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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 728, Czernowitz, 12.06.1906.

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Redaktion u. Administration:
Rathausstraße 16.




Telephon-Nummer 161.




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halbj. K 10.80, ganzjähr. K 21.60.
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vierteljährig ..... 10 Lei.




Telegramme: Allgemeine, Czernowitz.


[Spaltenumbruch]
Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

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Ankündigungen
Es kostet im gewöhnlichen Inse-
ratenteil 12 h die 6mal gespaltene
Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei
mehrmaliger Einschaltung, für Re-
klame 40 h die Petitzeile. Inserate
nehmen alle in- und ausländischen
Inseratenbureaux sowie die Ad-
ministration entgegen. -- Einzel-
exemplare sind in allen Zeitungs-
verschleißen, Trafiken, der k. k. Uni-
versitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Administration (Rat-
hausstr. 16) erhältlich. In Wien
im Zeitungsbureau Goldschmidt,
Wollzeile 11.

Einzelexemplare
10 Heller für Czernowitz.






Nr. 728. Czernowitz, Dienstag, den 12. Juni 1906.



[Spaltenumbruch]
Uebersicht.

Vorgänge in Rußland.

In Warschau fanden auf 23 Staatsbrandtweinladen Ueber-
fälle statt.

Vom Tage.

In Wien wurden antimagyarische Demonstrationen ver-
anstaltet.

Letzte Telegramme.

Graf Goluchowski erstattet sein Exposee im Delegations-
ausschuße. -- Der Kaiser erhebt den Generalsstabschef Beck in
den Grafenstand. -- Dr. Lueger mißbilligt die antiungarischen
Demonstrationen seiner Parteigenossen.




Die Delegationen.


Die Thronrede, mit welcher heuer die Delegationen er-
öffnet wurden, beschränkt sich auf die Konstatierung trockener
Tatsachen. Der Dreibund ist nach wie vor der Angelpunkt
unserer auswärtigen Politik, der Dreibund, der sich in der
Schönbrunner Monarchen-Entrevue und dem Depeschenwechsel
zwischen Wien und Rom als unantastbares Friedensbündnis
manifestiert hat. Der Hinweis auf die vermittelnde Tätigkeit
Oesterreich-Ungarns auf der Konferenz von Algeciras, den
die Thronrede enthält, darf gleichfalls als Dokument des Be-
standes des Dreibundes gelten. Als Ergänzung zu demselben
findet das österreichisch-russische Balkanabkommen eine be-
sondere Erwähnung u. zw. in Worten, welche die große
Intimität zwischen den Kabinetten von Wien und Petersburg
dartut. Die Thronrede spricht nämlich von dem "uns eng-
befreundeten Rußland", eine Bezeichnung, die im wohl-
tuenden Gegensatze steht zu der noch immer feindseligen
Haltung der führenden parlamentarischen Presse. Nimmt
man noch hinzu die deutlich genug erwähnten Mehr-
forderungen für Armee und Marine, so ist der Inhalt der
Thronrede erschöpft.

Das Schwergewicht der heurigen Delegationstagung
liegt aber nicht in der Thronrede, die keinerlei Ueberraschungen
bieten konnte. Das Hauptmoment ist in den internen
Vorgängen der ungarischen Delegation zu suchen, welcher
[Spaltenumbruch] zum erstenmale von der Kussuthpartei das Gepräge ver-
liehen wurde. Herr Barabas ist der Vizepräsident der
ungarischen Delegation, das sagt viel, Herr Hollo will nur
noch heuer zugeben, daß die ungarische Delegation zur Anhörung
der Thronrede in der Hofburg erscheine, im nächsten Jahre dürfe
dies nicht mehr geschehen, da die Delegation nur ein "Ausschuß" des
ungarischen Reichstages sei und ohne Förmlichkeiten ihre
Tätigkeit zu beginnen habe. Kurz gesagt: Die ungarische
Delegation stellt ihre eigene Existenz in Abrede, um die
letzten Spuren der Gemeinsamkeit zu verwischen. Die öster-
reichische Delegation hält an der althergebrachten und durch
den Ausgleich gegebenen Form noch fest, allein die Inter-
pellation Dobernig-Sylvester an den Grafen Goluchowski
ist der Ausdruck der eigentlichen Stimmung, welche auch in
der diesseitigen Delegation herrscht. Der gemeinsame Minister
des Aeußern wird nun von offizieller Stelle aus zugeben
müssen, daß die gemeinsame Regierung zu dem ersten großen
Riß in die Gemeinsamkeit zugestimmt habe.

Was sollen da noch die Delegationen? Sind sie
nicht eine überlebte, von beiden Teilen nicht mehr
voll genommene Institution? Und hatten nicht Beck und Hohen-
lohe Recht, als sie angesichts dieser Tatsachen eine Revision
des Ausgleichs auf allen Linien forderten?

Dies darf allerdings nicht in der Weise vor sich gehen,
wie es gestern der christlich-soziale Mob zu inaugurieren ver-
sucht hat. Die Attacke auf das ungarische Ministerium in der
Bankgasse ist ein nicht scharf genug zu mißbilligender Vor-
gang, der geeignet ist, unsere noch so gerechten Forderungen
zu verdunkeln. Die ungarische Delegation übt gesetzmäßig auf
österreichischem Boden ein ihr zustehendes Verfassungsrecht
auf, und jede Beleidigung, die ihr zugefügt wird, involviert
eine brutale Verletzung internationaler Höflichkeit und Gast-
freundschaft. Die österreichische Regierung tat gut daran,
ihrerseits sofort alles zu veranlassen, was in einem solchen Falle
geboten war: der ungarischen Regierung wegen der der ungarischen
Delegation zugefügten Beleidigung volle Genugtuung zu ge-
währen. Die Bemerkung des Herrn Barabas, es handle sich
um eine "höhere Weisung" war vollständig deplaziert. In
allen gebildeten und politisch ernst zu nehmenden Kreisen
Oesterreichs wird man die Handlungsweise der Wiener
Christlich-Sozialen verdammen. Sie ist tatsächlich geeignet,
[Spaltenumbruch] unsere Stellung zu Ungarn in ein schiefes Licht zu rücken,
während es uns um nichts weiker geht, als den Herren jen-
seits der Leitha in aller Ruhe auseinanderzusetzen, daß auch
wir bereit sind, unser Haus selbst zu bestellen.




Die Vorgänge in Russland.
Rücktritt Goremykins?

Dem Abendblatt der "Birschewja
Wjedomosti" ist eine Meldung zugegangen, die bestätigt, daß
die Demission des Gesamtkabinetts gestern
erfolgt ist. Amtlich ist die Richtigkeit dieser Meldung nicht
bestätigt.

Stürme auf Branntweinläden in Warschau.

Zwischen 5 und 6 Uhr abends
fanden in der ganzen Stadt gleichzeitig bewaffnete Ueberfälle
auf 23 Staatsbranntweinläden statt. In jedem dieser Läden
wurde das Geld geraubt und alle Branntweinvorräte ver-
nichtet. In einzelnen Läden beträgt der angerichtete Schaden
15.000 Rubel. An den Angriffen beteiligten sich etwa
90 junge Leute, die auf die Kassiererinnen feuerten und zwei
von ihnen schwer verletzten. Es kam auch zu blutigen Zu-
sammenstößen mit den Militärpatrouillen. Ein Soldat erschoß
zwei Räuber, ein anderer Soldat und ein Oberschutzmann
wurden von den Räubern verwundet. Nur ein Räuber konnte
verhaftet werden; die anderen entkamen. Fünf Monopolläden
wurden in Brand gesetzt, deren zwei gänzlich ausbrannten,
obwohl die Stadtfeuerwehr unverzüglich in Tätigkeit trat.
Starke Kosaken-, Husaren- und Infanterie-Patrouillen durch-
ziehen alle Straßen der Stadt. Die Angriffe auf die Brannt-
weinläden werden als Racheakte der Sozialisten für die heutige
Hinrichtung des Sozialisten Marczewski angesehen.

Dementis. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Die Petersburger Telegraphen-Agentur meldet: Die von
mehreren russischen Zeitungen wiedergegebenen Gerüchte, wonach
die russische Regierung die Absicht hätte, eine neue auswärtige




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Bukarester Jubiläums-Ausstellung. *)
Kollektiv-Ansstellung des Herzogtums
Bukowina.

Am westlichen Stirnende des österreichischen Pavillons,
die ganze Breite desselben einnehmend, befindet sich die Kollek-
tivausstellung der Bukowina, die auch von außen schon sich
als ein einheitliches Ganzes repräsentiert.

In der Fortsetzung des Haupt-Mittelganges und denselben
abschließend befindet sich ein Portal mit schweren Portieren,
über demselben als Hauptschmuck eine Flagge mit dem buko-
winer Wappen und der Aufschrift "Herzogtum Bukowina";
zu beiden Seiten ist je eine seidene Flagge in den bukowiner
Farben mit reicher Goldstickerei und als Bekrönung derselben
eine Cartouche mit den Initialien Sr. Majestät des Kaisers
und der österr. Krone angebracht.

Die vier seitlichen Eingänge in die einzelnen Gruppen
dieser Abteilung sind durch Draperien hervorgehoben, über
deren jeder ein Schild mit der orientierenden Anfschrift an-
gebracht ist.

Die gesamten Abschlußwände sind mit Stoffen bespannt
und darüber eine leichte elegante Holzarchitektur in Stabwerk
aufgesetzt.

Das Gesamtarrangement der bukowiner Abteilung führte
namens des dortigen Komitees der Direktor der k. k. Gewerbe-
schule in Czernowitz Baurat E. Kolbenheyer durch, dem der
Prof. der gleichen Anstalt, Valentin Seybold, von welchem
auch der Entwurf des Außenarrangements herrührt, in werk-
tätigster Weise zur Seite stand.

Die Hauptgruppen dieser Abteilung umfassen vom Portal
links vorerst die "Ausstellung der Direktion der Güter des
gr.-or. Religionsfondes," sodann "Hausindustrielle Erzeugnisse
der nicht rumänischen Volksstämme des Landes," rechts vom
Portal vorerst die Abteilung "Landeskultur und Landwirt-
[Spaltenumbruch] schaft," weiters "Gewerbliche Erzeugnisse" und "Landesver-
band für Fremdenverkehr in der Bukowina."

Es ist sehr zu bedauern, daß durch den allzuspäten Ent-
schluß einer offiziellen Beteiligung der Bukowina gerade die
gewerbliche Abteilung nicht so vertreten ist, wie dieses bei zeit-
gerechtem Handeln der Fall hätte sein können; die kurze
Zeit an nur für sich und überdies noch die beginnende Bau-
periode verhinderte die größte Zahl der namhaften Gewerbe-
treibenden sich entsprechend zu beteiligen.

Nunmehr lassen wir eine kurze Schilderung der einzelnen
Gruppen folgen:

I.
K. k. Direktion des gr.-or. Religionsfondes.

Die k. k. Direktion der Güter des bukowiner gr.-or.
Religionsfondes, an deren Spitze H. Hofrat J. Ullmann erfolgreich
wirkt, hat ein Gebiet von über 200.000 Hektar zu bewirt-
schaften. Daß sie bei ihrer Wirtschaftführung nicht bloß den
nackten fiskalischen Grundsätzen huldigt, sondern darnach
trachtet, Mustergiltiges für die Privatwirtschaft zu schaffen,
ist durch die Ausstellung auf das klarste nachgewiesen.

Bei der Güterverwaltung des Bukowiner gr.-vr. Religions-
sondes sind sämtliche drei Urproduktionen vertreten: Die Forst-
wirtschaft, die Landwirtschaft und der Bergbau und alle
diese Produktionszweige gelangen in interessanter Weise zur
Darstellung. Auf der dem Eingange der Abteilung des Bu-
kowiner gr.-or. Religionsfondes gegenüber gelegenen Wand
fällt uns vor allem eine übersichtliche Darstellung des
Material- und Geldertrages der Forste des gr.-or. Religions-
fondes in den Jahren 1873 bis 1905 in die Augen und
erbringt uns den Beweis, daß eine fortschrittliche Wirtschaft
auch einen größeren Reinertrag abzuliefern imstande ist, denn
geradezu sprunghaft ist der Reinertrag aus den Fondsforsten
in jener Zeit emporgestiegen, in welcher der Bau von Wald-
bahnen und Waldstraßen zum Abschlusse kam.

Für die Nachhaltigkeit der Forsterträge sorgt die nach
strengen forstwirtschaftlichen Grundsätzen arbeitende Forstbe-
triebseinrichtung der k. k. Güterdirektion. Aus den hier aus-
gestellten Betriebseinrichtungswerken kann entnommen werden,
daß heute in der Bukowina das teilweise Exploitationssystem
[Spaltenumbruch] zum Heile der Forste aufgegeben ist und einen alle Anfor
derungen der Forstwirtschaft Rechnung tragende Schlagführung
gehandhabt wird.

Dieser vom Forstmeister Franz Czech geschickt zusammen-
gestellte Teil der Ausstellung wird im Zusammenhange mit
der vom Forstrat Josef Opletal besorgten Darstellung des
auf höchster Stufe stehenden forstlichen Bringungswesens für
den Fachmann sehr Interessantes bieten, aber auch für den
Laien anziehend sein, weil nicht unterlassen wurde, den wissen-
schaftlich behandelten Stoff durch Beigabe charakteristischer
Photographien allgemein verständlich zu machen. Jagdtrophäen,
unter welchen insbesondere kapitale Geweihe von Bukowiner
Karpathenhirschen hervorragen, und alte Wildschützenwaffen
lassen den Beschauer der Ausstellung auch nicht die Romantik
des Waldes vergessen und rufen bei manchen die Sehnsucht
nach der grünen Einsamkeit wieder wach.

Links von der Forstwirtschaft gelangte die Landwirtschaft
auf den Religionsfondsgütern zur Ausstellung. Karten und
Lichtbilder der 29 Fondsmeierhöfe zeigen uns die Ordnung
und zweckmäßige wirtschaftliche Führung auf diesen Pacht-
gütern, ohne jedoch die effektvoll arrangierte Ausstellung der
Musterteichwirtschaft in Kotzman verdunkeln zu können. Der
Schöpfer dieser Teichwirtschaft Regierungsrat Zdenko Trinks
hat uns sein Werk nicht nur in Karten, sondern auch in
naturgetreu ausgeführten Modellen und Zuleitungsvor-
richtungen vorgeführt und sich dadurch den Dank der Zu-
schauer gesichert.

Wenden wir uns der gegenüber dem von uns soeben be-
trachteten Raume gelegenen Seite zu, so tritt uns vor allem
die Ausstellung der bekannten Kuranlagen des Bukowiner
gr.-or. Religionsfondes in Dornawatra entgegen. Aus einer
Tabelle entnehmen wir, daß Dorna über kräftigere Eisen-
wässer verfügt als Spaa oder Franzensbad, aus den auf-
gelegten Plänen und Photographien lernen wir die schönen
Bauten der modernen Badeanstalt für Kohlensäure-, Stahl-
und Moorbäder, des Kurhauses, des Kurhotels, der Quellen-
pavillons und der Betriebsgebäude wie Elektrizitätswerk und
Moormühle kennen, entnehmen aus den aufliegenden Druck-
schriften, daß ein hervorragender Balnäologe kais. Rat Doktor
Arthur Löbel sich mit der Erforschung der Geheimnisse und


*) Aus der "Cz. Ztg."
[Spaltenumbruch]

Redaktion u. Adminiſtration:
Rathausſtraße 16.




Telephon-Nummer 161.




Abonnementsbedingungen:

Für Czernowitz
(mit Zuſtellung ins Haus):
monatl. K 1.80, vierteljähr. K 5.40,
halbj. K 10.80, ganzjähr. K 21.60.
(mit täglicher Poſtverſendung)
monatl. K 2, vierteljähr. K 6,
halbjähr. K 12, ganzjähr. K 24.

Für Deutſchland:
vierteljähr ..... 7 Mark.

Für Rumänien und den Balkan:
vierteljährig ..... 10 Lei.




Telegramme: Allgemeine, Czernowitz.


[Spaltenumbruch]
Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

[Spaltenumbruch]

Ankündigungen
Es koſtet im gewöhnlichen Inſe-
ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene
Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei
mehrmaliger Einſchaltung, für Re-
klame 40 h die Petitzeile. Inſerate
nehmen alle in- und ausländiſchen
Inſeratenbureaux ſowie die Ad-
miniſtration entgegen. — Einzel-
exemplare ſind in allen Zeitungs-
verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni-
verſitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Adminiſtration (Rat-
hausſtr. 16) erhältlich. In Wien
im Zeitungsbureau Goldſchmidt,
Wollzeile 11.

Einzelexemplare
10 Heller für Czernowitz.






Nr. 728. Czernowitz, Dienstag, den 12. Juni 1906.



[Spaltenumbruch]
Ueberſicht.

Vorgänge in Rußland.

In Warſchau fanden auf 23 Staatsbrandtweinladen Ueber-
fälle ſtatt.

Vom Tage.

In Wien wurden antimagyariſche Demonſtrationen ver-
anſtaltet.

Letzte Telegramme.

Graf Goluchowski erſtattet ſein Expoſee im Delegations-
ausſchuße. — Der Kaiſer erhebt den Generalsſtabschef Beck in
den Grafenſtand. — Dr. Lueger mißbilligt die antiungariſchen
Demonſtrationen ſeiner Parteigenoſſen.




Die Delegationen.


Die Thronrede, mit welcher heuer die Delegationen er-
öffnet wurden, beſchränkt ſich auf die Konſtatierung trockener
Tatſachen. Der Dreibund iſt nach wie vor der Angelpunkt
unſerer auswärtigen Politik, der Dreibund, der ſich in der
Schönbrunner Monarchen-Entrevue und dem Depeſchenwechſel
zwiſchen Wien und Rom als unantaſtbares Friedensbündnis
manifeſtiert hat. Der Hinweis auf die vermittelnde Tätigkeit
Oeſterreich-Ungarns auf der Konferenz von Algeciras, den
die Thronrede enthält, darf gleichfalls als Dokument des Be-
ſtandes des Dreibundes gelten. Als Ergänzung zu demſelben
findet das öſterreichiſch-ruſſiſche Balkanabkommen eine be-
ſondere Erwähnung u. zw. in Worten, welche die große
Intimität zwiſchen den Kabinetten von Wien und Petersburg
dartut. Die Thronrede ſpricht nämlich von dem „uns eng-
befreundeten Rußland“, eine Bezeichnung, die im wohl-
tuenden Gegenſatze ſteht zu der noch immer feindſeligen
Haltung der führenden parlamentariſchen Preſſe. Nimmt
man noch hinzu die deutlich genug erwähnten Mehr-
forderungen für Armee und Marine, ſo iſt der Inhalt der
Thronrede erſchöpft.

Das Schwergewicht der heurigen Delegationstagung
liegt aber nicht in der Thronrede, die keinerlei Ueberraſchungen
bieten konnte. Das Hauptmoment iſt in den internen
Vorgängen der ungariſchen Delegation zu ſuchen, welcher
[Spaltenumbruch] zum erſtenmale von der Kuſſuthpartei das Gepräge ver-
liehen wurde. Herr Barabas iſt der Vizepräſident der
ungariſchen Delegation, das ſagt viel, Herr Hollo will nur
noch heuer zugeben, daß die ungariſche Delegation zur Anhörung
der Thronrede in der Hofburg erſcheine, im nächſten Jahre dürfe
dies nicht mehr geſchehen, da die Delegation nur ein „Ausſchuß“ des
ungariſchen Reichstages ſei und ohne Förmlichkeiten ihre
Tätigkeit zu beginnen habe. Kurz geſagt: Die ungariſche
Delegation ſtellt ihre eigene Exiſtenz in Abrede, um die
letzten Spuren der Gemeinſamkeit zu verwiſchen. Die öſter-
reichiſche Delegation hält an der althergebrachten und durch
den Ausgleich gegebenen Form noch feſt, allein die Inter-
pellation Dobernig-Sylveſter an den Grafen Goluchowski
iſt der Ausdruck der eigentlichen Stimmung, welche auch in
der diesſeitigen Delegation herrſcht. Der gemeinſame Miniſter
des Aeußern wird nun von offizieller Stelle aus zugeben
müſſen, daß die gemeinſame Regierung zu dem erſten großen
Riß in die Gemeinſamkeit zugeſtimmt habe.

Was ſollen da noch die Delegationen? Sind ſie
nicht eine überlebte, von beiden Teilen nicht mehr
voll genommene Inſtitution? Und hatten nicht Beck und Hohen-
lohe Recht, als ſie angeſichts dieſer Tatſachen eine Reviſion
des Ausgleichs auf allen Linien forderten?

Dies darf allerdings nicht in der Weiſe vor ſich gehen,
wie es geſtern der chriſtlich-ſoziale Mob zu inaugurieren ver-
ſucht hat. Die Attacke auf das ungariſche Miniſterium in der
Bankgaſſe iſt ein nicht ſcharf genug zu mißbilligender Vor-
gang, der geeignet iſt, unſere noch ſo gerechten Forderungen
zu verdunkeln. Die ungariſche Delegation übt geſetzmäßig auf
öſterreichiſchem Boden ein ihr zuſtehendes Verfaſſungsrecht
auf, und jede Beleidigung, die ihr zugefügt wird, involviert
eine brutale Verletzung internationaler Höflichkeit und Gaſt-
freundſchaft. Die öſterreichiſche Regierung tat gut daran,
ihrerſeits ſofort alles zu veranlaſſen, was in einem ſolchen Falle
geboten war: der ungariſchen Regierung wegen der der ungariſchen
Delegation zugefügten Beleidigung volle Genugtuung zu ge-
währen. Die Bemerkung des Herrn Barabas, es handle ſich
um eine „höhere Weiſung“ war vollſtändig deplaziert. In
allen gebildeten und politiſch ernſt zu nehmenden Kreiſen
Oeſterreichs wird man die Handlungsweiſe der Wiener
Chriſtlich-Sozialen verdammen. Sie iſt tatſächlich geeignet,
[Spaltenumbruch] unſere Stellung zu Ungarn in ein ſchiefes Licht zu rücken,
während es uns um nichts weiker geht, als den Herren jen-
ſeits der Leitha in aller Ruhe auseinanderzuſetzen, daß auch
wir bereit ſind, unſer Haus ſelbſt zu beſtellen.




Die Vorgänge in Russland.
Rücktritt Goremykins?

Dem Abendblatt der „Birſchewja
Wjedomoſti“ iſt eine Meldung zugegangen, die beſtätigt, daß
die Demiſſion des Geſamtkabinetts geſtern
erfolgt iſt. Amtlich iſt die Richtigkeit dieſer Meldung nicht
beſtätigt.

Stürme auf Branntweinläden in Warſchau.

Zwiſchen 5 und 6 Uhr abends
fanden in der ganzen Stadt gleichzeitig bewaffnete Ueberfälle
auf 23 Staatsbranntweinläden ſtatt. In jedem dieſer Läden
wurde das Geld geraubt und alle Branntweinvorräte ver-
nichtet. In einzelnen Läden beträgt der angerichtete Schaden
15.000 Rubel. An den Angriffen beteiligten ſich etwa
90 junge Leute, die auf die Kaſſiererinnen feuerten und zwei
von ihnen ſchwer verletzten. Es kam auch zu blutigen Zu-
ſammenſtößen mit den Militärpatrouillen. Ein Soldat erſchoß
zwei Räuber, ein anderer Soldat und ein Oberſchutzmann
wurden von den Räubern verwundet. Nur ein Räuber konnte
verhaftet werden; die anderen entkamen. Fünf Monopolläden
wurden in Brand geſetzt, deren zwei gänzlich ausbrannten,
obwohl die Stadtfeuerwehr unverzüglich in Tätigkeit trat.
Starke Koſaken-, Huſaren- und Infanterie-Patrouillen durch-
ziehen alle Straßen der Stadt. Die Angriffe auf die Brannt-
weinläden werden als Racheakte der Sozialiſten für die heutige
Hinrichtung des Sozialiſten Marczewski angeſehen.

Dementis. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Die Petersburger Telegraphen-Agentur meldet: Die von
mehreren ruſſiſchen Zeitungen wiedergegebenen Gerüchte, wonach
die ruſſiſche Regierung die Abſicht hätte, eine neue auswärtige




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Bukareſter Jubiläums-Ausſtellung. *)
Kollektiv-Ansſtellung des Herzogtums
Bukowina.

Am weſtlichen Stirnende des öſterreichiſchen Pavillons,
die ganze Breite desſelben einnehmend, befindet ſich die Kollek-
tivausſtellung der Bukowina, die auch von außen ſchon ſich
als ein einheitliches Ganzes repräſentiert.

In der Fortſetzung des Haupt-Mittelganges und denſelben
abſchließend befindet ſich ein Portal mit ſchweren Portieren,
über demſelben als Hauptſchmuck eine Flagge mit dem buko-
winer Wappen und der Aufſchrift „Herzogtum Bukowina“;
zu beiden Seiten iſt je eine ſeidene Flagge in den bukowiner
Farben mit reicher Goldſtickerei und als Bekrönung derſelben
eine Cartouche mit den Initialien Sr. Majeſtät des Kaiſers
und der öſterr. Krone angebracht.

Die vier ſeitlichen Eingänge in die einzelnen Gruppen
dieſer Abteilung ſind durch Draperien hervorgehoben, über
deren jeder ein Schild mit der orientierenden Anfſchrift an-
gebracht iſt.

Die geſamten Abſchlußwände ſind mit Stoffen beſpannt
und darüber eine leichte elegante Holzarchitektur in Stabwerk
aufgeſetzt.

Das Geſamtarrangement der bukowiner Abteilung führte
namens des dortigen Komitees der Direktor der k. k. Gewerbe-
ſchule in Czernowitz Baurat E. Kolbenheyer durch, dem der
Prof. der gleichen Anſtalt, Valentin Seybold, von welchem
auch der Entwurf des Außenarrangements herrührt, in werk-
tätigſter Weiſe zur Seite ſtand.

Die Hauptgruppen dieſer Abteilung umfaſſen vom Portal
links vorerſt die „Ausſtellung der Direktion der Güter des
gr.-or. Religionsfondes,“ ſodann „Hausinduſtrielle Erzeugniſſe
der nicht rumäniſchen Volksſtämme des Landes,“ rechts vom
Portal vorerſt die Abteilung „Landeskultur und Landwirt-
[Spaltenumbruch] ſchaft,“ weiters „Gewerbliche Erzeugniſſe“ und „Landesver-
band für Fremdenverkehr in der Bukowina.“

Es iſt ſehr zu bedauern, daß durch den allzuſpäten Ent-
ſchluß einer offiziellen Beteiligung der Bukowina gerade die
gewerbliche Abteilung nicht ſo vertreten iſt, wie dieſes bei zeit-
gerechtem Handeln der Fall hätte ſein können; die kurze
Zeit an nur für ſich und überdies noch die beginnende Bau-
periode verhinderte die größte Zahl der namhaften Gewerbe-
treibenden ſich entſprechend zu beteiligen.

Nunmehr laſſen wir eine kurze Schilderung der einzelnen
Gruppen folgen:

I.
K. k. Direktion des gr.-or. Religionsfondes.

Die k. k. Direktion der Güter des bukowiner gr.-or.
Religionsfondes, an deren Spitze H. Hofrat J. Ullmann erfolgreich
wirkt, hat ein Gebiet von über 200.000 Hektar zu bewirt-
ſchaften. Daß ſie bei ihrer Wirtſchaftführung nicht bloß den
nackten fiskaliſchen Grundſätzen huldigt, ſondern darnach
trachtet, Muſtergiltiges für die Privatwirtſchaft zu ſchaffen,
iſt durch die Ausſtellung auf das klarſte nachgewieſen.

Bei der Güterverwaltung des Bukowiner gr.-vr. Religions-
ſondes ſind ſämtliche drei Urproduktionen vertreten: Die Forſt-
wirtſchaft, die Landwirtſchaft und der Bergbau und alle
dieſe Produktionszweige gelangen in intereſſanter Weiſe zur
Darſtellung. Auf der dem Eingange der Abteilung des Bu-
kowiner gr.-or. Religionsfondes gegenüber gelegenen Wand
fällt uns vor allem eine überſichtliche Darſtellung des
Material- und Geldertrages der Forſte des gr.-or. Religions-
fondes in den Jahren 1873 bis 1905 in die Augen und
erbringt uns den Beweis, daß eine fortſchrittliche Wirtſchaft
auch einen größeren Reinertrag abzuliefern imſtande iſt, denn
geradezu ſprunghaft iſt der Reinertrag aus den Fondsforſten
in jener Zeit emporgeſtiegen, in welcher der Bau von Wald-
bahnen und Waldſtraßen zum Abſchluſſe kam.

Für die Nachhaltigkeit der Forſterträge ſorgt die nach
ſtrengen forſtwirtſchaftlichen Grundſätzen arbeitende Forſtbe-
triebseinrichtung der k. k. Güterdirektion. Aus den hier aus-
geſtellten Betriebseinrichtungswerken kann entnommen werden,
daß heute in der Bukowina das teilweiſe Exploitationsſyſtem
[Spaltenumbruch] zum Heile der Forſte aufgegeben iſt und einen alle Anfor
derungen der Forſtwirtſchaft Rechnung tragende Schlagführung
gehandhabt wird.

Dieſer vom Forſtmeiſter Franz Czech geſchickt zuſammen-
geſtellte Teil der Ausſtellung wird im Zuſammenhange mit
der vom Forſtrat Joſef Opletal beſorgten Darſtellung des
auf höchſter Stufe ſtehenden forſtlichen Bringungsweſens für
den Fachmann ſehr Intereſſantes bieten, aber auch für den
Laien anziehend ſein, weil nicht unterlaſſen wurde, den wiſſen-
ſchaftlich behandelten Stoff durch Beigabe charakteriſtiſcher
Photographien allgemein verſtändlich zu machen. Jagdtrophäen,
unter welchen insbeſondere kapitale Geweihe von Bukowiner
Karpathenhirſchen hervorragen, und alte Wildſchützenwaffen
laſſen den Beſchauer der Ausſtellung auch nicht die Romantik
des Waldes vergeſſen und rufen bei manchen die Sehnſucht
nach der grünen Einſamkeit wieder wach.

Links von der Forſtwirtſchaft gelangte die Landwirtſchaft
auf den Religionsfondsgütern zur Ausſtellung. Karten und
Lichtbilder der 29 Fondsmeierhöfe zeigen uns die Ordnung
und zweckmäßige wirtſchaftliche Führung auf dieſen Pacht-
gütern, ohne jedoch die effektvoll arrangierte Ausſtellung der
Muſterteichwirtſchaft in Kotzman verdunkeln zu können. Der
Schöpfer dieſer Teichwirtſchaft Regierungsrat Zdenko Trinks
hat uns ſein Werk nicht nur in Karten, ſondern auch in
naturgetreu ausgeführten Modellen und Zuleitungsvor-
richtungen vorgeführt und ſich dadurch den Dank der Zu-
ſchauer geſichert.

Wenden wir uns der gegenüber dem von uns ſoeben be-
trachteten Raume gelegenen Seite zu, ſo tritt uns vor allem
die Ausſtellung der bekannten Kuranlagen des Bukowiner
gr.-or. Religionsfondes in Dornawatra entgegen. Aus einer
Tabelle entnehmen wir, daß Dorna über kräftigere Eiſen-
wäſſer verfügt als Spaa oder Franzensbad, aus den auf-
gelegten Plänen und Photographien lernen wir die ſchönen
Bauten der modernen Badeanſtalt für Kohlenſäure-, Stahl-
und Moorbäder, des Kurhauſes, des Kurhotels, der Quellen-
pavillons und der Betriebsgebäude wie Elektrizitätswerk und
Moormühle kennen, entnehmen aus den aufliegenden Druck-
ſchriften, daß ein hervorragender Balnäologe kaiſ. Rat Doktor
Arthur Löbel ſich mit der Erforſchung der Geheimniſſe und


*) Aus der „Cz. Ztg.“
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Einzelexemplare 10 Heller für Czernowitz. Nr. 728. Czernowitz, Dienstag, den 12. Juni 1906. Ueberſicht. Vorgänge in Rußland. In Warſchau fanden auf 23 Staatsbrandtweinladen Ueber- fälle ſtatt. Vom Tage. In Wien wurden antimagyariſche Demonſtrationen ver- anſtaltet. Letzte Telegramme. Graf Goluchowski erſtattet ſein Expoſee im Delegations- ausſchuße. — Der Kaiſer erhebt den Generalsſtabschef Beck in den Grafenſtand. — Dr. Lueger mißbilligt die antiungariſchen Demonſtrationen ſeiner Parteigenoſſen. Die Delegationen. Czernowitz, 9. Juni. Die Thronrede, mit welcher heuer die Delegationen er- öffnet wurden, beſchränkt ſich auf die Konſtatierung trockener Tatſachen. Der Dreibund iſt nach wie vor der Angelpunkt unſerer auswärtigen Politik, der Dreibund, der ſich in der Schönbrunner Monarchen-Entrevue und dem Depeſchenwechſel zwiſchen Wien und Rom als unantaſtbares Friedensbündnis manifeſtiert hat. Der Hinweis auf die vermittelnde Tätigkeit Oeſterreich-Ungarns auf der Konferenz von Algeciras, den die Thronrede enthält, darf gleichfalls als Dokument des Be- ſtandes des Dreibundes gelten. Als Ergänzung zu demſelben findet das öſterreichiſch-ruſſiſche Balkanabkommen eine be- ſondere Erwähnung u. zw. in Worten, welche die große Intimität zwiſchen den Kabinetten von Wien und Petersburg dartut. Die Thronrede ſpricht nämlich von dem „uns eng- befreundeten Rußland“, eine Bezeichnung, die im wohl- tuenden Gegenſatze ſteht zu der noch immer feindſeligen Haltung der führenden parlamentariſchen Preſſe. Nimmt man noch hinzu die deutlich genug erwähnten Mehr- forderungen für Armee und Marine, ſo iſt der Inhalt der Thronrede erſchöpft. Das Schwergewicht der heurigen Delegationstagung liegt aber nicht in der Thronrede, die keinerlei Ueberraſchungen bieten konnte. Das Hauptmoment iſt in den internen Vorgängen der ungariſchen Delegation zu ſuchen, welcher zum erſtenmale von der Kuſſuthpartei das Gepräge ver- liehen wurde. Herr Barabas iſt der Vizepräſident der ungariſchen Delegation, das ſagt viel, Herr Hollo will nur noch heuer zugeben, daß die ungariſche Delegation zur Anhörung der Thronrede in der Hofburg erſcheine, im nächſten Jahre dürfe dies nicht mehr geſchehen, da die Delegation nur ein „Ausſchuß“ des ungariſchen Reichstages ſei und ohne Förmlichkeiten ihre Tätigkeit zu beginnen habe. Kurz geſagt: Die ungariſche Delegation ſtellt ihre eigene Exiſtenz in Abrede, um die letzten Spuren der Gemeinſamkeit zu verwiſchen. Die öſter- reichiſche Delegation hält an der althergebrachten und durch den Ausgleich gegebenen Form noch feſt, allein die Inter- pellation Dobernig-Sylveſter an den Grafen Goluchowski iſt der Ausdruck der eigentlichen Stimmung, welche auch in der diesſeitigen Delegation herrſcht. Der gemeinſame Miniſter des Aeußern wird nun von offizieller Stelle aus zugeben müſſen, daß die gemeinſame Regierung zu dem erſten großen Riß in die Gemeinſamkeit zugeſtimmt habe. Was ſollen da noch die Delegationen? Sind ſie nicht eine überlebte, von beiden Teilen nicht mehr voll genommene Inſtitution? Und hatten nicht Beck und Hohen- lohe Recht, als ſie angeſichts dieſer Tatſachen eine Reviſion des Ausgleichs auf allen Linien forderten? Dies darf allerdings nicht in der Weiſe vor ſich gehen, wie es geſtern der chriſtlich-ſoziale Mob zu inaugurieren ver- ſucht hat. Die Attacke auf das ungariſche Miniſterium in der Bankgaſſe iſt ein nicht ſcharf genug zu mißbilligender Vor- gang, der geeignet iſt, unſere noch ſo gerechten Forderungen zu verdunkeln. Die ungariſche Delegation übt geſetzmäßig auf öſterreichiſchem Boden ein ihr zuſtehendes Verfaſſungsrecht auf, und jede Beleidigung, die ihr zugefügt wird, involviert eine brutale Verletzung internationaler Höflichkeit und Gaſt- freundſchaft. Die öſterreichiſche Regierung tat gut daran, ihrerſeits ſofort alles zu veranlaſſen, was in einem ſolchen Falle geboten war: der ungariſchen Regierung wegen der der ungariſchen Delegation zugefügten Beleidigung volle Genugtuung zu ge- währen. Die Bemerkung des Herrn Barabas, es handle ſich um eine „höhere Weiſung“ war vollſtändig deplaziert. In allen gebildeten und politiſch ernſt zu nehmenden Kreiſen Oeſterreichs wird man die Handlungsweiſe der Wiener Chriſtlich-Sozialen verdammen. Sie iſt tatſächlich geeignet, unſere Stellung zu Ungarn in ein ſchiefes Licht zu rücken, während es uns um nichts weiker geht, als den Herren jen- ſeits der Leitha in aller Ruhe auseinanderzuſetzen, daß auch wir bereit ſind, unſer Haus ſelbſt zu beſtellen. Die Vorgänge in Russland. Rücktritt Goremykins? Petersburg, 10. Juni. Dem Abendblatt der „Birſchewja Wjedomoſti“ iſt eine Meldung zugegangen, die beſtätigt, daß die Demiſſion des Geſamtkabinetts geſtern erfolgt iſt. Amtlich iſt die Richtigkeit dieſer Meldung nicht beſtätigt. Stürme auf Branntweinläden in Warſchau. Warſchau, 10. Juni. Zwiſchen 5 und 6 Uhr abends fanden in der ganzen Stadt gleichzeitig bewaffnete Ueberfälle auf 23 Staatsbranntweinläden ſtatt. In jedem dieſer Läden wurde das Geld geraubt und alle Branntweinvorräte ver- nichtet. In einzelnen Läden beträgt der angerichtete Schaden 15.000 Rubel. An den Angriffen beteiligten ſich etwa 90 junge Leute, die auf die Kaſſiererinnen feuerten und zwei von ihnen ſchwer verletzten. Es kam auch zu blutigen Zu- ſammenſtößen mit den Militärpatrouillen. Ein Soldat erſchoß zwei Räuber, ein anderer Soldat und ein Oberſchutzmann wurden von den Räubern verwundet. Nur ein Räuber konnte verhaftet werden; die anderen entkamen. Fünf Monopolläden wurden in Brand geſetzt, deren zwei gänzlich ausbrannten, obwohl die Stadtfeuerwehr unverzüglich in Tätigkeit trat. Starke Koſaken-, Huſaren- und Infanterie-Patrouillen durch- ziehen alle Straßen der Stadt. Die Angriffe auf die Brannt- weinläden werden als Racheakte der Sozialiſten für die heutige Hinrichtung des Sozialiſten Marczewski angeſehen. Dementis. Petersburg, 10. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Die Petersburger Telegraphen-Agentur meldet: Die von mehreren ruſſiſchen Zeitungen wiedergegebenen Gerüchte, wonach die ruſſiſche Regierung die Abſicht hätte, eine neue auswärtige Feuilleton. Bukareſter Jubiläums-Ausſtellung. *) Kollektiv-Ansſtellung des Herzogtums Bukowina. Am weſtlichen Stirnende des öſterreichiſchen Pavillons, die ganze Breite desſelben einnehmend, befindet ſich die Kollek- tivausſtellung der Bukowina, die auch von außen ſchon ſich als ein einheitliches Ganzes repräſentiert. In der Fortſetzung des Haupt-Mittelganges und denſelben abſchließend befindet ſich ein Portal mit ſchweren Portieren, über demſelben als Hauptſchmuck eine Flagge mit dem buko- winer Wappen und der Aufſchrift „Herzogtum Bukowina“; zu beiden Seiten iſt je eine ſeidene Flagge in den bukowiner Farben mit reicher Goldſtickerei und als Bekrönung derſelben eine Cartouche mit den Initialien Sr. Majeſtät des Kaiſers und der öſterr. Krone angebracht. Die vier ſeitlichen Eingänge in die einzelnen Gruppen dieſer Abteilung ſind durch Draperien hervorgehoben, über deren jeder ein Schild mit der orientierenden Anfſchrift an- gebracht iſt. Die geſamten Abſchlußwände ſind mit Stoffen beſpannt und darüber eine leichte elegante Holzarchitektur in Stabwerk aufgeſetzt. Das Geſamtarrangement der bukowiner Abteilung führte namens des dortigen Komitees der Direktor der k. k. Gewerbe- ſchule in Czernowitz Baurat E. Kolbenheyer durch, dem der Prof. der gleichen Anſtalt, Valentin Seybold, von welchem auch der Entwurf des Außenarrangements herrührt, in werk- tätigſter Weiſe zur Seite ſtand. Die Hauptgruppen dieſer Abteilung umfaſſen vom Portal links vorerſt die „Ausſtellung der Direktion der Güter des gr.-or. Religionsfondes,“ ſodann „Hausinduſtrielle Erzeugniſſe der nicht rumäniſchen Volksſtämme des Landes,“ rechts vom Portal vorerſt die Abteilung „Landeskultur und Landwirt- ſchaft,“ weiters „Gewerbliche Erzeugniſſe“ und „Landesver- band für Fremdenverkehr in der Bukowina.“ Es iſt ſehr zu bedauern, daß durch den allzuſpäten Ent- ſchluß einer offiziellen Beteiligung der Bukowina gerade die gewerbliche Abteilung nicht ſo vertreten iſt, wie dieſes bei zeit- gerechtem Handeln der Fall hätte ſein können; die kurze Zeit an nur für ſich und überdies noch die beginnende Bau- periode verhinderte die größte Zahl der namhaften Gewerbe- treibenden ſich entſprechend zu beteiligen. Nunmehr laſſen wir eine kurze Schilderung der einzelnen Gruppen folgen: I. K. k. Direktion des gr.-or. Religionsfondes. Die k. k. Direktion der Güter des bukowiner gr.-or. Religionsfondes, an deren Spitze H. Hofrat J. Ullmann erfolgreich wirkt, hat ein Gebiet von über 200.000 Hektar zu bewirt- ſchaften. Daß ſie bei ihrer Wirtſchaftführung nicht bloß den nackten fiskaliſchen Grundſätzen huldigt, ſondern darnach trachtet, Muſtergiltiges für die Privatwirtſchaft zu ſchaffen, iſt durch die Ausſtellung auf das klarſte nachgewieſen. Bei der Güterverwaltung des Bukowiner gr.-vr. Religions- ſondes ſind ſämtliche drei Urproduktionen vertreten: Die Forſt- wirtſchaft, die Landwirtſchaft und der Bergbau und alle dieſe Produktionszweige gelangen in intereſſanter Weiſe zur Darſtellung. Auf der dem Eingange der Abteilung des Bu- kowiner gr.-or. Religionsfondes gegenüber gelegenen Wand fällt uns vor allem eine überſichtliche Darſtellung des Material- und Geldertrages der Forſte des gr.-or. Religions- fondes in den Jahren 1873 bis 1905 in die Augen und erbringt uns den Beweis, daß eine fortſchrittliche Wirtſchaft auch einen größeren Reinertrag abzuliefern imſtande iſt, denn geradezu ſprunghaft iſt der Reinertrag aus den Fondsforſten in jener Zeit emporgeſtiegen, in welcher der Bau von Wald- bahnen und Waldſtraßen zum Abſchluſſe kam. Für die Nachhaltigkeit der Forſterträge ſorgt die nach ſtrengen forſtwirtſchaftlichen Grundſätzen arbeitende Forſtbe- triebseinrichtung der k. k. Güterdirektion. Aus den hier aus- geſtellten Betriebseinrichtungswerken kann entnommen werden, daß heute in der Bukowina das teilweiſe Exploitationsſyſtem zum Heile der Forſte aufgegeben iſt und einen alle Anfor derungen der Forſtwirtſchaft Rechnung tragende Schlagführung gehandhabt wird. Dieſer vom Forſtmeiſter Franz Czech geſchickt zuſammen- geſtellte Teil der Ausſtellung wird im Zuſammenhange mit der vom Forſtrat Joſef Opletal beſorgten Darſtellung des auf höchſter Stufe ſtehenden forſtlichen Bringungsweſens für den Fachmann ſehr Intereſſantes bieten, aber auch für den Laien anziehend ſein, weil nicht unterlaſſen wurde, den wiſſen- ſchaftlich behandelten Stoff durch Beigabe charakteriſtiſcher Photographien allgemein verſtändlich zu machen. Jagdtrophäen, unter welchen insbeſondere kapitale Geweihe von Bukowiner Karpathenhirſchen hervorragen, und alte Wildſchützenwaffen laſſen den Beſchauer der Ausſtellung auch nicht die Romantik des Waldes vergeſſen und rufen bei manchen die Sehnſucht nach der grünen Einſamkeit wieder wach. Links von der Forſtwirtſchaft gelangte die Landwirtſchaft auf den Religionsfondsgütern zur Ausſtellung. Karten und Lichtbilder der 29 Fondsmeierhöfe zeigen uns die Ordnung und zweckmäßige wirtſchaftliche Führung auf dieſen Pacht- gütern, ohne jedoch die effektvoll arrangierte Ausſtellung der Muſterteichwirtſchaft in Kotzman verdunkeln zu können. Der Schöpfer dieſer Teichwirtſchaft Regierungsrat Zdenko Trinks hat uns ſein Werk nicht nur in Karten, ſondern auch in naturgetreu ausgeführten Modellen und Zuleitungsvor- richtungen vorgeführt und ſich dadurch den Dank der Zu- ſchauer geſichert. Wenden wir uns der gegenüber dem von uns ſoeben be- trachteten Raume gelegenen Seite zu, ſo tritt uns vor allem die Ausſtellung der bekannten Kuranlagen des Bukowiner gr.-or. Religionsfondes in Dornawatra entgegen. Aus einer Tabelle entnehmen wir, daß Dorna über kräftigere Eiſen- wäſſer verfügt als Spaa oder Franzensbad, aus den auf- gelegten Plänen und Photographien lernen wir die ſchönen Bauten der modernen Badeanſtalt für Kohlenſäure-, Stahl- und Moorbäder, des Kurhauſes, des Kurhotels, der Quellen- pavillons und der Betriebsgebäude wie Elektrizitätswerk und Moormühle kennen, entnehmen aus den aufliegenden Druck- ſchriften, daß ein hervorragender Balnäologe kaiſ. Rat Doktor Arthur Löbel ſich mit der Erforſchung der Geheimniſſe und *) Aus der „Cz. Ztg.“

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 728, Czernowitz, 12.06.1906, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer728_1906/1>, abgerufen am 21.11.2024.