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[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

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Dame verehlichen, und nicht eher als nach verflossener Zeit ohne in der höch-
sten Noth zurück kommen, auch die Aufführung der Weiber wohl untersu-
chen solle. Er trat dahero seine Reise, unter der Gestalt eines artigen Ca-
valliers, in Begleitung unterschiedlicher Bedienten an. Das angenehme
Jtalien, wovon er so vieles, als von einem Paradiß der Erden gehöret hat-
te, zog ihn so gleich zu sich. Er besahe die vornehmsten Städte dieses Lan-
des, und kam folglich auch nach Florentz, alwo es ihm so wohl gefiel, daß
er sich einige Zeit hier aufzuhalten entschloß. Seine prächtige Aufführung
bahnte ihm den Weg zu allen Bällen, Compagnien, Assembleen, Redou-
ten, und andern Lustbarkeiten mehr. Hier kam er mit dem schönsten Frau-
enzimmer in Bekandschafft, und ihr Bezeigen, nahm ihn so sehr ein, daß
er den Vorgeben der in die Hölle gefahrnen Männer nicht den geringsten
Glauben beymaß, sondern sie vielmehr vor Engel der Welt, und die
vollkommenste Zierde der Sterblichen hielt. Eine unter ihnen ge-
fiel ihm sonderlich über alle massen, und unser Belfegor wurde verliebt ehe ers
dachte. Er gab sich dahero die ersinnlichste Mühe, sie zur Gegenliebe zu be-
wegen. Er gieng alle Tage zwanzig mahl vor ihrem Hause vorbey,
und hielt den Tag vor glücklich, wenn er sie einmahl zu sehen, und ein ge-
neigtes Compliment von ihr bekam. Er hatte erfahren, daß von Reich-
thum nicht viel bey seiner geliebten Lisette, so hieß sie, übrig war, drum
machte er sich durch Hülffe allerhand Geschencke mit ihrer Cammer-Jung-
fer bekand, welche ihn bey ihrer Maitresse einschmeicheln solte. Er hörte
zwar wohl ein Vögelgen singen, welches ihm von der Treue seiner Gelieb-
ten nichts gutes prophezeyte, indem sie alle Abend ein paar Anbether von
ihr zu sich bitten ließ, und mit ihnen biß des Nachts um zwölf Uhr L'hombre
spielte. Aber er war vor Liebe blind, und hielt dieses entweder vor ein Ge-
dichte, oder wenigstens einen kleinen Fehler, der sich wohl geben würde.
Denn er war einmahl über ihre Schönheit erstaunet, und ließ dahero
mit spendiren nicht eher nach, biß er einen gleichmäßigen Zutritt zu ihr er-
langte. Hier hielte er sich vor den glücklichsten der Welt, und meynte, sich
recht beliebt zu machen, wenn er Lisetten, und ihre Eltern täglich mit Caffe,
Chocolade und andern Erfrischungen tractirte. An ihrem Geburts-Tage
überlieferte er ihr eine goldene und mit seinem Bildniß versehene kostbare
Tabattiere, und die häuffigen Nacht-Musiquen musten seine Neigung
entdecken. Endlich schien ihm das Glück besonders günstig, da ein einge-
fallener Schnee die vornehmsten der Stadt auf ein lustig Land-Gut in der
Nähe lockte, und Belfegor vor andern Erlaubniß erhielt, seine angebethete
Schöne, in einem prächtigen Schlitten dahin zu führen. Er führte sie bey
der
Dame verehlichen, und nicht eher als nach verfloſſener Zeit ohne in der hoͤch-
ſten Noth zuruͤck kommen, auch die Auffuͤhrung der Weiber wohl unterſu-
chen ſolle. Er trat dahero ſeine Reiſe, unter der Geſtalt eines artigen Ca-
valliers, in Begleitung unterſchiedlicher Bedienten an. Das angenehme
Jtalien, wovon er ſo vieles, als von einem Paradiß der Erden gehoͤret hat-
te, zog ihn ſo gleich zu ſich. Er beſahe die vornehmſten Staͤdte dieſes Lan-
des, und kam folglich auch nach Florentz, alwo es ihm ſo wohl gefiel, daß
er ſich einige Zeit hier aufzuhalten entſchloß. Seine praͤchtige Auffuͤhrung
bahnte ihm den Weg zu allen Baͤllen, Compagnien, Aſſembleen, Redou-
ten, und andern Luſtbarkeiten mehr. Hier kam er mit dem ſchoͤnſten Frau-
enzimmer in Bekandſchafft, und ihr Bezeigen, nahm ihn ſo ſehr ein, daß
er den Vorgeben der in die Hoͤlle gefahrnen Maͤnner nicht den geringſten
Glauben beymaß, ſondern ſie vielmehr vor Engel der Welt, und die
vollkommenſte Zierde der Sterblichen hielt. Eine unter ihnen ge-
fiel ihm ſonderlich uͤber alle maſſen, und unſer Belfegor wurde verliebt ehe ers
dachte. Er gab ſich dahero die erſinnlichſte Muͤhe, ſie zur Gegenliebe zu be-
wegen. Er gieng alle Tage zwanzig mahl vor ihrem Hauſe vorbey,
und hielt den Tag vor gluͤcklich, wenn er ſie einmahl zu ſehen, und ein ge-
neigtes Compliment von ihr bekam. Er hatte erfahren, daß von Reich-
thum nicht viel bey ſeiner geliebten Liſette, ſo hieß ſie, uͤbrig war, drum
machte er ſich durch Huͤlffe allerhand Geſchencke mit ihrer Cammer-Jung-
fer bekand, welche ihn bey ihrer Maitreſſe einſchmeicheln ſolte. Er hoͤrte
zwar wohl ein Voͤgelgen ſingen, welches ihm von der Treue ſeiner Gelieb-
ten nichts gutes prophezeyte, indem ſie alle Abend ein paar Anbether von
ihr zu ſich bitten ließ, und mit ihnen biß des Nachts um zwoͤlf Uhr L’hombre
ſpielte. Aber er war vor Liebe blind, und hielt dieſes entweder vor ein Ge-
dichte, oder wenigſtens einen kleinen Fehler, der ſich wohl geben wuͤrde.
Denn er war einmahl uͤber ihre Schoͤnheit erſtaunet, und ließ dahero
mit ſpendiren nicht eher nach, biß er einen gleichmaͤßigen Zutritt zu ihr er-
langte. Hier hielte er ſich vor den gluͤcklichſten der Welt, und meynte, ſich
recht beliebt zu machen, wenn er Liſetten, und ihre Eltern taͤglich mit Caffe,
Chocolade und andern Erfriſchungen tractirte. An ihrem Geburts-Tage
uͤberlieferte er ihr eine goldene und mit ſeinem Bildniß verſehene koſtbare
Tabattiere, und die haͤuffigen Nacht-Muſiquen muſten ſeine Neigung
entdecken. Endlich ſchien ihm das Gluͤck beſonders guͤnſtig, da ein einge-
fallener Schnee die vornehmſten der Stadt auf ein luſtig Land-Gut in der
Naͤhe lockte, und Belfegor vor andern Erlaubniß erhielt, ſeine angebethete
Schoͤne, in einem praͤchtigen Schlitten dahin zu fuͤhren. Er fuͤhrte ſie bey
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[55/0065] Dame verehlichen, und nicht eher als nach verfloſſener Zeit ohne in der hoͤch- ſten Noth zuruͤck kommen, auch die Auffuͤhrung der Weiber wohl unterſu- chen ſolle. Er trat dahero ſeine Reiſe, unter der Geſtalt eines artigen Ca- valliers, in Begleitung unterſchiedlicher Bedienten an. Das angenehme Jtalien, wovon er ſo vieles, als von einem Paradiß der Erden gehoͤret hat- te, zog ihn ſo gleich zu ſich. Er beſahe die vornehmſten Staͤdte dieſes Lan- des, und kam folglich auch nach Florentz, alwo es ihm ſo wohl gefiel, daß er ſich einige Zeit hier aufzuhalten entſchloß. Seine praͤchtige Auffuͤhrung bahnte ihm den Weg zu allen Baͤllen, Compagnien, Aſſembleen, Redou- ten, und andern Luſtbarkeiten mehr. Hier kam er mit dem ſchoͤnſten Frau- enzimmer in Bekandſchafft, und ihr Bezeigen, nahm ihn ſo ſehr ein, daß er den Vorgeben der in die Hoͤlle gefahrnen Maͤnner nicht den geringſten Glauben beymaß, ſondern ſie vielmehr vor Engel der Welt, und die vollkommenſte Zierde der Sterblichen hielt. Eine unter ihnen ge- fiel ihm ſonderlich uͤber alle maſſen, und unſer Belfegor wurde verliebt ehe ers dachte. Er gab ſich dahero die erſinnlichſte Muͤhe, ſie zur Gegenliebe zu be- wegen. Er gieng alle Tage zwanzig mahl vor ihrem Hauſe vorbey, und hielt den Tag vor gluͤcklich, wenn er ſie einmahl zu ſehen, und ein ge- neigtes Compliment von ihr bekam. Er hatte erfahren, daß von Reich- thum nicht viel bey ſeiner geliebten Liſette, ſo hieß ſie, uͤbrig war, drum machte er ſich durch Huͤlffe allerhand Geſchencke mit ihrer Cammer-Jung- fer bekand, welche ihn bey ihrer Maitreſſe einſchmeicheln ſolte. Er hoͤrte zwar wohl ein Voͤgelgen ſingen, welches ihm von der Treue ſeiner Gelieb- ten nichts gutes prophezeyte, indem ſie alle Abend ein paar Anbether von ihr zu ſich bitten ließ, und mit ihnen biß des Nachts um zwoͤlf Uhr L’hombre ſpielte. Aber er war vor Liebe blind, und hielt dieſes entweder vor ein Ge- dichte, oder wenigſtens einen kleinen Fehler, der ſich wohl geben wuͤrde. Denn er war einmahl uͤber ihre Schoͤnheit erſtaunet, und ließ dahero mit ſpendiren nicht eher nach, biß er einen gleichmaͤßigen Zutritt zu ihr er- langte. Hier hielte er ſich vor den gluͤcklichſten der Welt, und meynte, ſich recht beliebt zu machen, wenn er Liſetten, und ihre Eltern taͤglich mit Caffe, Chocolade und andern Erfriſchungen tractirte. An ihrem Geburts-Tage uͤberlieferte er ihr eine goldene und mit ſeinem Bildniß verſehene koſtbare Tabattiere, und die haͤuffigen Nacht-Muſiquen muſten ſeine Neigung entdecken. Endlich ſchien ihm das Gluͤck beſonders guͤnſtig, da ein einge- fallener Schnee die vornehmſten der Stadt auf ein luſtig Land-Gut in der Naͤhe lockte, und Belfegor vor andern Erlaubniß erhielt, ſeine angebethete Schoͤne, in einem praͤchtigen Schlitten dahin zu fuͤhren. Er fuͤhrte ſie bey der

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/65>, abgerufen am 24.11.2024.