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[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

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Löwenhoeck.
Der Flügel eines Sommer-Vogels bestehet aus unzehlig viel klei-
nen Edergen, und auch die kleinsten Thiere, die Würmer in Saamen,
Schlangen in Eßig, und Möllen in Käse mit eingeschlossen, müssen ihre
vollkommenste Gliedmasen habin, welche zur Reinigung, Zeugung,
Nahrung etc.
gehören. Man siehet, Mylord, wie in dem kleinsten Fisch-
gen
das Geblüte in den Adern herum walle, indem dieses nichts anders
als kleine Kügelgen scheinen. Der Fuß einer Mücke hat vorne rechte
Klauen, welche einer Bären-Tatze ziemlich gleich kömmt. Jedoch wer
wolte im Stande seyn, alle Experimenta von den Microscopiis in so kurtzer
Zeit her zuerzehlen.
Bingley.
Jch bin euch vor diese Müh verbunden, vortrefflicher Löwenhoeck,
und werde mir Gelegenheit ausbitten, mit euch dieser wegen einandermahl
etwas weitläufftiger zu sprechen. Setzet aber, bitte ich, dieser Gewogen-
heit noch ein Zeichen zu, und gebet mir einige Nachrichten, als die mir nicht
völlig bekandt, auch zum Theil wegen Länge der Zeit wieder entfallen sind,
von dem Ursprung und Beschaffenheit der Stadt Delfft.
Löwenhoeck.
Delfft ist die dritte unter den Holländischen Städten, so Deputirte
zu der Versammlung der Staaten schicken. Den Nahmen führet sie ohne
Zweifel von dem Graben, welche Ludovicus Bavarus den Bürgern aus
dem Fluß Scia in die Maaß zuführen erlaubt hat: wie denn Delven
oder Dilven in Holland ein Graben heist. Jhre Erbauung schreibt sie dem
bucklichten Hertzog von Lothringen, Gottfried, zu, welcher bey dem kur-
tzen Besitz der Niederlande sie 1075. erbauet, oder wenigstens erweitet ha-
ben solle. Das Wasser lauft, wie ihr sehet, durch alle Gassen, und trägt
nicht wenig zu einer bequemen Reinlichkeit bey. Das Rathhauß ist ein
prächtiges Gebäude, und pranget mit vielem vortrefflichen Thürmen und
Glockenspiel. Uber der Thür des Rathhauses stehen folgende bekande doch
artige Verse:

Hic locus odit, amat, punit, conservat, honorat,
Nequitiam, pacem, crimina, jura, probos.
Nahe dabey ist das Agathen-Kloster, oder sogenannte, Hippolydi-Kir-
che, alwo der Printz Wilhelm von Oranien den 10. Julii 1584. an der
Tafel ermordet wurde, und die Merckmahle der an die Wand geprallten
Kugeln geben noch ein trauriges Andencken. Diese Stadt ist eine von den
rein-
G 3
Löwenhœck.
Der Fluͤgel eines Sommer-Vogels beſtehet aus unzehlig viel klei-
nen Edergen, und auch die kleinſten Thiere, die Wuͤrmer in Saamen,
Schlangen in Eßig, und Moͤllen in Kaͤſe mit eingeſchloſſen, muͤſſen ihre
vollkommenſte Gliedmaſen habin, welche zur Reinigung, Zeugung,
Nahrung ꝛc.
gehoͤren. Man ſiehet, Mylord, wie in dem kleinſten Fiſch-
gen
das Gebluͤte in den Adern herum walle, indem dieſes nichts anders
als kleine Kuͤgelgen ſcheinen. Der Fuß einer Muͤcke hat vorne rechte
Klauen, welche einer Baͤren-Tatze ziemlich gleich koͤmmt. Jedoch wer
wolte im Stande ſeyn, alle Experimenta von den Microſcopiis in ſo kurtzer
Zeit her zuerzehlen.
Bingley.
Jch bin euch vor dieſe Muͤh verbunden, vortrefflicher Loͤwenhoeck,
und werde mir Gelegenheit ausbitten, mit euch dieſer wegen einandermahl
etwas weitlaͤufftiger zu ſprechen. Setzet aber, bitte ich, dieſer Gewogen-
heit noch ein Zeichen zu, und gebet mir einige Nachrichten, als die mir nicht
voͤllig bekandt, auch zum Theil wegen Laͤnge der Zeit wieder entfallen ſind,
von dem Urſprung und Beſchaffenheit der Stadt Delfft.
Löwenhœck.
Delfft iſt die dritte unter den Hollaͤndiſchen Staͤdten, ſo Deputirte
zu der Verſammlung der Staaten ſchicken. Den Nahmen fuͤhret ſie ohne
Zweifel von dem Graben, welche Ludovicus Bavarus den Buͤrgern aus
dem Fluß Scia in die Maaß zufuͤhren erlaubt hat: wie denn Delven
oder Dilven in Holland ein Graben heiſt. Jhre Erbauung ſchreibt ſie dem
bucklichten Hertzog von Lothringen, Gottfried, zu, welcher bey dem kur-
tzen Beſitz der Niederlande ſie 1075. erbauet, oder wenigſtens erweitet ha-
ben ſolle. Das Waſſer lauft, wie ihr ſehet, durch alle Gaſſen, und traͤgt
nicht wenig zu einer bequemen Reinlichkeit bey. Das Rathhauß iſt ein
praͤchtiges Gebaͤude, und pranget mit vielem vortrefflichen Thuͤrmen und
Glockenſpiel. Uber der Thuͤr des Rathhauſes ſtehen folgende bekande doch
artige Verſe:

Hic locus odit, amat, punit, conſervat, honorat,
Nequitiam, pacem, crimina, jura, probos.
Nahe dabey iſt das Agathen-Kloſter, oder ſogenannte, Hippolydi-Kir-
che, alwo der Printz Wilhelm von Oranien den 10. Julii 1584. an der
Tafel ermordet wurde, und die Merckmahle der an die Wand geprallten
Kugeln geben noch ein trauriges Andencken. Dieſe Stadt iſt eine von den
rein-
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[53/0063] Löwenhœck. Der Fluͤgel eines Sommer-Vogels beſtehet aus unzehlig viel klei- nen Edergen, und auch die kleinſten Thiere, die Wuͤrmer in Saamen, Schlangen in Eßig, und Moͤllen in Kaͤſe mit eingeſchloſſen, muͤſſen ihre vollkommenſte Gliedmaſen habin, welche zur Reinigung, Zeugung, Nahrung ꝛc. gehoͤren. Man ſiehet, Mylord, wie in dem kleinſten Fiſch- gen das Gebluͤte in den Adern herum walle, indem dieſes nichts anders als kleine Kuͤgelgen ſcheinen. Der Fuß einer Muͤcke hat vorne rechte Klauen, welche einer Baͤren-Tatze ziemlich gleich koͤmmt. Jedoch wer wolte im Stande ſeyn, alle Experimenta von den Microſcopiis in ſo kurtzer Zeit her zuerzehlen. Bingley. Jch bin euch vor dieſe Muͤh verbunden, vortrefflicher Loͤwenhoeck, und werde mir Gelegenheit ausbitten, mit euch dieſer wegen einandermahl etwas weitlaͤufftiger zu ſprechen. Setzet aber, bitte ich, dieſer Gewogen- heit noch ein Zeichen zu, und gebet mir einige Nachrichten, als die mir nicht voͤllig bekandt, auch zum Theil wegen Laͤnge der Zeit wieder entfallen ſind, von dem Urſprung und Beſchaffenheit der Stadt Delfft. Löwenhœck. Delfft iſt die dritte unter den Hollaͤndiſchen Staͤdten, ſo Deputirte zu der Verſammlung der Staaten ſchicken. Den Nahmen fuͤhret ſie ohne Zweifel von dem Graben, welche Ludovicus Bavarus den Buͤrgern aus dem Fluß Scia in die Maaß zufuͤhren erlaubt hat: wie denn Delven oder Dilven in Holland ein Graben heiſt. Jhre Erbauung ſchreibt ſie dem bucklichten Hertzog von Lothringen, Gottfried, zu, welcher bey dem kur- tzen Beſitz der Niederlande ſie 1075. erbauet, oder wenigſtens erweitet ha- ben ſolle. Das Waſſer lauft, wie ihr ſehet, durch alle Gaſſen, und traͤgt nicht wenig zu einer bequemen Reinlichkeit bey. Das Rathhauß iſt ein praͤchtiges Gebaͤude, und pranget mit vielem vortrefflichen Thuͤrmen und Glockenſpiel. Uber der Thuͤr des Rathhauſes ſtehen folgende bekande doch artige Verſe: Hic locus odit, amat, punit, conſervat, honorat, Nequitiam, pacem, crimina, jura, probos. Nahe dabey iſt das Agathen-Kloſter, oder ſogenannte, Hippolydi-Kir- che, alwo der Printz Wilhelm von Oranien den 10. Julii 1584. an der Tafel ermordet wurde, und die Merckmahle der an die Wand geprallten Kugeln geben noch ein trauriges Andencken. Dieſe Stadt iſt eine von den rein- G 3

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/63>, abgerufen am 24.11.2024.