Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 10. Berlin-Charlottenburg, 23. März 1905.Heinr. Michalski: Unsere Schwenkung zu Japan. von dem Gewaltigen selbst eine Jnformation, die ihm von höchster Wichtigkeiterscheinen mußte. Er setzte sich natürlich sofort hin und sandte für teueres Geld eine Kabeldepesche an seine Zeitung. Am nächsten Morgen brachten die Berliner Zeitungen natürlich die Nachricht der "Times", die ihnen ihre Korrespondenten sofort wieder herüberdepeschiert hatten. Am Abend aber erklärte die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung", die Nachricht der "Times" wäre eine plumpe Lüge. Entsetzt eilte der "Times" =Korre- spondent, den die Sache seine Stellung kosten konnte, zu Bismarck: "Aber Durchlaucht, Sie haben mir doch die Jnformation, die Sie jetzt für plumpe Lüge erklären lassen, selbst gegeben." Aber der zuckte mitleidig die Achseln und sagte: "Sie haben eben aus einer trüben Quelle geschöpft." Etwas Aehnliches soll neulich übrigens auch einem deutschen Jour- Nun also, die Andeutungen, die ich in Nr. 9 machte, hatten weder einen Den deutschfeindlichen Ausstreuungen habe die japanische Regierung nie- Nun erzählte Graf Bülow, so wird man sagen, gewiß nur deshalb von Heinr. Michalski: Unsere Schwenkung zu Japan. von dem Gewaltigen selbst eine Jnformation, die ihm von höchster Wichtigkeiterscheinen mußte. Er setzte sich natürlich sofort hin und sandte für teueres Geld eine Kabeldepesche an seine Zeitung. Am nächsten Morgen brachten die Berliner Zeitungen natürlich die Nachricht der „Times“, die ihnen ihre Korrespondenten sofort wieder herüberdepeschiert hatten. Am Abend aber erklärte die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“, die Nachricht der „Times“ wäre eine plumpe Lüge. Entsetzt eilte der „Times“ =Korre- spondent, den die Sache seine Stellung kosten konnte, zu Bismarck: „Aber Durchlaucht, Sie haben mir doch die Jnformation, die Sie jetzt für plumpe Lüge erklären lassen, selbst gegeben.“ Aber der zuckte mitleidig die Achseln und sagte: „Sie haben eben aus einer trüben Quelle geschöpft.“ Etwas Aehnliches soll neulich übrigens auch einem deutschen Jour- Nun also, die Andeutungen, die ich in Nr. 9 machte, hatten weder einen Den deutschfeindlichen Ausstreuungen habe die japanische Regierung nie- Nun erzählte Graf Bülow, so wird man sagen, gewiß nur deshalb von <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0002" n="434"/><fw type="header" place="top">Heinr. Michalski: Unsere Schwenkung zu Japan.</fw><lb/> von dem Gewaltigen selbst eine Jnformation, die ihm von höchster Wichtigkeit<lb/> erscheinen mußte. Er setzte sich natürlich sofort hin und sandte für teueres<lb/> Geld eine Kabeldepesche an seine Zeitung. 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Seitdem aber ist verschiedenes vorge-<lb/> fallen, was mir bestätigt, daß meine Quelle eine durchaus zuverlässige war.<lb/> Am Tage, nach dem Nr. 9 herauskam, erzählte Graf Bülow im Reichstag, der<lb/> deutsche Gesandte in Tokio depeschiere:</p><lb/> <p>Den deutschfeindlichen Ausstreuungen habe die japanische Regierung nie-<lb/> mals Glauben geschenkt, sie wisse, daß gegen uns Jntriguen spielen. . . .<lb/> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<lb/> Der japanische Minister fährt fort, auch er habe keinen Grund, uns zu miß-<lb/> trauen oder über uns zu klagen. Er lege auf gute Beziehungen zu Deutschland den<lb/> größten Wert, er sehe zu Kollisionen zwischen Deutschland und Japan absolut<lb/> keinen Grund. Auch bat mich der Herr Minister zu melden, daß die japanische<lb/> Regierung uns wie anderen Mächten gegenüber vollzogene Tatsachen und er-<lb/> worbene Rechte in Ostasien respektieren werde. Es sei dies nicht allein der<lb/> feste Entschluß der jetzigen japanischen Regierung, sondern ein bleibender und<lb/> leitender Grundsatz der japanischen Politik.“</p><lb/> <p>Nun erzählte Graf Bülow, so wird man sagen, gewiß nur deshalb von<lb/> dem Telegramm, weil er damit den Vorwurf der Parteinahme für Rußland<lb/> entkräften wollte. Selbstverständlich. Aber glaubt man etwa, daß der Reichs-<lb/> kanzler sich dieses Telegramm aus Tokio extra bestellt habe, um sich gegen Bebel<lb/> verteidigen zu können, sieht das Telegramm nicht vielmehr darnach aus, als<lb/> ob Deutschland vorher bestimmte Versicherungen seiner freundschaftlichen Ge-<lb/> sinnung abgegeben hat? Und hätte Graf Bülow das Telegramm erwähnt,<lb/> wenn noch das alte herzliche Verhältnis zu Rußland bestehen würde? Jn<lb/> diesem Falle hätte er es doch sicher beiseite gelassen. Daß Graf Bülow das Tele-<lb/> gramm zugleich benutzt, um zu zeigen, daß man sogar in Tokio der Meinung<lb/> sei, Deutschland habe sich durchaus unparteiisch neutral verhalten, das ist<lb/> natürlich auf gut deutsch gesagt, einfach Spiegelfechterei. Die Kritik, der die<lb/> deutsche äußere Politik in der Etatsdebatte unterworfen wurde, der Vorwurf,<lb/> der gegen sie erhoben wurde, daß sie Rußland moralisch, manchmal sogar, wenn </p> </div> </body> </text> </TEI> [434/0002]
Heinr. Michalski: Unsere Schwenkung zu Japan.
von dem Gewaltigen selbst eine Jnformation, die ihm von höchster Wichtigkeit
erscheinen mußte. Er setzte sich natürlich sofort hin und sandte für teueres
Geld eine Kabeldepesche an seine Zeitung. Am nächsten Morgen brachten die
Berliner Zeitungen natürlich die Nachricht der „Times“, die ihnen
ihre Korrespondenten sofort wieder herüberdepeschiert hatten. Am Abend
aber erklärte die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“, die Nachricht
der „Times“ wäre eine plumpe Lüge. Entsetzt eilte der „Times“ =Korre-
spondent, den die Sache seine Stellung kosten konnte, zu Bismarck: „Aber
Durchlaucht, Sie haben mir doch die Jnformation, die Sie jetzt für plumpe
Lüge erklären lassen, selbst gegeben.“ Aber der zuckte mitleidig die Achseln
und sagte: „Sie haben eben aus einer trüben Quelle geschöpft.“
Etwas Aehnliches soll neulich übrigens auch einem deutschen Jour-
nalisten im Auswärtigen Amt passiert sein, nur daß die Antwort auf seine
Beschwerde gemäß den veränderten Personalverhältnissen nicht eine so
prägnante war.
Nun also, die Andeutungen, die ich in Nr. 9 machte, hatten weder einen
offiziellen noch einen offiziösen Stempel bekommen und man konnte sie eben
ignorieren, trotzdem die Auszüge aus der Kaiserrede in Wilhelmshaven, die
auch von der Regierungspresse gebracht wurden, so merkwürdig herzliche Aeuße-
rungen über die Japaner enthielten. Seitdem aber ist verschiedenes vorge-
fallen, was mir bestätigt, daß meine Quelle eine durchaus zuverlässige war.
Am Tage, nach dem Nr. 9 herauskam, erzählte Graf Bülow im Reichstag, der
deutsche Gesandte in Tokio depeschiere:
Den deutschfeindlichen Ausstreuungen habe die japanische Regierung nie-
mals Glauben geschenkt, sie wisse, daß gegen uns Jntriguen spielen. . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der japanische Minister fährt fort, auch er habe keinen Grund, uns zu miß-
trauen oder über uns zu klagen. Er lege auf gute Beziehungen zu Deutschland den
größten Wert, er sehe zu Kollisionen zwischen Deutschland und Japan absolut
keinen Grund. Auch bat mich der Herr Minister zu melden, daß die japanische
Regierung uns wie anderen Mächten gegenüber vollzogene Tatsachen und er-
worbene Rechte in Ostasien respektieren werde. Es sei dies nicht allein der
feste Entschluß der jetzigen japanischen Regierung, sondern ein bleibender und
leitender Grundsatz der japanischen Politik.“
Nun erzählte Graf Bülow, so wird man sagen, gewiß nur deshalb von
dem Telegramm, weil er damit den Vorwurf der Parteinahme für Rußland
entkräften wollte. Selbstverständlich. Aber glaubt man etwa, daß der Reichs-
kanzler sich dieses Telegramm aus Tokio extra bestellt habe, um sich gegen Bebel
verteidigen zu können, sieht das Telegramm nicht vielmehr darnach aus, als
ob Deutschland vorher bestimmte Versicherungen seiner freundschaftlichen Ge-
sinnung abgegeben hat? Und hätte Graf Bülow das Telegramm erwähnt,
wenn noch das alte herzliche Verhältnis zu Rußland bestehen würde? Jn
diesem Falle hätte er es doch sicher beiseite gelassen. Daß Graf Bülow das Tele-
gramm zugleich benutzt, um zu zeigen, daß man sogar in Tokio der Meinung
sei, Deutschland habe sich durchaus unparteiisch neutral verhalten, das ist
natürlich auf gut deutsch gesagt, einfach Spiegelfechterei. Die Kritik, der die
deutsche äußere Politik in der Etatsdebatte unterworfen wurde, der Vorwurf,
der gegen sie erhoben wurde, daß sie Rußland moralisch, manchmal sogar, wenn
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