[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.
tem papiernem Gelde. Sie erhielte das Jahr darauf 1575. mitten un- ter den Unruhen zu ihrer Zierde die noch in gröstem Flor stehende Univer- sität, welche wegen ihres Anatomischen Schauplatzes und Medicini- schen Gartens sich in der gelehrten Welt einen ausnehmenden Ruhm er- worben. Bingley. Soll denn das Gerüchte gegründet seyn, daß die, so auf der hiesigen Academie Doctores werden, in Teutschland nicht davor erkennet wür- den? Tulsching. Sonst hat man ihnen wohl deßwegen Schwierigkeiten gemacht, nach dem die Republick aber durch den Westphälischen Friedens-Schluß 1648. vor frey erkläret, und ihr hierdurch zugleich das Recht Universitäten aufzurichten, zugestanden worden, so wird dieses nun in keinen Zweifel mehr gezogen. Bingley. Was vor Bewandniß aber hat es denn mit den hiesigen Rechts- Sprüchen, und aus was vor einem Recht fliessen sie her? Tulsching. Eine jede Provintz der vereinigten Niederlande hat ihre eigene Landes- Ordnungen, welche sie Willkühr nennen, und hat es hierinnen fast eine gleiche Bewandniß wie mit den teutschen Ständen, nur das hier in bürger- lichen Fällen an kein höheres Gerichte, wie in Teutschland an die Reichs- Cammer, oder den Reichs Hof-Rath appellirt werden kan. Das Rö- mische Recht brauchen wir nur alsdenn, wenn die Landes-Gesetze nicht zulangen. Jnzwischen haben sich dennoch die geschicktesten Männer dieses Staats durch ihre vortrefliche Auslegungen über das Römische Recht einen allgemeinen Beyfall zugezogen. Eine jede Provintz hat ihr höchstes Gericht für sich, wiewohl Holl- und Seeland eins zusammen haben, von welchem aber la Cour de Braband, der Hof zu Braband unterschieden ist. Denn die Versamlung der General-Staaten weiß von keiner Ober-Herr- schafft über die andern Provintzen. Es sind die dazu gehörige Personen nichts anders als Gesandten, deren jede Provintz einen oder zwey nebfl ei- nem Secretario schickt. Jhnen kömmt zwar die Macht zu, Krieg und Frieden zuerwählen, währendem Krieg dem commandirenden Gene- ral Deputirte an die Seite zu stellen, Bündnisse zu machen, Gesanden Audientz zu geben, und deren abzusenden, es geschieht aber auch offt, daß sie deßwegen erst Bericht erstatten müssen. Man nennet sie gemeiniglich Hoch-
tem papiernem Gelde. Sie erhielte das Jahr darauf 1575. mitten un- ter den Unruhen zu ihrer Zierde die noch in groͤſtem Flor ſtehende Univer- ſitaͤt, welche wegen ihres Anatomiſchen Schauplatzes und Medicini- ſchen Gartens ſich in der gelehrten Welt einen ausnehmenden Ruhm er- worben. Bingley. Soll denn das Geruͤchte gegruͤndet ſeyn, daß die, ſo auf der hieſigen Academie Doctores werden, in Teutſchland nicht davor erkennet wuͤr- den? Tulſching. Sonſt hat man ihnen wohl deßwegen Schwierigkeiten gemacht, nach dem die Republick aber durch den Weſtphaͤliſchen Friedens-Schluß 1648. vor frey erklaͤret, und ihr hierdurch zugleich das Recht Univerſitaͤten aufzurichten, zugeſtanden worden, ſo wird dieſes nun in keinen Zweifel mehr gezogen. Bingley. Was vor Bewandniß aber hat es denn mit den hieſigen Rechts- Spruͤchen, und aus was vor einem Recht flieſſen ſie her? Tulſching. Eine jede Provintz der vereinigten Niederlande hat ihre eigene Landes- Ordnungen, welche ſie Willkuͤhr nennen, und hat es hierinnen faſt eine gleiche Bewandniß wie mit den teutſchen Staͤnden, nur das hier in buͤrger- lichen Faͤllen an kein hoͤheres Gerichte, wie in Teutſchland an die Reichs- Cammer, oder den Reichs Hof-Rath appellirt werden kan. Das Roͤ- miſche Recht brauchen wir nur alsdenn, wenn die Landes-Geſetze nicht zulangen. Jnzwiſchen haben ſich dennoch die geſchickteſten Maͤnner dieſes Staats durch ihre vortrefliche Auslegungen uͤber das Roͤmiſche Recht einen allgemeinen Beyfall zugezogen. Eine jede Provintz hat ihr hoͤchſtes Gericht fuͤr ſich, wiewohl Holl- und Seeland eins zuſammen haben, von welchem aber la Cour de Braband, der Hof zu Braband unterſchieden iſt. Denn die Verſamlung der General-Staaten weiß von keiner Ober-Herr- ſchafft uͤber die andern Provintzen. Es ſind die dazu gehoͤrige Perſonen nichts anders als Geſandten, deren jede Provintz einen oder zwey nebfl ei- nem Secretario ſchickt. Jhnen koͤmmt zwar die Macht zu, Krieg und Frieden zuerwaͤhlen, waͤhrendem Krieg dem commandirenden Gene- ral Deputirte an die Seite zu ſtellen, Buͤndniſſe zu machen, Geſanden Audientz zu geben, und deren abzuſenden, es geſchieht aber auch offt, daß ſie deßwegen erſt Bericht erſtatten muͤſſen. Man nennet ſie gemeiniglich Hoch-
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ſitaͤt, welche wegen ihres Anatomiſchen Schauplatzes und Medicini-
ſchen Gartens ſich in der gelehrten Welt einen ausnehmenden Ruhm er-
worben.
Bingley.
Soll denn das Geruͤchte gegruͤndet ſeyn, daß die, ſo auf der hieſigen
Academie Doctores werden, in Teutſchland nicht davor erkennet wuͤr-
den?
Tulſching.
Sonſt hat man ihnen wohl deßwegen Schwierigkeiten gemacht, nach
dem die Republick aber durch den Weſtphaͤliſchen Friedens-Schluß 1648.
vor frey erklaͤret, und ihr hierdurch zugleich das Recht Univerſitaͤten
aufzurichten, zugeſtanden worden, ſo wird dieſes nun in keinen Zweifel
mehr gezogen.
Bingley.
Was vor Bewandniß aber hat es denn mit den hieſigen Rechts-
Spruͤchen, und aus was vor einem Recht flieſſen ſie her?
Tulſching.
Eine jede Provintz der vereinigten Niederlande hat ihre eigene Landes-
Ordnungen, welche ſie Willkuͤhr nennen, und hat es hierinnen faſt eine
gleiche Bewandniß wie mit den teutſchen Staͤnden, nur das hier in buͤrger-
lichen Faͤllen an kein hoͤheres Gerichte, wie in Teutſchland an die Reichs-
Cammer, oder den Reichs Hof-Rath appellirt werden kan. Das Roͤ-
miſche Recht brauchen wir nur alsdenn, wenn die Landes-Geſetze nicht
zulangen. Jnzwiſchen haben ſich dennoch die geſchickteſten Maͤnner dieſes
Staats durch ihre vortrefliche Auslegungen uͤber das Roͤmiſche Recht einen
allgemeinen Beyfall zugezogen. Eine jede Provintz hat ihr hoͤchſtes Gericht
fuͤr ſich, wiewohl Holl- und Seeland eins zuſammen haben, von welchem
aber la Cour de Braband, der Hof zu Braband unterſchieden iſt. Denn
die Verſamlung der General-Staaten weiß von keiner Ober-Herr-
ſchafft uͤber die andern Provintzen. Es ſind die dazu gehoͤrige Perſonen
nichts anders als Geſandten, deren jede Provintz einen oder zwey nebfl ei-
nem Secretario ſchickt. Jhnen koͤmmt zwar die Macht zu, Krieg und
Frieden zuerwaͤhlen, waͤhrendem Krieg dem commandirenden Gene-
ral Deputirte an die Seite zu ſtellen, Buͤndniſſe zu machen, Geſanden
Audientz zu geben, und deren abzuſenden, es geſchieht aber auch offt, daß
ſie deßwegen erſt Bericht erſtatten muͤſſen. Man nennet ſie gemeiniglich
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