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[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

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Wasser und Lande auszubitten, so kan ich versichern, daß mir hierdurch ein
ausnehmender Gefallen geschehen würde?

Der General.
Hertzlich gerne, so viel als in meiner Wissenschafft, und ohne Verle-
tzung meines geleisteten Eydes geschehen kan. Der Unterschied, zwischen der
ehemahligen und jetzigen Macht der Holländer ist sehr groß. Denn da die
Republique gestifftet wurde, so stund sie noch in keiner ordentlichen Verfas-
sung, weil die Commercia noch nicht florisant waren, und erst nach und nach
zu einer solchen Vortrefflichkeit gediehen, welche man bewundern muß, wie
denn in dem 1733 sten Jahre fast 1700. Schiffe in dem Texel eingelaufen seyn.
Denn da der Umfang des Landes nicht allzugroß, und folglich dieses keine star-
cke Armee von puren Jnwohnern hervorbringen kan, so ist kein anderes Mit-
tel, als sie von andern Orten herzulocken. Darzu gehört Geld, und folglich
Commercien, denn wo keine Handlung blühet, da ist auch nicht viel Geld in
Lande. Diese aber brachten die Holländer bald in Stand, und widersetz-
ten sich tapfer ihren Feinden, ob es wohl 1672. bey dem entsetzlichen Ein-
bruch des Königs in Franckreich etwas anders hergieng, als welcher in kur-
tzer Zeit fast gantz Holland eroberte, und Amsterdam auch seine worden wär,
wenn der dasige Bürgermeister, Borell, nicht die Schleussen fast mit Ge-
walt öffnen lassen. Wie wohl daran nichts als die üble Anstalt schuld war,
weil die Festungen, mit lauter Schwägern, Gevattern, Söhnen, Vet-
tern
etc. von den vornehmsten des Landes commandiret wurden, die wohl
eine Tasse Caffee trincken, aber kein Pulver riechen konten, und dahero sich
so bald sie nur die Feinde von den Spitzen der Thürmen erblickten, ergaben.
Wie denn die reichsten Kaufleute schon Schiffe bestellet hatten, um wenn es
gefährlicher werden solte, mit alle dem ihrigen, nach Ost-Jndien zu flüch-
ten. Nach der Zeit aber ist die Verbesserung der Kriegs-Rüstungen,
als eine Nothwendigkeit zu Conservirung ihrer Republique angesehen
worden und die Trouppen sind dahero in dem Succeßions-Krieg starck
genug erschienen, wie ich denn versichern kan, daß damahls mehr als
35000. Mann in holländischen Diensten gestanden, welche grösten-
theils von Teutschen Fürsten angeworben worden. Sie haben tapfe-
re Generals gehabt, und auch noch, worunter sonderlich der berühm-
te Baron von Coehorn sich hervorgethan, welcher durch die von ihm
ersonnene Kunst, auf eine gantz neue Art die Städte durch das Feuer zur Uber-
gabe zu zwingen, sich einen ewigen Ruhm erworben. Der General-Stadt-
halter
ist zugleich General-Capitain, und weil also des Stadthalters
gröstes Ansehen in dem Kriege besteht, so haben die Holländer nach König
Wil-
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Waſſer und Lande auszubitten, ſo kan ich verſichern, daß mir hierdurch ein
ausnehmender Gefallen geſchehen wuͤrde?

Der General.
Hertzlich gerne, ſo viel als in meiner Wiſſenſchafft, und ohne Verle-
tzung meines geleiſteten Eydes geſchehen kan. Der Unterſchied, zwiſchen der
ehemahligen und jetzigen Macht der Hollaͤnder iſt ſehr groß. Denn da die
Republique geſtifftet wurde, ſo ſtund ſie noch in keiner ordentlichen Verfaſ-
ſung, weil die Commercia noch nicht floriſant waren, und erſt nach und nach
zu einer ſolchen Vortrefflichkeit gediehen, welche man bewundern muß, wie
denn in dem 1733 ſten Jahre faſt 1700. Schiffe in dem Texel eingelaufen ſeyn.
Denn da der Umfang des Landes nicht allzugroß, und folglich dieſes keine ſtar-
cke Armee von puren Jnwohnern hervorbringen kan, ſo iſt kein anderes Mit-
tel, als ſie von andern Orten herzulocken. Darzu gehoͤrt Geld, und folglich
Commercien, denn wo keine Handlung bluͤhet, da iſt auch nicht viel Geld in
Lande. Dieſe aber brachten die Hollaͤnder bald in Stand, und widerſetz-
ten ſich tapfer ihren Feinden, ob es wohl 1672. bey dem entſetzlichen Ein-
bruch des Koͤnigs in Franckreich etwas anders hergieng, als welcher in kur-
tzer Zeit faſt gantz Holland eroberte, und Amſterdam auch ſeine worden waͤr,
wenn der daſige Buͤrgermeiſter, Borell, nicht die Schleuſſen faſt mit Ge-
walt oͤffnen laſſen. Wie wohl daran nichts als die uͤble Anſtalt ſchuld war,
weil die Feſtungen, mit lauter Schwaͤgern, Gevattern, Soͤhnen, Vet-
tern
ꝛc. von den vornehmſten des Landes commandiret wurden, die wohl
eine Taſſe Caffee trincken, aber kein Pulver riechen konten, und dahero ſich
ſo bald ſie nur die Feinde von den Spitzen der Thuͤrmen erblickten, ergaben.
Wie denn die reichſten Kaufleute ſchon Schiffe beſtellet hatten, um wenn es
gefaͤhrlicher werden ſolte, mit alle dem ihrigen, nach Oſt-Jndien zu fluͤch-
ten. Nach der Zeit aber iſt die Verbeſſerung der Kriegs-Ruͤſtungen,
als eine Nothwendigkeit zu Conſervirung ihrer Republique angeſehen
worden und die Trouppen ſind dahero in dem Succeßions-Krieg ſtarck
genug erſchienen, wie ich denn verſichern kan, daß damahls mehr als
35000. Mann in hollaͤndiſchen Dienſten geſtanden, welche groͤſten-
theils von Teutſchen Fuͤrſten angeworben worden. Sie haben tapfe-
re Generals gehabt, und auch noch, worunter ſonderlich der beruͤhm-
te Baron von Coehorn ſich hervorgethan, welcher durch die von ihm
erſonnene Kunſt, auf eine gantz neue Art die Staͤdte durch das Feuer zur Uber-
gabe zu zwingen, ſich einen ewigen Ruhm erworben. Der General-Stadt-
halter
iſt zugleich General-Capitain, und weil alſo des Stadthalters
groͤſtes Anſehen in dem Kriege beſteht, ſo haben die Hollaͤnder nach Koͤnig
Wil-
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[85/0095] Waſſer und Lande auszubitten, ſo kan ich verſichern, daß mir hierdurch ein ausnehmender Gefallen geſchehen wuͤrde? Der General. Hertzlich gerne, ſo viel als in meiner Wiſſenſchafft, und ohne Verle- tzung meines geleiſteten Eydes geſchehen kan. Der Unterſchied, zwiſchen der ehemahligen und jetzigen Macht der Hollaͤnder iſt ſehr groß. Denn da die Republique geſtifftet wurde, ſo ſtund ſie noch in keiner ordentlichen Verfaſ- ſung, weil die Commercia noch nicht floriſant waren, und erſt nach und nach zu einer ſolchen Vortrefflichkeit gediehen, welche man bewundern muß, wie denn in dem 1733 ſten Jahre faſt 1700. Schiffe in dem Texel eingelaufen ſeyn. Denn da der Umfang des Landes nicht allzugroß, und folglich dieſes keine ſtar- cke Armee von puren Jnwohnern hervorbringen kan, ſo iſt kein anderes Mit- tel, als ſie von andern Orten herzulocken. Darzu gehoͤrt Geld, und folglich Commercien, denn wo keine Handlung bluͤhet, da iſt auch nicht viel Geld in Lande. Dieſe aber brachten die Hollaͤnder bald in Stand, und widerſetz- ten ſich tapfer ihren Feinden, ob es wohl 1672. bey dem entſetzlichen Ein- bruch des Koͤnigs in Franckreich etwas anders hergieng, als welcher in kur- tzer Zeit faſt gantz Holland eroberte, und Amſterdam auch ſeine worden waͤr, wenn der daſige Buͤrgermeiſter, Borell, nicht die Schleuſſen faſt mit Ge- walt oͤffnen laſſen. Wie wohl daran nichts als die uͤble Anſtalt ſchuld war, weil die Feſtungen, mit lauter Schwaͤgern, Gevattern, Soͤhnen, Vet- tern ꝛc. von den vornehmſten des Landes commandiret wurden, die wohl eine Taſſe Caffee trincken, aber kein Pulver riechen konten, und dahero ſich ſo bald ſie nur die Feinde von den Spitzen der Thuͤrmen erblickten, ergaben. Wie denn die reichſten Kaufleute ſchon Schiffe beſtellet hatten, um wenn es gefaͤhrlicher werden ſolte, mit alle dem ihrigen, nach Oſt-Jndien zu fluͤch- ten. Nach der Zeit aber iſt die Verbeſſerung der Kriegs-Ruͤſtungen, als eine Nothwendigkeit zu Conſervirung ihrer Republique angeſehen worden und die Trouppen ſind dahero in dem Succeßions-Krieg ſtarck genug erſchienen, wie ich denn verſichern kan, daß damahls mehr als 35000. Mann in hollaͤndiſchen Dienſten geſtanden, welche groͤſten- theils von Teutſchen Fuͤrſten angeworben worden. Sie haben tapfe- re Generals gehabt, und auch noch, worunter ſonderlich der beruͤhm- te Baron von Coehorn ſich hervorgethan, welcher durch die von ihm erſonnene Kunſt, auf eine gantz neue Art die Staͤdte durch das Feuer zur Uber- gabe zu zwingen, ſich einen ewigen Ruhm erworben. Der General-Stadt- halter iſt zugleich General-Capitain, und weil alſo des Stadthalters groͤſtes Anſehen in dem Kriege beſteht, ſo haben die Hollaͤnder nach Koͤnig Wil- L 3

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/95>, abgerufen am 17.06.2024.