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[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

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reinlichsten und ansehnlichsten in Holland, und das Sprüchwort: Man
würde Delfft bewundern, wenn es nicht in dem Lande der schö-
nen Städte läg,
hat seine vollkommene Richtigkeit.
Bingley.
Was hat es denn vor eine Bewandniß mit dem Delfftischen Wei-
ber-Lerm.
Löwenhoeck.
Es war 1615. von dem Magistrat alhier eine neue Auflage auf die
Eß-Wahren aufgebracht worden, weil nun die Weiber die Küche zu be-
sorgen pflegen, und gleichwohl alle gern ein Küchen-Bißgen vor sich be-
halten wolten, durch diesen Jmpost aber gröstentheils darum gebracht wor-
den, so geriethen sie in eine solche Wuth, daß sie mit um den Kopf fliegen-
den Haaren zusammen liefen, das Rath und-Accis-Hauß stürmten, und
den Magistrat, zwangen, die Anlage wieder abzuschaffen.
Bingley.
Es ist wahr, werthester Löwenhoeck, eine böse Frau ist ein rechter
eingefleischter Kobold, und ärger als die Hölle. Dieses ist, die täg-
liche Erfahrung vor dißmahl bey Seite gesetzt, aus folgender Historie zu
ersehen. Es kamen einsmahls in einem Jahre mehr als drey Millionen
Männer in die Hölle, welche einmüthig bejahten, daß sie von ihren bösen
Weibern in dieses Unglück gestürtzt worden wären. Der Regent dieser feu-
rigen Reiche, Pluto, gerieth hierüber in keine geringe Verwunderung, und
trug dieses in seinem geheimen Conseil zur Uberlegung vor, ob es wohl mög-
lich wäre, daß die Weiber dergleichen, als von ihnen gesagt würde, bege-
hen könten. Die wenigsten Stimmen gaben diesem Gerüchte Beyfall,
und schrieben es einem ungerechten Haß zu, den die Männer nach ihrem Tod-
te zu den Weibern trügen. Jnzwischen war der mächtige Pluto dennoch
so neugierig, die Gewißheit davon zu erfahren, daß er einen von seinen teuf-
lischen Unterthanen in die Welt zu schicken entschloß. Keiner wolte sich zu
dieser gefährlichen Commißion gebrauchen lassen, daß endlich der Ausspruch
fiel, es solte einer durch das Loß erwehlet werden. Dieses traf nun den
Belfegor, welcher einer von den ansehnlichsten Teufeln war, und den
Posten eines Generals der Königlich-Plutonischen Leib-Garde besaß. Er
sahe sich durch den Befehl seines Herrn, und das Urtheil des Glückes ver-
bunden, sich auf die Reise in die Ober-Welt zu machen. Es wurde ihm
dabey diese Jnstruction mitgegeben, daß er vor die erhaltene Million Tha-
ler zehn Jahr auf der Welt zu leben suchen, sich alda mit einer vornehmen
Dame
reinlichſten und anſehnlichſten in Holland, und das Spruͤchwort: Man
wuͤrde Delfft bewundern, wenn es nicht in dem Lande der ſchoͤ-
nen Staͤdte laͤg,
hat ſeine vollkommene Richtigkeit.
Bingley.
Was hat es denn vor eine Bewandniß mit dem Delfftiſchen Wei-
ber-Lerm.
Löwenhœck.
Es war 1615. von dem Magiſtrat alhier eine neue Auflage auf die
Eß-Wahren aufgebracht worden, weil nun die Weiber die Kuͤche zu be-
ſorgen pflegen, und gleichwohl alle gern ein Kuͤchen-Bißgen vor ſich be-
halten wolten, durch dieſen Jmpoſt aber groͤſtentheils darum gebracht wor-
den, ſo geriethen ſie in eine ſolche Wuth, daß ſie mit um den Kopf fliegen-
den Haaren zuſammen liefen, das Rath und-Accis-Hauß ſtuͤrmten, und
den Magiſtrat, zwangen, die Anlage wieder abzuſchaffen.
Bingley.
Es iſt wahr, wertheſter Loͤwenhoeck, eine boͤſe Frau iſt ein rechter
eingefleiſchter Kobold, und aͤrger als die Hoͤlle. Dieſes iſt, die taͤg-
liche Erfahrung vor dißmahl bey Seite geſetzt, aus folgender Hiſtorie zu
erſehen. Es kamen einsmahls in einem Jahre mehr als drey Millionen
Maͤnner in die Hoͤlle, welche einmuͤthig bejahten, daß ſie von ihren boͤſen
Weibern in dieſes Ungluͤck geſtuͤrtzt worden waͤren. Der Regent dieſer feu-
rigen Reiche, Pluto, gerieth hieruͤber in keine geringe Verwunderung, und
trug dieſes in ſeinem geheimen Conſeil zur Uberlegung vor, ob es wohl moͤg-
lich waͤre, daß die Weiber dergleichen, als von ihnen geſagt wuͤrde, bege-
hen koͤnten. Die wenigſten Stimmen gaben dieſem Geruͤchte Beyfall,
und ſchrieben es einem ungerechten Haß zu, den die Maͤnner nach ihrem Tod-
te zu den Weibern truͤgen. Jnzwiſchen war der maͤchtige Pluto dennoch
ſo neugierig, die Gewißheit davon zu erfahren, daß er einen von ſeinen teuf-
liſchen Unterthanen in die Welt zu ſchicken entſchloß. Keiner wolte ſich zu
dieſer gefaͤhrlichen Commißion gebrauchen laſſen, daß endlich der Ausſpruch
fiel, es ſolte einer durch das Loß erwehlet werden. Dieſes traf nun den
Belfegor, welcher einer von den anſehnlichſten Teufeln war, und den
Poſten eines Generals der Koͤniglich-Plutoniſchen Leib-Garde beſaß. Er
ſahe ſich durch den Befehl ſeines Herrn, und das Urtheil des Gluͤckes ver-
bunden, ſich auf die Reiſe in die Ober-Welt zu machen. Es wurde ihm
dabey dieſe Jnſtruction mitgegeben, daß er vor die erhaltene Million Tha-
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[54/0064] reinlichſten und anſehnlichſten in Holland, und das Spruͤchwort: Man wuͤrde Delfft bewundern, wenn es nicht in dem Lande der ſchoͤ- nen Staͤdte laͤg, hat ſeine vollkommene Richtigkeit. Bingley. Was hat es denn vor eine Bewandniß mit dem Delfftiſchen Wei- ber-Lerm. Löwenhœck. Es war 1615. von dem Magiſtrat alhier eine neue Auflage auf die Eß-Wahren aufgebracht worden, weil nun die Weiber die Kuͤche zu be- ſorgen pflegen, und gleichwohl alle gern ein Kuͤchen-Bißgen vor ſich be- halten wolten, durch dieſen Jmpoſt aber groͤſtentheils darum gebracht wor- den, ſo geriethen ſie in eine ſolche Wuth, daß ſie mit um den Kopf fliegen- den Haaren zuſammen liefen, das Rath und-Accis-Hauß ſtuͤrmten, und den Magiſtrat, zwangen, die Anlage wieder abzuſchaffen. Bingley. Es iſt wahr, wertheſter Loͤwenhoeck, eine boͤſe Frau iſt ein rechter eingefleiſchter Kobold, und aͤrger als die Hoͤlle. Dieſes iſt, die taͤg- liche Erfahrung vor dißmahl bey Seite geſetzt, aus folgender Hiſtorie zu erſehen. Es kamen einsmahls in einem Jahre mehr als drey Millionen Maͤnner in die Hoͤlle, welche einmuͤthig bejahten, daß ſie von ihren boͤſen Weibern in dieſes Ungluͤck geſtuͤrtzt worden waͤren. Der Regent dieſer feu- rigen Reiche, Pluto, gerieth hieruͤber in keine geringe Verwunderung, und trug dieſes in ſeinem geheimen Conſeil zur Uberlegung vor, ob es wohl moͤg- lich waͤre, daß die Weiber dergleichen, als von ihnen geſagt wuͤrde, bege- hen koͤnten. Die wenigſten Stimmen gaben dieſem Geruͤchte Beyfall, und ſchrieben es einem ungerechten Haß zu, den die Maͤnner nach ihrem Tod- te zu den Weibern truͤgen. Jnzwiſchen war der maͤchtige Pluto dennoch ſo neugierig, die Gewißheit davon zu erfahren, daß er einen von ſeinen teuf- liſchen Unterthanen in die Welt zu ſchicken entſchloß. Keiner wolte ſich zu dieſer gefaͤhrlichen Commißion gebrauchen laſſen, daß endlich der Ausſpruch fiel, es ſolte einer durch das Loß erwehlet werden. Dieſes traf nun den Belfegor, welcher einer von den anſehnlichſten Teufeln war, und den Poſten eines Generals der Koͤniglich-Plutoniſchen Leib-Garde beſaß. Er ſahe ſich durch den Befehl ſeines Herrn, und das Urtheil des Gluͤckes ver- bunden, ſich auf die Reiſe in die Ober-Welt zu machen. Es wurde ihm dabey dieſe Jnſtruction mitgegeben, daß er vor die erhaltene Million Tha- ler zehn Jahr auf der Welt zu leben ſuchen, ſich alda mit einer vornehmen Dame

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/64>, abgerufen am 17.06.2024.