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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 784, Czernowitz, 21.08.1906.

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Rathausstraße 16.




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Telegramme: Allgemeine, Czernowitz.


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Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

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Ankündigungen
Es kostet im gewöhnlichen Inse-
ratenteil 12 h die 6mal gespaltene
Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei
mehrmaliger Einschaltung, für Re-
klame 40 h die Petitzeile. Inserate
nehmen alle in- und ausländischen
Inseratenbureaux sowie die Ad-
ministration entgegen. -- Einzel-
exemplare sind in allen Zeitungs-
verschleißen, Trafiken, der k. k. Uni-
versitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Administration (Rat-
hausstr. 16) erhältlich. In Wien
im Zeitungsbureau Goldschmidt,
Wollzeile 11.

Einzelexemplare
10 Heller für Czernowitz.






Nr. 784. Czernowitz, Dienstag, den 21. August 1906.



[Spaltenumbruch]
Uebersicht.

Die Vorgänge in Rußland.

Das Kriegsgericht in Kronstadt verurteilte 10 Teilnehmer
am bewaffneten Aufstande zum Tode und 12 zu Zwangsarbeit.
-- Nach einer amtlichen Meldung ist die Nachricht von der
Einführung der Militärdiktatur unbegründet.

Letzte Telegramme.

Durch die Erdbebenkatastrophe in Valparaiso wurden nach
einer amtlichen Meldung 55 Personen getötet und hunderte ver-
letzt. Der Schaden soll angeblich Pfund Sterling betragen.
-- In Jurewka fand gestern ein von tausenden von
Arbeitern besuchtes Meeting statt, das einen blutigen Verlauf nahm.




Der Kulturkampf in Frankreich. (Orig.-Korr.)

Das Schriftstück, das jüngst Pius X. am Laurentius-
tage an das französische Episkopat sandte und das hier zu
Maria Himmelfahrt öffentlich bekanntgegeben wurde, hat zwar
seine Wirkung nicht verfehlt, dürfte aber in seinen Folgen
die im Vatikan gehegten Erwartungen kaum erfüllen. Die
Katholiken aufzurütteln, zum energischen Widerstande gegen
die "Bedränger" der Kirche zu vereinigen, -- das muß sich
doch nach dem Durchlesen dieser Enzyklika als ihr Zweck
jedermann aufdrängen. Aber die Lehren der jüngsten Ver-
gangenheit lassen keinen Zweifel an der Fruchtlosigkeit eines
derartigen Unterfangens zu. Wie sehr treffend selbst von Rom
unbefangen und versöhnlich gegenüberstehenden großen Organen
der öffentlichen Meinung erklärt wird, hat der Ausfall, der
Wahlen, bei denen das Trennungsgesetz mit all seinen Kon-
sequenzen die Lösung bildete, jede Berufung des Vatikans
gegen dieses unmöglich gemacht.

Aber ist es denn ganz sicher, daß der Papst mit dieser
Enzyklika trotz ihres kategorischen Tones und ihrer strengen
Abweisung der Kultusverbände auch in der Praxis, nachdem
sie theoretisch schon längst von dem Oberhaupte der katholischen
Kirche verdammt worden waren, jede Verständigung verwirft
und den Kulturkampf akut zu machen sucht? Diese Frage
wird sehr eifrig erörtert und man führt für ihre Berechtigung
[Spaltenumbruch] besonders die Stelle des päpstlichen Schriftstückes an, in der
erklärt wird, der Statthalter Christi könne nur gleichzeitig
kanonischen und gesetzmäßigen Verbänden seine Zustimmung
geben, wie solche indessen durch das Trennungsgesetz in seiner
bestehenden Fassung unmöglich gemacht find, weshalb er auch
jeden Versuch in dieser Hinsicht zurückw[eis]en müsse. Und man
glaubt annehmen zu dürfen, daß Pius X., der an einer
anderen Stelle der Enzyklika ausdrücklich Bürgschaften für
die Wahrung der katholischen Hierarchie verlangt, gegen die
Zuerkennung des Besitzes der Kirchen und Stiftungen, sowie
der kirchlichen Vermögen- und Liegenschaften an den Klerus
selbst die Kultusverbände hinnehmen würde. Natürlich wird
aber ein derartiges Verlangen von vorneherein, selbst von
sehr gemäßigten Republikanern, als durchaus unerfüllbar
scharf abgelehnt, da damit ja der katholischen Kirche Vor-
rechte zugestanden werden würden, die sogar von den streng-
gläubigsten katholischen Herrschern nie gewährt worden wären.
Es gilt indessen als höchst wahrscheinlich, daß man im
Vatikan auch mit bedeutend Geringerem vorlieb nehmen
würde und daß die Veröffentlichung der Enzyklika nur den
Zweck habe, bezügliche Vorschläge der französischen Regierung
zu veranlassen.

Aber auch in dieser Hinsicht ist nicht das Geringste
seitens der derzeitigen Machthaber und seitens der parla-
mentarischen Mehrheit zu erwarten. Diese sehen vielmehr dem
angedrohten Widerstande und Kampfe kühl bis ans Herz
hinan entgegen und erklären in klarsten Worten, an denen es
nichts zu deuteln gibt, daß das Trennungsgesetz ohne jede
Aenderung und Milderung in allen seinen Einzelheiten durch-
geführt werden würde. Die Haltung des Vatikans könnte
nur eine Verschärfung herbeiführen, derart etwa, daß man
sofort den 11. Dezember des laufenden Jahres als Frist
für die Bildung der Kultusverbände festsetzt und dann nach
den ausbedungenen zwei Monaten die Kirche schließt, wenn
diese Bildung nicht erfolgt, und sie den Gemeinden überweist,
während das Gesetzt hiefür als letzte Frist den 11. De-
zember 1907 festsetzt. Einige antiklerikale Hitzköpfe verlangen
auch, man solle die Gesuche der Priester um die Pensionen
und Zuwendungen, die im Trennungsgesetze aufgeworfen sind,
einfach in den Papierkorb werfen, was selbstverständlich als
[Spaltenumbruch] Bruch eines feierlichen, im Namen der Nation gegebenen
Versprechens energisch zurückgewiesen wird.

Verschiedentlich, so auch von dem sofort in seinem
Heimatsorte Pons von einem "Matin"-Mitarbeiter inter-
viewten Schöpfer des Gesetzes, Combes, werden der katho-
lischen Kirche die Gefahren des Abfalles großer Massen und
die eines Schismas als Konsequenzen ihrer "Unversöhnlichkeit"
vorgehalten. Man rechnet hier sehr ernsthaft damit, daß sich
in vielen Gegenden und Orten trotz des päpstlichen Verbotes
Kultusverbände in der von dem Gesetze verlangten Form
bilden könnten, und fragt dabei, wie die Regierung sich zu
diesen stellen würde, da doch Artikel 4 des Trennungsgesetzes
nur solche katholische Priester zur Ausübung ihres Berufes
zuläßt, deren Bestellung den Satzungen der Kirche gemäß
erfolgt ist, die also von Rom bestätigt sein müssen. Es wird
also sehr wahrscheinlich sofort nach dem Zufammentreten der
Kammern die bereits mehrfach sehr energisch erhobene
Forderung auf Streichung oder gründliche Abänderung dieses
Artikels 4 von Sozialisten und sozialistischen Radikalen neu
eingebracht werden. -- Kurz, alles deutet darauf hin, daß
der katholischen Kirche in Frankreich die schwersten Prüfungen
bevorstehen, die nach dem Urteile zahlreicher und nicht
gerade der unbedeutendsten Katholiken leicht hätte vermieden
werden können. Und man muß es als unheilvolle Ver-
blendung bezeichnen, wenn einige mehr von dem Hasse gegen
die Republik, als von wahrem Glaubenseifer beseelte
Zeitungen triumphierend verkünden, der Canoßagang der
republikanischen Machthaber stehe unmittelbar bevor.




Die Vorgänge in Rußland.
Das Urteil des Kriegsgerichtes von
Kronstadt.
(Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Das Kreisgericht verurteilte heute 10 Teilnehmer am
bewaffneten Aufstande zum Tode und 122 zur
Zwangsarbeit; 15 Angeklagte wurden frei-
gesprochen.




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Die schönste Frau.
-- Nach dem Französischen. --

"Von allen Anwesenden war Madame Lebadoy un-
streitig die Schönste -- wie immer!" behauptete Xavier
Ancel.

"Ohne Zweifel ... ohne Zweifel", erwiderte eine
junge Frau, leicht verstimmt durch dieses öffentliche Lob, das
ihr gerade nicht sehr galant erschien. "Madame Lebadoy ist
immer noch verführerisch, doch sollte sie anfangen, auf alle
Ansprüche an Jugendlichkeit zu verzichten, und das ist doch
ein trauriges Anzeichen, daß ihre Herrschaft bald zu Ende
sein wird."

"Was kommt es auf das Alter an, wenn man es
versteht, hübsch zu bleiben," erwiderte eine üppige staatliche
Brünette.

"Die Schönheit von Madame Lebadny kann nicht be-
krittelt werden. Sie ist das Weib in seiner Vollkommenheit",
fügte eine anziehende Blondine hinzu, "ein wenig reif, doch
anmutsvoll verblühend wie eine von ihrem Stengel ge-
trennte Blume."

"Uebrigens hat die Jugend sie noch nicht verlassen",
bezeugte ein junger Arzt, ein Stammgast in Madame Leba-
doy's Salon. "Aus ihren Augen sprüht es in Lebenslust,
und ihre Bewegungen sind gewandt und flink wie die eines
jungen Rehes ..."

"Sie kleidet sich göttlich, und da sie reich ist, strahlt sie
in ihrem Luxus."

"Ihre Kunst liegt darin, ihre Kräfte richtig zu messen,"
suhr der Arzt fort. Wieviele Frauen müssen die Waffen
strecken, weil sie ihre Schönheit allzu sehr abnützen. Ueberall
wollen sie bewundert werden, bei den Matinees, den Thees,
den Soirees ... ohne Waffenstillstand, ohne Ruhe! Madame
Lebadoy dagegen steht, wie es scheint, erst gegen 4 Uhr
Nachmittags auf. Dann widmet sie zwei Stunden den
[Spaltenumbruch] Bädern, Douchen, Massagen, Pedikuren, Manikuren, Friseuren.
Wie sollte eine Frau bei dieser einer Göttin würdigen Pflege
nicht schön bleiben, um sich am Schluß aller Dinge in ewiger
Schönheit zu munifizieren!"

"Welches Alter geben Sie ihr denn?"

"Sie scheint dreißig ... das ist das Alter des Weibes
... das ist das Alter der Liebe."

"Was wollen Sie damit sagen in Bezug auf Madame
Lebadoy."

"O, nichts! ... Madame Lebadoy hat nach Ansicht
aller Frauen, die sie kennen, stets ein tadelloses Leben
geführt."

"War nicht früher einmal die Rede gewesen von einem
Selbstmord, an dem sie schuld sein sollte?"

"Das ist noch nicht lange her, höchstens zwei Jahre ...
Ein junger Mann von neunzehn Jahren tötete sich aus
Verzweiflung, weil sie nicht einmal Blicke für ihn hatte. An
diesem Anfall von Verrücktheit war Madame Lebadoy ganz
unschuldig ... Sie ist keine ungesunde Frau, denn sich in
ein Kind verlieben, ist eine Verwirrung des Geistes, eine
Verderbtheit der Sinne. Diese Krankheiten muß eine ehren-
werte Frau bei den ersten Anzeichen niederkämpfen ....
später denkt man nicht mehr daran!"

"Und diejenigen, die doch noch daran denken?" fragte
die Blonde.

"Die haben eben nichts Anderes zu tun!"

"Sie sind streng!"

"Der Doktor ist gerecht", fiel die Herrin des Hauses
ein. "Man muß seine Neigungen zu bekämpfen wissen. Wo
wären wir Alle um diese Stunde, wenn wir uns willenlos
hätten forttreiben lassen?"

"Einige wären vielleicht noch hier .... Weshalb
nicht?"

"Dann kämen sie von weit her! Besser ist es nicht,
dorthin zu gehen! Und Madame Lebadoy braucht sich keine
Vorwürfe zu machen über das traurige Ende dieses jungen
Toren, dessen Mutter sie hätte sein können."

"Oder Großmutter", berichtete die junge Frau, die schon
[Spaltenumbruch] vorher der Heldin dieser Geschichte die Jugend abgesprochen
hatte.

Jedermann dachte bei sich, daß wohl etwas Eifersucht
und Bitterkeit im Spiele wäre bei den wenig wohlwollenden
Worten dieser allzu jungen Person, die nur selten zu den
Empfängen der schönen Madame Lebadoy eingeladen
wurde.




Während dieser Unterhaltung weilte die so beschriebene
Madame Lebadoy noch in ihrem Toilettenzimmer, mit der
Vorbereitung zu einem Balle beschäftigt.

Das Heiligtum war von elektrischen Lampen beleuchtet,
deren Licht durch dünnen, hellfarbenen Seidenmusselin abge-
dämpft war. Man hätte glauben können, sich in dem An-
kleidezimmer einer Schauspielerin zu befinden, die sich tausend
Verwandlungen unterziehen muß, wenn man diese Unmassen
von Flaschen, Fläschchen, Dosen, Büchsen, Schönheitsmitteln
sah, die alle auf dem mit Alenconspitzen verzierten Toiletten-
tisch standen. Madame Lebadoy, vor ihrer Psyche sitzend, hatte
an jenem Abend, trotz ihres gleichmäßigen Charakters, etwas
nervöse Bewegungen, auch entfuhr ihr ab und zu ein Ausruf der
Ungeduld. Mit finsterer Miene wandte sie sich an ihre Jungfer
und sagte wie eine Operndiva:

"Aline, ich muß entschieden der Welt Lebewohl sagen."

"Das ist Gedanke, mit dem sich Madame nun schon
seit zwei Jahren quält ... Weshalb aber den Vegnügungen
der Welt entsagen, weil heute abends die Haarrolle auf der
Stirn von Madame nicht gleich halten will ... Ist das
ein Grund, Alles so schwarz zu sehen?"

"Ja, Aline, Sie haben ganz recht, Alles, was ich früher
rosa sah, ist jetzt schwarz geworden."

"Es wäre wohl besser, man befestigte die Stirnrolle
direkt an der Perrücke von Madame."

"O, diese Last! Alles, was ich besaß, geht, und Alles
wovor ich mich fürchtete, kommt ..... Sehen Sie nur
meine Augen, von Tag zu Tag werden sie matter und ver-
welkter."


[Spaltenumbruch]

Redaktion u. Adminiſtration:
Rathausſtraße 16.




Telephon-Nummer 161.




Abonnementsbedingungen:

Für Czernowitz
(mit Zuſtellung ins Haus):
monatl. K 1.80, vierteljähr. K 5.40,
halbj. K 10.80, ganzjähr. K 21.60.
(mit täglicher Poſtverſendung)
monatl. K 2, vierteljähr. K 6,
halbjähr. K 12, ganzjähr. K 24.

Für Deutſchland:
vierteljährig ..... 7 Mark.

Für Rumänien und den Balkan:
vierteljährig ..... 10 Lei.




Telegramme: Allgemeine, Czernowitz.


[Spaltenumbruch]
Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

[Spaltenumbruch]

Ankündigungen
Es koſtet im gewöhnlichen Inſe-
ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene
Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei
mehrmaliger Einſchaltung, für Re-
klame 40 h die Petitzeile. Inſerate
nehmen alle in- und ausländiſchen
Inſeratenbureaux ſowie die Ad-
miniſtration entgegen. — Einzel-
exemplare ſind in allen Zeitungs-
verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni-
verſitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Adminiſtration (Rat-
hausſtr. 16) erhältlich. In Wien
im Zeitungsbureau Goldſchmidt,
Wollzeile 11.

Einzelexemplare
10 Heller für Czernowitz.






Nr. 784. Czernowitz, Dienstag, den 21. August 1906.



[Spaltenumbruch]
Uebersicht.

Die Vorgänge in Rußland.

Das Kriegsgericht in Kronſtadt verurteilte 10 Teilnehmer
am bewaffneten Aufſtande zum Tode und 12 zu Zwangsarbeit.
— Nach einer amtlichen Meldung iſt die Nachricht von der
Einführung der Militärdiktatur unbegründet.

Letzte Telegramme.

Durch die Erdbebenkataſtrophe in Valparaiſo wurden nach
einer amtlichen Meldung 55 Perſonen getötet und hunderte ver-
letzt. Der Schaden ſoll angeblich Pfund Sterling betragen.
— In Jurewka fand geſtern ein von tauſenden von
Arbeitern beſuchtes Meeting ſtatt, das einen blutigen Verlauf nahm.




Der Kulturkampf in Frankreich. (Orig.-Korr.)

Das Schriftſtück, das jüngſt Pius X. am Laurentius-
tage an das franzöſiſche Episkopat ſandte und das hier zu
Maria Himmelfahrt öffentlich bekanntgegeben wurde, hat zwar
ſeine Wirkung nicht verfehlt, dürfte aber in ſeinen Folgen
die im Vatikan gehegten Erwartungen kaum erfüllen. Die
Katholiken aufzurütteln, zum energiſchen Widerſtande gegen
die „Bedränger“ der Kirche zu vereinigen, — das muß ſich
doch nach dem Durchleſen dieſer Enzyklika als ihr Zweck
jedermann aufdrängen. Aber die Lehren der jüngſten Ver-
gangenheit laſſen keinen Zweifel an der Fruchtloſigkeit eines
derartigen Unterfangens zu. Wie ſehr treffend ſelbſt von Rom
unbefangen und verſöhnlich gegenüberſtehenden großen Organen
der öffentlichen Meinung erklärt wird, hat der Ausfall, der
Wahlen, bei denen das Trennungsgeſetz mit all ſeinen Kon-
ſequenzen die Löſung bildete, jede Berufung des Vatikans
gegen dieſes unmöglich gemacht.

Aber iſt es denn ganz ſicher, daß der Papſt mit dieſer
Enzyklika trotz ihres kategoriſchen Tones und ihrer ſtrengen
Abweiſung der Kultusverbände auch in der Praxis, nachdem
ſie theoretiſch ſchon längſt von dem Oberhaupte der katholiſchen
Kirche verdammt worden waren, jede Verſtändigung verwirft
und den Kulturkampf akut zu machen ſucht? Dieſe Frage
wird ſehr eifrig erörtert und man führt für ihre Berechtigung
[Spaltenumbruch] beſonders die Stelle des päpſtlichen Schriftſtückes an, in der
erklärt wird, der Statthalter Chriſti könne nur gleichzeitig
kanoniſchen und geſetzmäßigen Verbänden ſeine Zuſtimmung
geben, wie ſolche indeſſen durch das Trennungsgeſetz in ſeiner
beſtehenden Faſſung unmöglich gemacht find, weshalb er auch
jeden Verſuch in dieſer Hinſicht zurückw[eiſ]en müſſe. Und man
glaubt annehmen zu dürfen, daß Pius X., der an einer
anderen Stelle der Enzyklika ausdrücklich Bürgſchaften für
die Wahrung der katholiſchen Hierarchie verlangt, gegen die
Zuerkennung des Beſitzes der Kirchen und Stiftungen, ſowie
der kirchlichen Vermögen- und Liegenſchaften an den Klerus
ſelbſt die Kultusverbände hinnehmen würde. Natürlich wird
aber ein derartiges Verlangen von vorneherein, ſelbſt von
ſehr gemäßigten Republikanern, als durchaus unerfüllbar
ſcharf abgelehnt, da damit ja der katholiſchen Kirche Vor-
rechte zugeſtanden werden würden, die ſogar von den ſtreng-
gläubigſten katholiſchen Herrſchern nie gewährt worden wären.
Es gilt indeſſen als höchſt wahrſcheinlich, daß man im
Vatikan auch mit bedeutend Geringerem vorlieb nehmen
würde und daß die Veröffentlichung der Enzyklika nur den
Zweck habe, bezügliche Vorſchläge der franzöſiſchen Regierung
zu veranlaſſen.

Aber auch in dieſer Hinſicht iſt nicht das Geringſte
ſeitens der derzeitigen Machthaber und ſeitens der parla-
mentariſchen Mehrheit zu erwarten. Dieſe ſehen vielmehr dem
angedrohten Widerſtande und Kampfe kühl bis ans Herz
hinan entgegen und erklären in klarſten Worten, an denen es
nichts zu deuteln gibt, daß das Trennungsgeſetz ohne jede
Aenderung und Milderung in allen ſeinen Einzelheiten durch-
geführt werden würde. Die Haltung des Vatikans könnte
nur eine Verſchärfung herbeiführen, derart etwa, daß man
ſofort den 11. Dezember des laufenden Jahres als Friſt
für die Bildung der Kultusverbände feſtſetzt und dann nach
den ausbedungenen zwei Monaten die Kirche ſchließt, wenn
dieſe Bildung nicht erfolgt, und ſie den Gemeinden überweiſt,
während das Geſetzt hiefür als letzte Friſt den 11. De-
zember 1907 feſtſetzt. Einige antiklerikale Hitzköpfe verlangen
auch, man ſolle die Geſuche der Prieſter um die Penſionen
und Zuwendungen, die im Trennungsgeſetze aufgeworfen ſind,
einfach in den Papierkorb werfen, was ſelbſtverſtändlich als
[Spaltenumbruch] Bruch eines feierlichen, im Namen der Nation gegebenen
Verſprechens energiſch zurückgewieſen wird.

Verſchiedentlich, ſo auch von dem ſofort in ſeinem
Heimatsorte Pons von einem „Matin“-Mitarbeiter inter-
viewten Schöpfer des Geſetzes, Combes, werden der katho-
liſchen Kirche die Gefahren des Abfalles großer Maſſen und
die eines Schismas als Konſequenzen ihrer „Unverſöhnlichkeit“
vorgehalten. Man rechnet hier ſehr ernſthaft damit, daß ſich
in vielen Gegenden und Orten trotz des päpſtlichen Verbotes
Kultusverbände in der von dem Geſetze verlangten Form
bilden könnten, und fragt dabei, wie die Regierung ſich zu
dieſen ſtellen würde, da doch Artikel 4 des Trennungsgeſetzes
nur ſolche katholiſche Prieſter zur Ausübung ihres Berufes
zuläßt, deren Beſtellung den Satzungen der Kirche gemäß
erfolgt iſt, die alſo von Rom beſtätigt ſein müſſen. Es wird
alſo ſehr wahrſcheinlich ſofort nach dem Zufammentreten der
Kammern die bereits mehrfach ſehr energiſch erhobene
Forderung auf Streichung oder gründliche Abänderung dieſes
Artikels 4 von Sozialiſten und ſozialiſtiſchen Radikalen neu
eingebracht werden. — Kurz, alles deutet darauf hin, daß
der katholiſchen Kirche in Frankreich die ſchwerſten Prüfungen
bevorſtehen, die nach dem Urteile zahlreicher und nicht
gerade der unbedeutendſten Katholiken leicht hätte vermieden
werden können. Und man muß es als unheilvolle Ver-
blendung bezeichnen, wenn einige mehr von dem Haſſe gegen
die Republik, als von wahrem Glaubenseifer beſeelte
Zeitungen triumphierend verkünden, der Canoßagang der
republikaniſchen Machthaber ſtehe unmittelbar bevor.




Die Vorgänge in Rußland.
Das Urteil des Kriegsgerichtes von
Kronſtadt.
(Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Das Kreisgericht verurteilte heute 10 Teilnehmer am
bewaffneten Aufſtande zum Tode und 122 zur
Zwangsarbeit; 15 Angeklagte wurden frei-
geſprochen.




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Die ſchönste Frau.
Nach dem Franzöſiſchen.

„Von allen Anweſenden war Madame Lebadoy un-
ſtreitig die Schönſte — wie immer!“ behauptete Xavier
Ancel.

„Ohne Zweifel ... ohne Zweifel“, erwiderte eine
junge Frau, leicht verſtimmt durch dieſes öffentliche Lob, das
ihr gerade nicht ſehr galant erſchien. „Madame Lebadoy iſt
immer noch verführeriſch, doch ſollte ſie anfangen, auf alle
Anſprüche an Jugendlichkeit zu verzichten, und das iſt doch
ein trauriges Anzeichen, daß ihre Herrſchaft bald zu Ende
ſein wird.“

„Was kommt es auf das Alter an, wenn man es
verſteht, hübſch zu bleiben,“ erwiderte eine üppige ſtaatliche
Brünette.

„Die Schönheit von Madame Lebadny kann nicht be-
krittelt werden. Sie iſt das Weib in ſeiner Vollkommenheit“,
fügte eine anziehende Blondine hinzu, „ein wenig reif, doch
anmutsvoll verblühend wie eine von ihrem Stengel ge-
trennte Blume.“

„Uebrigens hat die Jugend ſie noch nicht verlaſſen“,
bezeugte ein junger Arzt, ein Stammgaſt in Madame Leba-
doy’s Salon. „Aus ihren Augen ſprüht es in Lebensluſt,
und ihre Bewegungen ſind gewandt und flink wie die eines
jungen Rehes ...“

„Sie kleidet ſich göttlich, und da ſie reich iſt, ſtrahlt ſie
in ihrem Luxus.“

„Ihre Kunſt liegt darin, ihre Kräfte richtig zu meſſen,“
ſuhr der Arzt fort. Wieviele Frauen müſſen die Waffen
ſtrecken, weil ſie ihre Schönheit allzu ſehr abnützen. Ueberall
wollen ſie bewundert werden, bei den Matinees, den Thees,
den Soirees ... ohne Waffenſtillſtand, ohne Ruhe! Madame
Lebadoy dagegen ſteht, wie es ſcheint, erſt gegen 4 Uhr
Nachmittags auf. Dann widmet ſie zwei Stunden den
[Spaltenumbruch] Bädern, Douchen, Maſſagen, Pedikuren, Manikuren, Friſeuren.
Wie ſollte eine Frau bei dieſer einer Göttin würdigen Pflege
nicht ſchön bleiben, um ſich am Schluß aller Dinge in ewiger
Schönheit zu munifizieren!“

„Welches Alter geben Sie ihr denn?“

„Sie ſcheint dreißig ... das iſt das Alter des Weibes
... das iſt das Alter der Liebe.“

„Was wollen Sie damit ſagen in Bezug auf Madame
Lebadoy.“

„O, nichts! ... Madame Lebadoy hat nach Anſicht
aller Frauen, die ſie kennen, ſtets ein tadelloſes Leben
geführt.“

„War nicht früher einmal die Rede geweſen von einem
Selbſtmord, an dem ſie ſchuld ſein ſollte?“

„Das iſt noch nicht lange her, höchſtens zwei Jahre ...
Ein junger Mann von neunzehn Jahren tötete ſich aus
Verzweiflung, weil ſie nicht einmal Blicke für ihn hatte. An
dieſem Anfall von Verrücktheit war Madame Lebadoy ganz
unſchuldig ... Sie iſt keine ungeſunde Frau, denn ſich in
ein Kind verlieben, iſt eine Verwirrung des Geiſtes, eine
Verderbtheit der Sinne. Dieſe Krankheiten muß eine ehren-
werte Frau bei den erſten Anzeichen niederkämpfen ....
ſpäter denkt man nicht mehr daran!“

„Und diejenigen, die doch noch daran denken?“ fragte
die Blonde.

„Die haben eben nichts Anderes zu tun!“

„Sie ſind ſtreng!“

„Der Doktor iſt gerecht“, fiel die Herrin des Hauſes
ein. „Man muß ſeine Neigungen zu bekämpfen wiſſen. Wo
wären wir Alle um dieſe Stunde, wenn wir uns willenlos
hätten forttreiben laſſen?“

„Einige wären vielleicht noch hier .... Weshalb
nicht?“

„Dann kämen ſie von weit her! Beſſer iſt es nicht,
dorthin zu gehen! Und Madame Lebadoy braucht ſich keine
Vorwürfe zu machen über das traurige Ende dieſes jungen
Toren, deſſen Mutter ſie hätte ſein können.“

„Oder Großmutter“, berichtete die junge Frau, die ſchon
[Spaltenumbruch] vorher der Heldin dieſer Geſchichte die Jugend abgeſprochen
hatte.

Jedermann dachte bei ſich, daß wohl etwas Eiferſucht
und Bitterkeit im Spiele wäre bei den wenig wohlwollenden
Worten dieſer allzu jungen Perſon, die nur ſelten zu den
Empfängen der ſchönen Madame Lebadoy eingeladen
wurde.




Während dieſer Unterhaltung weilte die ſo beſchriebene
Madame Lebadoy noch in ihrem Toilettenzimmer, mit der
Vorbereitung zu einem Balle beſchäftigt.

Das Heiligtum war von elektriſchen Lampen beleuchtet,
deren Licht durch dünnen, hellfarbenen Seidenmuſſelin abge-
dämpft war. Man hätte glauben können, ſich in dem An-
kleidezimmer einer Schauſpielerin zu befinden, die ſich tauſend
Verwandlungen unterziehen muß, wenn man dieſe Unmaſſen
von Flaſchen, Fläſchchen, Doſen, Büchſen, Schönheitsmitteln
ſah, die alle auf dem mit Alençonſpitzen verzierten Toiletten-
tiſch ſtanden. Madame Lebadoy, vor ihrer Pſyche ſitzend, hatte
an jenem Abend, trotz ihres gleichmäßigen Charakters, etwas
nervöſe Bewegungen, auch entfuhr ihr ab und zu ein Ausruf der
Ungeduld. Mit finſterer Miene wandte ſie ſich an ihre Jungfer
und ſagte wie eine Operndiva:

„Aline, ich muß entſchieden der Welt Lebewohl ſagen.“

„Das iſt Gedanke, mit dem ſich Madame nun ſchon
ſeit zwei Jahren quält ... Weshalb aber den Vegnügungen
der Welt entſagen, weil heute abends die Haarrolle auf der
Stirn von Madame nicht gleich halten will ... Iſt das
ein Grund, Alles ſo ſchwarz zu ſehen?“

„Ja, Aline, Sie haben ganz recht, Alles, was ich früher
roſa ſah, iſt jetzt ſchwarz geworden.“

„Es wäre wohl beſſer, man befeſtigte die Stirnrolle
direkt an der Perrücke von Madame.“

„O, dieſe Laſt! Alles, was ich beſaß, geht, und Alles
wovor ich mich fürchtete, kommt ..... Sehen Sie nur
meine Augen, von Tag zu Tag werden ſie matter und ver-
welkter.“


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[[1]/0001] Redaktion u. Adminiſtration: Rathausſtraße 16. Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz (mit Zuſtellung ins Haus): monatl. K 1.80, vierteljähr. K 5.40, halbj. K 10.80, ganzjähr. K 21.60. (mit täglicher Poſtverſendung) monatl. K 2, vierteljähr. K 6, halbjähr. K 12, ganzjähr. K 24. Für Deutſchland: vierteljährig ..... 7 Mark. Für Rumänien und den Balkan: vierteljährig ..... 10 Lei. Telegramme: Allgemeine, Czernowitz. Czernowitzer Allgemeine Zeitung Ankündigungen Es koſtet im gewöhnlichen Inſe- ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei mehrmaliger Einſchaltung, für Re- klame 40 h die Petitzeile. Inſerate nehmen alle in- und ausländiſchen Inſeratenbureaux ſowie die Ad- miniſtration entgegen. — Einzel- exemplare ſind in allen Zeitungs- verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni- verſitätsbuchhandlung H. Pardini und in der Adminiſtration (Rat- hausſtr. 16) erhältlich. In Wien im Zeitungsbureau Goldſchmidt, Wollzeile 11. Einzelexemplare 10 Heller für Czernowitz. Nr. 784. Czernowitz, Dienstag, den 21. August 1906. Uebersicht. Die Vorgänge in Rußland. Das Kriegsgericht in Kronſtadt verurteilte 10 Teilnehmer am bewaffneten Aufſtande zum Tode und 12 zu Zwangsarbeit. — Nach einer amtlichen Meldung iſt die Nachricht von der Einführung der Militärdiktatur unbegründet. Letzte Telegramme. Durch die Erdbebenkataſtrophe in Valparaiſo wurden nach einer amtlichen Meldung 55 Perſonen getötet und hunderte ver- letzt. Der Schaden ſoll angeblich Pfund Sterling betragen. — In Jurewka fand geſtern ein von tauſenden von Arbeitern beſuchtes Meeting ſtatt, das einen blutigen Verlauf nahm. Der Kulturkampf in Frankreich. Paris, 18. Auguſt. (Orig.-Korr.) Das Schriftſtück, das jüngſt Pius X. am Laurentius- tage an das franzöſiſche Episkopat ſandte und das hier zu Maria Himmelfahrt öffentlich bekanntgegeben wurde, hat zwar ſeine Wirkung nicht verfehlt, dürfte aber in ſeinen Folgen die im Vatikan gehegten Erwartungen kaum erfüllen. Die Katholiken aufzurütteln, zum energiſchen Widerſtande gegen die „Bedränger“ der Kirche zu vereinigen, — das muß ſich doch nach dem Durchleſen dieſer Enzyklika als ihr Zweck jedermann aufdrängen. Aber die Lehren der jüngſten Ver- gangenheit laſſen keinen Zweifel an der Fruchtloſigkeit eines derartigen Unterfangens zu. Wie ſehr treffend ſelbſt von Rom unbefangen und verſöhnlich gegenüberſtehenden großen Organen der öffentlichen Meinung erklärt wird, hat der Ausfall, der Wahlen, bei denen das Trennungsgeſetz mit all ſeinen Kon- ſequenzen die Löſung bildete, jede Berufung des Vatikans gegen dieſes unmöglich gemacht. Aber iſt es denn ganz ſicher, daß der Papſt mit dieſer Enzyklika trotz ihres kategoriſchen Tones und ihrer ſtrengen Abweiſung der Kultusverbände auch in der Praxis, nachdem ſie theoretiſch ſchon längſt von dem Oberhaupte der katholiſchen Kirche verdammt worden waren, jede Verſtändigung verwirft und den Kulturkampf akut zu machen ſucht? Dieſe Frage wird ſehr eifrig erörtert und man führt für ihre Berechtigung beſonders die Stelle des päpſtlichen Schriftſtückes an, in der erklärt wird, der Statthalter Chriſti könne nur gleichzeitig kanoniſchen und geſetzmäßigen Verbänden ſeine Zuſtimmung geben, wie ſolche indeſſen durch das Trennungsgeſetz in ſeiner beſtehenden Faſſung unmöglich gemacht find, weshalb er auch jeden Verſuch in dieſer Hinſicht zurückweiſen müſſe. Und man glaubt annehmen zu dürfen, daß Pius X., der an einer anderen Stelle der Enzyklika ausdrücklich Bürgſchaften für die Wahrung der katholiſchen Hierarchie verlangt, gegen die Zuerkennung des Beſitzes der Kirchen und Stiftungen, ſowie der kirchlichen Vermögen- und Liegenſchaften an den Klerus ſelbſt die Kultusverbände hinnehmen würde. Natürlich wird aber ein derartiges Verlangen von vorneherein, ſelbſt von ſehr gemäßigten Republikanern, als durchaus unerfüllbar ſcharf abgelehnt, da damit ja der katholiſchen Kirche Vor- rechte zugeſtanden werden würden, die ſogar von den ſtreng- gläubigſten katholiſchen Herrſchern nie gewährt worden wären. Es gilt indeſſen als höchſt wahrſcheinlich, daß man im Vatikan auch mit bedeutend Geringerem vorlieb nehmen würde und daß die Veröffentlichung der Enzyklika nur den Zweck habe, bezügliche Vorſchläge der franzöſiſchen Regierung zu veranlaſſen. Aber auch in dieſer Hinſicht iſt nicht das Geringſte ſeitens der derzeitigen Machthaber und ſeitens der parla- mentariſchen Mehrheit zu erwarten. Dieſe ſehen vielmehr dem angedrohten Widerſtande und Kampfe kühl bis ans Herz hinan entgegen und erklären in klarſten Worten, an denen es nichts zu deuteln gibt, daß das Trennungsgeſetz ohne jede Aenderung und Milderung in allen ſeinen Einzelheiten durch- geführt werden würde. Die Haltung des Vatikans könnte nur eine Verſchärfung herbeiführen, derart etwa, daß man ſofort den 11. Dezember des laufenden Jahres als Friſt für die Bildung der Kultusverbände feſtſetzt und dann nach den ausbedungenen zwei Monaten die Kirche ſchließt, wenn dieſe Bildung nicht erfolgt, und ſie den Gemeinden überweiſt, während das Geſetzt hiefür als letzte Friſt den 11. De- zember 1907 feſtſetzt. Einige antiklerikale Hitzköpfe verlangen auch, man ſolle die Geſuche der Prieſter um die Penſionen und Zuwendungen, die im Trennungsgeſetze aufgeworfen ſind, einfach in den Papierkorb werfen, was ſelbſtverſtändlich als Bruch eines feierlichen, im Namen der Nation gegebenen Verſprechens energiſch zurückgewieſen wird. Verſchiedentlich, ſo auch von dem ſofort in ſeinem Heimatsorte Pons von einem „Matin“-Mitarbeiter inter- viewten Schöpfer des Geſetzes, Combes, werden der katho- liſchen Kirche die Gefahren des Abfalles großer Maſſen und die eines Schismas als Konſequenzen ihrer „Unverſöhnlichkeit“ vorgehalten. Man rechnet hier ſehr ernſthaft damit, daß ſich in vielen Gegenden und Orten trotz des päpſtlichen Verbotes Kultusverbände in der von dem Geſetze verlangten Form bilden könnten, und fragt dabei, wie die Regierung ſich zu dieſen ſtellen würde, da doch Artikel 4 des Trennungsgeſetzes nur ſolche katholiſche Prieſter zur Ausübung ihres Berufes zuläßt, deren Beſtellung den Satzungen der Kirche gemäß erfolgt iſt, die alſo von Rom beſtätigt ſein müſſen. Es wird alſo ſehr wahrſcheinlich ſofort nach dem Zufammentreten der Kammern die bereits mehrfach ſehr energiſch erhobene Forderung auf Streichung oder gründliche Abänderung dieſes Artikels 4 von Sozialiſten und ſozialiſtiſchen Radikalen neu eingebracht werden. — Kurz, alles deutet darauf hin, daß der katholiſchen Kirche in Frankreich die ſchwerſten Prüfungen bevorſtehen, die nach dem Urteile zahlreicher und nicht gerade der unbedeutendſten Katholiken leicht hätte vermieden werden können. Und man muß es als unheilvolle Ver- blendung bezeichnen, wenn einige mehr von dem Haſſe gegen die Republik, als von wahrem Glaubenseifer beſeelte Zeitungen triumphierend verkünden, der Canoßagang der republikaniſchen Machthaber ſtehe unmittelbar bevor. Die Vorgänge in Rußland. Das Urteil des Kriegsgerichtes von Kronſtadt. Kronſtadt, 20. Auguſt. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Das Kreisgericht verurteilte heute 10 Teilnehmer am bewaffneten Aufſtande zum Tode und 122 zur Zwangsarbeit; 15 Angeklagte wurden frei- geſprochen. Feuilleton. Die ſchönste Frau. — Nach dem Franzöſiſchen. — „Von allen Anweſenden war Madame Lebadoy un- ſtreitig die Schönſte — wie immer!“ behauptete Xavier Ancel. „Ohne Zweifel ... ohne Zweifel“, erwiderte eine junge Frau, leicht verſtimmt durch dieſes öffentliche Lob, das ihr gerade nicht ſehr galant erſchien. „Madame Lebadoy iſt immer noch verführeriſch, doch ſollte ſie anfangen, auf alle Anſprüche an Jugendlichkeit zu verzichten, und das iſt doch ein trauriges Anzeichen, daß ihre Herrſchaft bald zu Ende ſein wird.“ „Was kommt es auf das Alter an, wenn man es verſteht, hübſch zu bleiben,“ erwiderte eine üppige ſtaatliche Brünette. „Die Schönheit von Madame Lebadny kann nicht be- krittelt werden. Sie iſt das Weib in ſeiner Vollkommenheit“, fügte eine anziehende Blondine hinzu, „ein wenig reif, doch anmutsvoll verblühend wie eine von ihrem Stengel ge- trennte Blume.“ „Uebrigens hat die Jugend ſie noch nicht verlaſſen“, bezeugte ein junger Arzt, ein Stammgaſt in Madame Leba- doy’s Salon. „Aus ihren Augen ſprüht es in Lebensluſt, und ihre Bewegungen ſind gewandt und flink wie die eines jungen Rehes ...“ „Sie kleidet ſich göttlich, und da ſie reich iſt, ſtrahlt ſie in ihrem Luxus.“ „Ihre Kunſt liegt darin, ihre Kräfte richtig zu meſſen,“ ſuhr der Arzt fort. Wieviele Frauen müſſen die Waffen ſtrecken, weil ſie ihre Schönheit allzu ſehr abnützen. Ueberall wollen ſie bewundert werden, bei den Matinees, den Thees, den Soirees ... ohne Waffenſtillſtand, ohne Ruhe! Madame Lebadoy dagegen ſteht, wie es ſcheint, erſt gegen 4 Uhr Nachmittags auf. Dann widmet ſie zwei Stunden den Bädern, Douchen, Maſſagen, Pedikuren, Manikuren, Friſeuren. Wie ſollte eine Frau bei dieſer einer Göttin würdigen Pflege nicht ſchön bleiben, um ſich am Schluß aller Dinge in ewiger Schönheit zu munifizieren!“ „Welches Alter geben Sie ihr denn?“ „Sie ſcheint dreißig ... das iſt das Alter des Weibes ... das iſt das Alter der Liebe.“ „Was wollen Sie damit ſagen in Bezug auf Madame Lebadoy.“ „O, nichts! ... Madame Lebadoy hat nach Anſicht aller Frauen, die ſie kennen, ſtets ein tadelloſes Leben geführt.“ „War nicht früher einmal die Rede geweſen von einem Selbſtmord, an dem ſie ſchuld ſein ſollte?“ „Das iſt noch nicht lange her, höchſtens zwei Jahre ... Ein junger Mann von neunzehn Jahren tötete ſich aus Verzweiflung, weil ſie nicht einmal Blicke für ihn hatte. An dieſem Anfall von Verrücktheit war Madame Lebadoy ganz unſchuldig ... Sie iſt keine ungeſunde Frau, denn ſich in ein Kind verlieben, iſt eine Verwirrung des Geiſtes, eine Verderbtheit der Sinne. Dieſe Krankheiten muß eine ehren- werte Frau bei den erſten Anzeichen niederkämpfen .... ſpäter denkt man nicht mehr daran!“ „Und diejenigen, die doch noch daran denken?“ fragte die Blonde. „Die haben eben nichts Anderes zu tun!“ „Sie ſind ſtreng!“ „Der Doktor iſt gerecht“, fiel die Herrin des Hauſes ein. „Man muß ſeine Neigungen zu bekämpfen wiſſen. Wo wären wir Alle um dieſe Stunde, wenn wir uns willenlos hätten forttreiben laſſen?“ „Einige wären vielleicht noch hier .... Weshalb nicht?“ „Dann kämen ſie von weit her! Beſſer iſt es nicht, dorthin zu gehen! Und Madame Lebadoy braucht ſich keine Vorwürfe zu machen über das traurige Ende dieſes jungen Toren, deſſen Mutter ſie hätte ſein können.“ „Oder Großmutter“, berichtete die junge Frau, die ſchon vorher der Heldin dieſer Geſchichte die Jugend abgeſprochen hatte. Jedermann dachte bei ſich, daß wohl etwas Eiferſucht und Bitterkeit im Spiele wäre bei den wenig wohlwollenden Worten dieſer allzu jungen Perſon, die nur ſelten zu den Empfängen der ſchönen Madame Lebadoy eingeladen wurde. Während dieſer Unterhaltung weilte die ſo beſchriebene Madame Lebadoy noch in ihrem Toilettenzimmer, mit der Vorbereitung zu einem Balle beſchäftigt. Das Heiligtum war von elektriſchen Lampen beleuchtet, deren Licht durch dünnen, hellfarbenen Seidenmuſſelin abge- dämpft war. Man hätte glauben können, ſich in dem An- kleidezimmer einer Schauſpielerin zu befinden, die ſich tauſend Verwandlungen unterziehen muß, wenn man dieſe Unmaſſen von Flaſchen, Fläſchchen, Doſen, Büchſen, Schönheitsmitteln ſah, die alle auf dem mit Alençonſpitzen verzierten Toiletten- tiſch ſtanden. Madame Lebadoy, vor ihrer Pſyche ſitzend, hatte an jenem Abend, trotz ihres gleichmäßigen Charakters, etwas nervöſe Bewegungen, auch entfuhr ihr ab und zu ein Ausruf der Ungeduld. Mit finſterer Miene wandte ſie ſich an ihre Jungfer und ſagte wie eine Operndiva: „Aline, ich muß entſchieden der Welt Lebewohl ſagen.“ „Das iſt Gedanke, mit dem ſich Madame nun ſchon ſeit zwei Jahren quält ... Weshalb aber den Vegnügungen der Welt entſagen, weil heute abends die Haarrolle auf der Stirn von Madame nicht gleich halten will ... Iſt das ein Grund, Alles ſo ſchwarz zu ſehen?“ „Ja, Aline, Sie haben ganz recht, Alles, was ich früher roſa ſah, iſt jetzt ſchwarz geworden.“ „Es wäre wohl beſſer, man befeſtigte die Stirnrolle direkt an der Perrücke von Madame.“ „O, dieſe Laſt! Alles, was ich beſaß, geht, und Alles wovor ich mich fürchtete, kommt ..... Sehen Sie nur meine Augen, von Tag zu Tag werden ſie matter und ver- welkter.“

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
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Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 784, Czernowitz, 21.08.1906, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer784_1906/1>, abgerufen am 21.11.2024.