Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 13. Berlin-Charlottenburg, 13. April 1905.Kurt Aram: L'art pour l'art. Paul, der Lyriker lächelte. "Du irrst, mein Lieber. Die Weibchen Als Paul am nächsten Abend in die Bar kam, saß Eduard schon an seinem "Nanu?! Jch dachte, heute sähst Du anders drein?" "Das dacht' ich auch." "Warst Du denn nicht bei ihr?" "Das schon. Und sie hat mir aus ihrem Leben erzählt... Ein bewegtes "Da hat sie schon recht," meinte Paul. "Seit acht Jahren ist sie verheiratet. Mit einem Millionär." "Nun?... Und?..." "Jetzt ist sie eine anständige Frau, die ihr sicheres Leben durch keinen "Aber, lieber Freund, sie wird schon noch nachgeben und verkünftig "Jch gehe nicht mehr hin. Jch habe mir einen Korb geholt, aus ist's!" Die beiden sogen nachdenklich an ihrem American drink. "Und vergessen kann ich sie jetzt erst recht nicht wieder," seufzte Eduard. Paul suchte nach einem Trost und meinte schließlich: "Sieh mal, artistisch "Was kauf' ich mir dafür!" Eduard schlug wütend auf den Tisch. Der Lyriker grinste. "Ob Maler, Dichter oder Amsel. Hauptsache, daß Kurt Aram: L'art pour l'art. Paul, der Lyriker lächelte. „Du irrst, mein Lieber. Die Weibchen Als Paul am nächsten Abend in die Bar kam, saß Eduard schon an seinem „Nanu?! Jch dachte, heute sähst Du anders drein?“ „Das dacht' ich auch.“ „Warst Du denn nicht bei ihr?“ „Das schon. Und sie hat mir aus ihrem Leben erzählt... Ein bewegtes „Da hat sie schon recht,“ meinte Paul. „Seit acht Jahren ist sie verheiratet. Mit einem Millionär.“ „Nun?... Und?...“ „Jetzt ist sie eine anständige Frau, die ihr sicheres Leben durch keinen „Aber, lieber Freund, sie wird schon noch nachgeben und verkünftig „Jch gehe nicht mehr hin. Jch habe mir einen Korb geholt, aus ist's!“ Die beiden sogen nachdenklich an ihrem American drink. „Und vergessen kann ich sie jetzt erst recht nicht wieder,“ seufzte Eduard. Paul suchte nach einem Trost und meinte schließlich: „Sieh mal, artistisch „Was kauf' ich mir dafür!“ Eduard schlug wütend auf den Tisch. Der Lyriker grinste. „Ob Maler, Dichter oder Amsel. Hauptsache, daß <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <pb facs="#f0038" n="630"/> <fw type="header" place="top">Kurt Aram: <hi rendition="#aq">L'art pour l'art.</hi> </fw><lb/> <p>Paul, der Lyriker lächelte. „Du irrst, mein Lieber. Die Weibchen<lb/> kommen nicht, es ist ihnen noch zu kalt. Nur deshalb flöten die Männchen so<lb/> schön. Kommen die Weibchen erst, vergeht den Amseln das Flöten. Mit dem<lb/> Nesterbauen hört das auf. Jhr Flöten ist eben doch, wenn mans genau be-<lb/> trachtet, auch <hi rendition="#aq">l'art pour l'art</hi> =Kunst.“</p><lb/> <p>Als Paul am nächsten Abend in die Bar kam, saß Eduard schon an seinem<lb/> Platz und machte ein sehr mißmutiges Gesicht.</p><lb/> <p>„Nanu?! Jch dachte, heute sähst Du anders drein?“</p><lb/> <p>„Das dacht' ich auch.“</p><lb/> <p>„Warst Du denn nicht bei ihr?“</p><lb/> <p>„Das schon. Und sie hat mir aus ihrem Leben erzählt... Ein bewegtes<lb/> Leben! „Du bist an dem allen schuld,“ hat sie gesagt und geweint.“</p><lb/> <p>„Da hat sie schon recht,“ meinte Paul.</p><lb/> <p>„Seit acht Jahren ist sie verheiratet. Mit einem Millionär.“</p><lb/> <p>„Nun?... Und?...“</p><lb/> <p>„Jetzt ist sie eine anständige Frau, die ihr sicheres Leben durch keinen<lb/> Seitensprung gefährden will. Dumm, blöd, anständig ist sie geworden und so<lb/> hohl und oberflächlich!... Die richtige elegante Lebedame... Aus ist's!“</p><lb/> <p>„Aber, lieber Freund, sie wird schon noch nachgeben und verkünftig<lb/> werden.“</p><lb/> <p>„Jch gehe nicht mehr hin. Jch habe mir einen Korb geholt, aus ist's!“</p><lb/> <p>Die beiden sogen nachdenklich an ihrem <hi rendition="#aq">American drink.</hi> </p><lb/> <p>„Und vergessen kann ich sie jetzt erst recht nicht wieder,“ seufzte Eduard.</p><lb/> <p>Paul suchte nach einem Trost und meinte schließlich: „Sieh mal, artistisch<lb/> betrachtet, ist alles so sehr gut. Wärst Du vor zwanzig Jahren nicht so dumm<lb/> gewesen, hättest Du damals nicht das Pech gehabt... mein Gott, dann gab es<lb/> halt eine Liebelei mehr in Deinem Leben. Jedenfalls hättest Du gestern nicht so<lb/> gezittert, als Du sie wiedersahst, wärst vielleicht nie der berühmte Frauenmaler<lb/> geworden... Und hätte sie sich Dir heute hingegeben, hättest Du sie bis<lb/> übermorgen am Ende wieder vergessen. So wirst Du weiter der berühmte<lb/> Maler sein, der Künstler mit der merkwürdigen, verhaltenen Sehnsucht.“</p><lb/> <p>„Was kauf' ich mir dafür!“ Eduard schlug wütend auf den Tisch.</p><lb/> <p>Der Lyriker grinste. „Ob Maler, Dichter oder Amsel. Hauptsache, daß<lb/> geflötet wird. Und das geht nur, solange wir unser Ziel nicht erreicht haben.<lb/> Ohne Zweck, nur aus Sehnsucht und Verlangen flöten wir alle miteinander.<lb/><hi rendition="#aq">L'art pour l'art</hi>!“</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </text> </TEI> [630/0038]
Kurt Aram: L'art pour l'art.
Paul, der Lyriker lächelte. „Du irrst, mein Lieber. Die Weibchen
kommen nicht, es ist ihnen noch zu kalt. Nur deshalb flöten die Männchen so
schön. Kommen die Weibchen erst, vergeht den Amseln das Flöten. Mit dem
Nesterbauen hört das auf. Jhr Flöten ist eben doch, wenn mans genau be-
trachtet, auch l'art pour l'art =Kunst.“
Als Paul am nächsten Abend in die Bar kam, saß Eduard schon an seinem
Platz und machte ein sehr mißmutiges Gesicht.
„Nanu?! Jch dachte, heute sähst Du anders drein?“
„Das dacht' ich auch.“
„Warst Du denn nicht bei ihr?“
„Das schon. Und sie hat mir aus ihrem Leben erzählt... Ein bewegtes
Leben! „Du bist an dem allen schuld,“ hat sie gesagt und geweint.“
„Da hat sie schon recht,“ meinte Paul.
„Seit acht Jahren ist sie verheiratet. Mit einem Millionär.“
„Nun?... Und?...“
„Jetzt ist sie eine anständige Frau, die ihr sicheres Leben durch keinen
Seitensprung gefährden will. Dumm, blöd, anständig ist sie geworden und so
hohl und oberflächlich!... Die richtige elegante Lebedame... Aus ist's!“
„Aber, lieber Freund, sie wird schon noch nachgeben und verkünftig
werden.“
„Jch gehe nicht mehr hin. Jch habe mir einen Korb geholt, aus ist's!“
Die beiden sogen nachdenklich an ihrem American drink.
„Und vergessen kann ich sie jetzt erst recht nicht wieder,“ seufzte Eduard.
Paul suchte nach einem Trost und meinte schließlich: „Sieh mal, artistisch
betrachtet, ist alles so sehr gut. Wärst Du vor zwanzig Jahren nicht so dumm
gewesen, hättest Du damals nicht das Pech gehabt... mein Gott, dann gab es
halt eine Liebelei mehr in Deinem Leben. Jedenfalls hättest Du gestern nicht so
gezittert, als Du sie wiedersahst, wärst vielleicht nie der berühmte Frauenmaler
geworden... Und hätte sie sich Dir heute hingegeben, hättest Du sie bis
übermorgen am Ende wieder vergessen. So wirst Du weiter der berühmte
Maler sein, der Künstler mit der merkwürdigen, verhaltenen Sehnsucht.“
„Was kauf' ich mir dafür!“ Eduard schlug wütend auf den Tisch.
Der Lyriker grinste. „Ob Maler, Dichter oder Amsel. Hauptsache, daß
geflötet wird. Und das geht nur, solange wir unser Ziel nicht erreicht haben.
Ohne Zweck, nur aus Sehnsucht und Verlangen flöten wir alle miteinander.
L'art pour l'art!“
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Zitationshilfe: | Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 13. Berlin-Charlottenburg, 13. April 1905, S. 630. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0113_1905/38>, abgerufen am 26.06.2024. |