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Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 10. Berlin-Charlottenburg, 23. März 1905.

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J. Schaumberger: Die große Liebe.
Männer, die die Liebe ernst nehmen. Das brachte das Gespräch natürlich
wieder auf "Jhn". Jch glaube, sagte der Kleine, er fängt an, vernünftig zu
werden. Wenigstens hat er sich unlängst auf dem Ball im Metropol=Theater,
wie es schien, famos amüsiert. -- Mit einem Weib? -- Natürlich, selbstver-
ständlich! --

"Fängt an, vernünftig zu werden!!" -- Wie sich doch die Männer in
solchen Dingen täuschen! Es ist klar, er sucht sich zu betäuben, zu zerstreuen.
Aber "auf diesem nicht ungewöhnlichen Wege"! Das hätte ich von ihm nicht
erwartet. -- --     Deine Leni.

PS. Diese Bälle sollen übrigens nicht selten von Damen aus der besten
Gesellschaft besucht werden. Was sagst Du dazu? Wäre es nicht ein gott-
gefälliges Werk, wenn Du Deine Tugend einmal auf so gefährliche Weise auf
die Probe stellen würdest? Der kleine Dofsky würde uns begleiten.


Liebe Ottilie!

"-- -- Die große Liebe! Jch muß lachen. Bitte, lach' doch mit! Lach'
mich tüchtig aus. Deine kluge Lena ist eine Gans. Die große Liebe! Er hat
richtig eine Eroberung gemacht. Sie kommt täglich zu ihm ins Atelier. Und
er malt sie natürlich auch. Aber frag' mich nur nicht, wie! Kein Zweifel! Er
ist getröstet. Wie gemein doch das Leben ist. Wenn ich noch an die große
Liebe glaubte, so würde ich eher noch für möglich halten, daß eine Frau ihrer
fähig wäre. Ein Mann niemals! Und ich war nahe daran -- -- Pfui! -- --

    Lena.


Meine teure Freundin!

"-- Mein Gott, mein Gott! Was sagst Du dazu! Jch bin kaum im-
stande, mich zu beherrschen. Schrecklich! Es traf mich wie ein Blitz. Kein
Zweifel, daß er selbst -- -- ich vermag es nicht niederzuschreiben, das Furcht-
bare. Aber ich fühle es, ich bin davon überzeugt, trotz seiner edlen, groß-
mütigen Bemühungen, die Katastrophe als einen Unglücksfall erscheinen zu
lassen. Niemand ahnt, daß er meinetwegen -- Nur ich weiß die Wahrheit und
Du, nur wir beide, und Du wirst schweigen, treue Seele, schweigen, und mit
mir leiden. -- Jch kann Dir nicht sagen, wie mir zu Mute ist. Welch eine
Qual, seinen Gram, seine Tränen verbergen zu müssen. Jetzt habe ich keine
Tränen mehr, ich habe zu viel um ihn geweint. Das Qualvollste ist die
Reue, die ich empfinde, seine große Liebe verkannt zu haben. Jch habe an
ihr gezweifelt, und doch ist nie ein Weib mehr geliebt worden. Wenn dies
meinen Schmerz besänftigen könnte -- --     Magdalene.

PS. Der kleine Dofsky ist sehr traurig. Er ist gar nicht so kaltherzig,
wie ich dachte. Wenn Du hättest hören können, wie schön er über "Jhn" ge-
sprochen hat. Er hat ihn wahrhaft verehrt und bewundert, wie ich. Wir ver-
stehen uns. Jch habe ihn lieb gewonnen. Er ist mir ein Tröster in dieser
schweren Zeit.



J. Schaumberger: Die große Liebe.
Männer, die die Liebe ernst nehmen. Das brachte das Gespräch natürlich
wieder auf „Jhn“. Jch glaube, sagte der Kleine, er fängt an, vernünftig zu
werden. Wenigstens hat er sich unlängst auf dem Ball im Metropol=Theater,
wie es schien, famos amüsiert. — Mit einem Weib? — Natürlich, selbstver-
ständlich! —

„Fängt an, vernünftig zu werden!!“ — Wie sich doch die Männer in
solchen Dingen täuschen! Es ist klar, er sucht sich zu betäuben, zu zerstreuen.
Aber „auf diesem nicht ungewöhnlichen Wege“! Das hätte ich von ihm nicht
erwartet. — —     Deine Leni.

PS. Diese Bälle sollen übrigens nicht selten von Damen aus der besten
Gesellschaft besucht werden. Was sagst Du dazu? Wäre es nicht ein gott-
gefälliges Werk, wenn Du Deine Tugend einmal auf so gefährliche Weise auf
die Probe stellen würdest? Der kleine Dofsky würde uns begleiten.


Liebe Ottilie!

„— — Die große Liebe! Jch muß lachen. Bitte, lach' doch mit! Lach'
mich tüchtig aus. Deine kluge Lena ist eine Gans. Die große Liebe! Er hat
richtig eine Eroberung gemacht. Sie kommt täglich zu ihm ins Atelier. Und
er malt sie natürlich auch. Aber frag' mich nur nicht, wie! Kein Zweifel! Er
ist getröstet. Wie gemein doch das Leben ist. Wenn ich noch an die große
Liebe glaubte, so würde ich eher noch für möglich halten, daß eine Frau ihrer
fähig wäre. Ein Mann niemals! Und ich war nahe daran — — Pfui! — —

    Lena.


Meine teure Freundin!

„— Mein Gott, mein Gott! Was sagst Du dazu! Jch bin kaum im-
stande, mich zu beherrschen. Schrecklich! Es traf mich wie ein Blitz. Kein
Zweifel, daß er selbst — — ich vermag es nicht niederzuschreiben, das Furcht-
bare. Aber ich fühle es, ich bin davon überzeugt, trotz seiner edlen, groß-
mütigen Bemühungen, die Katastrophe als einen Unglücksfall erscheinen zu
lassen. Niemand ahnt, daß er meinetwegen — Nur ich weiß die Wahrheit und
Du, nur wir beide, und Du wirst schweigen, treue Seele, schweigen, und mit
mir leiden. — Jch kann Dir nicht sagen, wie mir zu Mute ist. Welch eine
Qual, seinen Gram, seine Tränen verbergen zu müssen. Jetzt habe ich keine
Tränen mehr, ich habe zu viel um ihn geweint. Das Qualvollste ist die
Reue, die ich empfinde, seine große Liebe verkannt zu haben. Jch habe an
ihr gezweifelt, und doch ist nie ein Weib mehr geliebt worden. Wenn dies
meinen Schmerz besänftigen könnte — —     Magdalene.

PS. Der kleine Dofsky ist sehr traurig. Er ist gar nicht so kaltherzig,
wie ich dachte. Wenn Du hättest hören können, wie schön er über „Jhn“ ge-
sprochen hat. Er hat ihn wahrhaft verehrt und bewundert, wie ich. Wir ver-
stehen uns. Jch habe ihn lieb gewonnen. Er ist mir ein Tröster in dieser
schweren Zeit.



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[471/0039] J. Schaumberger: Die große Liebe. Männer, die die Liebe ernst nehmen. Das brachte das Gespräch natürlich wieder auf „Jhn“. Jch glaube, sagte der Kleine, er fängt an, vernünftig zu werden. Wenigstens hat er sich unlängst auf dem Ball im Metropol=Theater, wie es schien, famos amüsiert. — Mit einem Weib? — Natürlich, selbstver- ständlich! — „Fängt an, vernünftig zu werden!!“ — Wie sich doch die Männer in solchen Dingen täuschen! Es ist klar, er sucht sich zu betäuben, zu zerstreuen. Aber „auf diesem nicht ungewöhnlichen Wege“! Das hätte ich von ihm nicht erwartet. — — Deine Leni. PS. Diese Bälle sollen übrigens nicht selten von Damen aus der besten Gesellschaft besucht werden. Was sagst Du dazu? Wäre es nicht ein gott- gefälliges Werk, wenn Du Deine Tugend einmal auf so gefährliche Weise auf die Probe stellen würdest? Der kleine Dofsky würde uns begleiten. 16. Januar 05. Liebe Ottilie! „— — Die große Liebe! Jch muß lachen. Bitte, lach' doch mit! Lach' mich tüchtig aus. Deine kluge Lena ist eine Gans. Die große Liebe! Er hat richtig eine Eroberung gemacht. Sie kommt täglich zu ihm ins Atelier. Und er malt sie natürlich auch. Aber frag' mich nur nicht, wie! Kein Zweifel! Er ist getröstet. Wie gemein doch das Leben ist. Wenn ich noch an die große Liebe glaubte, so würde ich eher noch für möglich halten, daß eine Frau ihrer fähig wäre. Ein Mann niemals! Und ich war nahe daran — — Pfui! — — Lena. 27. Januar 05. Meine teure Freundin! „— Mein Gott, mein Gott! Was sagst Du dazu! Jch bin kaum im- stande, mich zu beherrschen. Schrecklich! Es traf mich wie ein Blitz. Kein Zweifel, daß er selbst — — ich vermag es nicht niederzuschreiben, das Furcht- bare. Aber ich fühle es, ich bin davon überzeugt, trotz seiner edlen, groß- mütigen Bemühungen, die Katastrophe als einen Unglücksfall erscheinen zu lassen. Niemand ahnt, daß er meinetwegen — Nur ich weiß die Wahrheit und Du, nur wir beide, und Du wirst schweigen, treue Seele, schweigen, und mit mir leiden. — Jch kann Dir nicht sagen, wie mir zu Mute ist. Welch eine Qual, seinen Gram, seine Tränen verbergen zu müssen. Jetzt habe ich keine Tränen mehr, ich habe zu viel um ihn geweint. Das Qualvollste ist die Reue, die ich empfinde, seine große Liebe verkannt zu haben. Jch habe an ihr gezweifelt, und doch ist nie ein Weib mehr geliebt worden. Wenn dies meinen Schmerz besänftigen könnte — — Magdalene. PS. Der kleine Dofsky ist sehr traurig. Er ist gar nicht so kaltherzig, wie ich dachte. Wenn Du hättest hören können, wie schön er über „Jhn“ ge- sprochen hat. Er hat ihn wahrhaft verehrt und bewundert, wie ich. Wir ver- stehen uns. Jch habe ihn lieb gewonnen. Er ist mir ein Tröster in dieser schweren Zeit.

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Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 10. Berlin-Charlottenburg, 23. März 1905, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0110_1905/39>, abgerufen am 26.09.2024.