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Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 10. Berlin-Charlottenburg, 23. März 1905.

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J. Schaumberger: Die große Liebe.
bereiten, als eben das Wegnehmen? Und was war meinem großen Kinde alle
Gefahr, alle Möglichkeit eines schlimmen oder häßlichen Ausgangs? Schlim-
meres konnte ihm ja doch nicht begegnen, als daß ich ihn verlassen wollte. Welch
ein Jammer in allen Tonarten! Schmeicheln, Bitten, Flehen, Weinen, Drohen,
Toben -- weiter ließ ich ihn nicht kommen. Jch machte ein Ende. Und nun
ist es aus, ganz aus. Als ich am Abend mit meinem Manne ins Lessing-
Theater fuhr, reizte es mich plötzlich, ihm alles zu erzählen. Aber er hätte
meinen können, ich wollte mich meiner "Ehrbarkeit" rühmen. Und das wäre
doch unfein gewesen. -- --     Deine Magda.

PS. Daß ich noch an "Jhn" denke, oft, sehr oft, will ich Dir nicht
verschweigen. Und gerade sein Bild aus der letzten Stunde schwebt mir dann
immer vor. Jch hätte nicht gedacht, daß er so an mir hinge. Es ist doch
ein hübsches Gefühl, so geliebt zu sein. Wenn ich jemals erfahren würde, daß
er nicht mehr an mich denkt, ich glaube, ich würde ihm sehr, sehr böse sein.


Lieber Schatz!

Er hat mich noch nicht vergessen. Jch weiß es, und es tut mir wohl
( Dir darf ich es ja gestehen ) . Aber daß er meinetwegen immer noch leidet, tut
mir weh. Gestern sprach ich in Gesellschaft den kleinen Dofsky -- Du kennst
ihn ja, nicht wahr? Findest Du ihn nicht auch reizend? -- Nun, der war
kürzlich bei "Jhm", im Atelier. Jch fragte ihn, woran er arbeite. "Er"
nämlich. -- Nichts, gar nichts, seit Wochen. Und in einer Stimmung. Un-
genießbar! Nichts aus ihm herauszubringen, kein Wort. Aber kein Zweifel,
dahinter müsse ein Weib stecken. So kann einen nur ein Weib zurichten,
meinte der Kleine. Er war ganz zornig, und dabei sah er furchtbar komisch
aus. Aber es war nicht zum Lachen. Mir wurde heiß und kalt dabei. Merk-
würdig, wie peinlich mir das war. Jch brachte das Gespräch auf etwas
anderes. -- Der arme Mensch! Er tut mir wirklich leid. Glaubst Du, daß es
noch lange bei ihm dauern wird? Wie kann man nur so töricht verliebt sein?
Er sollte doch bedenken, was er seinem Talent schuldig ist -- --"

    Madelaine.


Mein Liebling!

"-- -- Gestern war der kleine Dofsky wieder bei mir. Er fing gleich
wieder an, von "Jhm" zu sprechen. Jch sagte ihm, ich hätte gar keinen Re-
spekt vor seinem Freunde. Ein Künstler wie er, und solch ein Schmachtlappen.
-- Wie einen doch das Leben zwingt, Komödie zu spielen! Denn in Wahr-
heit muß ich gestehen, es ist doch was Schönes um so eine große Liebe. Jch
hätte nicht geglaubt, daß es so etwas gibt. -- --"     Deine Lena.


Liebe Tilli!

"-- Der kleine Dofsky besucht mich jetzt fast täglich. Er macht mir den
Hof, mit einer entzückenden Unverschämtheit. Dabei mokiert er sich über die

J. Schaumberger: Die große Liebe.
bereiten, als eben das Wegnehmen? Und was war meinem großen Kinde alle
Gefahr, alle Möglichkeit eines schlimmen oder häßlichen Ausgangs? Schlim-
meres konnte ihm ja doch nicht begegnen, als daß ich ihn verlassen wollte. Welch
ein Jammer in allen Tonarten! Schmeicheln, Bitten, Flehen, Weinen, Drohen,
Toben — weiter ließ ich ihn nicht kommen. Jch machte ein Ende. Und nun
ist es aus, ganz aus. Als ich am Abend mit meinem Manne ins Lessing-
Theater fuhr, reizte es mich plötzlich, ihm alles zu erzählen. Aber er hätte
meinen können, ich wollte mich meiner „Ehrbarkeit“ rühmen. Und das wäre
doch unfein gewesen. — —     Deine Magda.

PS. Daß ich noch an „Jhn“ denke, oft, sehr oft, will ich Dir nicht
verschweigen. Und gerade sein Bild aus der letzten Stunde schwebt mir dann
immer vor. Jch hätte nicht gedacht, daß er so an mir hinge. Es ist doch
ein hübsches Gefühl, so geliebt zu sein. Wenn ich jemals erfahren würde, daß
er nicht mehr an mich denkt, ich glaube, ich würde ihm sehr, sehr böse sein.


Lieber Schatz!

Er hat mich noch nicht vergessen. Jch weiß es, und es tut mir wohl
( Dir darf ich es ja gestehen ) . Aber daß er meinetwegen immer noch leidet, tut
mir weh. Gestern sprach ich in Gesellschaft den kleinen Dofsky — Du kennst
ihn ja, nicht wahr? Findest Du ihn nicht auch reizend? — Nun, der war
kürzlich bei „Jhm“, im Atelier. Jch fragte ihn, woran er arbeite. „Er“
nämlich. — Nichts, gar nichts, seit Wochen. Und in einer Stimmung. Un-
genießbar! Nichts aus ihm herauszubringen, kein Wort. Aber kein Zweifel,
dahinter müsse ein Weib stecken. So kann einen nur ein Weib zurichten,
meinte der Kleine. Er war ganz zornig, und dabei sah er furchtbar komisch
aus. Aber es war nicht zum Lachen. Mir wurde heiß und kalt dabei. Merk-
würdig, wie peinlich mir das war. Jch brachte das Gespräch auf etwas
anderes. — Der arme Mensch! Er tut mir wirklich leid. Glaubst Du, daß es
noch lange bei ihm dauern wird? Wie kann man nur so töricht verliebt sein?
Er sollte doch bedenken, was er seinem Talent schuldig ist — —“

    Madelaine.


Mein Liebling!

„— — Gestern war der kleine Dofsky wieder bei mir. Er fing gleich
wieder an, von „Jhm“ zu sprechen. Jch sagte ihm, ich hätte gar keinen Re-
spekt vor seinem Freunde. Ein Künstler wie er, und solch ein Schmachtlappen.
— Wie einen doch das Leben zwingt, Komödie zu spielen! Denn in Wahr-
heit muß ich gestehen, es ist doch was Schönes um so eine große Liebe. Jch
hätte nicht geglaubt, daß es so etwas gibt. — —“     Deine Lena.


Liebe Tilli!

„— Der kleine Dofsky besucht mich jetzt fast täglich. Er macht mir den
Hof, mit einer entzückenden Unverschämtheit. Dabei mokiert er sich über die

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[470/0038] J. Schaumberger: Die große Liebe. bereiten, als eben das Wegnehmen? Und was war meinem großen Kinde alle Gefahr, alle Möglichkeit eines schlimmen oder häßlichen Ausgangs? Schlim- meres konnte ihm ja doch nicht begegnen, als daß ich ihn verlassen wollte. Welch ein Jammer in allen Tonarten! Schmeicheln, Bitten, Flehen, Weinen, Drohen, Toben — weiter ließ ich ihn nicht kommen. Jch machte ein Ende. Und nun ist es aus, ganz aus. Als ich am Abend mit meinem Manne ins Lessing- Theater fuhr, reizte es mich plötzlich, ihm alles zu erzählen. Aber er hätte meinen können, ich wollte mich meiner „Ehrbarkeit“ rühmen. Und das wäre doch unfein gewesen. — — Deine Magda. PS. Daß ich noch an „Jhn“ denke, oft, sehr oft, will ich Dir nicht verschweigen. Und gerade sein Bild aus der letzten Stunde schwebt mir dann immer vor. Jch hätte nicht gedacht, daß er so an mir hinge. Es ist doch ein hübsches Gefühl, so geliebt zu sein. Wenn ich jemals erfahren würde, daß er nicht mehr an mich denkt, ich glaube, ich würde ihm sehr, sehr böse sein. 28. November 04. Lieber Schatz! Er hat mich noch nicht vergessen. Jch weiß es, und es tut mir wohl ( Dir darf ich es ja gestehen ) . Aber daß er meinetwegen immer noch leidet, tut mir weh. Gestern sprach ich in Gesellschaft den kleinen Dofsky — Du kennst ihn ja, nicht wahr? Findest Du ihn nicht auch reizend? — Nun, der war kürzlich bei „Jhm“, im Atelier. Jch fragte ihn, woran er arbeite. „Er“ nämlich. — Nichts, gar nichts, seit Wochen. Und in einer Stimmung. Un- genießbar! Nichts aus ihm herauszubringen, kein Wort. Aber kein Zweifel, dahinter müsse ein Weib stecken. So kann einen nur ein Weib zurichten, meinte der Kleine. Er war ganz zornig, und dabei sah er furchtbar komisch aus. Aber es war nicht zum Lachen. Mir wurde heiß und kalt dabei. Merk- würdig, wie peinlich mir das war. Jch brachte das Gespräch auf etwas anderes. — Der arme Mensch! Er tut mir wirklich leid. Glaubst Du, daß es noch lange bei ihm dauern wird? Wie kann man nur so töricht verliebt sein? Er sollte doch bedenken, was er seinem Talent schuldig ist — —“ Madelaine. den 16. Dezember 04. Mein Liebling! „— — Gestern war der kleine Dofsky wieder bei mir. Er fing gleich wieder an, von „Jhm“ zu sprechen. Jch sagte ihm, ich hätte gar keinen Re- spekt vor seinem Freunde. Ein Künstler wie er, und solch ein Schmachtlappen. — Wie einen doch das Leben zwingt, Komödie zu spielen! Denn in Wahr- heit muß ich gestehen, es ist doch was Schönes um so eine große Liebe. Jch hätte nicht geglaubt, daß es so etwas gibt. — —“ Deine Lena. 10. Januar 1905. Liebe Tilli! „— Der kleine Dofsky besucht mich jetzt fast täglich. Er macht mir den Hof, mit einer entzückenden Unverschämtheit. Dabei mokiert er sich über die

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Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 10. Berlin-Charlottenburg, 23. März 1905, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0110_1905/38>, abgerufen am 26.09.2024.