen Gedanken ſind nicht
mehr Kinder der Außenwelt, ſondern ſie ſind bereits ſelbſt-
ſtändige von unſerem Gehirne geſchaffene Produkte. Unſer
Gehirn iſt alſo in der Lage, ſelbſtändig produktiv zu ſein,
Gedanken, Ideen zu ſchaffen.
Dieſe Tätigkeit des Gehirns nennen wir die geiſtige
Tätigkeit, den Geiſt. Wir ſind alſo fähig, unſer Gehirn iſt
alſo fähig, geiſtig zu ſchaffen. Unſer ganzes Gefühls- und
Gedankenleben, alle Errungenſchaften des menſchlichen Geiſtes
ſind auf ſolche Wege entſtanden.
Die geiſtige Tätigkeit ſchafft nun zweierlei Arten von
Ideen.
Durch das willkürliche Denken kryſtalliſiert ſich die Idee
zum Begriffe und führt zur wiſſenſchaftlichen Tätigkeit.
Durch das unwillkürliche Denken, durch das ſchrankenloſe
Spiel des Gehirns mit Empfindungen und Vorſtellungen
entwickelt ſich die Idee zum Phantaſiegebilde und führt zur
Poeſie.
Die Tätigkeit der Phantaſie wird im Gehirne auf eigen-
tümliche Art angeregt:
Sinneseindrücke, welche von ähnlichen Reizen herrühren,
gelangen auf denſelben oder auf nebeneinander liegenden Nerven-
leitungen ins Gehirn und werden im Gehirne an derſelben
Stelle abgelagert. Verwandte Eindrücke befinden ſich daher
im Gehirne nebeneinander. Desgleichen bleiben Sinneseindrücke,
welche gleichzeitig ins Gehirn eingelangt ſind, mit einander in
fortwährendem Nervenkontrakte.
Wird nun ſpäter einer dieſer Eindrücke durch einen
äußeren Reiz wieder ins Gehirn telegraphiert, ſo bringt er
alle nebeneinanderliegenden verwandten Eindrücke, alle Ein-
drücke, die gleichzeitig ins Gehirn gelangt ſind, neuerlich in
Bewegung. Durch das Anſchlagen eines Nervs werden
Hunderte ihm verwandte im Gehirne tätig. Es erfolgt ein
Hin- und Hertelegraphieren von Empfindungen und Vor-
ſtellungen im Gehirne, ein unwillkürliches, ſelbſttätiges Er-
innern und Denken.
Wer hat es nicht ſchon an ſich ſelbſt erfahren, daß eine
einſt gehörte, längſt vergeſſene Melodie, wenn man ſie plötzlich
wieder vernimmt, mit einem Schlage die ganze Situation
vor unſer geiſtiges Auge bringt, wie ſie damals war, als
wir dieſe Melodie zum erſten Mare hören. Das kommt da-
von, weil neben dem Eindrucke, welchen dieſe Melodie damals
in unſerem Gehirne gemacht hat, alle jene anderen Eindrücke
liegen, bezw. wieder angeregt werden, welche damals gleich-
zeitig mit dieſer Melodie in unſer Gehirn gekommen waren.
Es verhält ſich damit ähnlich wie mit dem Anſchlagen einer
Taſte an einem Klavier. Neben dem angeſchlagenen Tone,
tönen ſofort alle verwandten gleichgeſtimmten Töne mit. In
ähnlicher Weiſe regt oft eine einzige Empfindung eine ganze
Skala gleichartiger Empfindungen und Vorſtellungen in
unſerem Gehirn an.
(Schluß folgt.)
ungariſchen Parlamente als autonomen ungariſchen Tarif
inartikulieren zu laſſen. Es gilt nun eine Vereinbarung dahin
zu treffen, daß die von der ungariſchen Regierung intendierte
legislatoriſche Methode im Einklange ſtehe mit dem Geiſte
des 1867 Ausgleiches und den tatſächlichen Verhältniſſen.
Ferner gelangte auch die Frage der von Ungarn ge-
wünſchten Reviſon des Ausgleiches zur Beratung.
Hiebei wurde in Erwägung gezogen, ob und in welcher
Richtung überhaupt eine Annäherung der beiden Reichs-
hälften möglich und durchführbar iſt.
Nach der Konferenz der beiden Miniſterpräſidenten fand
im Finanzminiſterum eine Konferenz der Reſſort-
miniſter ſtatt, an welcher Finanzminiſter Dr. Koſel,
Ackerbauminiſter Graf Buquoy, der Leiter des Handels-
miniſteriums Graf Auersperg und die Ausgleichsreferenten
teilnahmen. Es handelte ſich offenbar darum, die Eröffnung
entgegenzunehmen, welche der ungariſche Miniſterpräſident
dem öſterreichiſchen Miniſterpräſidenten gemacht hatte und
über die dadurch geſchaffene Situation zu beraten. Von öſter-
reichiſcher Seite wird ein Kompromiß in der Frage des
Zolltarifes angeſtrebt. Ob dieſe Kompromißverhandlungen zu
einem Reſultate führen werden, iſt vorläuſig noch nicht abzu-
ſehen.
Dr. Wekerle begab ſich nach der Konferenz mit dem
Prinzen Hohenlohe in die Hofburg, wo er vom Kaiſer
in beſonderer Audienz empfangen wurde. Nachmittags kehrte
Wekerle nach Budapeſt zurück.
Wien, 20. Mai. Wie verlautet, haben die heutigen
Verhandlungen zwiſchen Prinzen Hohenlohe und Doktor
Wekerle kein poſitives Reſultat ergeben und es ſei
keinerlei Entſcheidung erfolgt. In parlamentariſchen Kreiſen
wird verſichert, daß ſich die öſterreichiſche Regierung gegen-
über dem Vorſchlage der ungariſchen Regierung, an Stelle
des Zoll- und Handelsbündniſſes einen Handelsvertrag zu
ſetzen, ablehnend verhält. Ebenſo vertritt die öſterreichiſche
Regierung den Standpunkt, daß nur eine vollſtändige Reviſion
des Ausgleiches platzgreifen dürfe und daß die Reviſion nur
eines Teiles des Ausgleiches gänzlich ausgeſchloſſen ſei.
Das Kompromiß in der Wahlreform.
Wien, 20. Mai. Wie in den Kreiſen der polniſchen
Abgeordneten verlautet, ſteht das Kompromißanbot, welches
die Regierung den Parteiführern für den Fall, als die Ver-
handlungen zu einer Einigung nicht führen ſollten, vorſchlagen
wird, bereits feſt. Die Regierung wird folgende Abänderungen
der in der Gautſchſchen Wahlreformvorlage feſtgeſetzten
Mandatsaufteilung vornehmen. Galizien erhält ſtatt der
88 Mandate, welche ihm in der in Verhandlung
ſtehenden Wahlreformvorlage zugewieſen wurden, 102
Mandate, alſo um 14 mehr. Die Czechen erhalten zwei
neue Mandate, ſo daß die Geſamtzahl ihrer Mandate von
99 auf 101 ſteigt. Den Italienern werden zwei Mandate
zugewieſen, womit ſie ihren früheren Beſitzſtand von 18
Mandaten wieder erreichen. Die Deutſchen erhalten 16 neue
Mandate, wodurch die Zahl der deutſchen Abgeordneten ſich
von 205 auf 221 ſteigern wird. Dieſe Mandate ſollen in
folgender Weiſe verteilt werden: drei für deutſche Bezirke in
den Sudetenländern, ein Linzer Mandat, ein Mandat
für die deutſchen Landgemeinden in der Buko-
wina, eventuell ein weiteres Mandat für Salzburg und un-
gefähr zehn Mandate für Niederöſterreich. Die Spannung
zwiſchen dem ſlaviſchen Block und dem deutſch-romaniſchen
Block würde ſonach von fünf auf drei Mandate herabgeſetzt
werden. Die Geſamtzahl der Abgeordneten würde ſich nach
dieſem Vorſchlage auf 489 erhöhen, alſo um 34 höher ſein,
als ſie in dem Gautſchſchen Entwurfe feſtgeſetzt iſt. Den
Slaven werden in dem Kompromißvorſchlag der Regierung
246, den Deutſchen 221, den Italienern 18 und den Ru-
mänen 4 Mandate eingeräumt.
Die Lage in Ungarn.
(Der Kaiſer in Budapeſt.)
Budapeſt, 21. Mai. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der
Kaiſer iſt abends hier eingetroffen und wurde auf der
Fahrt in die Hofburg von einer großen Menſchenmenge
enthuſiaſtiſch mit Eljenrufen begrüßt.
(Zur Eröffnung des Reichsrates.)
Budapeſt, 20. Mai. Der geweſene Präſident des Ab-
geordnetenhauſes und wahrſcheinlich auch des zukünftigen,
Julius Juſth, hat ſich heute über die Frage geäußert, ob
die Unabhängigkeitspartei bei der Verleſung der Thronrede
in der Hofburg erſcheinen werde, und zw. folgendermaßen:
„Ich werde der Thronrede in der Hofburg jedenfalls bei-
wohnen. Die Anſichten der übrigen Mitglieder meiner Partei
ſind mir nicht bekannt. Ich bin jedoch überzeugt, daß es eine
Verletzung der Höflichkeit, ja mehr wäre, wenn wir der
Thronrede fern bleiben würden. Der König hat der Majo-
rität des Hauſes ſein Vertrauen geſchenkt, aus ihrer Mitte
Mitglieder ſeines Kabinetts entnommen und kommt zur Er-
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