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Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 10. Berlin-Charlottenburg, 23. März 1905.

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Ed. Bernstein: Russenkurs und russische Kurse.
deutschen Bürgern aus der Tasche zu ziehen und auch jetzt es nicht einmal für
notwendig halten, das deutsche Volk vor weiterem Schaden zu bewahren, wollen
sie dieselben Steuerzahler jetzt auch noch die Kriegskosten des andern kriegführen-
den Teiles bezahlen lassen. Und zum Ausgleich dafür sollen wieder dieselben
Steuerzahler auch noch die Kosten für eine Vergrößerung der deutschen Kriegs-
flotte aufbringen. Und das obendrein in einer Zeit, in der man Handel und
Wandel durch eine Politik unterbindet, wie sie in den neuen Handelsverträgen
ihren Ausdruck findet.

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Russenkurs und russische Kurse.
Von Ed. Bernstein, M. d. R.

Die Finanzlage eines Landes spiegelt sich im Kurs seiner Anleihen,
wenn es staatliches Papiergeld ausgibt oder eine unterwertige Metallwährung
hat, im Kurs seiner Valuta wider. Da jeder Krieg Werte zerstört, Arbeit
teils lahmlegt, teils von der Erzeugung produktiver auf die unproduktiver
Artikel ablenkt, hat er die Wirkung, die Finanzlage der ihn führenden Länder
je nach Dauer und Verlauf zu verschlechtern. Es erscheint zeitgemäß, dies
an einigen Beispielen aus der Geschichte des 19. Jahrhunderts zu illustrieren.

Nehmen wir zunächst Oesterreich in der Zeit der nachmärzlichen Re-
aktion, wo seine politische Lage eine ähnliche war, wie heute die Rußlands.

Am 31. Dezember 1858, am Vorabend des italienischen Krieges, ward
an der Berliner Börse der Wiener Wechselkurs mit97 1 / 2 Prozent, der Kurs
der fünfprozentigen Oesterreichischen Nationalanleihe mit84 1 / 2 Prozent, der
einer andern fünfprozentigen Anleihe, der sogenannten Metalliques, mit
84 Prozent notiert. Keine sechs Monate später, am 8. Juni 1859,
als die Niederlage bei Magenta feststand, waren die betreffenden Preise auf
67 1 / 2 Prozent,46 1 / 2 Prozent,41 1 / 2 Prozent gesunken. Gegen den Kurs von
Ende Dezember eine Einbuße der Valuta um 30,77 Prozent, der National-
anleihe um 44,97 Prozent, der Metalliques um 50,59 Prozent im Wert!

Der Friedensschluß nach der Niederlage von Solferino brachte nur eine
schwache Erholung von diesem Sturz. Die österreichischen Finanzen waren zer-
rüttet und blieben es auf lange. Am 31. Mai 1866, dem Vorabend des
preußisch=österreichischen Krieges, notierte die österreichische Valuta 80 Prozent,
die Nationalanleihe 48 Prozent, die Metalliques 42 Prozent, um am 4. Juli
des gleichen Jahres, am Tage nach der Schlacht bei Königgrätz, 73 Prozent,
44 1 / 2 Prozent und 40 Prozent zu stehen. Und nur der Umstand, daß die ent-
scheidenden Schläge so schnell fielen, verhinderte ein noch weiteres Sinken.
Aber auch nach dem Friedensschluß und der in seinem Gefolge einsetzenden
Berufung eines bürgerlich liberalen Ministeriums, dauerte es noch Jahr-

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deutschen Bürgern aus der Tasche zu ziehen und auch jetzt es nicht einmal für
notwendig halten, das deutsche Volk vor weiterem Schaden zu bewahren, wollen
sie dieselben Steuerzahler jetzt auch noch die Kriegskosten des andern kriegführen-
den Teiles bezahlen lassen. Und zum Ausgleich dafür sollen wieder dieselben
Steuerzahler auch noch die Kosten für eine Vergrößerung der deutschen Kriegs-
flotte aufbringen. Und das obendrein in einer Zeit, in der man Handel und
Wandel durch eine Politik unterbindet, wie sie in den neuen Handelsverträgen
ihren Ausdruck findet.

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Russenkurs und russische Kurse.
Von Ed. Bernstein, M. d. R.

Die Finanzlage eines Landes spiegelt sich im Kurs seiner Anleihen,
wenn es staatliches Papiergeld ausgibt oder eine unterwertige Metallwährung
hat, im Kurs seiner Valuta wider. Da jeder Krieg Werte zerstört, Arbeit
teils lahmlegt, teils von der Erzeugung produktiver auf die unproduktiver
Artikel ablenkt, hat er die Wirkung, die Finanzlage der ihn führenden Länder
je nach Dauer und Verlauf zu verschlechtern. Es erscheint zeitgemäß, dies
an einigen Beispielen aus der Geschichte des 19. Jahrhunderts zu illustrieren.

Nehmen wir zunächst Oesterreich in der Zeit der nachmärzlichen Re-
aktion, wo seine politische Lage eine ähnliche war, wie heute die Rußlands.

Am 31. Dezember 1858, am Vorabend des italienischen Krieges, ward
an der Berliner Börse der Wiener Wechselkurs mit97 1 / 2 Prozent, der Kurs
der fünfprozentigen Oesterreichischen Nationalanleihe mit84 1 / 2 Prozent, der
einer andern fünfprozentigen Anleihe, der sogenannten Metalliques, mit
84 Prozent notiert. Keine sechs Monate später, am 8. Juni 1859,
als die Niederlage bei Magenta feststand, waren die betreffenden Preise auf
67 1 / 2 Prozent,46 1 / 2 Prozent,41 1 / 2 Prozent gesunken. Gegen den Kurs von
Ende Dezember eine Einbuße der Valuta um 30,77 Prozent, der National-
anleihe um 44,97 Prozent, der Metalliques um 50,59 Prozent im Wert!

Der Friedensschluß nach der Niederlage von Solferino brachte nur eine
schwache Erholung von diesem Sturz. Die österreichischen Finanzen waren zer-
rüttet und blieben es auf lange. Am 31. Mai 1866, dem Vorabend des
preußisch=österreichischen Krieges, notierte die österreichische Valuta 80 Prozent,
die Nationalanleihe 48 Prozent, die Metalliques 42 Prozent, um am 4. Juli
des gleichen Jahres, am Tage nach der Schlacht bei Königgrätz, 73 Prozent,
44 1 / 2 Prozent und 40 Prozent zu stehen. Und nur der Umstand, daß die ent-
scheidenden Schläge so schnell fielen, verhinderte ein noch weiteres Sinken.
Aber auch nach dem Friedensschluß und der in seinem Gefolge einsetzenden
Berufung eines bürgerlich liberalen Ministeriums, dauerte es noch Jahr-

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[436/0004] Ed. Bernstein: Russenkurs und russische Kurse. deutschen Bürgern aus der Tasche zu ziehen und auch jetzt es nicht einmal für notwendig halten, das deutsche Volk vor weiterem Schaden zu bewahren, wollen sie dieselben Steuerzahler jetzt auch noch die Kriegskosten des andern kriegführen- den Teiles bezahlen lassen. Und zum Ausgleich dafür sollen wieder dieselben Steuerzahler auch noch die Kosten für eine Vergrößerung der deutschen Kriegs- flotte aufbringen. Und das obendrein in einer Zeit, in der man Handel und Wandel durch eine Politik unterbindet, wie sie in den neuen Handelsverträgen ihren Ausdruck findet. [Abbildung] Russenkurs und russische Kurse. Von Ed. Bernstein, M. d. R. Die Finanzlage eines Landes spiegelt sich im Kurs seiner Anleihen, wenn es staatliches Papiergeld ausgibt oder eine unterwertige Metallwährung hat, im Kurs seiner Valuta wider. Da jeder Krieg Werte zerstört, Arbeit teils lahmlegt, teils von der Erzeugung produktiver auf die unproduktiver Artikel ablenkt, hat er die Wirkung, die Finanzlage der ihn führenden Länder je nach Dauer und Verlauf zu verschlechtern. Es erscheint zeitgemäß, dies an einigen Beispielen aus der Geschichte des 19. Jahrhunderts zu illustrieren. Nehmen wir zunächst Oesterreich in der Zeit der nachmärzlichen Re- aktion, wo seine politische Lage eine ähnliche war, wie heute die Rußlands. Am 31. Dezember 1858, am Vorabend des italienischen Krieges, ward an der Berliner Börse der Wiener Wechselkurs mit97 1 / 2 Prozent, der Kurs der fünfprozentigen Oesterreichischen Nationalanleihe mit84 1 / 2 Prozent, der einer andern fünfprozentigen Anleihe, der sogenannten Metalliques, mit 84 Prozent notiert. Keine sechs Monate später, am 8. Juni 1859, als die Niederlage bei Magenta feststand, waren die betreffenden Preise auf 67 1 / 2 Prozent,46 1 / 2 Prozent,41 1 / 2 Prozent gesunken. Gegen den Kurs von Ende Dezember eine Einbuße der Valuta um 30,77 Prozent, der National- anleihe um 44,97 Prozent, der Metalliques um 50,59 Prozent im Wert! Der Friedensschluß nach der Niederlage von Solferino brachte nur eine schwache Erholung von diesem Sturz. Die österreichischen Finanzen waren zer- rüttet und blieben es auf lange. Am 31. Mai 1866, dem Vorabend des preußisch=österreichischen Krieges, notierte die österreichische Valuta 80 Prozent, die Nationalanleihe 48 Prozent, die Metalliques 42 Prozent, um am 4. Juli des gleichen Jahres, am Tage nach der Schlacht bei Königgrätz, 73 Prozent, 44 1 / 2 Prozent und 40 Prozent zu stehen. Und nur der Umstand, daß die ent- scheidenden Schläge so schnell fielen, verhinderte ein noch weiteres Sinken. Aber auch nach dem Friedensschluß und der in seinem Gefolge einsetzenden Berufung eines bürgerlich liberalen Ministeriums, dauerte es noch Jahr-

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Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 10. Berlin-Charlottenburg, 23. März 1905, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0110_1905/4>, abgerufen am 22.11.2024.