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Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 13. Berlin-Charlottenburg, 13. April 1905.

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Kurt Aram: L'art pour l'art.
gründet das auch psychologisch sehr fein... Als sie ging, lachte sie. Jch ver-
gesse es nie, dies feine, leise, harte, spöttische Lachen... Wir sahen uns lange
nicht. Jch suchte sie nicht mehr auf, denn ich schämte mich und arbeitete wie
ein Pferd, möglichst viel zu verdienen, um möglichst viel vertun zu können und
in zweifelhafter Gesellschaft mich zu betäuben, sie zu vergessen. Es waren
schauderhafte, wüste Wochen, sag ich Dir. Mir graut jetzt noch, wenn ich daran
denke... Jch wurde schließlich krank..."

"Bettlägerig?"

"Stelle Dich doch nicht so einfältig, Du Kamel!"

"Ach so, jetzt verstehe ich."

"Da kommt sie wieder. Sie habe jetzt etwas Geld und wünsche, sich von
mir malen zu lassen. Jch male sie also, und der alte Kampf beginnt wieder...
O, jetzt war ich nicht mehr so dumm!... Aber ich war ja krank!... Als sie
dann bald wieder fortblieb, konnte ich sie nicht vergessen, ich war eifersüchtig,
rasend eifersüchtig. Fast meine ganze Zeit verbrachte ich vor ihrer Pension
und belauerte jeden, der aus und ein ging. Es war eine teure Pension in
Berlin W. Jn das Haus wagte ich mich nicht. Jch hatte ja kein Geld, konnte
ihr nichts bieten. Da kam mein Bruder nach Berlin. Er erschrak nicht wenig
über mein Aussehen und weigerte sich, mir Geld zu geben. Er hatte selbst nicht
viel und glaubte wohl aus meiner Verfassung schließen zu müssen, ich würde sein
Weniges doch nur verprassen. Da lauerte ich ihm in der Dunkelheit auf und
zwang ihn, mir vierzig Mark zu geben. Jch hätte ihn niedergeschlagen, wenn
er es nicht getan. Er sah mir das wohl auch an. Mit den vierzig Mark eilte
ich dann in aller Herrgottsfrühe in die Pension. Man wollte mich nicht zu ihr
lassen, das gnädige Fräulein schlafe noch. Jch drückte einfach die Tür ein und
warf ihr das Geld auf die Bettdecke. "Jeden Tag bekommst Du so viel. Mein
Bruder hilft uns. Stehe gleich auf und komm mit!" Sie lachte.
"Du brauchst das Geld nötiger als ich." Als sie es verächtlich von
der Decke stieß, schoß es mir wie rotes Feuer in den Kopf, ich sprang auf sie zu,
meine Hände um ihren Hals, und ich hätte sie erdrosselt, wären nicht Leute ge-
kommen... Noch denselben Vormittag reiste sie ab. Jch konnte nie in Er-
fahrung bringen, wohin. Du kannst Dir denken, wie mir wurde, als ich sie
eben jetzt nach zwanzig Jahren zum ersten Mal wiedersah."

"Du konntest sie nicht vergessen?"

"Nie. All die Jahre nicht."

"Du wirst sie aufsuchen?"

"Jawohl. Morgen früh um neun Uhr."

Die beiden erhoben sich.

"Könnten wir uns nicht morgen abend wieder treffen?" fragte der
Lyriker.

Eduard lächelte. "Warum nicht."

"Hier, in der Bar, an diesem Tisch?"

Eduard nickte. "Zwischen elf und zwölf."

Als sie ins Freie traten, tagte es schon und die Amseln flöteten.

Um die Erregung, die in ihm war, etwas zu dämpfen, kam Eduard wieder
auf das Kunstgespräch zurück. "Hörst Du die Amselväter? Die flöten auch
nicht um des Flötens willen, sondern um die Weibchen zu locken."

Kurt Aram: L'art pour l'art.
gründet das auch psychologisch sehr fein... Als sie ging, lachte sie. Jch ver-
gesse es nie, dies feine, leise, harte, spöttische Lachen... Wir sahen uns lange
nicht. Jch suchte sie nicht mehr auf, denn ich schämte mich und arbeitete wie
ein Pferd, möglichst viel zu verdienen, um möglichst viel vertun zu können und
in zweifelhafter Gesellschaft mich zu betäuben, sie zu vergessen. Es waren
schauderhafte, wüste Wochen, sag ich Dir. Mir graut jetzt noch, wenn ich daran
denke... Jch wurde schließlich krank...“

„Bettlägerig?“

„Stelle Dich doch nicht so einfältig, Du Kamel!“

„Ach so, jetzt verstehe ich.“

„Da kommt sie wieder. Sie habe jetzt etwas Geld und wünsche, sich von
mir malen zu lassen. Jch male sie also, und der alte Kampf beginnt wieder...
O, jetzt war ich nicht mehr so dumm!... Aber ich war ja krank!... Als sie
dann bald wieder fortblieb, konnte ich sie nicht vergessen, ich war eifersüchtig,
rasend eifersüchtig. Fast meine ganze Zeit verbrachte ich vor ihrer Pension
und belauerte jeden, der aus und ein ging. Es war eine teure Pension in
Berlin W. Jn das Haus wagte ich mich nicht. Jch hatte ja kein Geld, konnte
ihr nichts bieten. Da kam mein Bruder nach Berlin. Er erschrak nicht wenig
über mein Aussehen und weigerte sich, mir Geld zu geben. Er hatte selbst nicht
viel und glaubte wohl aus meiner Verfassung schließen zu müssen, ich würde sein
Weniges doch nur verprassen. Da lauerte ich ihm in der Dunkelheit auf und
zwang ihn, mir vierzig Mark zu geben. Jch hätte ihn niedergeschlagen, wenn
er es nicht getan. Er sah mir das wohl auch an. Mit den vierzig Mark eilte
ich dann in aller Herrgottsfrühe in die Pension. Man wollte mich nicht zu ihr
lassen, das gnädige Fräulein schlafe noch. Jch drückte einfach die Tür ein und
warf ihr das Geld auf die Bettdecke. „Jeden Tag bekommst Du so viel. Mein
Bruder hilft uns. Stehe gleich auf und komm mit!“ Sie lachte.
„Du brauchst das Geld nötiger als ich.“ Als sie es verächtlich von
der Decke stieß, schoß es mir wie rotes Feuer in den Kopf, ich sprang auf sie zu,
meine Hände um ihren Hals, und ich hätte sie erdrosselt, wären nicht Leute ge-
kommen... Noch denselben Vormittag reiste sie ab. Jch konnte nie in Er-
fahrung bringen, wohin. Du kannst Dir denken, wie mir wurde, als ich sie
eben jetzt nach zwanzig Jahren zum ersten Mal wiedersah.“

„Du konntest sie nicht vergessen?“

„Nie. All die Jahre nicht.“

„Du wirst sie aufsuchen?“

„Jawohl. Morgen früh um neun Uhr.“

Die beiden erhoben sich.

„Könnten wir uns nicht morgen abend wieder treffen?“ fragte der
Lyriker.

Eduard lächelte. „Warum nicht.“

„Hier, in der Bar, an diesem Tisch?“

Eduard nickte. „Zwischen elf und zwölf.“

Als sie ins Freie traten, tagte es schon und die Amseln flöteten.

Um die Erregung, die in ihm war, etwas zu dämpfen, kam Eduard wieder
auf das Kunstgespräch zurück. „Hörst Du die Amselväter? Die flöten auch
nicht um des Flötens willen, sondern um die Weibchen zu locken.“

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Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 13. Berlin-Charlottenburg, 13. April 1905, S. 629. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0113_1905/37>, abgerufen am 21.11.2024.