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[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

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Icarios hospes noli trepidare volatus,
Praescripto poteris daedalus esse modo.

Die Lords bezeugten dieses Kunst-Stücks wegen eine gerechte Admiration,
und kamen endlich in dem schönsten Dorfe von der Welt, dem Haag, glücklich
an. Sie ruhten diese Nacht von denen an diesem Tage ausgestandenen
und auf der Reise gewöhnlichen Beschwerlichkeiten aus, und nachdem sie
an diesem Ort, welcher der Versamlung der General-Staaten eigentlich
gewidmet ist, die deutlichste Nachricht von dem Holländischen Staat zu
erlangen hoffeten, so begaben sie sich zu dem Raths-Pensionario, Jsaac von
Hornbeck, welcher sie als seine alten und noch in dem vorigen Successi-
ons-
Kriege bekand gewordene Freunde mit der ersinnlichsten Höfflichkeit
empfieng, und sie in sein bestes Zimmer einzusprechen nöthigte. Sie errin-
nerten einander allerhand lustiger Jugend-Streiche wieder, die sie in ihrem
blühenden Alter vorgenommen hatten, und brachten auf diese Weise den
gantzen Morgen zu, sahen sich auch endlich durch die gütige Gewalt ihres
Freundes gezwungen, Mittags bey ihm zur Tafel zu bleiben. Hier sahe nun
Mylord Bingley Gelegenheit, dem Rath Pensionario sein Verlangen zu
eröfnen, welcher ihm darinnen soviel als möglich zu dienen, und was nicht
wider seinen Eyd und Gewissen lief, zu entdecken versprach.

Hornbeck.
Das Regiment dieser Republic, sagte er, gründet sich auf unterschied-
liche Regeln, welche man ans den Läufften der Zeit und denen dabey ge-
fundenen Vortheilen herausgezogen. Die erste ist, daß die Holländer su-
chen, mit allen und besonders mit ihren Nachbarn in Fried und Einig-
keit
zu leben. Denn wie sie auch in den Haushaltungen bloß darauf sehen,
wie sie sich glücklich machen, und alles zu ihrer Familie Wohlfarth ausfüh-
ren mögen, so hat dieses in ihrem Regiment den vornehmsten Grund, daß
sie nichts, was dem Aufnehmen der Republick entgegen zu seyn scheinet, vor-
nehmen werden. Diese Ruh zu befördern, halten sie die mit auswärtigen
geschlossene Allianzen so viel als möglich heilig, und sehen darauf, die alten
zu befestigen, und zu verneuern, und nebst diesen noch einige andere, so das
Commercien-Wesen hauptsächlich betreffen, zu errichten. Man bemüht
sich in beständigen Frieden zu leben, und der Krieg wird als eine vor die
Handlung schädliche Pest betrachtet. Vornehmlich hütet man sich mit
Franckreich oder Engelland anzubinden, und dieses geschieht nicht eher
als wenn keine gütliche Mittel verfangen wollen. Dennoch aber geben sie
Franckreich fleißig auf die Finger Acht, daß es sich nicht so weit an ihren
Grentzen ausbreite, oder sich mit Engelland alzugenau vereinige.
Bin-
Icarios hoſpes noli trepidare volatus,
Præſcripto poteris dædalus eſſe modo.

Die Lords bezeugten dieſes Kunſt-Stuͤcks wegen eine gerechte Admiration,
und kamen endlich in dem ſchoͤnſten Dorfe von der Welt, dem Haag, gluͤcklich
an. Sie ruhten dieſe Nacht von denen an dieſem Tage ausgeſtandenen
und auf der Reiſe gewoͤhnlichen Beſchwerlichkeiten aus, und nachdem ſie
an dieſem Ort, welcher der Verſamlung der General-Staaten eigentlich
gewidmet iſt, die deutlichſte Nachricht von dem Hollaͤndiſchen Staat zu
erlangen hoffeten, ſo begaben ſie ſich zu dem Raths-Penſionario, Jſaac von
Hornbeck, welcher ſie als ſeine alten und noch in dem vorigen Succeſſi-
ons-
Kriege bekand gewordene Freunde mit der erſinnlichſten Hoͤfflichkeit
empfieng, und ſie in ſein beſtes Zimmer einzuſprechen noͤthigte. Sie errin-
nerten einander allerhand luſtiger Jugend-Streiche wieder, die ſie in ihrem
bluͤhenden Alter vorgenommen hatten, und brachten auf dieſe Weiſe den
gantzen Morgen zu, ſahen ſich auch endlich durch die guͤtige Gewalt ihres
Freundes gezwungen, Mittags bey ihm zur Tafel zu bleiben. Hier ſahe nun
Mylord Bingley Gelegenheit, dem Rath Penſionario ſein Verlangen zu
eroͤfnen, welcher ihm darinnen ſoviel als moͤglich zu dienen, und was nicht
wider ſeinen Eyd und Gewiſſen lief, zu entdecken verſprach.

Hornbeck.
Das Regiment dieſer Republic, ſagte er, gruͤndet ſich auf unterſchied-
liche Regeln, welche man ans den Laͤufften der Zeit und denen dabey ge-
fundenen Vortheilen herausgezogen. Die erſte iſt, daß die Hollaͤnder ſu-
chen, mit allen und beſonders mit ihren Nachbarn in Fried und Einig-
keit
zu leben. Denn wie ſie auch in den Haushaltungen bloß darauf ſehen,
wie ſie ſich gluͤcklich machen, und alles zu ihrer Familie Wohlfarth ausfuͤh-
ren moͤgen, ſo hat dieſes in ihrem Regiment den vornehmſten Grund, daß
ſie nichts, was dem Aufnehmen der Republick entgegen zu ſeyn ſcheinet, vor-
nehmen werden. Dieſe Ruh zu befoͤrdern, halten ſie die mit auswaͤrtigen
geſchloſſene Allianzen ſo viel als moͤglich heilig, und ſehen darauf, die alten
zu befeſtigen, und zu verneuern, und nebſt dieſen noch einige andere, ſo das
Commercien-Weſen hauptſaͤchlich betreffen, zu errichten. Man bemuͤht
ſich in beſtaͤndigen Frieden zu leben, und der Krieg wird als eine vor die
Handlung ſchaͤdliche Peſt betrachtet. Vornehmlich huͤtet man ſich mit
Franckreich oder Engelland anzubinden, und dieſes geſchieht nicht eher
als wenn keine guͤtliche Mittel verfangen wollen. Dennoch aber geben ſie
Franckreich fleißig auf die Finger Acht, daß es ſich nicht ſo weit an ihren
Grentzen ausbreite, oder ſich mit Engelland alzugenau vereinige.
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[39/0049] Icarios hoſpes noli trepidare volatus, Præſcripto poteris dædalus eſſe modo. Die Lords bezeugten dieſes Kunſt-Stuͤcks wegen eine gerechte Admiration, und kamen endlich in dem ſchoͤnſten Dorfe von der Welt, dem Haag, gluͤcklich an. Sie ruhten dieſe Nacht von denen an dieſem Tage ausgeſtandenen und auf der Reiſe gewoͤhnlichen Beſchwerlichkeiten aus, und nachdem ſie an dieſem Ort, welcher der Verſamlung der General-Staaten eigentlich gewidmet iſt, die deutlichſte Nachricht von dem Hollaͤndiſchen Staat zu erlangen hoffeten, ſo begaben ſie ſich zu dem Raths-Penſionario, Jſaac von Hornbeck, welcher ſie als ſeine alten und noch in dem vorigen Succeſſi- ons-Kriege bekand gewordene Freunde mit der erſinnlichſten Hoͤfflichkeit empfieng, und ſie in ſein beſtes Zimmer einzuſprechen noͤthigte. Sie errin- nerten einander allerhand luſtiger Jugend-Streiche wieder, die ſie in ihrem bluͤhenden Alter vorgenommen hatten, und brachten auf dieſe Weiſe den gantzen Morgen zu, ſahen ſich auch endlich durch die guͤtige Gewalt ihres Freundes gezwungen, Mittags bey ihm zur Tafel zu bleiben. Hier ſahe nun Mylord Bingley Gelegenheit, dem Rath Penſionario ſein Verlangen zu eroͤfnen, welcher ihm darinnen ſoviel als moͤglich zu dienen, und was nicht wider ſeinen Eyd und Gewiſſen lief, zu entdecken verſprach. Hornbeck. Das Regiment dieſer Republic, ſagte er, gruͤndet ſich auf unterſchied- liche Regeln, welche man ans den Laͤufften der Zeit und denen dabey ge- fundenen Vortheilen herausgezogen. Die erſte iſt, daß die Hollaͤnder ſu- chen, mit allen und beſonders mit ihren Nachbarn in Fried und Einig- keit zu leben. Denn wie ſie auch in den Haushaltungen bloß darauf ſehen, wie ſie ſich gluͤcklich machen, und alles zu ihrer Familie Wohlfarth ausfuͤh- ren moͤgen, ſo hat dieſes in ihrem Regiment den vornehmſten Grund, daß ſie nichts, was dem Aufnehmen der Republick entgegen zu ſeyn ſcheinet, vor- nehmen werden. Dieſe Ruh zu befoͤrdern, halten ſie die mit auswaͤrtigen geſchloſſene Allianzen ſo viel als moͤglich heilig, und ſehen darauf, die alten zu befeſtigen, und zu verneuern, und nebſt dieſen noch einige andere, ſo das Commercien-Weſen hauptſaͤchlich betreffen, zu errichten. Man bemuͤht ſich in beſtaͤndigen Frieden zu leben, und der Krieg wird als eine vor die Handlung ſchaͤdliche Peſt betrachtet. Vornehmlich huͤtet man ſich mit Franckreich oder Engelland anzubinden, und dieſes geſchieht nicht eher als wenn keine guͤtliche Mittel verfangen wollen. Dennoch aber geben ſie Franckreich fleißig auf die Finger Acht, daß es ſich nicht ſo weit an ihren Grentzen ausbreite, oder ſich mit Engelland alzugenau vereinige. Bin-

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/49>, abgerufen am 21.11.2024.