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[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

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beschloß hiermit seine Rede, und die Lords waren über seine Erzehlung recht
vergnügt, indem sie ihnen Gelegenheit gegeben hatte, sich unterschiedlicher
Dinge, die sie wegen Länge der Zeit schon vergessen hatten, wieder zu
errinnern. Sein Umgang gefiel ihnen auch so wohl, daß sie ihn baten,
wenn es seine Geschäffte zu liessen, sie nach dem wenig Meilen von da ent-
legenen Briel zu begleiten. Er war so gleich willig, und nachdem er wie
er gieng und stund, sich mit ihnen zu Schiffe begeben, und sich über die
Maaß bringen lassen, so kamen sie alda ohne Anstoß an. Dieser kleine
Ort und an dem Ausfluß der Maaß auf der Jnsul Voorn gelegene wichtige
Hafen, brachte ihnen die Geschichte des Hertzogs von Alba wieder in den
Sinn. Denn dieses war der erste Platz, den die vereinigten Niederländer
1572. den 1. Aprill den Spaniern in dem allgemeinen Aufstande abjagten,
welches auf folgende Art zugieng. Der Printz von Oranien, Wilhelm,
hatte dem Grafen Lumay de la Marc Besehl gegeben, von Douvres,
einem Engelländischen Hafen, mit denen alda ausgerüsteten Schiffen, nach
Holland überzugehen. Als nun dieser von einem entsetzlichen Sturm über-
fallen, und biß vor Briel verschlagen wurde, und also in Gefahr kam ge-
fangen zu werden, so entschloß er sich, lieber das Blätgen umzuwenden,
und die Stadt selbst anzugreifen. Er setzte auch seinen Vorsatz ins Werck
und zwar so glücklich, daß er sie ohne sonderlichem Verlust eroberte. Da nun
der Hertzog von Alba dieses hörte, so hielt ers vor eine Kleinigkeit, und
sagte auf Spanisch: Nada, nada, das ist, nichts, nichts. Weil aber
diese Eroberung den Grund zu der zukünfftigen so mächtigen Republique von
Holland legte, so wurde der bekande Vers darauf gemacht:

Crevit in immensum, quod fuit ante nihil.
Sie hielten sich nicht lange hier auf, sondern machten sich auf den Weg,
um das angenehme Holland zu verlassen und sich nach Seeland nach
Mittelburg zu verfügen. Raminio begleitete sie ihrem Verlangen gemäß
auch dahin, und unterhielte sie zu Verkürtzung der Zeit mit allerhand Discour-
sen, biß endlich Mylord Bingley anfieng:
Bingley.
Jhr habt euch nun sehr lange hier aufgehalten, wehrtester Raminio,
und nach eurem eigenen Ausspruch euch bemühet, die Handlungen der
Menschen zu untersuchen, deßwegen ersuche ich euch inständigst, uns um
die Reise desto kürtzer zu machen, von dem Temperamente der Nieder-
länder, und vornehmlich der Holländer einige Nachricht zu geben.
Ra-
J 2
beſchloß hiermit ſeine Rede, und die Lords waren uͤber ſeine Erzehlung recht
vergnuͤgt, indem ſie ihnen Gelegenheit gegeben hatte, ſich unterſchiedlicher
Dinge, die ſie wegen Laͤnge der Zeit ſchon vergeſſen hatten, wieder zu
errinnern. Sein Umgang gefiel ihnen auch ſo wohl, daß ſie ihn baten,
wenn es ſeine Geſchaͤffte zu lieſſen, ſie nach dem wenig Meilen von da ent-
legenen Briel zu begleiten. Er war ſo gleich willig, und nachdem er wie
er gieng und ſtund, ſich mit ihnen zu Schiffe begeben, und ſich uͤber die
Maaß bringen laſſen, ſo kamen ſie alda ohne Anſtoß an. Dieſer kleine
Ort und an dem Ausfluß der Maaß auf der Jnſul Voorn gelegene wichtige
Hafen, brachte ihnen die Geſchichte des Hertzogs von Alba wieder in den
Sinn. Denn dieſes war der erſte Platz, den die vereinigten Niederlaͤnder
1572. den 1. Aprill den Spaniern in dem allgemeinen Aufſtande abjagten,
welches auf folgende Art zugieng. Der Printz von Oranien, Wilhelm,
hatte dem Grafen Lumay de la Marc Beſehl gegeben, von Douvres,
einem Engellaͤndiſchen Hafen, mit denen alda ausgeruͤſteten Schiffen, nach
Holland uͤberzugehen. Als nun dieſer von einem entſetzlichen Sturm uͤber-
fallen, und biß vor Briel verſchlagen wurde, und alſo in Gefahr kam ge-
fangen zu werden, ſo entſchloß er ſich, lieber das Blaͤtgen umzuwenden,
und die Stadt ſelbſt anzugreifen. Er ſetzte auch ſeinen Vorſatz ins Werck
und zwar ſo gluͤcklich, daß er ſie ohne ſonderlichem Verluſt eroberte. Da nun
der Hertzog von Alba dieſes hoͤrte, ſo hielt ers vor eine Kleinigkeit, und
ſagte auf Spaniſch: Nada, nada, das iſt, nichts, nichts. Weil aber
dieſe Eroberung den Grund zu der zukuͤnfftigen ſo maͤchtigen Republique von
Holland legte, ſo wurde der bekande Vers darauf gemacht:

Crevit in immenſum, quod fuit ante nihil.
Sie hielten ſich nicht lange hier auf, ſondern machten ſich auf den Weg,
um das angenehme Holland zu verlaſſen und ſich nach Seeland nach
Mittelburg zu verfuͤgen. Raminio begleitete ſie ihrem Verlangen gemaͤß
auch dahin, und unterhielte ſie zu Verkuͤrtzung der Zeit mit allerhand Diſcour-
ſen, biß endlich Mylord Bingley anfieng:
Bingley.
Jhr habt euch nun ſehr lange hier aufgehalten, wehrteſter Raminio,
und nach eurem eigenen Ausſpruch euch bemuͤhet, die Handlungen der
Menſchen zu unterſuchen, deßwegen erſuche ich euch inſtaͤndigſt, uns um
die Reiſe deſto kuͤrtzer zu machen, von dem Temperamente der Nieder-
laͤnder, und vornehmlich der Hollaͤnder einige Nachricht zu geben.
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[67/0077] beſchloß hiermit ſeine Rede, und die Lords waren uͤber ſeine Erzehlung recht vergnuͤgt, indem ſie ihnen Gelegenheit gegeben hatte, ſich unterſchiedlicher Dinge, die ſie wegen Laͤnge der Zeit ſchon vergeſſen hatten, wieder zu errinnern. Sein Umgang gefiel ihnen auch ſo wohl, daß ſie ihn baten, wenn es ſeine Geſchaͤffte zu lieſſen, ſie nach dem wenig Meilen von da ent- legenen Briel zu begleiten. Er war ſo gleich willig, und nachdem er wie er gieng und ſtund, ſich mit ihnen zu Schiffe begeben, und ſich uͤber die Maaß bringen laſſen, ſo kamen ſie alda ohne Anſtoß an. Dieſer kleine Ort und an dem Ausfluß der Maaß auf der Jnſul Voorn gelegene wichtige Hafen, brachte ihnen die Geſchichte des Hertzogs von Alba wieder in den Sinn. Denn dieſes war der erſte Platz, den die vereinigten Niederlaͤnder 1572. den 1. Aprill den Spaniern in dem allgemeinen Aufſtande abjagten, welches auf folgende Art zugieng. Der Printz von Oranien, Wilhelm, hatte dem Grafen Lumay de la Marc Beſehl gegeben, von Douvres, einem Engellaͤndiſchen Hafen, mit denen alda ausgeruͤſteten Schiffen, nach Holland uͤberzugehen. Als nun dieſer von einem entſetzlichen Sturm uͤber- fallen, und biß vor Briel verſchlagen wurde, und alſo in Gefahr kam ge- fangen zu werden, ſo entſchloß er ſich, lieber das Blaͤtgen umzuwenden, und die Stadt ſelbſt anzugreifen. Er ſetzte auch ſeinen Vorſatz ins Werck und zwar ſo gluͤcklich, daß er ſie ohne ſonderlichem Verluſt eroberte. Da nun der Hertzog von Alba dieſes hoͤrte, ſo hielt ers vor eine Kleinigkeit, und ſagte auf Spaniſch: Nada, nada, das iſt, nichts, nichts. Weil aber dieſe Eroberung den Grund zu der zukuͤnfftigen ſo maͤchtigen Republique von Holland legte, ſo wurde der bekande Vers darauf gemacht: Crevit in immenſum, quod fuit ante nihil. Sie hielten ſich nicht lange hier auf, ſondern machten ſich auf den Weg, um das angenehme Holland zu verlaſſen und ſich nach Seeland nach Mittelburg zu verfuͤgen. Raminio begleitete ſie ihrem Verlangen gemaͤß auch dahin, und unterhielte ſie zu Verkuͤrtzung der Zeit mit allerhand Diſcour- ſen, biß endlich Mylord Bingley anfieng: Bingley. Jhr habt euch nun ſehr lange hier aufgehalten, wehrteſter Raminio, und nach eurem eigenen Ausſpruch euch bemuͤhet, die Handlungen der Menſchen zu unterſuchen, deßwegen erſuche ich euch inſtaͤndigſt, uns um die Reiſe deſto kuͤrtzer zu machen, von dem Temperamente der Nieder- laͤnder, und vornehmlich der Hollaͤnder einige Nachricht zu geben. Ra- J 2

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/77>, abgerufen am 24.11.2024.